Landtag Brandenburg Drucksache 6/7814 6. Wahlperiode Eingegangen: 12.12.2017 / Ausgegeben: 18.12.2017 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 3054 des Abgeordneten Raik Nowka (CDU-Fraktion) Drucksache 6/7495 Sachstand Gesundheitsausgaben je Einwohner Namens der Landesregierung beantwortet die Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkungen des Fragestellers: Das Amt für Statistik veröffentlichte am 10. Oktober 2017 eine Meldung über die Pro-Kopf-Gesundheitsausgaben im Land Brandenburg und im Vergleich hierzu die Ausgaben anderer Länder. Demnach liegt „Brandenburg seit Jahren an der Spitze der Pro-Kopf-Ausgaben für Gesundheit . Im Jahr 2015 betrugen die Ausgaben laut Amt für Statistik Berlin-Brandenburg 4 483 EUR pro Person. Die vergleichsweise hohen Ausgaben kommen durch überdurchschnittliche Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung zustande.“ Andere Flächenländer, auch aus den neuen Bundesländern wie z.B. Thüringen, haben hier weniger Ausgaben. Parallel dazu gibt es z.B. Zahlen die nachweisen, dass insbesondere in Ballungsgebieten, vor allem durch eine Überversorgung, Mehrkosten entstehen. Auch die durchschnittlichen bereinigten Kosten im Krankenhaus je Fall im (2015) und je 1000 Einwohner sind in Brandenburg im Bundeslandvergleich am niedrigsten (Statistisches Bundesamt). Vorbemerkung der Landesregierung: Das Amt für Statistik Berlin-Brandenburg hat am 10. Oktober 2017 statische Zahlen über die Höhe der Gesundheitsausgaben pro Kopf in den einzelnen Bundesländern veröffentlicht. Weitere Aussagen zu möglichen Ursachen in der unterschiedlichen Höhe der Ausgaben oder strukturellen Unterschieden in den Bundesländern wurden nicht getroffen. Insoweit kann eine abschließende Bewertung zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht erfolgen. Frage 1: Wie bewertet die Landesregierung die veröffentlichte Statistik vom 10. Oktober 2017? zu Frage 1: Die angeführte Statistik beruht auf einer Gesundheitsausgabenrechnung. Die Gesundheitsausgaben werden dabei differenziert nach Ausgabenträgern berechnet und dargestellt. Es handelt es sich um ein Rechenwerk, in dem die im Bereich des Gesundheitswesens verfügbaren Datenquellen - wie Daten aus der amtlichen Statistik, Verwaltungsdaten , Geschäfts- und Jahresberichte - zusammengeführt werden. Es wird der gesamte volkswirtschaftliche Ressourcenverbrauch ermittelt, der im Laufe eines Jahres für den Erhalt und die Wiederherstellung der Gesundheit aufgewendet wurde. Zu den Ausga- Landtag Brandenburg Drucksache 6/7814 - 2 - benträgern gehören hierbei die gesetzliche Krankenversicherung, private Haushalte und private Organisationen ohne Erwerbszweck, die private Krankenversicherung, die soziale Pflegeversicherung, öffentliche Haushalte, Arbeitgeber, die gesetzliche Unfallversicherung und die gesetzliche Rentenversicherung. Den größten Anteil an den Gesundheitsausgaben haben dabei im Land Brandenburg die gesetzliche Krankenversicherung (62,7 %), die soziale Pflegeversicherung (10,4 %) sowie private Haushalte und private Organisationen (8,9 %). Dies entspricht dem Niveau der anderen neuen Länder. So verzeichnet Brandenburg bei den Pro-Kopf-Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung für das Jahr 2015 einen Betrag von 2809 Euro pro Einwohnerin bzw. Einwohner, darüber liegen die Länder Mecklenburg-Vorpommern (2.824 Euro) und Sachsen-Anhalt (2.898 Euro), darunter die Länder Sachsen (2.770 Euro) und Thüringen (2.720 Euro). In der sozialen Pflegeversicherung ergibt sich ein ähnliches Bild. Brandenburg kommt hier auf 465 Euro pro Einwohnerin bzw. Einwohner, über diesem Betrag liegt Mecklenburg- Vorpommern (474 Euro) und Sachsen-Anhalt (497 Euro), unter diesem Betrag Sachsen (464 Euro) und Thüringen (434 Euro). Damit bestätigt sich auch bei der Betrachtung der Gesundheitsausgaben, dass die neuen Bundesländer und damit auch Brandenburg von den Folgen der demographischen Entwicklung früher und stärker betroffen sind als der Bundesdurchschnitt. So weist Brandenburg die höchste Zuwachsrate an Menschen der „Generation 65 Plus“ seit der deutschen Vereinigung zwischen 1990 und 2014 mit einem Zuwachs von 81 % auf, gefolgt von Mecklenburg -Vorpommern mit 74 % (Statistisches Bundesamt, Ältere Menschen in Deutschland und der EU, 2016, S. 13). Die geringste Steigerungsrate verzeichneten die Stadtstaaten Hamburg (+ 14 %) und Bremen (+ 19 %). Diese Entwicklung hat naturgemäß Auswirkungen auf die Ausgabeentwicklung bei der gesetzlichen Krankenversicherung und sozialen Pflegeversicherung. Während insgesamt ein andauernder Bevölkerungsrückgang zu verzeichnen ist, wächst z.B. die Gruppe der über 80-Jährigen weiter. Das führte und führt auch zu einem deutlichen Anstieg des Anteils pflegebedürftiger Menschen an der Gesamtbevölkerung . Hinzuweisen ist darüber hinaus auf den im Bundesvergleich überdurchschnittlichen Krankenstand mit einer deutlich höheren Anzahl von jährlichen Arbeitsunfähigkeitstagen in Brandenburg und den anderen neuen Bundesländern. Das gefundene Ergebnis kann in den Grundtendenzen als plausibel bewertet werden. Der Spitzenplatz des Landes Brandenburg bei den Gesundheitsausgaben muss allerdings insofern relativiert werden, als die Unterschiede bei den Gesundheitsausgaben der neuen Bundesländer sehr gering ausfallen. Hinzu kommt, dass die Methodik der Erhebung gewisse Schwächen aufweist. So wird beispielsweise bei der Ermittlung der Ausgaben der jeweiligen Krankenkassen die Zahl der Versicherten mit dem durchschnittlichen Kostensatz der jeweiligen Krankenkasse multipliziert. Bei bundesweit tätigen Krankenkassen konnten aber keine Einzeldaten nach Wohnort, sondern nur die bundesweiten Durchschnittskostensätze abgebildet werden, so dass eventuelle Besonderheiten der Brandenburger Versicherten bei diesen Krankenkassen nicht berücksichtigt werden konnten. Frage 2: Inwiefern lassen sich aus der oben genannten Statistik Rückschlüsse auf die gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen des Landes ziehen? zu Frage 2: Die Lebenserwartung ist ein Indikator für den Gesundheitszustand in einer Gesellschaft. Das heißt, hier spiegeln sich in einer einzigen Kennziffer verschiedene Ein- Landtag Brandenburg Drucksache 6/7814 - 3 - flussfaktoren auf die Gesundheit, wozu genetische Dispositionen, individuelle und kollektive Verhaltensweisen, regionale Ernährungsgewohnheiten, soziale Lage und die Leistungsfähigkeit des medizinischen Versorgungssystems gehören. Für die Entwicklung in den vergangenen Jahren lässt sich für Brandenburg eine erfreuliche Bilanz ziehen. Die Lebenserwartung der Brandenburger Bürgerinnen und Bürger ist stetig gestiegen. Zu Beginn der 1990er-Jahre zeigte sich ein Ost-West-Unterschied in der mittleren Lebenserwartung bei Geburt zu Ungunsten der neuen Bundesländer. Der Gewinn an Lebenserwartung ist in den neuen Bundesländern inzwischen insgesamt größer als in den alten Bundesländern. Die verbleibenden Ost-West-Unterschiede in der mittleren Lebenserwartung bei Geburt sind erheblich geschrumpft. Die Sterblichkeitsverhältnisse von Ost- und Westdeutschland haben sich bisher für Frauen stärker angeglichen als für Männer. Die Sterblichkeit unter 65 Jahren (so genannte vorzeitige Sterblichkeit) ist für die Frauen, anders als für Männer, in den neuen Bundesländern inzwischen niedriger als in den alten Bundesländern. Der Sterblichkeitsabstand der 15- bis 64-jährigen Männer aus den neuen Bundesländern zu den Gleichaltrigen aus den alten Bundesländern hat sich seit Jahren nicht verringert. Die demographischen und gesellschaftlichen Veränderungen sowie die weitere Morbiditätsentwicklung werden gleichwohl zu erhöhten Anforderungen an die medizinische Versorgung führen. Erfahrungsgemäß sind die über 65-jährigen bzw. die über 80-jährigen Personen die Patientengruppen mit den höchsten Kontaktzahlen in der hausärztlichen und bestimmten Bereichen der fachärztlichen Versorgung (bspw. Augenheilkunde, Urologie). Hinzu kommt, dass insbesondere der hausärztliche Betreuungsbedarf von chronisch Kranken auch von deren persönlichen Umfeld abhängt. Sich vermindernde Unterstützungsmöglichkeiten innerhalb der unmittelbaren sozialen Umgebung werden die Erwartungen an die Grundversorgung erhöhen. Dieser Entwicklung kann eine stärkere Betonung der präventiven und gesundheitsfördernden Leistungen entgegengehalten werden, die zu einer Zunahme der gesunden Lebensjahre im Vergleich zur jetzigen Situation führen wird. Vielfach wird davon ausgegangen, dass sich der Gesundheitszustand der einzelnen Altersjahrgänge entsprechend der steigenden Lebenserwartung verbessert, sich die Morbidität also ins höhere Lebensalter verschiebt . Eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes der Bevölkerung resultiert dann vor allem aus einer stärkeren Besetzung der höheren Altersklassen. In Bezug auf den Bereich der Pflege lässt sich festhalten, dass der Anteil pflegebedürftiger Menschen an der Gesamtbevölkerung im Land Brandenburg in allen Altersgruppen (zum Teil deutlich) höher ist als in Deutschland insgesamt. Mit einem Anteil von Pflegebedürftigen an der Gesamtbevölkerung von 4,5 Prozent im Jahr 2015 liegt das Land Brandenburg über dem Bundesdurchschnitt von 3,5 Prozent. Die im Jahr 2014 vom MASGF veröffentlichte Brandenburger Fachkräftestudie Pflege (http://www.masgf.brandenburg.de/media_fast/4055/BraFaP_Abschlussbericht_2014.pdf) stellte zudem fest, dass die altersspezifische Pflegeprävalenz - also die Betroffenheit älterer Brandenburgerinnen und Brandenburger von Pflegebedürftigkeit – ab dem 75. Lebensjahr deutlich über dem bundesdeutschen Durchschnitt liegt. Landtag Brandenburg Drucksache 6/7814 - 4 - Die Zahlen der Gesundheitsausgaben in der Pflege bestätigen daher einen zentralen Ansatz in der Pflegepolitik: das Vermeiden, Verzögern und Vermindern von Pflegebedürftigkeit . Menschen, die aktiv und sozial gut eingebunden sind, auf soziale Netzwerke zurückgreifen können und vor Ort die passenden Unterstützungen erhalten, haben ein verringertes Risiko pflegebedürftig zu werden. Diese Potentiale langfristig und nachhaltig zu nutzen , ist Gegenstand der im Herbst 2015 gestarteten Pflegeoffensive und ein zentrales Aufgabenfeld der „Fachstelle Altern und Pflege im Quartier“. Frage 3: Lassen sich die sonstigen der Landesregierung vorliegenden Statistiken zur Entwicklung der Gesundheitskosten in Brandenburg mit der vorgelegten Zahl „Pro-Kopf- Ausgaben für Gesundheit“ in Übereinkunft bringen? zu Frage 3: Die sonstigen vom Fragesteller angeführten Statistiken z.B. zu den bereinigten durchschnittlichen Kosten im Krankenhaus stehen nur in einem scheinbaren Widerspruch zu dem gefundenen Ergebnis der Gesundheitsausgabenrechnung. Die bereinigten Kosten der Krankenhäuser für das Jahr 2015 im Land Brandenburg pro Fall sind im Bundesvergleich am niedrigsten (Quelle: Statistisches Bundesamt, Kosten der Krankenhäuser, 2017). Die Spanne reicht von 3.953 Euro im Land Brandenburg bis 5.013 Euro in Hamburg. Bundesdurchschnittlich betragen die bereinigten Kosten der Krankenhäuser pro Fall 4.378 Euro. In Berlin liegen die Kosten je Fall bei 4.732 Euro. Die Gesundheitsausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung und der sozialen Pflegeversicherung , auf die in der Kleinen Anfrage abgestellt wird, werden an den Versicherten mit Wohnort im Land Brandenburg festgemacht, unabhängig vom Behandlungsort. Deshalb stehen die Behandlungskosten in den Krankenhäusern des Landes Brandenburg in keiner (statistisch aussagefähigen) Relation zu den Gesundheitsausgaben, da die Kosten derjenigen Brandenburger Patientinnen und Patienten, die sich zur Behandlung z.B. in ein Berliner Krankenhaus begeben, hier naturgemäß nicht erfasst werden. Die Kosten der Krankenhäuser können im DRG-System (Fallpauschalensystem) ohnehin nicht unmittelbar in ein Verhältnis zu den Ausgaben der Krankenkassen für die Krankenhausbehandlung gesetzt werden, da es im DRG-System kein Prinzip der Kostendeckung gibt. Auch für die ambulante Versorgung in Brandenburg gilt, dass in die Gesundheitsausgabenrechnung alle Gesundheitskosten unabhängig vom Behandlungsort einfließen. Insofern ergeben sich Unterschiede zu Erhebungen, die nur auf Gesundheitskosten abstellen, die im Land Brandenburg entstanden sind. Frage 4: Wo liegen aus Sicht der Landesregierung die Ursachen für die stark unterschiedlichen Ergebnisse der einzelnen Kostenvergleiche? zu Frage 4: Es wird auf die Beantwortung von Frage 3 verwiesen.