Landtag Brandenburg Drucksache 6/7908 6. Wahlperiode Eingegangen: 02.01.2018 / Ausgegeben: 08.01.2018 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 3156 des Abgeordneten Christoph Schulze (fraktionslos) Drucksache 6/7745 Gerichtsbarkeit im Land Brandenburg Namens der Landesregierung beantwortet der Minister der Justiz und für Europa und Verbraucherschutz die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung des Fragestellers: Der Rechtsstaat wird bei Erklärungen der Landesregierung besonders hervorgehoben. Eine oft bemühte Floskel der Landesregierung bei der Beantwortung von Kleinen Anfragen und Bürgerbeschwerden lautet lapidar - dem Bürger steht der Rechtsweg offen. Ferner wird der Eindruck vermittelt, dass die Gerichte unabhängig sind. In einem Antwortschreiben des Brandenburger Petitionsausschusses vom 13.1.2016 Pet.-Nr. 699/6 wird berichtet “… Nach der verfassungsgemäßen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland sind Richter bei der Ausübung der rechtsprechenden Gewalt unabhängig und unterliegen keiner außergerichtlichen Kontrolle, …“ In den Presseberichten aus der 22. KW. 2017 z. B. http://www.pnn.de/brandenburg-berlin/1187033 und http://www.maz-online.de/Brandenburg /Rot-Rot-bringt-gesamte-Justiz-gegen-sich-auf wird jedoch berichtet, dass die Personaldecke in den Gerichten im Land Brandenburg nicht ausreichend ist, um die anstehenden Aufgaben gerecht zu werden. Somit erscheinen Gerichte doch nicht unabhängig zu sein, da sie u.a. von der personalen Ausstattung der Justiz, die von der Politik vorgegeben wird, beeinflusst werden. Die Verfahrensdauer an den Gerichten dürfte also durch die Personaldecke beeinflusst sein. Im Verfahren des Landegerichts Cottbus AZ 6O384/04 oder AZ 6 O 10/11 sind in der bisherigen Verfahrensdauer von über 10 Jahren Gutachter verstorben oder erkrankt, so dass diese Verfahren eine in einem Menschenleben beachtliche Zeit in Anspruch nehmen. Zur Vorbemerkung: Entgegen der in der Vorbemerkung entwickelten These sind die Gerichte im Land Brandenburg unabhängig, denn sie entscheiden über die ihnen vorgelegten Rechtsfragen nach Recht und Gesetz, ohne dass die Exekutive auf sie Einfluss zu nehmen vermag. Die Personalausstattung berührt diese Unabhängigkeit nicht. Diese kann sich nur auf die Dauer der Verfahren auswirken. Die zur Begründung der Kleinen Anfrage angeführten, bei dem Landgericht Cottbus anhängigen bzw. anhängig gewesenen Zivilverfahren mit den Aktenzeichen 6 O 384/04 und 6 O 10/11 weisen keine Anhaltspunkte dafür auf, dass ihre Dauer auf eine unzureichende personelle Ausstattung zurückzuführen war bzw. ist. Die Verfahrenslaufzeiten ergeben sich nach dem gesichteten Akteninhalt vielmehr als Summe der in einem solchen Rechtsstreit Landtag Brandenburg Drucksache 6/7908 - 2 - anfallenden Bearbeitungszeiten für das Gericht und die Sachverständigen sowie der Zeiten für Stellungnahmen und die Einzahlung von Auslagenvorschüssen der Prozessparteien , ohne dass insofern eine besondere Auffälligkeit auszumachen ist. In dem Zivilverfahren zum Aktenzeichen 6 O 384/04 Landgericht Cottbus ging die Klage beim Landgericht Cottbus am 30. Dezember 2004 ein. Der Rechtsstreit wurde nach einer umfangreichen Beweisaufnahme in Form mehrerer Sachverständigengutachten und der Vernehmung mehrerer Zeugen am 26. August 2011 mit einem Vergleich in der Hauptsache beendet. Die Akten des Zivilverfahrens zum Aktenzeichen 6 O 10/11 Landgericht Cottbus befinden sich seit dem 3. März 2016, also seit knapp 21 Monaten, bei einem Sachverständigen. Das Gericht hat ihm zuletzt durch Beschluss vom 3. November 2017 eine Frist zur Erstattung des Gutachtens bis zum 15. Dezember 2017 unter Androhung eines Ordnungsgeldes gesetzt. Von einer Anforderung der Verfahrensakten, die mit einer weiteren Verzögerung der Bearbeitung durch den Sachverständigen verbunden gewesen wäre, wurde abgesehen. Anhaltspunkte dafür, dass die Verfahrensdauer durch die Personalausstattung des Landgerichts verursacht ist, liegen nicht vor. Frage 1: Wie lange dauert ein Zivilverfahren an den Landgerichten? Gibt es Unterschiede in der Verfahrensdauer unterhalb der Landgerichte? In welchem Verhältnis stehen die Entscheidungen im Bundesdurchschnitt? Zu Frage 1: Die durchschnittliche Verfahrensdauer an den Landgerichten des Landes Brandenburg, unterteilt nach Verfahren in I. und II. Instanz, ist für die im Jahr 2016 erledigten Verfahren - entsprechende Angaben für das Jahr 2017 liegen noch nicht vor - in den folgenden zwei Übersichten abgebildet: Zivilsachen vor den Landgerichten I. Instanz Dauer in Monaten Landesweiter Durchschnitt 12,6 Landgericht Cottbus 15,3 Landgericht Frankfurt (Oder) 11,5 Landgericht Potsdam 12,4 Landgericht Neuruppin 10,9 Zivilsachen vor den Landgerichten II. Instanz (Berufungen) Dauer in Monaten Landesweiter Durchschnitt 8,4 Landgericht Cottbus 9,3 Landgericht Frankfurt (Oder) 8,8 Landgericht Potsdam 8,1 Landgericht Neuruppin 7,7 Landtag Brandenburg Drucksache 6/7908 - 3 - Im bundesweiten Durchschnitt dauerten von den im Jahre 2016 erledigten Verfahren die in erster Instanz vor den Landgerichten anhängig gewesenen Zivilverfahren 9,9 Monate und die Berufungen 6,7 Monate. Frage 2: Wie lange dauert ein Verfahren an den Verwaltungsgerichten? Gibt es Unterschiede in der Verfahrensdauer unterhalb der Verwaltungsgerichte? In welchem Verhältnis stehen die Entscheidungen im Bundesdurchschnitt? Zu Frage 2: Die im Jahre 2016 - entsprechende Angaben für das Jahr 2017 liegen noch nicht vor - erledigten verwaltungsgerichtlichen Hauptverfahren in Brandenburg beanspruchten im Durchschnitt die aus der nachfolgenden Tabelle ersichtlichen Zeiträume in Monaten: Hauptverfahren vor den Verwaltungsgerichten Dauer in Monaten Landesweiter Durchschnitt 13,4 Verwaltungsgericht Cottbus 16,2 Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) 17,2 Verwaltungsgericht Potsdam 11,0 Bundesweit liegt die Dauer eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens im Mittel bei 9,3 Monaten. Frage 3: Gibt es eine Gewichtung bei der Behandlung von Verfahren an den Gerichten? Wie viele Verfahren dauern über 6 Jahre, wie viele über 10 Jahre an den Landgerichten? Zu Frage 3: Die Gewichtung von Verfahren im Sinne der Festlegung der Bearbeitungsreihenfolge ist Aufgabe der zuständigen Richterin bzw. des zuständigen Richters. Die Anzahl der zum 29. November 2017 (Berichtsdatum) über 6 bzw. über 10 Jahre dauernden Zivilverfahren vor den Landgerichten - ermittelt nach dem Jahr des Eingangs der Verfahren - ist nachfolgender Übersicht zu entnehmen: Zivilverfahren vor den Landgerichten I. Instanz Über 6 Jahre Verfahrensdauer (Eingang bei den Landgerichten vor 2011) Über 10 Jahre Verfahrensdauer (Eingang bei den Landgerichten vor 2007) Landesweit 64 10 Landgericht Cottbus 25 5 Landgericht Frankfurt (Oder) 16 1 Landgericht Potsdam 13 2 Landgericht Neuruppin 10 2 In Zivilverfahren vor den Landgerichten II. Instanz (Berufungen) ist kein Verfahren älter als 6 Jahre. Frage 4: Wie viele Verfahren dauern über 6 Jahre, wie viele über 10 Jahre bei den Verwaltungsgerichten ? Zu Frage 4: Die Anzahl der zum 30. November 2017 (Stichtag) über 6 bzw. über 10 Jahre dauernden Hauptsacheverfahren vor den Verwaltungsgerichten - ermittelt nach dem Datum des Eingangs der Verfahren - ergibt sich aus nachfolgender Tabelle: Landtag Brandenburg Drucksache 6/7908 - 4 - Hauptsacheverfahren vor den Verwaltungsgerichten Über 6 Jahre Verfahrensdauer (Eingang bei den Verwaltungsgerichten vor dem 30. November 2011) Über 10 Jahre Verfahrensdauer (Eingang bei den Verwaltungsgerichten vor dem 30. November 2007) Landesweit 21 2 Verwaltungsgericht Cottbus 11 - Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder) 6 - Verwaltungsgericht Potsdam 4 2 Frage 5: Gibt es eine Altersgrenze bei der Bestellung von Gutachtern der Gerichte? Wenn ja, welche? Zu Frage 5: Eine Höchstaltersgrenze der vom Gericht zu bestellenden Gutachter in Zivilverfahren ist in dem einschlägigen § 404 der Zivilprozessordnung (ZPO) nicht bestimmt. Die Auswahl des Gutachters steht nach § 404 Abs. 1 ZPO grundsätzlich im Ermessen des Gerichts. Die Ablehnung eines Sachverständigen allein wegen seines Lebensalters kann einen Verstoß gegen §§ 1, 2 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 6 Abs. 3 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) darstellen. Dies hindert das Gericht im Rahmen seines ihm bei der Auswahl des Sachverständigen eingeräumten Ermessens allerdings nicht, den Gesundheitszustand des Sachverständigen, sofern dieser bekannt ist, auch in Relation zu der zu erwartenden Dauer des Verfahrens, zu berücksichtigen. Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren finden auf Sachverständige die zuvor zitierten Normen der ZPO wegen der Verweisung in § 98 VwGO ebenfalls Anwendung. Frage 6: Steht es im Interesse der Landesregierung, dass Verfahren innerhalb von 3 Jahren abgeschlossen werden? Zu Frage 6: Die Landesregierung sieht sich nach Artikel 52 Abs. 4 Satz 1 der Verfassung des Landes Brandenburg verpflichtet, im Rahmen der ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeiten darauf hinzuwirken, dass gerichtliche Verfahren in einer unter Beachtung der prozessualen Regelungen angemessenen Zeit erledigt werden. Die von Verfahren zu Verfahren bestehenden Unterschiede im Hinblick auf den konkreten Gegenstand, die Komplexität der rechtlichen Bewertung, aber auch das prozessuale Verhalten der Parteien lassen jedoch die Benennung eines generell angemessenen zeitlichen Rahmens für Zivilverfahren vor den Landgerichten oder Hauptsacheverfahren vor den Verwaltungsgerichten nicht zu. Eine hinreichende Personalausstattung der Gerichte ist hierfür ein gewichtiger Faktor. Dabei handelt es sich jedoch nur um einen aus einer ganzen Reihe von Umständen , die sich auf die Laufzeit gerichtlicher Verfahren auswirken können.