Landtag Brandenburg Drucksache 6/7442 6. Wahlperiode Eingegangen: 26.09.2017 / Ausgegeben: 02.10.2017 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 2964 des Abgeordneten Björn Lüttmann (SPD-Fraktion) Drucksache 6/7247 Starkregen und Wetterextreme in Brandenburg Namens der Landesregierung beantwortet der Minister für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung des Fragestellers: Ende Juni kam es in Brandenburg und insbesondere im Landkreis Oberhavel zu schwerem Starkregen, teilweise mit Niederschlägen von 250 Litern pro Quadratmeter innerhalb weniger Stunden. Auch wenn es bis zum heutigen Tage kein komplettes Bild der Lage gibt, so kann davon ausgegangen werden, dass viele Privatpersonen und Unternehmen auf großen finanziellen Schäden sitzen bleiben und dass der Landwirtschaft enorme Ernteausfälle entstanden sind. Die finanzielle Dramatik wird dadurch verschärft, dass viele Privatpersonen oder Unternehmen keine Versicherung gegen naturbedingte Schäden haben oder bekommen. Wetterextreme wie der Starkregen vom Juni dieses Jahres scheinen nach allgemeiner Einschätzung von Wissenschaftler /innen auch in Brandenburg immer mehr zuzunehmen und zur Herausforderung für alle politischen und gesellschaftlichen Ebenen zu werden. Frage 1: Welche finanziellen und logistischen Hilfsmaßnahmen für die Starkregen- Geschädigten vom 26./30. Juni hat die Landesregierung veranlasst und wie bewertet sie die getroffenen Hilfsmaßnahmen vor Ort? zu Frage 1: Das Land Brandenburg hat sich an dem Nothilfefond des Landkreises Oberhavel mit einer Summe in Höhe von 150.000 Euro beteiligt. Zu den finanziellen Hilfsmaßnahmen im weiteren Sinne gehören auch die Erlasse des Ministeriums der Finanzen (MdF) vom 04. Juli und 11. August 2017 an die brandenburgischen Finanzämter. Hiermit werden Steuererleichterungen zu Gunsten derjenigen Bürger ermöglicht, die durch die massiven Regenfälle im Juni bzw. Juli 2017 und das hiermit verbundene Hochwasser geschädigt wurden. Der Erlass vom 11. August 2017 ist auf der Internetseite des MdF öffentlich zugänglich. Logistische Hilfsmaßnahmen wurden von der Landesregierung nicht veranlasst. Durch den für Katastrophenschutz zuständigen Landkreis wurden dahingehende Hilfsmaßnahmen auch nicht angefordert. Frage 2: Sind weitere Unterstützungsmaßnahmen geplant? Landtag Brandenburg Drucksache 6/7442 - 2 - zu Frage 2: Das Ministerium für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft (MLUL) erstellt derzeit eine Richtlinie für Hilfsmaßnahmen für Betriebe der Landwirtschaft und des Gartenbaus. Danach sollen den Betrieben bei Vorliegen der Voraussetzungen auf Grundlage der Nationalen Rahmenrichtlinie zur Gewährung staatlicher Zuwendungen zur Bewältigung von Schäden in der Land- und Forstwirtschaft verursacht durch Naturkatastrophen oder widrige Witterungsverhältnisse, von der Europäischen Kommission am 29. Juni 2015 genehmigt, Hilfen unter Einhaltung der haushaltsrechtlichen Vorgaben gewährt werden. Frage 3: Bewertet die Landesregierung den Starkregen vom 29./30. Juni dieses Jahres als singuläres Ereignis oder sieht sie Zusammenhänge zu Debatten in der Klimaforschung, dass solche Extreme als Folge des Klimawandels immer häufiger auftreten? zu Frage 3: Das Auftreten von Starkniederschlägen ist kein unbekanntes Phänomen. So traten in der Periode 1971 bis 2005 in der Hauptstadtregion (mit Stationen Tempelhof, Dahlem, Tegel und Potsdam) an insgesamt 4 Tagen flächenhafte Überregnungen mit Niederschlagshöhen > 40 mm auf. An weiteren 16 Terminen wurde an wenigstens einer der genannten Stationen eine Niederschlagshöhe > 40 mm registriert. Hervorzuheben war das Niederschlagsereignis am 8. August 1978, bei dem nicht nur in der Hauptstadtregion Niederschläge > 100 mm registriert wurden, sondern auch in den übrigen Landesteilen (Angermünde 122 mm, Cottbus 130 mm, Doberlug-Kirchhain 111 mm, Frankfurt/Oder 153 mm, Lindenberg 171 mm). Das Niederschlagsereignis am 29./30. Juni 2017 war hinsichtlich seiner Intensität bislang einzigartig. Auf Grundlage der gegenwärtigen wissenschaftlichen Erkenntnisse ist es nicht möglich, die Tendenz der Zunahme von Starkniederschlägen hinsichtlich ihrer Häufigkeit und Intensität auf regionaler Ebene hinreichend genau vorherzusagen. Frage 4: Sieht die Landesregierung angesichts der jetzt zutage getretenen Probleme bei der Entwässerung verschiedener Orte - z.B. der Gemeinde Leegebruch, aber auch Teilen Oranienburgs - die Notwendigkeit, sowohl kommunal als auch landesweit neue Entwässerungskonzepte zu entwickeln? zu Frage 4: Die Erstellung von Entwässerungskonzepten für Siedlungsgebiete sowie deren Umsetzung ist eine kommunale Aufgabe; insoweit kommt der Landesregierung hierfür keine Aufgabe zu. Abwasseranlagen sind grundsätzlich nicht dafür bemessen, auch bei Extremniederschlägen den gewohnten Entwässerungskomfort abzusichern. Ein absoluter Schutz gegen die negativen Auswirkungen von Überflutungen durch Starkregen ist nicht möglich. Vielmehr müssen an dieser Stelle die technischen Anlagen zur Siedlungsentwässerung durch Elemente aus dem Bereich der Risikovorsorge ergänzt werden. Hierzu gehören zum Beispiel gemeindliche Maßnahmen zum flächenbezogenen Überflutungsschutz auf Verkehrs - und Freiflächen genau so, wie gezielt objektbezogene Vorsorgemaßnahmen zur Schadensvermeidung an öffentlichen und privaten Bauwerken. Ein Anlass für landesweit neue Entwässerungskonzepte ist jedoch nicht gegeben. Landtag Brandenburg Drucksache 6/7442 - 3 - Frage 5: Bedarf es zur Vorbereitung auf künftige Starkregen-Ereignisse oder anderer Wetterextreme einer interkommunalen Vernetzung und könnte die Landesregierung hier unterstützend tätig werden? zu Frage 5: Die interkommunale Zusammenarbeit in Fragen der Abwasserbeseitigung ist in den bestehenden Zweckverbänden ein seit langem erfolgreiches Modell. Es ist grundsätzlich zu begrüßen, wenn das know-how bei der Siedlungsentwässerung gebündelt wird und die Schmutzwasser- sowie die Niederschlagswasserbeseitigung aus einer Hand betrieben wird. Die Ausweitung interkommunaler Kooperation über den bisher bestehenden Umfang hinaus kann entscheidende Beiträge dabei leisten, auch neu in den Vordergrund rückende Aufgaben effektiv und Kosten sparend zu bewältigen. Gegebenenfalls in Frage kommende Unterstützungsformen sollten vorzugsweise im Zusammenhang mit dem Landtagsbeschluss Kommunale Daseinsvorsorge sichern - Siedlungswasserwirtschaft stärken (Drucksache 6/6575-B) erörtert werden. Frage 6: Wie schätzt die Landesregierung die Notwendigkeit von weiteren Informationsangeboten für Bürger/innen im Hinblick auf wichtige Versicherungen, auch gegen Naturereignisse wie Starkregen oder Fluten, ein? zu Frage 6: Angesichts der Vielzahl bereits bestehender und öffentlich zugänglicher Informationsangebote wird hierfür kein zusätzlicher Bedarf gesehen. Es sei jedoch auf laufende Initiativen auf Ebene des Bundes verwiesen, wofür die Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz vom Juni 2017 die Grundlage bilden. Diese zielen auf eine bundesweite Elementarschadenskampagne zur Verbesserung des Bewusstseins der Bürgerinnen und Bürger gegenüber einer Betroffenheit u. a. durch Starkregen und Hochwasserereignisse und auf die Einrichtung eines Naturgefahrenportals ab. Dies soll zu einer erhöhten Verbreitung von Elementarschadensversicherungen beitragen und somit die Eigenvorsorge stärken . Darüber hinaus kommt es darauf an, in Abhängigkeit von den konkreten örtlichen Bedingungen eine womöglich nötig erscheinende Aufklärung der Bevölkerung auf der kommunalen Ebene zu vertiefen.