Landtag Brandenburg Drucksache 6/7919 6. Wahlperiode Eingegangen: 04.01.2018 / Ausgegeben: 09.01.2018 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 3151 des Abgeordneten Steffen Königer (AfD-Fraktion) Drucksache 6/7740 Wahl des stellvertretenden Bürgermeisters der AfD in Lebus Namens der Landesregierung beantwortet der Minister des Innern und für Kommunales die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkungen des Fragestellers: Am 09. November 2017 ist der AfD-Politiker Detlev Frye durch die Stadtverordnetenversammlung in Lebus (Landkreis Märkisch- Oderland) mit Stimmen von Abgeordneten der Parteien DIE LINKE und der CDU zum stellvertretenden Bürgermeister gewählt worden. Zuvor waren sowohl die Bürgermeisterin als auch ihre Stellvertreterin zurückgetreten. Der Älteste der Stadtverordnetenversammlung , Herr Dr. Joachim Naumann, stand nicht für das Amt zur Verfügung. Daher wurde die Wahl des stellvertretenden Bürgermeisters auf die Tagesordnung gesetzt und verlief zugunsten von Herrn Frye, der ordnungsgemäß gewählt worden ist. Laut einem Bericht der Märkischen Oderzeitung vom 11.11.2017 haben sowohl die Landesgeschäftsführerin der LINKEN, Anja Mayer, als auch der CDU-Generalsekretär Steeven Bretz mitgeteilt, erfolglos interveniert zu haben, um die Wahl zu vermeiden. Zwischenzeitlich hat der Amtsdirektor Heiko Friedemann kommuniziert, dass er von der Kommunalaufsicht die Mitteilung erhalten habe, dass die Wahl unwirksam sei. Es habe vermeintlich ein Verstoß gegen den Öffentlichkeitsgrundsatz vorgelegen. Eine nach der Kommunalverfassung des Landes Brandenburg jedoch erforderliche Beanstandung hat der Amtsdirektor nicht vorgenommen. Zu einer im Nachgang auf den 23. November 2017 anberaumten Sondersitzung der Stadtverordneten sind jedoch nur vier von acht Stadtverordneten erschienen, da die Nichterschienenen die Auffassung vertraten, die vorherige Wahl sei bereits wirksam erfolgt . Im Nachhinein hat sich herausgestellt, dass der Amtsdirektor von der für ihn zuständigen Kommunalaufsicht per E-Mail die Mitteilung erhalten habe, dass nach dortiger Rückfrage bei dem Ministerium für Justiz und Europaangelegenheiten die Auffassung vertreten worden sei, dass die erste Wahl vom 09.11.2017 unwirksam sei, da die Wahl des stellvertretenden Bürgermeisters nicht gemäß § 35 Kommunalverfassungsgesetz Brandenburg außerordentlich auf die Tagesordnung hätte gesetzt werden dürfen. Hierbei wurde jedoch verkannt, dass der Älteste der Stadtverordnetenversammlung, Dr. Joachim Naumann, selbst am 09.11.2017 mitteilte, nicht für das Amt zur Verfügung zu stehen, sodass hieraus resultierend die Eilbedürftigkeit am 09.11.2017 bestand. Vorbemerkungen der Landesregierung: Die vom Fragesteller in der Vorbemerkung dargelegten Tatsachenbehauptungen sind unrichtig. Landtag Brandenburg Drucksache 6/7919 - 2 - Der Grundsatz der Öffentlichkeit als ein tragender Grundsatz eines demokratischen Rechtsstaats gebietet es, dass sich sowohl die Öffentlichkeit als auch die Mitglieder kommunaler Vertretungen in angemessener Frist vor der Sitzung verlässlich Kenntnis über die zu behandelnden Tagesordnungspunkte verschaffen können. Eine Erweiterung der Tagesordnung in der Sitzung ist gemäß § 35 Abs. 2 Satz 1 BbgKVerf nur dann möglich, wenn die Angelegenheit keinen Aufschub duldet. Diese Voraussetzung lag nicht vor, da die Stellvertretung trotz des Rücktritts der ehrenamtlichen Bürgermeisterin und ihrer Stellvertreterin gesichert war. Für den Fall, dass sowohl der ehrenamtliche Bürgermeister als auch die Stellvertreter vorzeitig ausgeschieden und noch keine neuen Stellvertreter gewählt worden sind, nimmt gemäß § 52 Satz 7 BbgKVerf bis zu dieser Wahl der an Lebensjahren älteste, nicht verhinderte Gemeindevertreter die Aufgaben des Stellvertreters des Bürgermeisters war. Es handelt sich um eine kraft Gesetzes angeordnete Stellvertretung, die ohne weiteres greift. Diese besondere Form der Stellvertretung beinhaltet eine gesetzliche Verpflichtung, deren Übernahme nicht abgelehnt werden kann. Auf die Bereitschaft des lebensältesten Mitglieds der Stadtverordnetenversammlung Lebus, die Stellvertretung wahrzunehmen, kam es daher nicht an. Folglich lag zum Zeitpunkt der Wahl am 9.11.2017 keine Eilbedürftigkeit vor und die Wahl ist unter Missachtung des Öffentlichkeitsgrundsatzes erfolgt. Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Öffentlichkeit von Sitzungen kommunaler Vertretungen als tragenden Grundsatz des Kommunalverfassungsrechts hat nach überwiegender Auffassung in Literatur und Rechtsprechung die Nichtigkeit des Beschlusses zur Folge. Eine Beanstandung durch den Amtsdirektor gemäß § 55 BbgKVerf war aus diesem Grund nicht erforderlich. 1. Wie wird die Einflussnahme von Dritten auf die gewählten Stadtverordneten im Hinblick auf deren Stimmenabgabe zur Wahl des stellvertretenden Bürgermeisters Frye bewertet? zu Frage 1: Gemeindevertreter haben das Recht auf freie Mandatsausübung gemäß § 30 Abs. 1 BbgKVerf. Sind sie gleichzeitig Mitglieder politischer Parteien und Fraktionen, stehen sie regelmäßig in einem Spannungsverhältnis zwischen dem Auftrag politischer Parteien , an der politischen Willensbildung teilzunehmen (Art. 21 GG) und dem Grundsatz des freien Mandats. Einwirkungen auf das Abstimmungsverhalten eines Gemeindevertreters durch Parteibeschlüsse oder Mehrheitsentscheidungen der Fraktion sind Akte der politischen Willensbildung und rechtlich nicht zu beanstanden, solange der einzelne Gemeindevertreter seine Mitwirkung mit der Verantwortung gegenüber der Gemeinde vereinbaren kann und er die Möglichkeit hat, jederzeit eine abweichende Entscheidung zu treffen . 2. Wie wird die Anfrage des Amtsdirektors an die Kommunalaufsicht, wie die Wahl von Herrn Frye vom 09.11.2017 kommunalverfassungsrechtlich einzuordnen ist, bewertet? zu Frage 2: Es ist eine wesentliche Aufgabe der Kommunalaufsichtsbehörden im Rahmen ihrer positiven Schutz- und Förderungsfunktion (§ 108 ff. BbgKVerf) die ihrer Aufsicht unterstellten Kommunen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zu beraten. 3. Wie wird die Stellungnahme des MIK gegenüber der Kommunalaufsicht bewertet und auf welcher Rechtsgrundlage beruhte diese? Landtag Brandenburg Drucksache 6/7919 - 3 - zu Frage 3: Die Aufgabe der obersten Kommunalaufsichtsbehörde ist gebündelt beim Ministerium des Innern und für Kommunales angesiedelt, um eine einheitliche Rechtsauslegung und -anwendung durch die unteren Kommunalaufsichtsbehörden sicherzustellen. Die unteren Kommunalaufsichtsbehörden können daher Sachverhalte, die einer grundsätzlichen Klärung bedürfen oder von landesweitem Interesse sind, der obersten Kommunalaufsichtsbehörde mit der Bitte um Übermittlung der dortigen Rechtsauffassung vorlegen .