Datum des Eingangs: 03.03.2015 / Ausgegeben: 09.03.2015 Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/773 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 243 der Abgeordneten Birgit Bessin der AfD-Fraktion Drucksache 6/533 Früheinschulung Wortlaut der Kleinen Anfrage 243 vom 30.01.2015: Sowohl eine hessische Studie mit über 10.000 Kindern, als auch die Hamburger LAU-Studie belegen, dass Kinder, die mit fünf Jahren eingeschult wurden, öfter sitzen bleiben, seltener für das Gymnasium empfohlen wurden und an mangelndem Selbstvertrauen litten. Der PISA- Sieger Finnland z.B. schult seine Kinder erst mit sieben Jahren ein. Ich frage die Landesregierung: 1.) Hat die Landesregierung eigene Untersuchungen zu der beschriebenen Proble- matik in Auftrag gegeben und wenn ja, wie sind die Ergebnisse? 2.) Liegen der Landesregierung aktuelle Zahlen zur nachgewiesenen Korrelation (Studie von Todd Elder) zwischen Früheinschulung und verstärkt auftretendem ADHS vor und wenn ja, welche Ergebnisse können daraus abgeleitet werden? 3.) Kinder im Alter von fünf Jahren sind erwiesener Maßen unkonzentrierter und lernen schlechter. Welche Rückmeldungen von Lehrkräften und Schulen sind der Landesregierung diese Umstände betreffend bekannt und wie wird darauf reagiert ? 4.) Wie verhält sich der Anteil der „Sitzenbleiber“ von früh eingeschulten Kindern gegenüber denen, die später eingeschult wurden? 5.) Andere Bundesländer haben Versuche der Früheinschulung mittlerweile wieder zurückgenommen. Inwieweit haben Erfahrungen anderer Bundesländer Einfluss auf die zukünftige Planung in diesem Bereich? 6.) Liegen der Landesregierung Informationen darüber vor, wie viele Eltern ihr Kind mittels psychologischer Gutachten von einer drohenden Früheinschulung zurückstellen lassen? 7.) In der berühmt gewordenen Langzeitstudie (The Longevity Project), die mehrere Forschergenerationen beschäftigte, hat der Stanford-Psychologe Lewis Terman festgestellt, dass Teilnehmer, die früh eingeschult wurden, in ihrem gesamten Leben verstärkt mit Problemen zu kämpfen hätten, unter anderem überdurchschnittlich oft mit Alkoholmissbrauch. Welche Überlegungen gibt es seitens der Landes- regierung bei diesen alarmierenden Ergebnissen die Stichtagsregelung zu ändern ? Namens der Landesregierung beantwortet der Minister für Bildung, Jugend und Sport die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung: Der einleitende Hinweis der Fragestellerin, die Hamburger LAU-5-Studie belege, dass „Kinder, die mit fünf Jahren eingeschult wurden, öfter sitzen bleiben, seltener für das Gymnasium empfohlen wurden und an mangelndem Selbstvertrauen“ leiden, wird durch die LAU-5-Studie nicht hinreichend bestätigt. Von den Autoren der LAU-5- Studie wird formuliert: „Somit ist den Befunden insgesamt kein Hinweis auf Nachteile der Praxis einer vorzeitigen Einschulung zu entnehmen, insbesondere dann nicht, wenn man die Möglichkeit einer späteren Korrektur in die Überlegungen einbezieht“ FN1. Frage 1: Hat die Landesregierung eigene Untersuchungen zu der beschriebenen Problematik in Auftrag gegeben und wenn ja, wie sind die Ergebnisse? Zu Frage 1: Die Landesregierung sah bisher keine Veranlassung, zu diesem Thema Untersuchungen in Auftrag zu geben. Frage 2: Liegen der Landesregierung aktuelle Zahlen zur nachgewiesenen Korrelation (Studie von Todd Elder) zwischen Früheinschulung und verstärkt auftretendem ADHS vor und wenn ja, welche Ergebnisse können daraus abgeleitet werden? Zu Frage 2: In der zitierten Studie wird keine Korrelation zwischen Früheinschulung und verstärkt auftretendem ADHS nachgewiesen. Vielmehr kommt Todd Elder in seiner Studie zu dem Schluss, dass viele Kinder unnötigerweise mit ADHS diagnostiziert werden. Der Wissenschaftler selbst kommt zu dem Ergebnis, dass bei (Schul-)Kindern, die unaufmerksam sind oder nicht still sitzen können, nicht sofort an die Diagnose ADHS durch Ärzte und Lehrkräfte gedacht werden sollte, sondern an einen möglichen individuellen Entwicklungsunterschied von Kindern im Alter von fünf oder sechs Jahren FN2. Deshalb sieht sich die Landesregierung nicht veranlasst, Erhebungen durchzuführen, die einen solchen Zusammenhang betrachten. Frage 3: Kinder im Alter von fünf Jahren sind erwiesener Maßen unkonzentrierter und lernen schlechter. Welche Rückmeldungen von Lehrkräften und Schulen sind der Landesregierung diese Umstände betreffend bekannt und wie wird darauf reagiert? FN1 http://bildungsserver.hamburg.de/contentblob/2815702/data/pdf-schulleistungstest-lau-5.pdf, S. 44 FN2 Quelle: http://www.edublox.com/one-million-US-children-misdiagnosed-ADHD.htm Zu Frage 3: Der Landesregierung liegen keine Erkenntnisse und Rückmeldungen von Lehrkräften vor, die diese These bestätigen. Frage 4: Wie verhält sich der Anteil der „Sitzenbleiber“ von früh eingeschulten Kindern gegenüber denen, die später eingeschult wurden? Zu Frage 4: Diesbezügliche Erhebungen liegen der Landesregierung nicht vor. Frage 5: Andere Bundesländer haben Versuche der Früheinschulung mittlerweile wieder zurückgenommen . Inwieweit haben Erfahrungen anderer Bundesländer Einfluss auf die zukünftige Planung in diesem Bereich? Zu Frage 5: 1997 beschloss die Kultusministerkonferenz ihre Empfehlungen zum Schulanfang FN3. In den Empfehlungen wird darauf verwiesen, dass die Schulpflicht für alle Kinder, die bis zu dem jeweiligen schulgesetzlich festgelegten Stichtag das 6. Lebensjahr vollendet haben, am 1. August desselben Jahres, in der Regel mit Beginn des Unterrichts nach den Sommerferien, beginnt. Der entsprechende Stichtag soll zwischen dem 30. Juni und dem 30. September liegen. Auch in Anerkennung dieses zeitlichen Maßstabs plant die Landesregierung keine Änderung der schulgesetzlichen Stichtagsregelung . Hierfür ist auch anzuführen, dass aktuell veranlasst wurde, den Elternwillen im Zusammenhang mit einem Rückstellungsantrag stärker als bisher im Verfahren zu berücksichtigen. Der Landesregierung ist die Entwicklung der die Einschulung bestimmenden Termine in einigen anderen Ländern bekannt. Dies gilt auch für das Land Berlin, in dem derzeit Kinder zum 1. August schulpflichtig werden, die bis zum 31. Dezember desselben Jahres das sechste Lebensjahr vollenden. Frage 6: Liegen der Landesregierung Informationen darüber vor, wie viele Eltern ihr Kind mittels psychologischer Gutachten von einer drohenden Früheinschulung zurückstellen lassen? Zu Frage 6: Solche Daten werden nicht erhoben. Frage 7: In der berühmt gewordenen Langzeitstudie (The Longevity Project), die mehrere Forschergenerationen beschäftigte, hat der Stanford-Psychologe Lewis Terman festgestellt , dass Teilnehmer, die früh eingeschult wurden, in ihrem gesamten Leben verstärkt mit Problemen zu kämpfen hätten, unter anderem überdurchschnittlich oft mit Alkoholmissbrauch. Welche Überlegungen gibt es seitens der Landesregierung bei diesen alarmierenden Ergebnissen die Stichtagsregelung zu ändern? FN3 Empfehlungen zum Schulanfang (Beschluss der KMK vom 24.10.1997) Zu Frage 7: Zur der angeführten Studie wird festgestellt, dass es sich bei der Population der Stichprobe um eine hoch selegierte, zahlenmäßig kleine Gruppe von hochbegabten Kindern der oberen amerikanischen Mittelschicht handelte. Die Anzahl der untersuchten Personen ist deutlich zu gering, um allgemeingültige Thesen zu formulieren oder auf die Gegenwart zu beziehen. Darüber hinaus ist der spätere Erfolg oder Misserfolg der Teilnehmerinnen und Teilnehmer nicht eindeutig auf eine frühere oder spätere Einschulung zurückzuführen. Der Erfolg einer Person wird wesentlich auch durch Faktoren wie sozialer Status, Krankheiten, Scheidung der Eltern, Arbeitslosigkeit der Eltern, Alkoholismus eines Elternteils etc. bestimmt. Andere wissenschaftliche Auswertungen auf der Grundlage der Daten der Terman-Stichprobe lehnen eine Generalisierung der Ergebnisse ab. Die Landesregierung sieht auf der Grundlage der Ergebnisse der angeführten Studie keinen Handlungsbedarf.