Landtag Brandenburg Drucksache 6/7453 6. Wahlperiode Eingegangen: 29.09.2017 / Ausgegeben: 04.10.2017 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 3000 des Abgeordneten Sven Schröder (AfD-Fraktion) Drucksache 6/7317 Ein Biozid im Hühnerstall und bald kommt wieder die Geflügelgrippe - wie schützt die Landesregierung unsere Eierproduzenten in Brandenburg? Namens der Landesregierung beantwortet der Minister der Justiz und für Europa und Verbraucherschutz die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung des Fragestellers: Für unsere Eierproduzenten begann das Jahr 2017 mit der Geflügelgrippe. Im Landtag wurden die Bauern mit ihren großen Stallanlagen als die Ursache für das Problem benannt - ohne jeden Beweis. Die Lösung der Landesregierung war eine Einstallungspflicht im gesamten Land und das Töten ganzer Geflügelbestände. Die Kosten mussten die Bauern tragen. Wegen der langen Dauer der Einstallungspflicht durften am Ende auch aus den gesunden Hühnerbeständen die Eier nicht mehr als Freilandeier verkauft werden. Aktuell erleben wir den Skandal um das Biozid Fipronil in Reinigungs - und Desinfektionsmitteln für Hühnerställe. Die Hühnerställe werden vor jeder Neubelegung durch zertifizierte Fachfirmen gereinigt und desinfiziert. Dafür beauftragen die Bauern kontrollierte Fachfirmen, die auch international tätig sind. Diese Fachfirmen, wie beispielsweise die Firma „Chickenfriend“, haben dieses Biozid in die Reinigungs- und Desinfektionsmittel untergemischt. Jetzt dürfen viele Bauern die produzierten Eier nicht mehr verkaufen, weil dieses Gift in den Eiern gefunden wurde. Wieder tragen die Bauern die Kosten. Selbst Fachleute können nicht sagen, wann die Bauern wieder Hühnereier aus den betroffenen Beständen verkaufen dürfen. In Niedersachsen hat der zuständige Minister sogar die Bauern angezeigt, weil in einigen Betrieben die nicht verkaufsfähigen Eier erzeugt wurden. Wieder sollen die Bauern als der „Buhmann“ hingestellt werden. Die Brüsseler Kontrollbehörden wussten seit Monaten von den Taten der Verursacherfirmen, d. h. diesen Reinigungs-und Desinfektionsfirmen, die das Gift untergemischt haben. Nichts wurde unternommen und über diese Firmen wird nicht berichtet, warum nicht? Vorbemerkung der Landesregierung: Die Monitoringuntersuchungen in der Wildvogelpopulation zeigten, dass Wildvögel ein natürliches Reservoir für Influenzaviren darstellen. Auf Grund der nachgewiesenen weiten Verbreitung des Erregers in der Wildpopulation war von einem hohen Eintragsrisiko des Virus von der Wildvogelpopulation in Hausgeflügelbestände auszugehen. Die Aufstallung von Geflügel ist eine von mehreren Biosicherheitsmaßnahmen zur Verhinderung der Einschleppung des Geflügelpesterregers in Hausgeflügelbestände . Sie soll den unmittelbaren Kontakt zwischen Wildvögeln und Geflügel sowie gehaltenen Vögeln verhindern. Die Aufstallung von Geflügel und weiteren Biosicherheitsmaßnahmen minimieren das Risiko eines direkten oder indirekten Erregereintrages in Geflügelhaltungen. Die Ursachen für die Einschleppung der Geflügelpest in Geflü- Landtag Brandenburg Drucksache 6/7453 - 2 - gelhaltungen in Brandenburg im zurückliegenden Seuchengeschehen wurden im Bericht zum Beschluss des Landtages Brandenburg (Drs. 6/6371-B) dargelegt. Die Tötung von infizierten Geflügelbeständen war zur Tilgung der Geflügelpest erforderlich. Betroffene Tierhalter wurden entsprechend den gesetzlichen Regelungen entschädigt. Frage 1: Welche Informationen liegen der Landesregierung zum Verbreitungsweg des Biozid Fipronil in der Geflügelwirtschaft und den dafür verantwortlichen Firmen, zuständige Zertifizierungsstelle und letzte Zertifizierung u.a., vor? zu Frage 1: Nach bisherigem Kenntnisstand wurde das Mittel Dega 16, das den Wirkstoff Fipronil enthält, nicht in Legehennenbetrieben in Brandenburg verwendet. In Deutschland wurde es von der niederländischen Fa. Chickfriend in Betrieben in Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern eingesetzt. Frage 2: Ist der Einsatz von Fipronil in den betroffenen Unternehmen der Geflügelwirtschaft trotz eines bestehenden Verbotes erfolgt oder kann es sich um einen unsachgemäßen Einsatz dieses Mittels, z. B. um eine zu hohe Dosierung in der eingesetzten Mischung , handeln? zu Frage 2: In Brandenburg ist nach bisherigen Erkenntnissen kein Unternehmen betroffen . Zu Vorgängen außerhalb des Landes Brandenburg äußert sich die Landesregierung nicht. Frage 3: Wie sind die Zuständigkeiten für Informationswege sowie zum Zeitpunkt einer Informationsweitergabe von der EU-KOM zur Bundesregierung und weiter zur Landesregierung bis zu den zuständigen Behörden im Land Brandenburg geregelt? zu Frage 3: Im Fall einer nicht auszuschließenden Gesundheitsgefährdung im Zusammenhang mit der überregionalen Abgabe von Lebensmitteln an Verbraucher erfolgt eine Meldung des für den betroffenen Hersteller zuständigen EU-Mitgliedslandes an die EU- Kommission. Hier erfolgt eine Notifizierung und Einstellung in das Schnellwarnsystem RASFF (Rapid Alert System for Food and Feed), über das die anderen Mitgliedsländer über ihre nationalen Kontaktstellen (in Deutschland das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit = BVL) umgehend informiert werden. Das Landesamt für Arbeitsschutz , Verbraucherschutz und Gesundheit, Abteilung Verbraucherschutz, Dezernat V1 ist die Kontaktstelle des Landes Brandenburg. Hier werden eingehende Meldungen des BVL umgehend auf Betroffenheit Brandenburger Einzelhandelseinrichtungen oder anderer Betriebe der Lebensmittelkette geprüft und den für den Vollzug des Lebensmittelrechts zuständigen Behörden der Landkreise zur Prüfung und Veranlassung übersandt sowie der Vorgang dem Landesministerium MdJEV zur Kenntnis gegeben. Frage 4: Seit wann liegen der Landesregierung erste Informationen zum Verdacht einer Manipulation bei der Reinigung und Desinfektion unter Verwendung von Fipronil in Hühnerställen vor und welche Maßnahmen wurden eingeleitet? zu Frage 4: Am 25.07.2017 wurden die Landkreise erstmals über die Informationsmeldung 2017/1065 (K2 - Fipronil in Eiern unterschiedlicher Herkunft) des Schnellwarnsystems RASFF der Europäischen Kommission gemäß Artikel 50 der VO (EG) Nr. 178/2002 unterrichtet . Nach Bekanntwerden der vermutlichen Quelle des Eintrages in die Lebensmittel- Landtag Brandenburg Drucksache 6/7453 - 3 - kette - hier der illegale Einsatz von Fipronil im Biozidprodukt Dega 16 in den Niederlanden und Niedersachsen - wurden die Landkreise am 31.07.2017 informiert und um Prüfung des möglichen Einsatzes in Legehennenbetrieben gebeten. Derzeit gibt es keine Anhaltspunkte des Einsatzes von mit Fipronil kontaminierten Reinigungs- oder Desinfektionsmitteln in Brandenburger Ställen. Frage 5: Wie ist die Rechtslage für Brandenburger Unternehmen, wenn eine Dienstleistungsfirma in einem Unternehmen der Geflügelwirtschaft verbotene Substanzen in Erfüllung der beauftragten Dienstleistung einsetzt und ist der Auftraggeber, d. h. das Unternehmen der Geflügelwirtschaft, für die Folgen gegenüber Dritten haftbar? zu Frage 5: Art. 17 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit (sog. Basis- Verordnung) bestimmt in Absatz 1 die Verpflichtung der Lebensmittelunternehmer zur Erfüllung der Anforderungen des Lebensmittelrechts, unabhängig von der individuellen Schuld. Schutzzweck der Vorschrift ist eine umfassende objektive Verantwortlichkeit aller Lebensmittunternehmer auf allen Stufen der Produktion, Herstellung und Vertrieb von Lebensmitteln . Damit ist ein Lebensmittelunternehmer stets verantwortlich, wenn Lebensmittel aus seinem Verantwortungsbereich in den Verkehr gelangen, die den Vorschriften des Lebensmittelrechts nicht entsprechen. Ob er auch haftbar gemacht werden kann für eventuell eingetretene Schäden ist dagegen abhängig von der individuellen Vorwerfbarkeit. Sollten dem Lebensmittelunternehmer selbst Schäden entstanden sein, z. B durch Produktrückrufe , ist es denkbar, dass er die von ihm mit entsprechenden Dienstleistungen beauftragten Unternehmen in Regress nehmen kann. Das ist allein eine zivilrechtliche Frage zwischen dem Lebensmittelunternehmer und dem Dienstleister. Frage 6: Würden auch in Brandenburg Ermittlungen gegen betroffene Geflügelhalter als Verdächtige eingeleitet werden und auf welcher Rechtsgrundlage würde dies erfolgen? zu Frage 6: Die zuständigen Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsämter sind wie alle Behörden im Land Brandenburg verpflichtet, bei Vorliegen des Verdachts einer Ordnungswidrigkeit entsprechende Ermittlungen einzuleiten bzw. das Verfahren bei Vorliegen eines Verdachts einer Straftat an die zuständigen Strafverfolgungsbehörden abzugeben. Frage 7: Besteht für die zuständigen Stellen in Brandenburg eine Verpflichtung, die Geflügelhalter im Verdachtsfall vor Verursacherfirmen für den Einsatz von Fipronil und anderer verbotener Substanzen in Brandenburger Geflügelbeständen zu warnen und gegen diese juristisch vorzugehen? zu Frage 7: Die zuständigen Behörden informieren unverzüglich die betroffenen Kreise, soweit ihnen Kenntnisse vorliegen, dass verbotene Substanzen in der Lebensmittelwirtschaft eingesetzt werden. Auftrag der Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsämter ist es jedoch, ein hohes Schutzniveau für die Gesundheit des Menschen und die Verbraucherinteressen bei Lebensmitteln sicherzustellen, nicht der Schutz einzelner Wirtschaftsbranchen . Landtag Brandenburg Drucksache 6/7453 - 4 - Frage 8: Wurden die verbotenen Mischungen mit Fipronil auch in der Geflügelmast nachgewiesen ? zu Frage 8: Es liegen bisher keine Informationen vor, wonach Fipronil in der Geflügelmast nachgewiesen wurde. Frage 9: Welche Schlussfolgerungen hat die Landesregierung aus der letzten Epidemie der Vogelgrippe in Brandenburg gezogen, um die Geflügelhalter vor Schäden zu schützen ? zu Frage 9: Nach den Erkenntnissen der letzten Epidemie der Geflügelpest in Brandenburg ist es erforderlich, dass die Tierhalter unter Einbeziehung ihrer bestandsbetreuenden Tierärzte die Konzepte für die Biosicherheit in den Tierhaltungen überprüfen und anpassen . Die starke Virusverbreitung in der Umwelt beinhaltet ein hohes Gefährdungspotential bei direkten und indirekten Kontakten der Geflügelbestände mit der Außenwelt. Zur Reduzierung des Gefährdungspotentials sind insbesondere folgende Maßnahmen erforderlich: - vogelsichere Lagerung von Einstreu außerhalb und innerhalb des Betriebes, - Lagerung der Einstreu im Stall vor Einstallung von Tieren, - keine Zuführung von Einstreu während der Haltungsperiode von außen, - separates Schuhwerk für jeden Stall, - stallferne Reinigungs-/Desinfektionsflächen für Kadavercontainer, - Schutzkleidung für betriebsfremde Personen, - Schadnagerbekämpfung. Auf dieser Grundlage erfolgte eine Abstimmung mit der Geflügelwirtschaft zu erforderlichen Hygienemaßnahmen in den Betrieben, die mittels Checklisten und Schulungen an die Tierhalter weitergegeben werden. Den besonderen Bedürfnissen der Rassegeflügelzüchter Rechnung tragend wurden dem Rassegeflügelverband die erforderlichen Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Ausnahmeregelungen der Geflügelpest- Verordnung übermittelt. Frage 10: Welche Vorkehrungen hat die Landesregierung getroffen, um die Einstallungspflicht auf das unbedingt notwendige Maß in der Dauer und in der Fläche zu sperrender Landkreise zu begrenzen? zu Frage 10: Die Anordnung zur Aufstallung von Geflügel erfolgt auf der Basis einer Risikobewertung . Diese Anordnung kann sich in Abhängigkeit vom Ergebnis der Risikobewertung auf das gesamte Landesgebiet oder auf Teile des jeweiligen Landesgebietes beziehen . Das erforderliche Maß und die Dauer ergeben sich aus der jeweils bestehenden Tierseuchenlage und sind nicht vorherbestimmbar. Frage 11: Welche neuen Erkenntnisse liegen der Landesregierung zur Vogelgrippe auch aus anderen Bundesländern und von Seiten der Bundesregierung vor, die geeignet sind, um die Schäden der Brandenburger Geflügelhalter zu begrenzen? zu Frage 11: Aus anderen Bundesländern und von Seiten der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse vor, die über die Beantwortung der in Frage 9 dargestellten Sachverhalte hinausgehen. Landtag Brandenburg Drucksache 6/7453 - 5 - Frage 12: Was wurde von der Landesregierung unternommen, um die Verkaufssperre für Eier aus Freilandhaltung nach über 12-Wochen Einstallungspflicht an die Regelung für Bio-Eier anzugleichen, die nicht der 12-Wochen-Einstallungsbegrenzung für einen Verkauf als Bio-Eier unterliegen? zu Frage 12: Die Mindestanforderungen an Eier, welche mit der Kennzeichnung „Eier aus Freilandhaltung“ versehen sind, sind in Anhang II der VERORDNUNG (EG) Nr. 589/2008 DER KOMMISSION vom 23. Juni 2008 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 1234/2007 des Rates hinsichtlich der Vermarktungsnormen für Eier (ABl. L 163 vom 24.6.2008, S. 6) festgelegt. Danach können im Falle von Beschränkungen, einschließlich auf der Grundlage des Gemeinschaftsrechts verhängter veterinärrechtlicher Beschränkungen zum Schutz der Gesundheit von Mensch und Tier, die den Zugang der Hennen zu einem Auslauf im Freien beschränken, Eier für die Dauer der Beschränkung, in keinem Fall aber länger als zwölf Wochen, weiterhin als „Eier aus Freilandhaltung“ vermarktet werden. Brandenburg hat sich im Rahmen der Agrarministerkonferenz im April 2017 in Hannover (TOP 8: Perspektiven und Anpassungsbedarf der Freiland- Legehennenhaltung im Kontext der Geflügelpest) gemeinsam mit den anderen Bundesländern beim Bund dafür eingesetzt, dass sich der Bund gegenüber der EU-Kommission für eine Überarbeitung der Mindestanforderungen an Produktionssysteme für Eier aus Freilandhaltung verwendet. Eine weitere Möglichkeit besteht für das Land Brandenburg nicht, da es sich um Europäisches Recht handelt.