Datum des Eingangs: 03.03.2015 / Ausgegeben: 09.03.2015 Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/768 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 226 des Abgeordneten Christoph Schulze fraktionslos Drucksache 6/509 Wortlaut der Kleinen Anfrage 226 vom 27.01.2015 Nunmehr „Dynamischer Schallschutz“ am BER entsprechend den Flugrouten In der Vergangenheit sind viele vom Flughafen Berlin-Schönefeld (BER) betroffene Juristen, Anwaltskanzleien, Sachverständige und sogar über lange Zeit die Landes- regierung davon ausgegangen, dass die im Planfeststellungsbeschluss zugrunde gelegten Annahmen in Hinblick auf Flugrouten auch Rechts- und Bemessungsgrund- lage von Schallschutz für die Betroffenen Bürger sind. Daraus resultierten Tag- und Nachtschutzgebiete, die auch im Planfeststellungsbeschluss bzw. im Planergän- zungsbeschluss beschrieben worden sind. Diesbezüglich hatte die Landesregierung und durch ihren Prozessvertreter beim Bundesverwaltungsgericht auch eine entspre- chende Prozesserklärung abgegeben. Hier der interessierende Auszug aus der Pro- zesserklärung des MIL vom 21. September 2011 in den Verfahren BVerwG 4 A 4000.10.4 A 4001.10:: Entsprechend dieser Prozesserklärung sind Bürger, Gutachter und Sachverständige davon ausgegangen, dass den Bürgern, die im Bereich dieser Flugrouten liegen, ei- ne „Meistbegünstigung“ zuerkannt wird, d. h. dass sie auch, wenn es nicht Gerade- ausflugrouten, sondern abknickende Flugrouten gibt, nicht schlechter gestellt werden sollen. Auf diese Prozesserklärung der Landesregierung als Planfeststellungsbehör- de vertrauten Bürgerinnen und Bürger. Nunmehr hat das OVG am 08.12.2014 im Verfahren OVG Berlin-Brandenburg 6 A 13.14 einen Rechtssprechungswandel zum entsprechenden Oberverwaltungsgerichtsurteil Berlin-Brandenburg 11 A 7.13 eingeleitet. Das Oberverwaltungsgericht erklärte, dass der Bürger keinen Anspruch auf eine so- genannte „Übersicherung“ habe. Es sei völlig egal, was die Landesregierung vor dem Bundesverwaltungsgericht im entsprechenden Prozess erklärt habe, dies sei unerheblich. Die neuen Flugrouten 15-Grad abknickend seien als Berechnungs- grundlage nicht zu beanstanden, und der Bürger hätte, wie gesagt keinen Anspruch auf eine entsprechende Übersicherung, sondern Grundlage können immer nur die konkreten Flugrouten sein. Weiterhin wurde in dem OVG-Verfahren deutlich, dass die Landesregierung zwar Vollzugshinweise für den Schallschutz geben kann, aber selbst keine Erfüllungspflicht für den Planfeststellungsbeschluss hat, sondern dass die Erfüllungspflicht allein bei der Flughafengesellschaft liegt, d. h. in Zukunft kann auch die Landesregierung nicht mehr auf die Erfüllung des Planfeststellungsbe- schlusses verklagt werden, was auch einen deutlichen Rechtsprechungswandel dar- stellt, denn in der Vergangenheit wurde die Landesregierung mehrfach und erfolg- reich im Hinblick auf die Umsetzung des Planfeststellungsbeschlusses verklagt (sie- he Urteil OVG Berlin-Brandenburg 11 A 7.13) Aus diesem Sachverhalt ergibt sich natürlich die Tatsache, dass sich nunmehr ein „dynamischer Schallschutz“ am BER entwickelt, jeweils konsequent am aktuellen IST-Niveau kalkuliert. D. h. immer, wenn Bürgerinnen und Bürger von geänderten Flugrouten und mehr Flugverkehr betroffen sind, ändern sich ggf. die Lärmbelastun- gen und konsekutiv haben sie ggf. auch geänderten, neuen Anspruch auf Schall- schutz, wenn der bewilligte und „vorher“ eingebaute Schallschutz dieser Mehrbelas- tung nicht genügt. Aus diesem Grunde frage die Landesregierung: 1. Wie soll in Zukunft sichergestellt werden, dass die Bürgerinnen und Bürger im Hinblick auf geänderte Flugrouten oder Mehrbelastungen durch Kapazitätssteigerungen bei An- und Abflügen mit veränderten und konsekutiv erhöhten Leq, die ja doch ständig wechseln, ihren Rechtsanspruch aus Schallschutz bekommen ? Gibt es Schwellenwerte veränderter Leq wo der Schallschutz neu berechnet werden muss? 2. Wie erfahren die Bürgerinnen und Bürger überhaupt davon, dass sie ggf. durch veränderte Flugrouten, neue Flugverfahren oder mehr Flugverkehr Anrecht auf (mehr) Schallschutz haben? 3. Wer überprüft und kontrolliert das, ob die Bürgerinnen und Bürger ausreichend Schallschutz auch in Zukunft entsprechend des Planfeststellungsbeschlusses 0,05 x 55 db(A) etc. haben? Namens der Landesregierung beantwortet die Ministerin für Infrastruktur und Landesplanung die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Wie soll in Zukunft sichergestellt werden, dass die Bürgerinnen und Bürger im Hin- blick auf geänderte Flugrouten oder Mehrbelastungen durch Kapazitätssteigerungen bei An- und Abflügen mit veränderten und konsekutiv erhöhten Leq, die ja doch ständig wechseln, ihren Rechtsanspruch aus Schallschutz bekommen? Gibt es Schwellenwerte veränderter Leq wo der Schallschutz neu berechnet werden muss? Zu Frage 1: Durch den Planfeststellungsbeschluss vom 13.08.2004 und den Planergänzungsbe- schluss vom 20.10.2009 zum Ausbau der Verkehrsflughafens Berlin-Schönefeld, je- weils in ihrer aktuellen bestandskräftigen Fassung, werden die einzuhaltenden Schutzziele durch entsprechende Lärmschutzauflagen verbindlich festgelegt. Die Umsetzung der Auflagen erfolgt durch die Flughafen Berlin Brandenburg GmbH (FBB) auf der Grundlage von Prognosen zur zukünftigen Lärmbelastung im Umfeld des Verkehrsflughafens. Zur Erleichterung der Abgrenzung, wer mit Ansprüchen auf Schallschutzmaßnahmen rechnen kann, wurden im Planfeststellungsbeschluss Schutzgebiete ausgewiesen. Der Planfeststellungsbeschluss enthält darüber hinaus Vorbehalte zu nachträglichen Anordnungen zum Schutz der Bevölkerung vor Flug- lärm und Regelungen zur Neuausweisung der festgelegten Schutz- und Entschädi- gungsgebiete. Die Gebiete werden insbesondere bei geänderten An- und Abflugver- fahren durch die Flughafengenehmigungsbehörde neu ausgewiesen, wenn sich der energieäquivalente Dauerschallpegel an der äußeren Grenze des Schutzgebietes an den Schnittpunkten mit den An- und Abflugstrecken um mehr als 2 dB(A) ändert. Die FBB ist als Vorhabenträgerin verpflichtet, die Vorgaben des Planfeststellungsbe- schlusses einzuhalten. Die Betroffenen müssen ihre Ansprüche auf bauliche Schall- schutzmaßnahmen gegenüber der FBB geltend machen. Bis zu fünf Jahre nach Neuausweisung der Gebiete können Ansprüche gegenüber der FBB geltend ge- macht werden. Frage 2: Wie erfahren die Bürgerinnen und Bürger überhaupt davon, dass sie ggf. durch ver- änderte Flugrouten, neue Flugverfahren oder mehr Flugverkehr Anrecht auf (mehr) Schallschutz haben? Zu Frage 2: Das für die Festlegung von Flugverfahren zuständige Bundesaufsichtsamt für Flug- wesen (BAF) veröffentlicht neu festgelegte Flugverfahren einschließlich der Flugrou- ten durch den Erlass einer Rechtsverordnung. Die FBB berichtet regelmäßig über das Luftverkehrsaufkommen am Flughafen. Ob Bürgerinnen oder Bürger Anrechte haben, erfahren diese durch die Ausweisung der betreffenden Gebiete. Die Neuaus- weisung der Schutz- und Entschädigungsgebiete erfolgt durch die Flughafengeneh- migungsbehörde und wird öffentlich bekannt gemacht. Frage 3: Wer überprüft und kontrolliert das, ob die Bürgerinnen und Bürger ausreichend Schallschutz auch in Zukunft entsprechend des Planfeststellungsbeschlusses 0,05 x 55 db(A) etc. haben? Zu Frage 3: Die Einhaltung der Schutzauflagen durch die FBB wird von der Gemeinsamen Oberen Luftfahrtbehörde Berlin-Brandenburg überwacht. Gemäß § 19a LuftVG hat die FBB als Flughafenunternehmer in der Umgebung des Flughafens Anlagen zur fortlaufend registrierenden Messung der durch die an- und abfliegenden Luftfahrzeuge entstehenden Geräusche einzurichten und zu betreiben (Fluglärmmessanlage). Die Mess- und Auswertungsergebnisse sind der Genehmigungsbehörde und der Kommission nach § 32b (Fluglärmkommission) sowie auf Verlangen der Genehmigungsbehörde anderen Behörden mitzuteilen und regelmäßig zu veröffentlichen. Von der Lärmsituation im Umfeld des Flughafens können sich somit sowohl die Genehmigungsbehörde als auch die Anwohner jederzeit ein Bild machen. Insbesondere ist es damit möglich zu überprüfen, ob die aktuell messtechnisch erfasste Lärmbelastung geringer ist, als die für das Endausbauszenario rechnerisch ermittelte Lärmbelastung.