Landtag Brandenburg Drucksache 6/7952 6. Wahlperiode Eingegangen: 11.01.2018 / Ausgegeben: 16.01.2018 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 3183 der Abgeordneten Birgit Bessin (AfD-Fraktion) und Christina Schade (AfD-Fraktion) Drucksache 6/7821 Umsetzung des Mindestlohns Namens der Landesregierung beantwortet die Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie die Kleine Anfrage wie folgt: In der jüngst veröffentlichten Studie „Mindestlohn noch längst nicht für alle“ des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) wird bemängelt, dass einerseits das Mindestlohngesetz in der Praxis nicht überall umgesetzt wird und dass es andererseits weiteren Nachbesserungsbedarf bei den Kontroll- und Sanktionsmechanismen gibt. Laut DIW erhalten aktuell mehr als 1,8 Millionen Menschen weniger als 8,50 Euro pro Stunde - vorausgesetzt , die Beschäftigten arbeiten gemäß der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit. Wird von der tatsächlichen Arbeitszeit ausgegangen, beziehen mehr als 2,5 Millionen Menschen einen Lohn unterhalb des Mindestlohns. Diese Zahl erhöht sich weiter auf bis zu 6,4 Millionen Erwerbstätige, sofern Selbstständige, Auszubildende oder mithelfende Familienangehörige in die Berechnung mit einbezogen werden. Werden die neuen mit den alten Bundesländern verglichen, fällt auf, dass im Osten Deutschlands weit mehr Menschen weniger als den Mindestlohn erhalten (15%) als in Westdeutschland (9%). Des Weiteren wurde kurz nach Einführung des Mindestlohns berichtet, dass eine Erhöhung des Lohns kompensiert wurde, indem eine Zahlung von „Naturalien ausgehandelt wurde oder die Kosten für Arbeitsmaterialien vom ausgezahlten Lohn abgezogen wurde.“1 Wir fragen die Landesregierung: 1. Wie viele Erwerbstätige, auf die das BbgVergG anzuwenden ist, erhalten trotz des nach BbgVergG § 6 Absatz 2 geltenden Mindestlohns in Höhe von 9 € weniger als diesen? Zu Frage1: Es liegen keine Erkenntnisse darüber vor, dass das Mindestentgelt nach § 6 Abs. 2 BbgVergG, das den Beschäftigten im Anwendungsbereich des Gesetzes zu zahlen ist, nicht geleistet würde. Sofern auf die Methodik des in der Vorbemerkung genannten Berichtes des Deutschen Institutes für Wirtschaftsforschung abgestellt wird, muss festgestellt werden, dass derartige Auswertungen weder für einzelne Bundesländer, noch für deren vom Bundesmindestlohn abweichende vergabespezifische Mindestlöhne vorliegen. 1 DIW (2017): Mindestlohn noch längst nicht für alle, im Internet: https://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.572651.de/17-49-1.pdf, letzter Abruf: 08.12.2017, S. 1117. Landtag Brandenburg Drucksache 6/7952 - 2 - 2. Wie oft und mit welchem Ergebnis wurde der Mindestlohn gemäß BbgVergG § 6 Absatz 2 nach der Erhöhung auf 9 € kontrolliert? Zu Frage 2: Der Landesregierung liegen hierzu keinerlei verwertbare Daten vor. Gemäß § 1 der Brandenburgischen Vergabegesetz-Durchführungsverordnung findet eine Kontrolle durch die jeweiligen Auftraggeber grundsätzlich anhand von Belegen über die Abrechnungen und Zahlung von Arbeitsentgelten statt. Im Falle eines schuldhaften Verstoßes gegen die Verpflichtung zur Zahlung des Mindestlohnes sollen Auftraggeber gemäß § 10 Abs. 3 des Brandenburgischen Vergabegesetzes eine Auftragssperre verhängen und an die Sperrliste beim Ministerium für Wirtschaft und Energie melden. Mit Stichtag vom 19.12.2017 wird in dieser Liste kein Unternehmen geführt. 3. Wie viele Erwerbstätige arbeiten in Brandenburg gemäß der Einteilung in tatsächlicher und vertraglicher Arbeitszeit für weniger als den in der Studie untersuchten Mindestlohn von 8,50 €? Zu Frage 3: Siehe Antwort auf Frage 1. 4. Wie hoch ist der Anteil an zu gering bezahlten Frauen und Männern in Brandenburg, die für weniger als den in der Studie untersuchten Mindestlohn von 8,50 € arbeiten? Zu Frage 4: Siehe Antwort auf Frage 1. 5. Wie gedenkt die Landesregierung den weniger als den Mindestlohn erhaltenden Erwerbstätigen zu helfen? Zu Frage 5: Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass ein Mindestlohn - unabhängig von dessen Regelung durch Bundes- oder Landesgesetz - immer nur eine untere Haltelinie darstellen kann. Es ist vielmehr Aufgabe der Sozialpartner, im Rahmen der in Artikel 9 Abs. 3 Grundgesetz verankerten Tarifautonomie Tarifverträge abzuschließen, die eine angemessene Entlohnung über Mindestlohnniveau sicherstellen. Eine hohe Tarifbindung, durch die möglichst viele Beschäftigte vom Geltungsbereich von Tarifverträgen erfasst werden, kann jedoch nur durch starke, das heißt durch einen hohen Organisationsgrad gekennzeichnete Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände erreicht werden. Die Landesregierung unterstützt deshalb Initiativen zur Stärkung der Sozialpartnerschaft in Brandenburg. Hierzu gehören unter anderem der im Jahr 2011 gegründete Sozialpartnerdialog, die ESF-Richtlinie des Ministeriums für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie zur Stärkung der Sozialpartnerschaft und zur Steigerung der Qualität der Arbeit im Land Brandenburg, das im Jahr 2016 gegründete „Brandenburger Bündnis für Gute Arbeit“ und weitere Formate der Zusammenarbeit mit den Sozialpartnern. Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 6 verwiesen. 6. Welche Maßnahmen zur Vermeidung der Bezahlung unter Mindestlohn werden und/oder wurden bereits erlassen und was haben sie bewirkt? Zu Frage 6: Die Zuständigkeit für die Kontrolle der Einhaltung der Mindestlöhne nach dem Mindestlohngesetz (MiLoG) und dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz (AEntG) sowie der Lohnuntergrenze nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) obliegt der Finanzkontrolle Schwarzarbeit, die der Zollverwaltung (Bundesministerium der Finanzen) Landtag Brandenburg Drucksache 6/7952 - 3 - zugehörig ist. Aufsichts- oder Eingriffsbefugnisse des Landes bestehen nicht, da es sich um eine Bundesbehörde handelt. Betroffene Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können die Unterschreitung des gesetzlichen Mindestlohns bei der Finanzkontrolle Schwarzarbeit als zuständiger Kontrollbehörde bekanntmachen. Wenn der gesetzliche Mindestlohn unterschritten wurde, haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen zivilrechtlichen Anspruch gegen den Arbeitgeber auf Nachzahlung des Differenzbetrags zwischen dem tatsächlich gezahltem Lohn und dem rechtlichen Lohnanspruch. Diesen können betroffene Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer individualrechtlich bei den Arbeitsgerichten einklagen. Zusätzlich haben die Sozialkassen Anspruch auf eine Nachzahlung, da in der Regel dann auch nicht ausreichend Sozialversicherungsbeiträge abgeführt wurden. Außerdem kann der Arbeitgeber wegen einer Ordnungswidrigkeit belangt werden und muss Bußgeld zahlen (§ 21 MiLoG). In gravierenden Fällen können sogar strafrechtliche Konsequenzen drohen. Wer wegen eines Verstoßes gegen das MiLoG oder das AEntG mit einer Geldbuße von wenigstens 2.500 Euro belegt worden ist, kann außerdem zeitweise von der Teilnahme am Wettbewerb um öffentliche Liefer-, Bau- oder Dienstleistungsaufträge ausgeschlossen werden. Geldbußen nach dem MiLoG, dem AEntG und dem AÜG von mehr als 200 Euro werden in das Gewerbezentralregister eingetragen. 7. Welche erweiterten Kontrollmechanismen hat die Landesregierung erlassen, um die Umgehungsstrategien (z.B.: Zahlung von Naturalien anstatt Erhöhung des Lohns) der Arbeitgeber zu unterbinden? Zu Frage 7: Die Kontrolle der Einhaltung des Mindestentgeltes nach dem BbgVergG obliegt dem Auftraggeber (siehe auch Antwort auf Frage 2). Eine Erweiterung der Kontrollmechanismen ist aus Sicht der Landesregierung nicht angezeigt. Für die bundesgesetzlich geregelten Mindestlöhne besteht keine Regelungs- und Kontrollkompetenz des Landes (siehe auch Antwort auf Frage 6). 8. Ist es nach Meinung der Landesregierung möglich, die in Schieflage geratenen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen wieder dahingehend zu ändern, dass Arbeitslöhne auf freiwilliger Basis - also ohne Vorschreiben eines Mindestlohns - in der Höhe geregelt werden, dass ein jetziger Mindestlohn nicht unterschritten wird? 9. Wie sieht das Konzept der Landesregierung aus, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen entsprechend zu verändern? Zu Fragen 8 und 9: Siehe Antwort auf Frage 5.