Landtag Brandenburg Drucksache 6/7556 6. Wahlperiode Eingegangen: 24.10.2017 / Ausgegeben: 30.10.2017 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 3016 des Abgeordneten Raik Nowka (CDU-Fraktion) Drucksache 6/7363 Impfquoten 2016 Namens der Landesregierung beantwortet die Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkungen des Fragestellers: Im Februar 2017 berichtete die Landesregierung im Rahmen einer Ausschusssitzung des AASGFF über den Sachstand der Umsetzung des Landtagsbeschlusses „Impfen schützt alle“ vom 29. April 2015. Die aktuellen Impfquoten aus dem Jahr 2016 waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt, da einige Gesundheitsämter aus technischen Gründen keine Daten übermitteln konnten. Zudem wurde in diesem Sommer das ‚Gesetz zur Modernisierung der epidemiologischen Überwachung übertragbarer Krankheiten‘ beschlossen. Dort werden u.a. zur Verbesserung der Impfquote Maßnahmen festgeschrieben. Nach diesem Gesetz wird die Leitung einer Kita verpflichtet , das Gesundheitsamt zu benachrichtigen, wenn die Eltern den erforderlichen Nachweis über eine ärztliche Impfberatung nicht vorgelegt haben. Damit erhalten die Gesundheitsämter die nötige Handhabe, auf die Eltern zuzugehen und sie zur Beratung zu laden. Frage 1: Konnten die Gesundheitsämter die entsprechenden Daten mittlerweile übersenden und liegen der Landesregierung die Impfquoten für das Jahr 2016 vor? zu Frage 1: Die Gesundheitsämter des Landes Brandenburg haben die entsprechenden Daten inzwischen übermittelt. Die Impfquoten für das Jahr 2016 liegen der Landesregierung vor. Frage 2: Wie fallen die jeweiligen Impfquoten bei Kleinkindern aus? (Mit der Bitte um Darstellung der Entwicklung der Impfquote seit 2012.) a) Masern, Mumps, Röteln, Windpocken b) Diphterie c) Tetanus d) Pertussis e) Rotaviren f) Meningokokken C g) Hepatitis B Landtag Brandenburg Drucksache 6/7556 - 2 - zu Frage 2: Nachfolgende Tabelle enthält die Impfquoten für die Kleinkinder (KITA-Kinder) im Zeitraum von 2012 bis 2016. Die Berechnungsgrundlage für die Impfquoten ist die Anzahl der Kinder mit vorgelegten Impfausweisen. Kleinkinder (2,5 bis 3,5 Jahre) 2012 2013 2014 2015 2016 Tetanus, GI1 vollständig 94,7% 94,9% 94,3% 93,9% 93,6% Diphtherie, GI vollständig 94,7% 94,8% 94,2% 93,9% 93,5% Pertussis, GI vollständig 94,6% 94,6% 94,0% 93,6% 93,4% Hepatitis B, GI vollständig 92,1% 92,0% 91,7% 91,6% 91,5% Windpocken, mind. 2 mal 83,6% 84,8% 82,7% 83,0% 85,3 % M(MR), mind. 2 mal 87,2% 88,4% 88,1% 88,7% 90,2% Meningokokken C 90,2% 90,6% 90,5% 90,5% 90,6% Rotaviren, GI vollständig 27,4% 48,3% 58,1% 61,7% 66,3,% 1 GI: Grundimmunisierung Frage 3: Wie fallen die Impfquoten bei Einschülern aus? (Mit der Bitte um Darstellung der Entwicklung der Impfquote seit 2012.) a) Masern, Mumps, Röteln, Windpocken b) Diphterie c) Tetanus d) Pertussis e) Meningokokken C f) Hepatitis B zu Frage 3: Nachfolgende Tabelle enthält die Impfquoten für die Einschülerinnen und Einschüler im Zeitraum von 2012 bis 2016. Die Berechnungsgrundlage für die Impfquoten ist die Anzahl der Kinder mit vorgelegten Impfausweisen. Einschüler 2012 2013 2014 2015 2016 Tetanus, GI1 vollständig 98,1% 98,1% 97,9% 97,6% 96,9% Diphtherie, GI vollständig 97,9% 98,0% 97,8% 97,4% 96,7% Pertussis, GI vollständig 97,6% 97,7% 97,6% 97,2% 96,5% Hepatitis B, GI vollständig 92,9% 93,7% 93,8% 93,7% 92,8% M(MR), mind. 2 mal 95,0% 95,2% 95,0% 95,0% 95,2% Windpocken, mind. 2 mal 80,5 % 86,7 % 89,5 % 90,3 % 90,1 % Meningokokken C 91,9% 93,0% 93,6% 93,1% 92,7% Rotaviren, GI vollständig - 3,8% 15,3% 34,8% 50,8% 1 GI: Grundimmunisierung Landtag Brandenburg Drucksache 6/7556 - 3 - Frage 4: Wie fallen die Impfquoten bei Schülern der 10. Klasse aus? (Mit der Bitte um Darstellung der Entwicklung der Impfquote seit 2012.) a) Masern, Mumps, Röteln, Windpocken b) Tetanus-Diphterie-Auffrischung c) Pertussis-Auffrischung d) Meningokokken C e) HPV f) Hepatitis B zu Frage 4: Nachfolgende Tabelle enthält die Impfquoten für die Schülerinnen und Schüler der 10. Klassen im Zeitraum von 2012 bis 2016. Die Berechnungsgrundlage für die Impfquoten ist die Anzahl der Jugendlichen mit vorgelegten Impfausweisen. Schülerinnen und Schüler der 10. Klassen 2012 2013 2014 2015 2016 Tetanus1 68,9% 69,8% 70,5% 70,5% 68,6% Diphtherie1 68,9% 70,0% 70,5% 70,4% 68,6% Pertussis2 78,8% 79,8% 82,2% 84,2% 87,0% M(MR)3 94,4% 94,6% 95,4% 95,7% 96,2% Windpocken3 7,1% 8,2% 9,5% 11,1% 15,2% Meningokokken C 66,0% 70,9% 74,7% 75,6% 76,4% HPV4 47,2% 49,7% 52,7% 52,8% 54,3% Hepatitis B 86,5% 91,4% 94,2% 93,8% 89,2% 1 Impfquoten für die Tetanus- und Diphtherieimpfung mit 2. Auffrischimpfung 2 Pertussisimpfung mit mindestens einmaliger Auffrischimpfung 3 Impfquoten für die zweifache Impfung gegen M(MR) sowie für die zweifache Impfung gegen Windpocken 4 Impfquoten der mindestens 2-malig gegen HPV geimpften Mädchen Frage 5: In welchen Regionen des Landes sind die Impfquoten besonders schlecht? zu Frage 5: Eine Übersicht der Quoten für jede einzelne Impfung und für jeden Landkreis/ jede kreisfreie Stadt wäre in der Darstellung sehr unübersichtlich. Deshalb wird im Folgenden Bezug genommen auf die berechneten Impflücken. Eine Impflücke weist darauf hin, dass bei mindestens einer Impfung der von der Ständigen Impfkommission (STIKO) für die entsprechende Altersgruppe empfohlene vollständige Impfschutz nicht vorliegt. Die Landkreise und kreisfreien Städte des Landes Brandenburg weisen in den untersuchten drei Gruppen (Kleinkinder, Einschülerinnen und Einschüler, Schülerinnen und Schüler der 10. Klassen) im Jahr 2016 unterschiedlich stark ausgeprägte Impflücken auf. Die größten Impflücken in der Gruppe der Kleinkinder gab es in den Landkreisen Oberhavel und Spree-Neiße sowie in der kreisfreien Stadt Potsdam, in der Gruppe der Einschülerinnen und Einschüler in der kreisfreien Stadt Potsdam sowie in den Landkreisen Oberhavel und Prignitz und bei den Schülerinnen und Schülern der 10. Klassen in den Landkreisen Prignitz , Havelland und Oberhavel. Landtag Brandenburg Drucksache 6/7556 - 4 - Frage 6: Worauf sind diese schlechteren Impfquoten zurückzuführen? zu Frage 6: Die regionalen Unterschiede lassen sich mit den vorliegenden Daten nicht eindeutig begründen. Diskutiert wird in diesem Zusammenhang der Anteil impfkritischer Personen in bestimmten Regionen. Daneben wird ein Zusammenhang zwischen dem Impfstatus und dem sozioökonomischen Status vermutet. So verfügten im Jahr 2016 Einschülerinnen und Einschüler aus Familien mit einem mittleren sozioökonomischen Status beispielsweise bei der Impfung gegen Masern, Mumps und Röteln über den besten Impfschutz . Frage 7: Wie bewertet die Landesregierung, mit Blick auf die Impfquote, das Gesetz zur Modernisierung der epidemiologischen Überwachung übertragbarer Krankheiten, welchem der Bundesrat im Juli 2017 zugestimmt hat? zu Frage 7: Das Gesetz zur Modernisierung der epidemiologischen Überwachung übertragbarer Krankheiten trat am 25.07.2017 in Kraft. Der wesentliche Schwerpunkt des Gesetzes ist die Schaffung der rechtlichen Möglichkeiten zur Einführung eines elektronischen Melde- und Informationssystems für übertragbare Krankheiten und damit eines Instrumentes zur rascheren Bekämpfung und zur Verhütung von Infektionskrankheiten. In Bezug auf Impfungen gab es in diesem Gesetz nur wenige Änderungen. Hier ist vor allem von Bedeutung die Einführung einer Verpflichtung von Kita-Leitungen zur personenbezogenen Meldung an das Gesundheitsamt bei Nichtvorlage einer Impfberatungsbescheinigung. Damit wird den Gesundheitsämtern die Möglichkeit eröffnet, Impfberatungen durchzuführen und auf die Verbesserung des Impfschutzes hinzuwirken. Diese Änderung hat allerdings für das Land Brandenburg kaum Auswirkungen, da das Kindertagesstättengesetz in § 11 Abs. 2 folgendes bereits regelt: „Jedes Kind muss, bevor es erstmalig in Kindertagesbetreuung aufgenommen wird, ärztlich untersucht werden. Eine Aufnahme erfolgt nur, wenn gesundheitliche Bedenken nicht bestehen. Im Rahmen der Aufnahmeuntersuchung wird der Impfstatus überprüft und eine Schließung von Impflücken angeboten.“ Frage 8: Gibt es zur Umsetzung dieses Gesetzes bereits erste Maßnahmen? Wenn ja, welche? zu Frage 8: Die Gesundheitsämter des Landes Brandenburg wurden über die Inhalte des Gesetzes informiert und auf die neuen Reglungen hingewiesen. Damit erhalten sie die Möglichkeit zur zeitnahen Umsetzung. Frage 9: Wie bewertet die Landesregierung eine Pflicht zur Impfung? zu Frage 9: Impfungen sind eine der wirksamsten präventiven Maßnahmen der Medizin. Wer sich impfen lässt, schützt nicht nur sich selbst, sondern auch andere Menschen vor schweren Infektionskrankheiten. Im Land Brandenburg wurde bisher zur Verbesserung der Durchimpfungsraten auf eine umfassende Aufklärung und Information gesetzt und den Bürgerinnen und Bürgern somit eine wirkliche individuelle Entscheidung eingeräumt. Unabhängig von den fachlichmedizinischen Vorteilen, die eine Schutzimpfung gegenüber einer Erkrankung hat, stellt jeder invasive Eingriff eine Grundrechtsverletzung auf körperliche Unversehrtheit dar, die allein durch die individuelle Zustimmung des zu Impfenden bzw. dessen Erziehungsberechtigten gerechtfertigt sein kann. Diese individuelle Zustimmung würde aber bei einer Landtag Brandenburg Drucksache 6/7556 - 5 - verpflichtenden Impfung entfallen. Bürgerinnen und Bürger, die sich nach einer umfassenden und ergebnisoffenen Aufklärung für eine Schutzimpfung entscheiden, dürften im Ergebnis von der medizinischen Notwendigkeit mehr überzeugt sein als Menschen, die aufgrund einer Impfverpflichtung keine individuelle Wahlmöglichkeit haben. Die Einführung einer Impfpflicht könnte nur über den Bundesgesetzgeber erfolgen. Bisher fand sich hierfür in den Ländern keine Mehrheit. Frage 10: Sind Kinderärzte zur Impfberatung verpflichtet? zu Frage 10: Vor der Durchführung von Schutzimpfungen hat jeder Arzt und jede Ärztin die Pflicht, die zu impfende Person oder die Sorgeberechtigten über die zu verhütende Krankheit und die Impfung aufzuklären. Eine verpflichtende Impfberatung durch Kinderärztinnen und -ärzte erfolgt im Rahmen von Untersuchungen zur Früherkennung von Krankheiten bei Kindern bis zur Vollendung des 6. Lebensjahres. Frage 11: Sind der Landesregierung Vorgänge bekannt, wonach Ärzte bewusst von einer Schutzimpfung des Kindes abraten? zu Frage 11: Der Landesregierung wurden bisher keine entsprechenden Vorgänge angezeigt . Frage 12: Inwieweit hat die Landesregierung Erkenntnisse darüber, dass beispielsweise Heilpraktiker oder Hebammen von Impfungen abraten und aufgrund dessen Eltern ihre Kinder nicht impfen lassen? zu Frage 12: Der Landesregierung liegen hierüber keine konkreten Erkenntnisse vor. Die Landesregierung unterstützt das Thema Impfaufklärung, Impfprävention und Impfstatus im Rahmen des „Bündnisses Gesund aufwachsen“, in dem auch der Hebammenverband Brandenburg e.V. Mitglied ist. Frage 13: Welche Handlungsmöglichkeiten haben Gesundheitsämter der Impfkritik von bestimmten Heilpraktikern oder Hebammen entgegenzuwirken? zu Frage 13: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gesundheitsämter unterbreiten niedrigschwellige Angebote zum Thema Impfen. Dazu gehören die Aufklärung von Bürgerinnen und Bürgern zu Ursachen und Übertragungswegen von Infektionskrankheiten und zu entsprechenden Schutzmaßnahmen ebenso wie das Angebot von Impfungen. Frage 14: Wie bewertet die Landesregierung in diesem Zusammenhang Vorschläge zur Gestaltung des Heilpraktikerwesens, die zu einer größeren Transparenz und zu einer Verbesserung des Patienten- und Verbraucherschutzes führen sollen? zu Frage 14: Die Landesregierung befürwortet den im Dezember 2016 im Zuge der Artikel 17e und 17f des Dritten Pflegestärkungsgesetzes - PSG III - eingeleiteten Prozess der Etablierung von bundeseinheitlichen Vorgaben für die zu überprüfenden Kenntnisse und Fähigkeiten von Heilpraktikeranwärterinnen und -anwärtern. Im Juli 2016 hatte die 89. Gesundheitsministerkonferenz (GMK) einstimmig festgestellt, dass die Anforderungen an die Erlaubniserteilung nach dem Heilpraktikerrecht nicht den Qualitätserfordernissen genügen, die aus Gründen des Patientenschutzes an die selbständige Ausübung der Heilkunde zu Landtag Brandenburg Drucksache 6/7556 - 6 - stellen sind. Die Landesregierung geht davon aus, dass mit einer bundeseinheitlichen Präzisierung von Inhalten und Gegenständen der Kenntnisüberprüfung dem Patientenschutz besser Rechnung getragen werden kann. In Bezug auf Schutzimpfungen gegen übertragbare Krankheiten ist festzustellen, dass Heilpraktikerinnen und Heilpraktiker nicht berechtigt sind, diese Impfungen durchzuführen.