Landtag Brandenburg Drucksache 6/8056 6. Wahlperiode Eingegangen: 25.01.2018 / Ausgegeben: 30.01.2018 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 3199 der Abgeordneten Christina Schade (AfD-Fraktion) Drucksache 6/7843 Rechtsextremistische Straftaten bei Kindern? Namens der Landesregierung beantwortet der Chef der Staatskanzlei die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkungen der Fragestellerin: Der brandenburgische Verfassungsschutz beschäftigt sich seit seiner Gründung in den neunziger Jahren unter anderem im Bereich der Prävention damit, die freiheitlich demokratische Grundordnung zu schützen. Dabei sind Vorträge in Schulen, Beratungen von Bürgermeistern, Aufklärung über das Phänomen der Reichsbürger und dergleichen mehr ein Teil der Arbeit. In der Märkischen Oderzeitung vom 16.12.2017 wurde in einem Interview mit dem Abteilungsleiter des Verfassungsschutzes des Landes Brandenburg bedauert, dass die Auftritte von Verfassungsschützern an Schulen , welche immer in Zusammenarbeit mit den Lehrern stattfänden, praktisch zum Erliegen gekommen seien. Durch Kampagnen aus dem linken Spektrum sei der Verfassungsschutz bundesweit derartig desavouiert, dass er keine Anfragen von Schulen mehr erhalte. Im Bericht des MIK wurde auf das Problem des Rechtsextremismus bei strafunmündigen Kindern aufmerksam gemacht. Von dieser Personengruppe werden rechtsextremistische Straftaten begangen, obwohl es Institutionen wie das „Tolerantes Brandenburg“ und „Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage“ gibt, die sich vorbeugend mit der Problematik des Rechtsextremismus beschäftigen sollen. 1. Seit wann gibt es das Phänomen rechtsextremistischer Straftaten bei strafunmündigen Kindern und Jugendlichen und in welchen Landkreisen ist dieses Phänomen besonders auffällig? zu Frage 1: Die Klassifizierung von Verdachtsfällen „Politisch motivierter Kriminalität“ (PMK) erfolgt durch das Landeskriminalamt seit dessen Gründung 1992. Jeder vermeldete Fall wird einer Einzelfallprüfung unterzogen und auf Grundlage bundeseinheitlicher Definitionen , Richtlinien und Verfahrensweisen zugeordnet. Eine Erfassung strafunmündiger Kinder als Extremisten erfolgt grundsätzlich nicht. Die territoriale Aufstellung von ermittelten jugendlichen Tätern zu rechtsextremistischen Straftaten ist mit den zur Verfügung stehenden Auswertetools nicht möglich. Nachfolgend wird ein Gesamtüberblick der ermittelten jugendlichen Täter im Phänomenbereich PMK -rechts- für die Jahre 2014 - 2016 dargestellt : Jahr Gesamtanzahl der ermittelten Täter davon Täter im Alter von 14 bis unter 18 Jahren % - Anteil Landtag Brandenburg Drucksache 6/8056 - 2 - 2014 851 177 20,8 % 2015 1052 174 16,5 % 2016 998 185 18,5 % Für das Jahr 2017 liegen noch keine abschließenden Daten vor. 2. Welche Aktivitäten beziehen sich beim „Tolerantes Brandenburg” (Auszug: Enge Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz des Landes Brandenburgs, dem Landespräventionsrat Brandenburg und der Integrationsbeauftragten des Landes) und „Schule Ohne Rassismus - Schule mit Courage” (Auszug: Themenauswahl: Rassismus, Diskriminierung, Rechtsextremismus, Gewalt, Konflikttrainings, Entwicklungspolitik, Integration von Migrantinnen und Migranten, internationale Jugend- und Multiplikatorprojekte in verschiedenen Ländern, Gedenkstättenarbeit und -fahrten, Gespräche mit Zeitzeugen des Holocaust) nur auf Rechtsextremismus? zu Frage 2: Alle Aktivitäten der Koordinierungsstelle „Tolerantes Brandenburg“ beziehen sich auf das Handlungskonzept „Tolerantes Brandenburg - für eine starke und lebendige Demokratie. Handlungskonzept der Landesregierung für eine demokratische Gesellschaft mit Zivilcourage gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“ gemäß des Kabinettsbeschlusses 3813/98 (172. Sitzung der Landesregierung am 23.06.1998) und des Kabinettsbeschlusses 203/05 (46. Sitzung der Landesregierung am 06.09.2005). Das überarbeitete Handlungskonzept der Landesregierung (Drucksache 4/1850, 4. Wahlperiode ) wurde von dem Landtag Brandenburg am 28. September 2005 (BePr 4/209) zur Kenntnis genommen. Die Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz des Landes Brandenburg , dem Landespräventionsrat Brandenburg und der Integrationsbeauftragten des Landes Brandenburg erfolgt auf Grundlage dieses Handlungskonzeptes - lediglich in Bezug auf das Thema Rechtsextremismus. Das Handlungskonzept hat der Koordinierungsstelle die Aufgabe zugedacht, sich den Themen Rechtsextremismus, Antidiskriminierung und Fremdenfeindlichkeit zu widmen. Die Arbeit der RAA Brandenburg als Mitglied des Beratungsnetzwerks „Tolerantes Brandenburg “ bezieht sich auf die Prävention von Rechtsextremismus, Rassismus, Diskriminierung und Gewalt und die Förderung sozialer und demokratischer Kompetenzen an Schulen . Als Landeskoordinierung „Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage“ bietet die RAA Brandenburg Schülerinnen und Schülern, Lehrkräften, Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeitern sowie Eltern Unterstützung in Form von Beratung, Fortbildung und Hilfe bei der Durchführung von Projekten an. Die in der Frage 2 genannte Themenauswahl stellt eine Beschreibung der Aktivitäten von Schulen des bundesweiten Schulnetzwerks, das aus rund 2.500 Schulen besteht, dar. Diese dienen dem Ziel, Rassismus an Schulen zu vermindern und Zivilcourage von Schülerinnen und Schülern zu fördern. Die Beteiligung an „Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage“ stellt eine Selbstverpflichtung der Schule dar. Die Schülerinnen und Schüler entscheiden zusammen mit den betreuenden Lehrkräften, welche Themen aufgegriffen werden. Die schulbezogene Arbeit der RAA Brandenburg hat zum Ziel, demokratische Partizipation anzuregen und die demokratische Integration aller Schülerinnen und Schüler zu fördern und bezieht sich insofern nicht nur auf die Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus. Sowohl die Auseinandersetzung mit islamistischen als auch antimuslimischen, antisemitischen, rassistischen und anderen de- Landtag Brandenburg Drucksache 6/8056 - 3 - mokratiefeindlichen Einstellungen und Aktivitäten gehören zur Angebotspalette der RAA Brandenburg. Deshalb hat die RAA Brandenburg u.a. im vergangenen Jahr eine Fachstelle „Islam in Brandenburg“ eingerichtet, die vor Ort, auch in den Schulen, über die Grenzziehung zwischen dem Islam als legitimer Religionsausübung und Islamismus als politisch extremistischer Ideologie informiert. 3. Ist es möglich, dass sich Kinder als eine Art Trotzreaktion dem Rechtsextremismus zuwenden , weil dieser unter besonderer Aufmerksamkeit der Landesregierung steht (wie sich aus der Formulierung der Frage 2 ergibt)? zu Frage 3: Trotzverhalten findet sich in der Entwicklungsphase von 2- bis 4-jährigen Kindern . Diese wird auch als Autonomiephase bezeichnet und stellt eine Entwicklungsstufe der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes dar. Es gibt weder wissenschaftlich beschriebene noch aus den Erfahrungen herleitbare „Trotzreaktionen“ der oben beschriebenen Art. 4. Welchen Hintergrund hat es, dass bei o.g. Institutionen nicht auf jegliche Form von Extremismus (rechts-, links- und religiösen Extremismus) abgestellt wird? zu Frage 4: Sowohl die RAA Brandenburg als auch das Schulnetzwerk „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ wenden sich gegen jegliche Form gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit , gegen jede Form der Ausgrenzung von gesellschaftlichen Gruppen und demokratiefeindlicher Bestrebungen. Die RAA Brandenburg beruft sich explizit auf die im Grundgesetz festgeschriebenen Normen und versteht ihre Arbeit als Beitrag zu den Zielen der Brandenburgischen Landesverfassung, insbesondere Artikel 7a: „Das Land schützt das friedliche Zusammenleben der Menschen und tritt der Verbreitung rassistischen und fremdenfeindlichen Gedankenguts entgegen.“ Schwerpunkte der RAA ergeben sich aber v.a. auch aus den Anfragen von schulischen und anderen Akteuren des Gemeinwesens. D.h. die Schwerpunkte der Arbeit werden stark durch die Nachfrage der Schulen bestimmt. Siehe auch die Antwort zu Frage 2. 5. Welche Personen, mit welcher Ausbildung vermitteln den Jugendlichen unter Frage 2 genannte Inhalte? zu Frage 5: Grundsätzlich ist dies im schulischen Rahmen die Aufgabe aller Lehrkräfte und weiterer pädagogischer Kräfte. Die Angebote der RAA Brandenburg werden von Schulberaterinnen und Schulberatern mit zweitem Staatsexamen bzw. von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die über sozialwissenschaftliche, kulturwissenschaftliche und/oder pädagogische Hochschulabschlüsse oder anerkannte Äquivalente verfügen, durchgeführt. 6. Wie bzw. in welchem Rahmen werden diese Inhalte vermittelt? zu Frage 6: Die RAA Brandenburg unterstützt Schulen, d. h. Schulleitungen, Lehrkräfte, Elternvertretungen, Schulsozialarbeiterinnen und -arbeiter, Schülerinnen und Schüler durch Beratung, Prozessbegleitung in Schulentwicklungsprozessen, Fortbildungen und durch die Unterstützung bei der Umsetzung von schulischen Projekten. Dies geschieht durch frei ausgeschriebene Angebote, vor allem aber auf Anfrage durch die o. g. Zielgruppen .