Landtag Brandenburg Drucksache 6/8076 6. Wahlperiode Eingegangen: 26.01.2018 / Ausgegeben: 31.01.2018 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 3211 der Abgeordneten Heide Schinowsky (Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Drucksache 6/7870 Was unternimmt die Landesregierung um sicherzustellen, dass die Kosten für die Rekultivierung von Tagebauen nicht am Steuerzahler hängenbleiben? Namens der Landesregierung beantwortet der Minister für Wirtschaft und Energie die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkungen der Fragestellerin: In seiner Antwort auf die Kleine Anfrage „Eigentümerübergang der Braunkohlesparte“ (Drs. 6/6301) erklärte das Wirtschaftsministerium im April 2017, dass seines Wissens nach „(...) die Braunkohlegesellschaften im Zuge des Verkaufsprozesses durch Vattenfall AB finanziell so ausgestattet wurden, dass sie alle Verpflichtungen eigenständig bedienen können.“ Um Klarheit über die Höhe der zu erwartenden Rekultivierungskosten zu erlangen, hat die Landesregierung Anfang Juli 2016 die Beauftragung eines entsprechenden Gutachtens angekündigt. Geprüft werden sollte hiermit zudem, ob es gesetzliche Regulierungslücken bei der Sicherheit der Rückstellungen der Braunkohleunternehmen gibt - weshalb Kosten bei der öffentlichen Hand verbleiben könnten (vgl. rbb 5.7.16, „Studie soll Schlupflöcher für Kohle-Firmen aufspüren“). Gemäß Bundesberggesetz (§ 56; Form und Inhalt der Zulassung, Sicherheitsleistung) kann die zuständige Behörde die Zulassung bzw. Verlängerung eines Bergbau- Betriebsplans von der Leistung einer Sicherheit abhängig machen, soweit diese erforderlich ist, um die Erfüllung der in § 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 bis 13 und Abs. 2 BBergG genannten Nachsorge- und sonstigen Verpflichtungen des Bergbautreibenden im Falle einer Insolvenz sicherzustellen. Bilanzielle Rückstellungen können nicht als Sicherheitsleistung akzeptiert werden, weil diese nicht insolvenzfest sind. Sicherheitsleistungen dienen der Deckung der Kosten, die dem Landeshaushalt wegen Nichterfüllung der dem Unternehmer im Sinne von § 4 Abs. 5m BBergG obliegenden bergbaulichen Pflichten entstehen können. Der Manager der tschechischen Energieholding EPH (Energetický a Průmyslový Holding) Jan Špringl hat nun vor kurzem erstmals öffentlich erklärt, dass die Dachgesellschaft seiner Ansicht nach nicht für die Verpflichtungen ihrer Lausitzer Tochter LEAG haftet (vgl. Capital, Ausgabe vom 14. Dezember 2017, „Lausitz-Investor warnt vor Kohle-Ausstieg“). EPH sei jedoch bereit, über eine Absicherung der Haftung in Form einer sogenannten Patronatserklärung zu reden, „wenn die Politik uns die Garantie gibt, dass sie die Rahmenbedingungen für unser Geschäft nicht ändert.“ Allein für den Tagebau Welzow werden laut einer groben Schätzung des Wirtschaftsministeriums für die Wiedernutzbarmachung etwa drei Milliarden Euro benötigt. Bei einer Veranstaltung des „Forums für Zukunftsenergien“ in der Berliner Landesvertretung von Brandenburg am 18.12.17 vertrat Wirtschaftsminister Albrecht Gerber die Auffassung, dass der Steuerzahler bei einer „politisch gewollten“ In- Landtag Brandenburg Drucksache 6/8076 - 2 - solvenz der LEAG durch einen potentiellen Kohleausstieg möglicherweise für die Rekultivierung aufkommen müsse. Frage 1: Wann wurde das o. g. Gutachten bei wem beauftragt und wann wird es vorliegen bzw. veröffentlicht? zu Frage 1: Das Landesamt für Bergbau, Geologie und Rohstoffe (LBGR) hat am 2. August 2017 Herrn Prof. Dr.-Ing. habil. Hossein Tudeshki aus Clausthal-Zellerfeld mit der Erstellung eines Gutachtens zum Thema „Vorsorge für die Wiedernutzbarmachung der Oberfläche im Lausitzer Braunkohlenbergbau“ beauftragt. Die Finanzierung erfolgt gemeinsam durch das Land Brandenburg und den Freistaat Sachsen. Das Gutachten wird voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte 2018 vorliegen. Frage 2: Auf welcher rechtlichen Grundlage kommt die Landesregierung zu der Einschätzung , dass bei einem klimawandelbedingten Kohleausstiegsfahrplan bzw. im Falle einer Insolvenz des derzeitigen Braunkohleunternehmens LEAG die vom Bergbaubetreiber verursachten Folgekosten nicht bzw. nicht komplett vom selbigen getragen werden müssen? zu Frage 2: Die Pflicht zur Durchführung der bei Betriebseinstellung erforderlichen Maßnahmen ergibt sich im Wesentlichen aus dem Bundesberggesetz und weiteren öffentlichrechtlichen Vorschriften. Die Realisierung der Maßnahmen zur Wiedernutzbarmachung etc. setzt voraus, dass der Bergbauunternehmer finanziell leistungsfähig ist. Dies ist im Fall der Insolvenz nicht gegeben. Die dem Grunde nach gegen den Bergbauunternehmer bestehenden Forderungen werden im Insolvenzfall zur Tabelle angemeldet. Wird der Betrieb durch den Insolvenzverwalter nicht weitergeführt, so sind die erforderlichen Maßnahmen im Wege der Ersatzvornahme durch das Land zu veranlassen. Die hierfür verauslagten Kosten werden im Insolvenzverfahren nach Quote befriedigt. Frage3: Kann die Landesregierung bestätigen, dass die Dachgesellschaft EPH derzeit nicht für die Verpflichtungen ihrer Lausitzer Tochter LEAG haftet? zu Frage 3: Die Landesregierung hatte bisher keine Veranlassung zu prüfen, ob das Unternehmen EPH für Verpflichtungen der LEAG haftet. Frage 4: Erwägt die Landesregierung - auch angesichts der o.g. Aussagen der EPH -, sofort bzw. im Zuge der nächsten regulären Überprüfung der entsprechenden Betriebspläne die Sicherung der für die Rekultivierung notwendigen Gelder anzuordnen? Wenn nein: Warum nicht? zu Frage 4: Das zuständige LBGR kann gemäß § 56 Abs. 2 Bundesberggesetz (BBergG) die Zulassung eines bergrechtlichen Betriebsplanes von der Leistung einer Sicherheit abhängig machen, soweit diese erforderlich ist, um die Erfüllung der dem Bergbautreibenden obliegenden Verpflichtungen (§ 55 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 bis 13 und Abs. 2 BBergG) zu sichern . Über diese Frage wird das LBGR bei der Zulassung der anstehenden bergrechtlichen Hauptbetriebspläne entscheiden. Landtag Brandenburg Drucksache 6/8076 - 3 - Frage 5: Ist die Abgabe einer Patronatserklärung aus Sicht der Landesregierung eine rechtssichere Möglichkeit, um die Absicherung der Haftung aus dem Vermögen der EPH für die Verpflichtungen der LEAG zu garantieren? zu Frage 5: Über diese Frage wird das LBGR bei der Zulassung der anstehenden bergrechtlichen Hauptbetriebspläne entscheiden. Frage 6: Befindet sich die Landesregierung in Verhandlungen mit der EPH zur Abgabe einer Patronatserklärung? Wenn nein: Plant die Landesregierung in Verhandlungen mit der EPH zu treten, um mit dem Unternehmen eine Patronatserklärung zu erzielen? zu Frage 6: Die Landesregierung befindet sich gegenwärtig nicht in Verhandlungen mit der EPH zur Abgabe einer Patronatserklärung. Ob eine Patronatserklärung im konkreten Fall geeignet ist, wird das LBGR bei der Zulassung der anstehenden bergrechtlichen Hauptbetriebspläne entscheiden. Frage 7: Zieht die Landesregierung die Festlegung von sonstigen Sicherheitsleistungen in Betracht? Wenn ja: Ab wann werden Sicherheitsleistungen erhoben? Wenn nein: Warum nicht? zu Frage 7: Über diese Frage wird das LBGR bei der Zulassung der anstehenden bergrechtlichen Hauptbetriebspläne entscheiden. Frage 8: Wann, für welches Unternehmen und aus welchen Gründen wurden für welche Bergbauvorhaben im Land Brandenburg seit 1989 Sicherheitsleistungen nach Bundesbergrecht erhoben? zu Frage 8: Mit Einführung des Bundesberggesetzes am 03.10.1990 wurden Sicherheitsleistungen für die Wiedernutzbarmachung gem. §§ 4, 53, 55 BBergG im Insolvenzfall von allen Gewinnungsbetrieben des Steine- und Erdenbergbaus verlangt. Die Sicherheitsleistungen wurden im Rahmen der Hauptbetriebsplanzulassungen verlangt und vorgelegt. Sie werden bei jeder Hauptbetriebsplanzulassung geprüft und angepasst. Frage 9: In welcher Höhe werden seit wann jeweils Sicherheitsleistungen für den Rückbau erhoben und zu welchem Zeitpunkt vor oder während des Betriebs müssen diese Mittel bereitgestellt werden beim Bau von a) Solaranlagen b) Windkraft- und c) Biogasanlagen? zu Frage 9: Seit den neunziger Jahren ist es nach den Vorschriften des Bauordnungsrechts möglich, beim Bau von Anlagen im Außenbereich Sicherheitsleistungen für den Rückbau zu fordern. Das gilt auch für immissionsschutzrechtliche Genehmigungsverfahren , die eine Baugenehmigung einschließen. Die Art, die Höhe und der Zeitpunkt der zu erbringenden Sicherheit werden in der jeweiligen Baugenehmigung durch Nebenbestimmung geregelt oder von der Bauaufsichtsbehörde der Immissionsschutzbehörde mitgeteilt. Die Bauaufsichtsbehörde kann zulassen, dass die Sicherheit erst vor dem Baubeginn zu erbringen ist. Die Höhe der Sicherheitsleistung bestimmt sich nach den Kosten, die voraussichtlich für den vollständigen Rückbau der Anlage - einschließlich der Beseitigung der Landtag Brandenburg Drucksache 6/8076 - 4 - Bodenversiegelung – aufgewendet werden müssen. Die Rückbaukosten können bei Solarund Biogasanlagen pauschaliert mit 10 % der Rohbaukosten der Anlage angesetzt werden . Bei Windenergieanlagen sind als fiktive Rohbausumme 40 % der Herstellungskosten anzusetzen. Frage 10: Das sächsische Oberbergamt hat ein „Merkblatt zur Erhebung und Verwertung von Sicherheitsleistungen gem. § 56 Abs.2 BBergG (Stand: 11/2010)“ herausgegeben. Gibt es im Land Brandenburg eine ähnliche Anweisung bzw. ein Merkblatt? Wenn ja, wo kann man die Unterlagen einsehen? zu Frage 10: Den Steine- und Erdenbetrieben steht im Land Brandenburg als Service auf der Internetseite des LBGR zur Thematik Sicherheitsleistung ein Muster zur Kostenermittlung und eine Muster-Bürgschaft zur Verfügung (http://www.lbgr.brandenburg .de/cms/detail.php/bb1.c.326089.de). Frage 11: Hat die Landesregierung vor dem Hintergrund des Pariser Klimaabkommens und der damit verbundenen Debatte um einen mittelfristigen Kohleausstieg Zweifel an der nachhaltigen Leistungsfähigkeit des derzeitigen Braunkohleunternehmens LEAG? Wenn ja, bitte begründen. Wenn nein, bitte begründen. zu Frage 11: Die Landesregierung hat derzeit keine Zweifel an der Leistungsfähigkeit des Braunkohleunternehmens. Hierzu wird auf die Antworten zu den Fragen 4 und 7 verwiesen .