Landtag Brandenburg Drucksache 6/7504 6. Wahlperiode Eingegangen: 10.10.2017 / Ausgegeben: 16.10.2017 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 3006 der Abgeordneten Andrea Johlige (Fraktion DIE LINKE) Drucksache 6/7338 Umsetzung des Diskriminierungsverbots bei der Brandenburger Polizei Namens der Landesregierung beantwortet der Minister des Innern und für Kommunales die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkungen der Fragestellerin: Um ein starkes politisches Zeichen für Weltoffenheit, Toleranz und Gleichbehandlung zu setzen und Rassismus sowie Diskriminierung wirkungsvoll entgegentreten zu können, hat der Brandenburger Landtag im Jahr 2013 eine Antirassismusklausel in die Brandenburger Verfassung aufgenommen. Artikel 12 Abs. 2 schreibt fest: „Niemand darf wegen der Abstammung, Nationalität, Sprache, des Geschlechts , der sexuellen Identität, sozialen Herkunft oder Stellung, einer Behinderung, der religiösen, weltanschaulichen oder politischen Überzeugung oder aus rassistischen Gründen bevorzugt oder benachteiligt werden.“ Mit Artikel 7a wurde als Staatsziel der Schutz des friedlichen Zusammenlebens aller Menschen verankert. Bezugnehmend auf diese Verfassungsziele hat das Ministerium des Inneren mit Erlass vom 10. September 2014 ein Diskriminierungsverbot in der Polizei des Landes Brandenburg eingeführt. Damit verpflichtet sich die Brandenburger Polizei bei der Bewältigung ihrer Aufgaben, diskriminierungsfrei zu handeln. Frage 1: Was wurde im Einzelnen unternommen, um den polizeilichen Sprachgebrauch im Innen- und Außenverhältnis so zu gestalten, dass er nicht stigmatisierend, abwertend oder diskriminierend wirkt oder Vorurteile schürt? a) Bitte alle Maßnahmen im Einzelnen auflisten. b) Welche weiteren Maßnahmen sind geplant? zu Frage 1: Die im Erlass „Gewährleistung der Diskriminierungsfreiheit in der Polizei des Landes Brandenburg“ vom 10.09.2014 festgelegten Grundsätze werden umgesetzt. Davon ausgehend sind durch die Polizeibediensteten des Landes Brandenburg bei ihrem Handeln und Auftreten die nachfolgenden Leitsätze zur Gewährleistung der Diskriminierungsfreiheit zu beachten: 1. Form und Inhalt des polizeilichen Sprachgebrauchs im Innen- und Außenverhältnis sind so zu gestalten, dass sie nicht diskriminierend wirken oder Vorurteile schüren. 2. Begrifflichkeiten sind zu vermeiden, die von Dritten zur Abwertung von Angehörigen anderer Nationalitäten, Kulturen und Minderheiten missbraucht bzw. umfunktioniert oder in diesem Sinne interpretiert werden können. Landtag Brandenburg Drucksache 6/7504 - 2 - 3. Die Polizei bedient sich keiner Stigmatisierungen oder pauschalen Bezeichnungen und verwendet auch keine Ersatzbezeichnungen oder Begriffe, die tatsächlich oder subjektiv geeignet sind, Angehörige anderer Nationalitäten, Kulturen und Minderheiten zu diskriminieren, zu stigmatisieren oder abzuqualifizieren. 4. Die Polizei verwendet im internen wie im externen Gebrauch differenzierte und detaillierte Darstellungen, insbesondere im Zusammenhang mit der Fahndung, der Personenbeschreibung oder der Schilderung eines Tathergangs; sie halten Form und Inhalt des polizeilichen Sprachgebrauchs im Innen- und Außenverhältnis so, dass sie nicht diskriminieren oder Vorurteile schüren. 5. Die Polizei ist verpflichtet, Minderheiten vor Verwendung diskriminierender Minderheitenbezeichnungen zu schützen. Auf die Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit darf in der internen und externen Berichterstattung nur hingewiesen werden, wenn sie für das Verständnis eines Sachverhaltes oder für die Herstellung eines sachlichen Bezuges erforderlich ist. 6. Die Verpflichtung zu einer authentischen oder wortgetreuen Dokumentation von Angaben insbesondere bei Anzeigen, Vernehmungen oder Berichten bleibt hiervon unberührt . Die Gewährleistung der Diskriminierungsfreiheit ist ein wesentlicher Aspekt bei der Durchführung der Fach- und Dienstaufsicht bzw. der behördeninternen Amtsaufsicht auf allen Führungsebenen. Die Thematik wird in geeigneter Weise kontinuierlich in die polizeiliche Aus- und Fortbildung integriert. Wegen seines Geschlechtes oder seiner Zugehörigkeit zu einer rassischen, ethnischen, religiösen, sozialen oder nationalen Gruppe darf niemand diskriminiert werden. Die Achtung vor der Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde, das Privatleben, die Intimsphäre und die Persönlichkeitsrechte des Menschen werden beachtet. Bei Auskünften an Presse und Rundfunk unterbleiben zum Schutz Betroffener wertende Feststellungen zu Personen wie auch zur Vorwerfbarkeit eines Verhaltens ebenso wie Hinweise zur Identität. Frage 2: Die Polizei verpflichtet sich, Minderheiten vor diskriminierenden Bezeichnungen zu schützen. Deshalb darf auf die Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit in internen und externen Berichterstattungen nur hingewiesen werden, wenn sie für das Verständnis eines Sachverhaltes oder für die Herstellung eines sachlichen Bezugs erforderlich ist. a) Gilt dieser Grundsatz nur für die vier in Deutschland anerkannten nationalen Minderheiten ? Wenn ja, warum nur für diese? b) Wie wird das gewährleistet, andere Minderheiten vor Verwendung diskriminierender Minderheitenbezeichnungen zu schützen? c) In wie vielen Fällen interner und externer Berichterstattung gemäß Erlass wurde die Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit erwähnt? d) Auf welche Weise wird evaluiert, ob die Nennung der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit für das Verständnis eines Sachverhaltes oder für die Herstellung eines sachlichen Bezugs erforderlich war? zu Frage 2: a) Nein! b) Es wird auf die Antworten zu den Fragen 1 und 4 verwiesen. Landtag Brandenburg Drucksache 6/7504 - 3 - c) Der in Rede stehende Erlass sieht keine diesbezügliche statistische Erfassung vor. Insoweit liegen bei der Polizei des Landes Brandenburg keine Erhebungen zum Gegenstand der Kleinen Anfrage vor. d) Dies erfolgt in Form der Dienst- und Fachaufsicht für jeden Einzelfall. Frage 3: Welche Kategorien zur Personenbeschreibung von Tätern und Täterinnen oder Opfern nutzt die Brandenburger Polizei in ihren polizeilichen Bearbeitungssystemen? Bitte alle Kategorien aufführen. zu Frage 3: Im Vorgangbearbeitungssystem der Polizei Brandenburg „ComVor“ existiert für Zwecke der Personenbeschreibung das Formblatt „KP 08“. Nachfolgend benannte Felder haben hinterlegte Kataloge; die darin aufgeführten Begrifflichkeiten können durch Anklicken in das Formular übernommen werden. Bezüglich dieser Oberkategorien werden folgende Ausführungen hinsichtlich der dahinter abrufbaren Katalogwerte gemacht: „Gestalt“: schlank, dick, athletisch, hager, kräftig (keine Unterkategorien). „Äußere Erscheinung“: europäisch, westeuropäisch, südosteuropäisch, osteuropäisch, asiatisch, westasiatisch, südasiatisch, zentralasiatisch, ostasiatisch, südostasiatisch, afrikanisch, nordafrikanisch, nordostafrikanisch, zentral-/südafrikanisch, afroamerikanisch , indianisch, nordamerikanisch und mittel- /südamerikanisch (keine Unterkategorien). „Körperliche Merkmale/Lage“: hier sind alle Körperteile benannt (Kopf, Arme, Beine usw.) und in Unterkategorien spezifischer werdend (bspw. „Armbeuge links“). Nächste Unterkategorie weist in Betracht kommende Merkmale aus (bspw. Hautverfärbung). Insgesamt mehrere hundert Katalogwerte. „Tätowierungen/Lage“: (wie vorstehend) Benennung Körperteile (ohne Unterkategorie ). „Tätowierungen/Motiv“: hier sind 114 Motivarten hinterlegt (bspw.: Katze, Träne, Adler, Auge usw.). „Stimme/Sprachmerkmale“: sehr hoch, sehr tief, belegt, heiser, näselt, nuschelt, stottert, stammelt, lispelt, stumm, laut, leise, schnell, langsam (keine Unterkategorien). „Deutsche Sprache/Mundarten“: hochdeutsch, deutsch mit Akzent, gebrochen deutsch, kein deutsch (keine Unterkategorien). „Fremdsprachen“: 99 Sprachbezeichnungen von „arabisch“ bis „swahili“. Frage 4: Wie wurde die Aufgabe, diskriminierungsfrei zu handeln, in die polizeiliche Ausund Fortbildung integriert? zu Frage 4: An der Fachhochschule der Polizei des Landes Brandenburg (FHPol BB) werden sowohl im Rahmen der Ausbildung und des Studiums die Anwärterinnen und Anwärter als auch die Weiterbildungsteilnehmerinnen und -teilnehmer im Rahmen der Sozialkompetenzentwicklung fortlaufend für die Thematik sensibilisiert. So werden in Ausbildung und Studium nicht nur die verfassungsrechtlichen Grundlagen der Bundesrepublik Deutschland und des Landes Brandenburg vermittelt, sondern ebenso deren Funktion und die geschichtliche Entwicklung der Grund- und Menschenrechte. Die Menschenwürde bei jeglichem polizeilichen Handeln zu achten und somit auch vorurteilsund diskriminierungsfrei zu agieren, ist ein wesentliches Ziel der Wissensvermittlung an der FHPol BB. Landtag Brandenburg Drucksache 6/7504 - 4 - In allen Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen des Bereiches „Sozialkompetenzentwicklung “ werden die verwendeten Lern- und Lehrmethoden sowie die vereinbarten Lernziele stets im Einklang mit dem Wertekanon der freiheitlich demokratischen Grundordnung ausgewählt . So ist ein diskriminierungsfreies Handeln immer die Basis aller in den Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen thematisierten und trainierten sozialen Interaktionen im polizeilichen Kontext. Auch Techniken zur Reflexion eigener Vorurteile oder Stereotypen gegenüber anderen Personen und die Entwicklung interkultureller Kompetenzen spielen hierbei eine Rolle. Somit dient die Vermittlung sozialer Kompetenzen in der polizeilichen Aus- und Weiterbildung immer dem Ziel, die erlernten fachlichen Kompetenzen so anzuwenden , dass ein diskriminierungsfreies Handeln ermöglicht wird. Frage 5: Gab es seit Inkrafttreten des Erlasses Beschwerden von Bürgern und Bürgerinnen aufgrund von diskriminierendem Verhalten oder Handeln von Polizeibeamten oder Polizeibeamtinnen? a) Wenn ja, führen Sie bitte Datum, die Beschwerdegründe sowie die betreffende Polizeidienststelle im Einzelnen auf. b) In wie vielen Fällen wurden zur Aufklärung des Sachverhaltes Disziplinarverfahren eingeleitet? c) Wie viele Disziplinarverfahren wurden eingestellt und in wie vielen Fällen wurden Disziplinarmaßnahmen verhängt? Bitte im Einzelnen aufführen. zu Frage 5: a) Der in Rede stehende Erlass sieht keine statistische Erfassung vor. Insoweit liegen bei der Polizei des Landes Brandenburg keine Erhebungen zum Gegenstand der Kleinen Anfrage vor. b) In der Polizei des Landes Brandenburg wurden keine Disziplinarverfahren aufgrund einer Beschwerde im Sinne der Kleinen Anfrage eingeleitet. c) Siehe Antwort zu Frage 5 b). Frage 6: Gab es seit Inkrafttreten des Erlasses Beschwerden von Polizeibeamtinnen oder Polizeibeamten gegen Kolleginnen oder Kollegen? a) Wenn ja, führen Sie bitte Datum, die Beschwerdegründe sowie die betreffende Polizeidienststelle im Einzelnen auf. b) In wie vielen Fällen wurden zur Aufklärung des Sachverhaltes Disziplinarverfahren eingeleitet? zu Frage 6: a) Der in Rede stehende Erlass sieht keine statistische Erfassung vor. Insoweit liegen bei der Polizei des Landes Brandenburg keine Erhebungen zum Gegenstand der Kleinen Anfrage vor. b) Siehe Antwort zu Frage 6 a). Frage 7: Gibt es in der Brandenburger Polizei gesonderte Ansprechpartnerinnen oder Ansprechpartner für entsprechende interne Beschwerden? Wenn ja, welche Fachkompetenzen (z. B. Diversity-Kompetenz) und Befugnisse haben diese Beamtinnen oder Beamten? Landtag Brandenburg Drucksache 6/7504 - 5 - zu Frage 7: In der Polizei des Landes Brandenburg gibt es in der Behörde und den Einrichtungen Ansprechpartner und Beauftragte für bestimmte Themenbereiche. Diese unterstützen und beraten sowohl Betroffene als auch interessierte Bedienstete, geben Hinweise sowie vertrauliche Auskünfte und stehen insbesondere für vertrauliche Gespräche zur Verfügung . Sie führen i. d. R. jährliche Fachtagungen und Fortbildungen durch und treffen sich in ihren Gremien zum Erfahrungsaustausch. An der Fachhochschule der Polizei des Landes Brandenburg steht den Studierenden und Auszubildenden zudem seit Anfang Juni 2017 eine im Bereich Lehre und Forschung eingerichtete Studien- und Ausbildungsberatung zur Verfügung, die für jegliche Art von Konflikten ansprechbar ist.