Landtag Brandenburg Drucksache 6/8230 6. Wahlperiode Eingegangen: 21.02.2018 / Ausgegeben: 26.02.2018 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 3158 der Abgeordneten Bettina Fortunato (Fraktion DIE LINKE) und Gerrit Große (Fraktion DIE LINKE) Drucksache 6/7748 Inklusion und Kultur in Brandenburg Namens der Landesregierung beantwortet die Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur die Kleine Anfrage wie folgt: Artikel 30 der UN-Behindertenrechtskonvention gewährt Menschen mit Behinderungen das Recht, gleichberechtigt am kulturellen Leben teil zu haben. Das beinhaltet neben dem Zugang zu Filmen, Theatern und anderen kulturellen Aktivitäten und Darstellungen in einem zugänglichen Format auch die Verpflichtung, Menschen mit Behinderungen die Entfaltung ihres kreativen und künstlerischen Potentials zu ermöglichen. In Brandenburg sind bereits einige Schritte in diese Richtung erfolgt. So weist das Behindertenpolitische Maßnahmepaket z.B. Baumaßnahmen zur Barrierefreiheit im neuen Hedwig-Bollhagen-Museum in Velten, einen modernen Erweiterungsbau für das Kleistmuseum in Frankfurt (Oder) oder Umbau- und Erweiterungsarbeiten in der Gedenkstätte Ravensbrück aus. Auch der Brandenburgische Museumsverband, das Hans-Otto-Theater oder die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten haben einzelne Projekte im Sinne der Inklusion umgesetzt. Dennoch gilt es auch in Brandenburg weiter die Vorgabe der UN- Behindertenrechtskonvention zu realisieren. Wir fragen die Landesregierung: Vorbemerkungen: Auf Basis der Kleinen Anfrage erfolgte eine Abfrage bei den im Jahr 2016 geförderten Kultureinrichtungen. Entsprechend der thematischen Zielstellung wurden dabei lediglich Förderempfänger mit eigener Infrastruktur abgefragt, nicht jedoch solche, die an wechselnden Orten, Open air oder an Orten, die nicht Sitz der Einrichtung sind, Lesungen oder Ausstellungen veranstalten (Schreibende Schüler, Endmoräne, Rohkunstbau , Fontane-Festspiele). Ebenso wenig wurden Förderempfänger befragt, die an ihrem Sitz keine kulturellen Veranstaltungen durchführen. Unter Bezug auf die vorgenannten Auswahlkriterien wurden insgesamt 152 Einrichtungen abgefragt, von denen wiederum 94 geantwortet haben. Die Landesregierung beantwortet die nachfolgenden Fragen auf Grundlage der Rückmeldungen dieser Kultureinrichtungen. 1. Wie viele kulturelle Einrichtungen in Brandenburg haben in 2016 eine finanzielle Förderung des Landes erhalten (bitte unterscheiden nach Museen, Theater mit Spielstätte, Bibliotheken, Galerien, Konzertsäle, Kulturhäuser und sonstiges)? Landtag Brandenburg Drucksache 6/8230 - 2 - Zu Frage 1: Das Land Brandenburg hat entsprechend der einleitend benannten Kriterien in 2016 insgesamt 152 kulturelle Einrichtungen finanziell gefördert. In dieser Zahl sind inkludiert Förderungen nach Brandenburgischem Finanzausgleichsgesetz (BbgFAG) und dem Brandenburgischen Musik- und Kunstschulgesetz (BbgMKSchulG), institutionelle Förderungen und Projektförderungen, Förderungen im Rahmen des Förderprogramms "Denkmalhilfe" und im Bereich des Programms zur Integration und Partizipation Geflüchteter von Einrichtungen. Die Verteilung auf die einzelnen Förderbereiche des MWFK stellt sich wie folgt dar: Förderbereiche des MWFK Flüchtlingsförderprogramm 41 Kulturelle Bildung 9 sonstige/spartenübergreifende Projektförderungen 5 Soziokultur (Kulturelle Bildung) 10 Denkmalpflege/Denkmalhilfe 11 Museen 43 Zeitgeschichte (Erinnerungskultur) 22 Musik 35 Theater 69 Bildende Kunst 16 Digitalisierung 8 Literatur 19 Förderungen nach BbgMKSchulG 34 2. Wie viele dieser geförderten Einrichtungen sind: a) rollstuhlgerecht, b) ausgestattet für Menschen mit Sehbeeinträchtigungen und blinde Menschen (z.B. Hinweisschilder in Braille-Schrift, mit ausreichend großer Schrift oder entsprechenden Ansagen), c) ausgestattet für Menschen mit Hörbeeinträchtigungen und gehörlose Menschen (z.B. Hörschleifen)? d) ausgestattet für Menschen mit Lernschwierigkeiten bzw. sog. geistiger Behinderung (z.B. Leichte Sprache)? Zu Frage 2: Von den vorgenannten 94 Einrichtungen, die auf die Anfrage des MWFK geantwortet haben, sind: a) 61 voll rollstuhlgerecht und 17 teilweise rollstuhlgerecht ausgestattet. b) 4 mit adäquater Infrastruktur für Sehgeschädigte (10 teilweise) ausgestattet. c) 6 mit adäquater Infrastruktur für Hörgeschädigte (11 teilweise) ausgestattet. d) 22 mit adäquater Infrastruktur für Menschen mit Lernschwierigkeiten bzw. geistiger Behinderung (9 teilweise) ausgestattet. Landtag Brandenburg Drucksache 6/8230 - 3 - a) b) c) d) Konzept Ja 61 4 6 22 10 teilweise 17 10 11 9 8 3. Wie viele dieser geförderten Einrichtungen haben ein Konzept zur inklusiven Gestaltung ihres kulturellen Angebotes? Zu Frage 3: Von den vorgenannten 94 Einrichtungen, die auf die Anfrage des MWFK geantwortet haben, verfügen 10 über eine entsprechende Inklusionskonzeption. Acht Einrichtungen geben darüber hinaus an, eine Konzeption zu haben, die Teilaspekte einer inklusiven Gestaltung ihres Kulturangebotes beinhalten. 4. Welche speziellen kulturellen Angebote gab es im Jahr 2016 für Menschen mit Behinderungen bzw. welche Standard-Angebote waren für Menschen mit Behinderungen barrierefrei zugänglich? Zu Frage 4: Kulturelle Angebote zu unterbreiten, die für Menschen mit und ohne Behinderungen gleichermaßen zugänglich sind, sind eine wichtige Teilaufgabe insbesondere der öffentlich geförderten Kultureinrichtungen. Die Kulturschaffenden und kulturellen Einrichtungen im Land Brandenburg entwickeln in der Regel keine speziellen Klientelangebote. Gleichwohl gibt es in der brandenburgischen Museums-, Theater- und Orchesterlandschaft permanente kulturelle Angebote, die im Besonderen auf Inklusion und die kulturelle Teilhabe von Menschen mit Behinderungen gerichtet sind. Ein herausragendes Beispiel für diese Arbeit findet sich am Potsdamer Hans-Otto-Theater, welches seit 20 Jahren regelmäßig Aufführungen mit Übersetzung in Gebärdensprache anbietet, um auch tauben und hörbehinderten Menschen ein Tor zur Theaterkunst zu öffnen. In seiner Kontinuität und innovativen Form ist das Projekt deutschlandweit einzigartig. Mehrmals in der Spielzeit stehen zwei versierte/künstlerisch besonders geschulte Dolmetscher gemeinsam mit den Schauspielern auf der Bühne und übertragen das Bühnengeschehen simultan - ein inklusives Kulturerlebnis, das auch Besucher ohne Hörbeeinträchtigung als eine besondere Bereicherung empfinden. Bei der in Potsdam praktizierten innovativen Methode des „Shadow Interpreting“ folgen die beiden Übersetzer den Schauspielern wie Schatten und sind aktiver und integraler Teil des Bühnengeschehens . Dadurch wird gehörlosen Theaterbesuchern die Möglichkeit geboten, das jeweilige Stück genauso wie alle anderen Zuschauer wahrzunehmen. Das HOT lädt die tauben und hörbehinderten Menschen über die Verbände und Schulen ein. Die Vorstellungen (in 2015 Der Raub der Sabinerinnen mit Katharina Thalbach und 2016 Ein Käfig voller Narren) sollten gehörlosen Menschen ein ästhetisches Erlebnis ermöglichen. Mit dem Erlebnis von Musik und Theater soll ein positiver Eindruck der kulturellen Teilhabe bleiben. Die Vorstellungen sind bei den gehörlosen Kindern und Erwachsenen sehr geschätzt und immer ausverkauft. Inwiefern das erfolgreiche Format des HOT auch als Modellprojekt für andere Kultureinrichtungen im Land Brandenburg adaptierbar sein könnte, richtet sich u.a. nach den hierfür zusätzlich erforderlichen Ressourcen der jeweiligen Einrichtung. Diese Frage bedarf einer längerfristigen Beratung mit den Kulturschaffenden und Kultureinrichtungen. Landtag Brandenburg Drucksache 6/8230 - 4 - Die meisten Standard-Angebote sind für Menschen mit Behinderungen barrierefrei zugänglich. Detaillierte Informationen über die Vorort-Bedingungen (Behindertenparkplätze , Fahrstühle, Audioguides etc.) gibt das bundesweit beispielhafte Informationsportal im Internet www.barrierefrei-brandenburg.de mit rund 1000 Angeboten; es wird kontinuierlich aktualisiert und breit genutzt. 5. Welche Maßnahmen ergreift die Landesregierung, um die Barrierefreiheit von kulturellen Einrichtungen in Brandenburg auf den vielfältigen Ebenen zu erhöhen bzw. dies zu unterstützen? Zu Frage 5: Das MWFK begrüßt es, wenn insbesondere die kulturellen Einrichtungen und die vom Land institutionell geförderten Museen, Stiftungen etc. bei der inklusiven Ausstattung diesbezüglich eine Vorbildwirkung übernehmen. Im Rahmen ihrer landesseitigen Verantwortung wirkt die Landesregierung über die Zusammenarbeit über die Gremien der Einrichtungen und im fachlichen Austausch darauf hin. Die Einrichtungen sind hierfür im Rahmen Ihrer finanziellen Möglichkeiten sehr aufgeschlossen. Der Etat der in Rede stehenden Einrichtungen ermöglicht nicht in allen Fällen einen barrierefreien Zugang in jeglicher Hinsicht. Hier ist jede Institution gehalten, auf Grundlage der zur Verfügung stehenden Möglichkeiten eine möglichst umfassende Beteiligung zu ermöglichen. Landeseitige Unterstützung für diesbezügliche gezielte Investitionen stehen derzeit leider nicht zur Verfügung, auch weil die EFRE-basierten kommunalen Kulturinvestitionsprogramme 2015 ausgelaufen sind. 6. Wie schätzt die Landesregierung insgesamt die Barrierefreiheit von kulturellen Einrichtungen und deren Angebote in Brandenburg ein? Zu Frage 6: Die Landesregierung ist der Auffassung, dass die kulturellen Einrichtungen im Land Brandenburg durch ihre Publikumsnähe und ihre Diversität wichtige Beiträge auf dem Weg zu einer inklusiven Gesellschaft leisten können und leisten. Als Orte der kulturellen Bildung und Begegnung sind sie gefordert, sich im Rahmen ihrer - auch baulichen und finanziellen - Möglichkeiten aktiv insbesondere mit der Barrierefreiheit, einem Teilaspekt der Inklusion, zu beschäftigen. Die meisten Einrichtungen befinden sich in kommunaler, kreislicher oder freier Trägerschaft, deshalb beschränkt sich die Förderung des Landes auf ausgewählte Einrichtungen von überregionaler Bedeutung. Tendenziell lässt sich für alle Kultureinrichtungen konstatieren, dass das komplexe Thema Barrierefreiheit - auch vor dem Hintergrund ungünstiger demografischer Entwicklung/Überalterung - in der brandenburgischen Kulturlandschaft zunehmend an Bedeutung gewinnt und ein stets mit gedachtes Thema insbesondere bei größeren Investitionsplanungen ist. Das Ziel, die Kultureinrichtungen für alle Zielgruppen weitgehend barrierefrei zu gestalten, lässt sich allerdings nur schrittweise erreichen, zumal nicht alle Einrichtungen für die Bedürfnisse aller Besuchergruppen gleichermaßen optimal gestaltet werden können. Weitgehende Inklusion ist für die meisten Einrichtungen eine Zukunftsaufgabe, die zum Teil erheblicher Anstrengungen auch finanzieller Art bedarf. Gleichwohl gibt es in der brandenburgischen Kulturlandschaft bereits heute zahlreiche Angebote, um Barrierefreiheit für Besucherinnen und Besucher herzustellen. Museumsangebote sind vielfach multimedial angelegt und sprechen damit sehr heterogene Interessen und Bedürfnisse an. Landtag Brandenburg Drucksache 6/8230 - 5 - 7. Inwiefern werden kulturelle Angebote in Brandenburg auch unter Einbeziehung von Menschen mit Behinderungen gestaltet? Zu Frage 7: Es ist ein wichtiges kulturpolitisches Anliegen im Land Brandenburg, die kulturelle Teilhabe aller Bürgerinnen und Bürger zu ermöglichen und die in den letzten Jahren begonnene Integration und Partizipation von Menschen mit Behinderungen weiter voranzubringen. Deshalb liegt nach Auffassung der Landesregierung generell künftig im Bereich der Kulturellen Bildung, Inklusion und Diversität auf der Landes- wie auch auf der kommunalen Ebene ein besonderer Fokus. Inklusion darf sich nicht nur auf Menschen mit körperlichen und mentalen Handicaps beschränken, sondern schließt auch alle anderen Formen des Andersseins mit ein. So wirkt die Landesregierung auch aktiv auf die gesellschaftliche Teilhabe und Integration von neu in Brandenburg angekommenen Migrantinnen und Migranten hin, um beispielsweise Barrieren noch unzureichender Sprachbeherrschung abzubauen. Im Rahmen des seit 2016 laufenden Förderprogramms „Kulturprojekte zur Integration und Partizipation von Geflüchteten im Land Brandenburg“ konnten dazu wichtige Erfahrungen gesammelt werden und neues Engagement für diese Art der Inklusion mobilisiert werden.