Landtag Brandenburg Drucksache 6/7358 6. Wahlperiode Eingegangen: 11.09.2017 / Ausgegeben: 13.09.2017 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 2932 der Abgeordneten Ursula Nonnemacher (Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Drucksache 6/7147 Landespsychiatriebeirat und Besuchskommission Namens der Landesregierung beantwortet die Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung der Fragestellerin: Eine gute Versorgungsstruktur für Menschen mit psychischen Erkrankungen bedarf der kontinuierlichen Beobachtung und Weiterentwicklung. Die Landesregierung ist gemeinsam mit den Kommunen gefordert, ein personenzentriertes und gemeindenahes Versorgungsangebot zu ermöglichen. Um dieses Ziel zu erreichen, liegt es nahe, strukturell mit Personen und Institutionen zusammenzuarbeiten, die alltäglich an der Versorgung psychisch Kranker beteiligt sind. In der vergangenen Legislaturperiode wurde die Landesregierung in Fragen der Versorgung psychisch kranker Menschen durch den Landespsychiatriebeirat beraten. Die Mitglieder des Beirats beziehungsweise die Institutionen, denen diese angehörten, repräsentierten verschiedene Bereiche der Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen . Die Landesregierung hat für die aktuelle Legislaturperiode keinen Psychiatriebeirat einberufen. Ich frage die Landesregierung: 1. Welche Vor- und Nachteile sieht sie in der Arbeit eines Landespsychiatriebeirats? Zu Frage 1: Ein Landespsychiatriebeirat diskutiert über Probleme und Entwicklungen in der Psychiatrie im Land und berät die Politik und Verwaltung auf Landesebene. Hierfür wird ein Kreis von Expertinnen und Experten, vorrangig aus verschiedenen Zweigen der Versorgung, berufen. Für die Aufgaben und Ziele des Psychiatriebeirates Brandenburg wurde in der Geschäftsordnung vom 15.7.2010 eine thematische Offenheit formuliert. Diese ist für einen breiten Austausch von Vorteil. Andererseits gehen damit auch Nachteile einher. Dies betrifft einerseits einen relativ großen Aufwand des Managements eines solchen Gremiums von Seiten des Ministeriums. Andererseits liegen viele Themen und mögliche Lösungen außerhalb der Reichweite der Landespolitik. In der gegenwärtigen Legislaturperiode werden daher andere Formate genutzt, um einen engen und fruchtbaren Austausch mit den Fachkräften der Psychiatrie sowie Angehörigen und Psychiatrieerfahrenen zu pflegen. 2. Wie bewertet sie die Relevanz der durch den Psychiatriebeirat der letzten Legislaturperiode ausgesprochenen Empfehlungen für ihre Arbeit? Landtag Brandenburg Drucksache 6/7358 - 2 - Zu Frage 2: Der Psychiatriebeirat der letzten Legislaturperiode hat eine Reihe von Empfehlungen ausgesprochen. Alle Empfehlungen wurden im damaligen Ministerium für Umwelt , Gesundheit und Verbraucherschutz (MUGV) diskutiert und kommentiert. Die Rückmeldungen wurden dem Beirat kommuniziert. Die Empfehlungen bilden bis heute eine Grundlage bzw. eine Wissensbasis in der Abteilung Gesundheit des Ministeriums für Arbeit , Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie (MASGF). 3. Welche Empfehlungen des Landespsychiatriebeirats in der letzten Legislaturperiode wurden von der Landesregierung angenommen und wie umgesetzt? Zu Frage 3: Der Landespsychiatriebeirat hatte in fünf Arbeitsgruppen (AGs) gearbeitet: 1. Ambulante psychiatrische und psychotherapeutische Versorgung 2. Weiterentwicklung der stationären Versorgung 3. Entwicklung der gemeindepsychiatrischen Versorgung 4. Gerontopsychiatrie 5. Entwicklung der Strukturen der kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie Wie aus den Namen der AGs bereits hervorgeht, standen Versorgungsthemen regelmäßig im Vordergrund. 15 Empfehlungen wurden abgegeben. Die Mehrzahl der Empfehlungen war an die Institutionen der Selbstverwaltung gerichtet: Gesetzliche Krankenkassen, Kassenärztliche Vereinigung Brandenburg und Krankenhäuser. In zwei Fällen wurde die Abteilung Gesundheit gebeten, Kontakte zu bahnen, was auch geschehen ist. Drei Empfehlungen waren unmittelbar an das damalige MUGV gerichtet: (1) Das gemeinsame Landesgremium nach § 90a SGB V sollte auch für Themen psychiatrischen Versorgung bzw. Bedarfsplanung genutzt werden. Bislang hat es hierzu aus dem Kreis der Mitglieder des Gremiums noch keine Initiative gegeben. Es wird aber in 2017 ausgehend vom Cluster Gesundheitswirtschaft Berlin-Brandenburg (HealthCapital) eine „Zukunftswerkstatt Innovative Versorgung“ zum Thema „Innovative sektorübergreifende Versorgungsansätze für Menschen mit psychischen Erkrankungen“ mit Akteuren aus beiden Ländern geben. Deren Ergebnisse sollen in die Gemeinsamen Landesgremien nach § 90a SGB V in beiden Ländern eingespeist werden. (2) Das MUGV war aufgefordert, regionale Modellvorhaben zur besseren Vernetzung lokaler Angebote zu unterstützen. Das MASGF fördert seit 2015 das Projekt „Stärkung der Patientenrechte in der psychiatrischen Versorgung“ (Träger Gesundheit Berlin-Brandenburg e.V.). Eine Aufgabe des Projekts deckt sich mit der genannten Empfehlung. (3) Die Erstellung eines Landespsychiatrieplanes wurde u.a. mit Hinweis auf mangelnde Verwaltungsressourcen nicht zugesagt. 4. Wie bewertet sie die Aufgaben und Ziele, die dem Psychiatriebeirat durch die Landesregierung in der letzten Wahlperiode gesetzt wurden? Würde sie in der aktuellen Wahlperiode andere Aufgaben und Ziele setzen? a. Wenn nein, sieht sie die Aufgaben und Ziele des Psychiatriebeirats hinsichtlich dessen Geschäftsordnung vom 15.07.2010 als erfüllt an? b. Wenn ja, i. Warum? ii. Welche? Landtag Brandenburg Drucksache 6/7358 - 3 - Zu Frage 4: Der Landespsychiatriebeirat verfolgte nach der Geschäftsordnung vom 15.07.2010 folgende Aufgaben und Ziele (§1): (1) Der Beirat hat die Aufgabe, das für das Gesundheitswesen zuständige Mitglied der Landesregierung in allen Fragen der Versorgung psychisch kranker und seelisch behinderter Menschen im Land Brandenburg zu beraten. (2) Der Beirat kann darüber hinaus auch alle sonstigen Fragestellungen im Zusammenhang mit der Versorgung psychisch kranker Menschen aufgreifen. (3) Der Beirat kann Empfehlungen an die Landesregierung beschließen, Stellungnahmen abgeben oder Vorschläge unterbreiten. (4) Gemeinsam mit der Landespolitik soll der Beirat mithelfen, besser über psychische Erkrankungen aufzuklären und für ein gesellschaftliches Klima mit Verständnis, Akzeptanz und ehrenamtlichem Engagement für psychisch Kranke und seelisch Behinderte zu werben. Wie bereits in der Antwort auf Frage 1 ausgeführt, sind die Aufgaben weit gefasst. Daher ist es nicht überraschend, dass ein Großteil der Empfehlungen nicht an das für Gesundheit zuständige Mitglied der Landesregierung gerichtet war. In der gegenwärtigen Legislaturperiode werden die oben formulierten Aufgaben mit anderen Formaten bzw. Vorgehensweisen bearbeitet. Hinzu kommt eine Priorisierung der Aufgabenstellungen. Im April 2016 hat Frau Staatssekretärin Hartwig-Tiedt anlässlich eines Treffens der Arbeitsgemeinschaft der Leiterinnen und Leiter Psychiatrischer Abteilungen und Fachkliniken im Land Brandenburg vier Leitideen für die Psychiatriepolitik formuliert: (1) Angestrebt wird die Sicherung gemeindepsychiatrischer Versorgungsstrukturen und damit eine wohnortnahe Grundversorgung, die an den Bedürfnissen der psychisch erkrankten Menschen und ihrer Familien ausgerichtet ist. Für die Kranken soll ein weitgehend eigenständiges und sozial integriertes Leben ermöglicht werden. (2) Das Selbstbestimmungsrecht und die Persönlichkeitsrechte psychisch kranker Menschen sollen beachtet und weiter gestärkt werden. Dieser Grundsatz bringt uns auch dazu, die Arbeit der Besuchskommissionen besonders zu schätzen und zu unterstützen . (3) Gute psychiatrische Versorgung zeigt sich in einer Verringerung der Anwendung von Zwangsmaßnahmen. Dazu gehören Unterbringungen gegen den Willen der Kranken wie auch andere Zwangsmaßnahmen, z.B. Fixierungen. Zwangsmaßnahmen sind immer ein schwieriges Thema. Sicher ist aber, dass ein vernetztes, qualifiziertes und kooperatives Versorgungsangebot bereits im Vorfeld einer krisenhaften Entwicklung Zwangsmaßnahmen reduzieren hilft. (4) Gute psychiatrische Versorgung wird in Beziehungen von Menschen für Menschen gemacht. Daher setzen wir uns für ausreichendes und qualifiziertes Personal ein. Die Aufgaben und Ziele, die dem Psychiatriebeirat durch die Landesregierung in der letzten Wahlperiode gesetzt wurden, werden damit auch gegenwärtig weiter bearbeitet . Aller-dings wurden die Aufgaben priorisiert (vgl. Leitideen oben) und es werden andere Formate zur Bearbeitung genutzt (vgl. Antwort auf Frage 6). 5. Wie bewertet sie hinsichtlich der Qualität und Quantität der durch den Beirat erfüllten Aufgaben und Ziele: a. Die thematische Festlegung der aus dem Beirat gebildeten Arbeitsgruppen? b. Die personelle und institutionelle Zusammensetzung des Psychiatriebeirats der letzten Legislaturperiode? Landtag Brandenburg Drucksache 6/7358 - 4 - Zu Frage 5: Der Landespsychiatriebeirat der letzten Legislaturperiode hat eine wertvolle Arbeit geleistet, die in wesentlichen Teilen bis heute Bestand hat. Insbesondere die Betonung patientenorientierter, gemeindepsychiatrischer Versorgung gilt bis heute. Die Benennung der Arbeitsgruppen weist auf das breite thematische Spektrum hin (vgl. Antwort auf Frage 3). Die Mitglieder des Beirates arbeiteten selbst in den Arbeitsgruppen und konnten noch weitere Expertinnen und Experten zur Mitarbeit einladen. Die personelle und institutionelle Zusammensetzung des Psychiatriebeirats der letzten Legislaturperiode spiegelte die Fachkunde aller Bereiche der Versorgung psychisch Kranker und die damit in Zusammenhang stehenden Institutionen auf Landesebene wider. In der aktuellen Legislaturperiode werden nunmehr die Themen in den Vordergrund gerückt , für die es eine direkte, staatliche Verantwortung gibt. Dazu gehören Zwangsmaßnahmen einschließlich Unterbringungen sowie damit zusammenhängend die Arbeit der Besuchskommissionen. 6. Ein Landespsychiatriebeirat bietet die Möglichkeit der Vernetzung zwischen den Kreisen /kreisfreien Städten, dem Land, den Kostenträgern und Institutionen, sowie den diversen Berufsgruppen die an der Versorgung psychisch kranker Menschen beteiligt sind. Welche Strategie verfolgt sie, um ohne diese regelmäßige institutionalisierte Netzwerkarbeit ein Gesamtkonzept für eine gemeindenahe und personenzentrierte Versorgung von Menschen mit psychischen Erkrankungen zu gewährleisten? Zu Frage 6: Der Landespsychiatriebeirat bildete eine Plattform zum Austausch für die verschiedenen , an der Versorgung beteiligten Verantwortlichen in der Psychiatrie. In der gegenwärtigen Legislaturperiode werden die kommunikativen Anforderungen auf anderen Wegen und eher themenspezifisch bearbeitet: Regelmäßige Treffen der Sozial-psychiatrischen Dienste und Psychiatriekoordinatoren im MASGF Regelmäßige Aufsichtssitzungen für die Leiterinnen und Leiter der nach dem BbgPsychKG beliehenen psychiatrischen Krankenhäuser Regelmäßige Treffen von Angehörigengruppen und Gruppen von Psychiatrieerfahrenen im MASGF. Am 24. April 2017 fand das „Dialogforum zu Veränderungsbedarfen des Brandenburger Psychisch-Kranken-Gesetzes“ statt. In Absprache mit der Abt. Gesundheit im MASGF hatte das Projekt „Stärkung der Patientenrechte in der psychiatrischen Versorgung“ (Träger Gesundheit Berlin-Brandenburg e.V.) eingeladen. Mehr als 100 Personen und darunter auch Vertreterinnen und Vertreter der Gruppen, die den Landespsychiatriebeirat gebildet hatten, folgten der Einladung, diskutierten auf der eintägigen Veranstaltung, wie gut Patientenrechte mit dem aktuellen Brandenburger Psychisch-Kranken-Gesetz (BbgPsychKG) abgebildet sind und gaben Anregungen für Veränderungen. Die Dokumentation des Dialogforums ist auf der Webseite des MASGF öffentlich zugänglich (www.masgf.brandenburg.de Gesundheit -> Psychiatrische Versorgung). 7. Haben sich in der aktuellen Wahlperiode Probleme oder Beschwerden bezüglich eines nicht ausreichenden Austausches der vorgenannten Akteurinnen und Akteure in der Versorgung psychisch Kranker ergeben? Wenn ja, bitte beschreiben. Landtag Brandenburg Drucksache 6/7358 - 5 - Zu Frage 7: Probleme oder Beschwerden bezüglich eines nicht ausreichenden Austausches der Akteurinnen und Akteure in der Versorgung psychisch Kranker sind nicht bekannt . Der Wunsch nach einer Weiterführung des Landespsychiatriebeirates wurde vor allem zu Beginn der aktuellen Legislaturperiode allerdings mehrfach an das MASGF herangetragen . 8. Hat sie die TeilnehmerInnen des Landespsychiatriebeirats der letzten Wahlperiode dessen Arbeit hinsichtlich Effektivität und Ergebnisqualität strukturiert bewerten lassen ? Wenn nein: Warum nicht? Hat sie sich in anderer Form eine Rückmeldung von den TeilnehmerInnen eingeholt ? Wenn nein, warum nicht? Zu Frage 8: Der Landespsychiatriebeirat hat gute Arbeit geleistet, wofür die Leitung des MASGF im Juli 2016 allen Mitgliedern des Beirats mit einem Schreiben gedankt hat. Gleichzeitig wurde allen Mitgliedern versichert, dass das MASGF weiter offen für Anregungen für eine gute psychiatrische Versorgung ist. Eine Selbstbewertung der ehemaligen Mitglieder des Landespsychiatriebeirats wurde nicht als sinnvoll betrachtet. 9. Hat sie dafür gesorgt, dass sich die von ihr angestrebte Zahl von 50 Personen für die Arbeit der Besuchskommission engagieren? a. Wenn ja, sind dadurch jährliche Besuche in stationären Kliniken und Tageskliniken gewährleistet? b. Wenn nein, i. Wie möchte die Landesregierung dieses Ziel bis wann erreichen? ii. Wie stellt sie wodurch sicher, dass die Funktionen, die die Besuchskommission erfüllen soll, kompensiert werden? Zu Frage 9: Im August 2017 waren insgesamt 46 berufene Personen in 7 Besuchskommissionen tätig. Eine Person ist Mitglied in zwei Kommissionen. Es gibt eine Fluktuation, wenn Mitglieder ausscheiden, was bisher mit beruflichen oder Krankheitsgründen begründet wurde. Die gegenwärtige Situation in den Kommissionen gewährleistet jährliche Besuche . In der Antwort zu Frage 4 wurde bereits hervorgehoben, dass den unabhängigen Besuchskommissionen von Seiten der MASGF eine verstärkte Aufmerksamkeit und Wertschätzung entgegengebracht wird. Dies drückt sich im Angebot regelmäßiger Fortbildungen und Treffen für die Mitglieder der Kommissionen aus. Hinzu kommen regelmäßige Treffen der Sprecherinnen und Sprecher der Besuchskommissionen. Die Besuchsprotokolle werden in systematischer Weise weiterverarbeitet. Das heißt, die Kliniken werden über die Protokolle informiert und zu Stellungnahmen aufgefordert. Je nach Beschaffenheit der Antworten werden weitere Stellungnahmen angefordert. Das für Psychiatrie zuständige Referat arbeitet hierbei mit dem Referat für Versorgung und Krankenhausplanung eng zusammen. Übergreifende Erkenntnisse diskutiert das Fachreferat in den Aufsichtssitzungen mit den Chefärztinnen und Chefärzten der psychiatrischen Kliniken.