Landtag Brandenburg Drucksache 6/7864 6. Wahlperiode Eingegangen: 19.12.2017 / Ausgegeben: 27.12.2017 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 3123 der Abgeordneten Ursula Nonnemacher (Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Drucksache 6/7667 Welche Gefahren gehen von den Kämpfern der „NS Straight Edge“- Bewegung aus? Namens der Landesregierung beantwortet der Minister des Innern und für Kommunales die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkungen der Fragestellerin: Mixed Martial Arts (MMA) - eine besonders brutale Form des Kampfsports - ist unter Rechtsextremisten und Hooligans in Mode. Buchstäblich. So haben sich die Veranstalter der angeblich „größten nationalen Kampfsportveranstaltung in Europa“, des konspirativ organisierten „Kampf der Nibelungen“ am 14.10.2017 in Kirchhundem (NRW), bei den Unterstützern „Wardon, Black Legion, Pride France II, White Rex und Greifvogel Wear“ bedankt. Dabei handelt es sich mit Ausnahme von „Wardon“ um einschlägige Kleidermarken. Mindestens zwei dieser fünf Unterstützer sind aus Brandenburg : „Black Legion“, eine textile „Iron Youth Division“, hat ihren Sitz in Cottbus. Sie war beim „Kampf der Nibelungen“ mit einem „Fighting Team“ vertreten und kündigt auf ihrer Homepage an, dass die „Zeiten 80 Jahre nach dem letzten großen Krieg abermals auf Sturm stehen“. Unter dem Namen „Black Legion“ war ursprünglich eine politische Organisation in den USA bekannt, die sich vom „Ku-Klux-Klan“ abgespalten hatte. „Greifvogel Wear“ aus Lindenau (Brandenburg) bezeichnet sich als „Radical Warrior Clothing Brand“, verkauft unter anderem T-Shirts mit der Aufschrift „Brutal Fight“ und steht für das Bekenntnis : „Kampf war schon immer der Vater aller Dinge.“ KämpferInnen einer so genannten „Greifvogel Eskadron“ stiegen beim „Kampf der Nibelungen“ in den Ring. Dort wurde den „SportlerInnen“ betontermaßen kein „Bekenntnis zur freien demokratischen Grundordnung “ abverlangt. Die Veranstalter schrieben: „Es geht nicht mehr um Musik und Suff, sondern die deutsche Jugend steht auf. Sie geht in Fitnessstudios und Kampfsportschulen , um sich auf das Kommende gefasst zu machen.“ Die Aktivitäten sind mit Bekenntnissen zur „NS Straight Edge“-Bewegung verknüpft. 1. Welche Erkenntnisse haben die brandenburgischen Sicherheitsbehörden bezüglich der rechtsextremistischen Veranstaltungsreihe „Kampf der Nibelungen“ - wer organisiert sie, wo hat sie in den vergangenen Jahren stattgefunden und wie viele Personen haben jeweils an den Veranstaltungen der vergangenen Jahre und in diesem Jahr teilgenommen? zu Frage 1: Die rechtsextremistische Kampfsportveranstaltung „Kampf der Nibelungen“ (KdN) wurde unter ihrem vorherigen Namen „Ring der Nibelungen“ im Jahr 2013 etabliert. Seit dem Jahr 2015 ist die Veranstaltung unter dem jetzigen Namen bekannt. Datum Ort Teilnehmer 14.09.2013 Vettelschoß (RP) bis zu 200 Landtag Brandenburg Drucksache 6/7864 - 2 - 25.10.2014 Vettelschoß (RP) bis zu 200 17.10.2015 Hamm (NRW) bis zu 250 01.10.2016 Gemünden (HE) bis zu 300 14.10.2017 Kirchhundem (NRW) bis zu 600 Hauptverantwortlich organisiert werden die Veranstaltungen von Rechtsextremisten aus Hessen, Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Am 1. Oktober 2016 sollen bis zu 300 Personen die Veranstaltung in der Mehrzweckhalle in Gemünden (Felda, Hessen) besucht haben, die lediglich nach ihrem äußeren Erscheinungsbild der rechtsmotivierten Szene zugeordnet werden konnten. Die Veranstaltung wirkte äußerlich wie eine normale Sportveranstaltung , ein rechtsmotivierter Bezug war nicht erkennbar. Eine Außenwirkung der Veranstaltung sowie strafbare Sachverhalte mit Veranstaltungsbezug wurden nicht festgestellt . Am 14. Oktober 2017 fand diese Veranstaltung in Kirchhundem (Nordrhein- Westfalen) statt. An dieser sollen bis zu 600 Personen, darunter etwa 50 Kämpfer, teilgenommen haben. Das als geschlossene Veranstaltung deklarierte Event wurde seit Ende vergangenen Jahres insbesondere in den sozialen Netzwerken beworben. Unter den Teilnehmern sollen sich Rechtsextremisten aus dem gesamten Bundesgebiet sowie aus Frankreich, Italien, den Niederlanden, Bulgarien und Russland befunden haben. 2. Welche RechtsextremistInnen, Hooligans, Rocker oder andere Personen aus Brandenburg haben sich am 14. Oktober 2017 in Kirchhundem als Kämpfer, Mitorganisatoren und/oder Unterstützer am „Kampf der Nibelungen“ beteiligt und wie viele der BesucherInnen kamen ungefähr aus Brandenburg? zu Frage 2: Der Landesregierung liegen Erkenntnisse vor, dass Personen des rechtsextremistischen Hooliganspektrums aus Cottbus an der Veranstaltung im niedrigen zweistelligen Bereich als Zuschauer teilgenommen haben. Zu weiteren Teilnehmern aus Brandenburg liegen bisher keine Erkenntnisse vor. Dies ist Bestandteil der noch laufenden Auswertung . Das Bekleidungslabel „Black Legion“ aus Cottbus fungiert nach polizeilichem Kenntnisstand bereits seit 2016 als Mitorganisator der Veranstaltung „Kampf der Nibelungen“. Auch im Jahr 2017 war das Label zumindest Mitorganisator. Im Impressum der Internetseite des Unternehmens zeichnet sich der Inhaber des rechtsextremistischen Cottbuser Musiklabels „Rebel Records“ verantwortlich für die Marke. Neben dem Bekleidungslabel „Black Legion“ trat auch die Bekleidungsmarke „Greifvogel“ als Unterstützer der Veranstaltung auf. Die Bekleidungsmarke „Greifvogel Wear“ wurde im Jahr 2013 vom Inhaber des rechtsextremistischen Musiklabels „One People One Struggle Records“ (OPOS- Records) in Dresden gegründet und hatte dort bis zum Ende des Jahres 2016 ihren Geschäftssitz . Der neue Sitz der beiden genannten Unternehmen ist die „Parkgaststätte“ in Lindenau (OSL). 3. Waren Personen aus Brandenburg bereits in den vergangenen Jahren am „Kampf der Nibelungen“ beteiligt und gegebenenfalls inwiefern? zu Frage 3: Der Landesregierung liegen Erkenntnisse vor, dass Mitglieder des rechtsextremistischen Kampfsportvereins „Northsidecrew“ aus Lübben als Kämpfer an vergangen Veranstaltungen teilgenommen haben. Wie bereits in der Antwort zur Frage 2 aufgeführt, war das Label „Black Legion“ bereits im Jahr 2016 Mitorganisator der Veranstaltung „Kampf der Nibelungen“. Außerdem befand sich auf dem Vorankündigungsplakat der Veranstaltung ein Bild einer Person aus Cottbus, die als Angehöriger der dortigen gewaltbe- Landtag Brandenburg Drucksache 6/7864 - 3 - reiten Kampfsportszene bekannt ist. Es liegen keine Informationen vor, ob diese tatsächlich während der Veranstaltung auftrat. 4. Welche Erkenntnisse haben die brandenburgischen Sicherheitsbehörden über die Unterstützer des „Kampfs der Nibelungen“, über „Wardon“ (auch „Wardon 21“), „Black Legion “, „Pride France II“, „White Rex“ und „Greifvogel Wear“ - welche Aktivitäten und Ziele dieser Unterstützer sind bekannt, welche Personen oder Gruppen verbergen sich ggf. hinter diesen Firmen und Organisationen und welche Bezüge bestehen jeweils zur rechtsextremistischen Szene in Brandenburg? zu Frage 4: Die Modemarken „Pride France“ (Frankreich) sowie „White Rex“ (Russland) bieten Bekleidung für die rechtsextremistisch orientierte Kampfsportszene. Hinter den Marken stehen französische bzw. russische Rechtsextremisten. Weitere Erkenntnisse liegen dazu nicht vor. Die Bekleidungsmarke „Greifvogel Wear“ wurde im Jahr 2013 vom Inhaber des rechtsextremistischen Musiklabels „One People One Struggle Records“ (OPOS- Records) in Dresden gegründet und hatte dort bis zum Ende des Jahres 2016 ihren Geschäftssitz . Der neue Sitz der beiden genannten Unternehmen ist die „Parkgaststätte“ in Lindenau (OSL). Der Inhaber ist seit vielen Jahren tief in der rechtsextremen Szene verankert und Mitglied der rechtsextremistischen Bands „Outlaw“ und „Hope For The Weak“. Die Bekleidungsmarke „Black Legion“ ist seit Beginn des Jahres 2016 auf dem Markt und hat ihren Sitz in Cottbus. Im Impressum der Internetseite des Unternehmens zeichnet sich der Inhaber des rechtsextremistischen Cottbuser Musiklabels „Rebel Records“ verantwortlich für die Marke. Durch die vermischte rechtsextremistische Musik-, Hooligan,- Kampfsport -, Security- und Rockerszene (Mischszene) in Cottbus hat das Label in der Region eine breite Anhängerschaft und Unterstützer. Die angebotene Bekleidung von „Greifvogel Wear“ und „Black Legion“ richtet sich offenkundig an rechtsextremistische Sportler, insbesondere an Kraft- und Kampfsportler. Die Marken orientieren sich dabei u. a. auch am allgemeinen Trend gesünder zu leben, auf Ernährung zu achten und Sport zu treiben. Beide Marken nutzen die Netzwerke der dahinter stehenden Musiklabels, um die Bekleidung bei Szeneveranstaltungen (Konzerte oder Kampfsportveranstaltungen) der rechtsextremistischen Zielgruppe zu präsentieren. Bisweilen klaffen bei den Betreibern der Labels jedoch ideologischer Anspruch und kommerzielle Realität auseinander. So schrieb beispielsweise der Inhaber von „Greifvogel Wear“ auf Facebook: „Die neue Jugend Deutschlands steht in den Fußstapfen jener Generation, deren Heldentaten und disziplinierte Lebensführung immer noch von Minderwertigen am Stammtisch bei Schnaps, Kippen und Bier vermeintlich bejubelt werden. Das wahre neue Deutschland aber ist nüchtern, stolz, gefährlich und erschafft sich selbst durch Auslese und Kriegergenetik!“ (veröffentlicht am 18. September 2017). Zugleich ist dieselbe Person jedoch auch Inhaber einer Dorfgaststätte und eines Pizzalieferdienstes – geschäftliche Unternehmungen, die man eher nicht mit „disziplinierter Lebensführung“ und „Nüchternheit “ in Verbindung bringt. Ergänzend zu den Antworten zu den Fragen 2 und 3 waren beide Labels („Black Legion“ und „Greifvogel“) in der Vergangenheit mit Verkaufsständen bei größeren rechtsextremistisch orientierten Musikveranstaltungen vertreten, so am 1. Juli 2017 in Gera (Thüringen) im Rahmen des „Rock für Deutschland - 25. Jahre Frontalkraft“ und am 15. Juli 2017 in Themar (Thüringen) anlässlich der Versammlung „Rock gegen Überfremdung“. Zu der Gruppierung „Wardon“ (auch „Wardon 21“) liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse vor. Landtag Brandenburg Drucksache 6/7864 - 4 - 5. Haben „Black Legion“ und „Greifvogel Wear“ außer der jüngsten Auflage des „Kampfs der Nibelungen“ weitere Kampfsport-Veranstaltungen oder anderweitige Kampfsport- Aktivitäten unterstützt und ggf. welche und inwiefern? zu Frage 5: Es wird auf die Antworten zu den Fragen 2 bis 4 verwiesen. 6. Welche Erkenntnisse haben die brandenburgischen Sicherheitsbehörden bezüglich der „Greifvogel Eskadron“ und des „Black Legion Fighting Teams“? a. Wie viele KämpferInnen zählen zu welcher dieser Gruppen und wie groß ist das Unterstützer -Umfeld? b. Von wem werden diese KämpferInnen trainiert und in welchen Fitnessstudios, Sportclubs oder anderen Räumlichkeiten werden sie trainiert? c. Bei welchen Kampfsport-Veranstaltungen sind KämpferInnen aus diesem Kreis in der Vergangenheit aufgetreten und welche künftigen Veranstaltungen sind bekannt, bei denen KämpferInnen aus diesem Kreis angekündigt sind? d. Sind politisch motivierte Straftaten und/oder Gewalttaten bekannt, welche KämpferInnen aus der „Greifvogel-Eskadron“ oder dem „Black Legion Fighting Team“ begangen haben und ggf. welche? zu Frage 6: Der Landesregierung liegen Erkenntnisse vor, dass Mitglieder der „Northsidecrew “ im Jahr 2015 für das „Team Greifvogel“ beim „Kampf der Nibelungen“ antraten. Die teilweise identischen Personen konnten im Jahr 2017 in Bekleidung der Marke „Black Legion “ festgestellt werden, so dass diese beim diesjährigen „Kampf der Nibelungen“ mutmaßlich für das „Black Legion Fighting Team“ in den Ring gestiegen sein könnten. Ausführungen zu der Gruppierung „Northsidecrew“ (NSC) und ihren Trainingsräumen können den Verfassungsschutzberichten 2011 - 2016 entnommen werden. 7. Wie groß ist das Personenpotenzial, das der „NS Straight Edge“-Bewegung in Brandenburg zuzurechnen ist oder ihr nahesteht, und welche Entwicklung ist diesbezüglich zu beobachten? zu Frage 7: Da es sich bei „NS Straight Edge“ um eine subkulturelle Strömung innerhalb des Rechtsextremismus mit nicht festen Strukturen handelt, können keine Aussagen über das Personenpotential getroffen werden. Bisher ist diese Strömung innerhalb der Szene ein Randphänomen. 8. Für welche Ideologie steht die „NS Straight Edge“-Bewegung, welche Ziele verfolgt sie und welche Aktivitäten und Gefahren gehen von ihr aus? Sind in Brandenburg beispielsweise Körperverletzungen, Wehrsportübungen, Schießtrainings bzw. andere gewalttätige oder militante Bestrebungen aus diesem Milieu zu verzeichnen oder in Zukunft zu befürchten ? zu Frage 8: „Straight Edge“ stammt aus der Hardcore-Punk-Szene und propagiert den Verzicht auf Alkohol, Tabak und andere Drogen sowie auf häufig wechselnde Geschlechtspartner . Selten kommt auch der Verzicht auf den Konsum von Koffein und/oder Vegetarismus oder Veganismus hinzu. Dahingehend unterscheidet sich die „NS Straight Edge“-Bewegung nicht grundlegend von der Ursprungsbewegung. Die rechtsextremistische „NS Straight-Edge“-Szene bedient sich der Elemente des klassischen „Straight Edge“ und pervertiert diese durch den Volksgesundungsgedanken, rassische Überlegen- Landtag Brandenburg Drucksache 6/7864 - 5 - heit, Antisemitismus, Kampf- und Wehrbereitschaft und der Vorbereitung auf den sogenannten „Tag X“. Weitere Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung liegen nicht vor. 9. Welche Gruppierungen, Parteien, Firmen, Bands oder andere AkteurInnen aus Brandenburg sind der „NS Straight Edge“-Bewegung oder ihrem SympathisantInnenkreis zuzurechnen ? zu Frage 9: Hierzu liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse vor. 10. Welche Verbindungen und/oder personelle Schnittmengen bestehen zwischen der brandenburgischen „NS Straight Edge“-Bewegung einerseits und der Hooligan-Szene (z. B. gewaltbereite Fan-Szene des FC Energie Cottbus ) und/oder der rechtsextremistischen Szene (z. B. frühere „Widerstandsbewegung in Südbrandenburg“, Partei „Der III. Weg“) andererseits? zu Frage 10: Innerhalb der rechtsextremistischen Mischszene in der Region Cottbus (siehe auch Beantwortung zu Frage 4), in der die sportliche Ertüchtigung einen hohen Stellenwert genießt, sind Einzelpersonen bekannt, die Kennverhältnisse zu Hooligans des 1. FC Energie Cottbus pflegen und der „NS Straight Edge“-Bewegung zugerechnet werden können. 11. Bestehen Verbindungen und/oder personelle Schnittmengen zwischen der „NS Straight Edge“-Bewegung in Brandenburg und rockerartigen Gruppierungen und/oder darüber hinaus der Organisierten Kriminalität und ggf. inwiefern? 12. Unterhalten AkteurInnen oder SympathisantInnen der „NS Straight Edge“-Bewegung und/oder andere gewaltbereite RechtsextremistInnen aus Brandenburg Kontakte ins Ausland , insbesondere nach Russland, und ggf. zu welchen Gruppen, Organisationen und/oder Parteien - und welcher Art sind die Beziehungen ggf.? 13. Unterhalten AkteurInnen oder SympathisantInnen der „NS Straight Edge“-Bewegung und/oder andere gewaltbereite RechtsextremistInnen aus Brandenburg Kontakte zum internationalen Netzwerk „Terror Edge“ und was ist über diese Kontakte ggf. bekannt? 14. Gibt es Bezüge von Personen aus der „NS Straight Edge“-Bewegung und/oder dem MMA-Spektrum in Brandenburg zu dem rechtsextremistischen Konzert mit der Brandenburger Band „Exzess“ unter dem Motto „Verteidige Europa“ am 18. November 2017 und ggf. welche? zu den Fragen 11 bis 14: Der Landesregierung liegen keine Erkenntnisse im Sinne der Fragestellungen vor.