Landtag Brandenburg Drucksache 6/8257 6. Wahlperiode Eingegangen: 23.02.2018 / Ausgegeben: 28.02.2018 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 3270 der Abgeordneten Andrea Johlige (Fraktion DIE LINKE) und Matthias Loehr (Fraktion DIE LINKE) Drucksache 6/8007 Wachschutzunternehmen und deren Verbindungen in die Neonaziszene Namens der Landesregierung beantwortet der Minister des Innern und für Kommunales die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkungen der Fragesteller: Immer wieder gibt es Berichte in den verschiedensten Medien über Verbindungen von Neonazis und/oder Rockergruppierungen die im Bereich des Wachschutzgewerbes aktiv sind. 1. Welche Mindestanforderungen an die berufliche Qualifikation gelten generell für die Tätigkeit im Wachschutzgewerbe? zu Frage 1: Für die Tätigkeit im Bewachungsgewerbe gibt es keine Mindestanforderungen an die berufliche Qualifikation. Die Tätigkeit als Wachunternehmerin oder Wachunternehmer sowie als Wachperson unterliegt stattdessen dem Erlaubnisvorbehalt des zuständigen Gewerbeamtes. Im Bewachungsgewerbe darf laut Gesetz nur tätig sein, wer bestimmte Voraussetzungen erfüllt. § 34a Gewerbeordnung (GewO) regelt die Tätigkeiten im Bewachungsgewerbe in der Form, dass der Gewerbetreibende mit der Durchführung von Bewachungsaufgaben nur Personen beschäftigen darf, die die erforderliche Zuverlässigkeit besitzen und durch eine Bescheinigung der Industrie- und Handelskammer, als der dafür zuständigen Stelle, nachweisen, dass sie über die für die Ausübung des Gewerbes notwendigen rechtlichen und fachlichen Grundlagen unterrichtet worden sind und mit ihnen vertraut sind. Darüber hinaus besteht in bestimmten Einsatzbereichen, z. B. bei Kontrollgängen im öffentlichen Verkehrsraum, bei der Bewachung im Einlassbereich von gastgewerblichen Diskotheken oder der Bewachung von Aufnahmeeinrichtungen nach § 44 des Asylgesetzes und von Gemeinschaftsunterkünften nach § 53 des Asylgesetzes, für die Wachperson die Pflicht, eine über die bloße Unterrichtung hinausgehende Sachkundeprüfung abzulegen (§ 34a Abs. 1a Satz 2 GewO). Auch die Wachunternehmerin oder der Wachunternehmer selbst müssen diese Sachkundeprüfung ablegen (§ 34a Abs. 1 Satz 3 Nummer 3 GewO). Unabhängig davon steht es Auftraggebern wie Wachschutzunternehmen frei, darüber hinausgehende Anforderungen an die Aus- und Fortbildung der Sicherheitsmitarbeiter /innen zu stellen. Maßgeblich für die Erlaubniserteilung ist vor allem, ob eine Person zuverlässig ist. Die Zuverlässigkeit liegt in der Regel dann nicht vor, wenn die zu überprüfende Person Mitglied in einem verbotenen Verein oder einer verfassungswidrigen Partei war, einzeln oder als Mitglied einer Vereinigung verfassungsfeindliche Bestrebungen verfolgt oder unterstützt hat oder über bestimmte Vorstrafen verfügt (§ 34a Abs. 1 Satz 4 GewO). Diese gesetzliche Auflistung ist nicht abschließend, sondern lässt Raum Landtag Brandenburg Drucksache 6/8257 - 2 - dafür, dass jeweils die konkreten Umstände des Einzelfalls bewertet werden können. Zur Überprüfung der Zuverlässigkeit holt das zuständige Gewerbeamt mindestens eine unbeschränkte Auskunft aus dem Bundeszentralregister sowie eine Stellungnahme der für den Wohnort zuständigen Behörde der Landespolizei, einer zentralen Polizeidienststelle oder des jeweils zuständigen Landeskriminalamtes ein (§ 34a Absatz 1 Satz 5, Absatz 1a Satz 3 GewO) ein. Im Bereich der Polizei des Landes Brandenburg werden diese Anfragen zentral durch das Landeskriminalamt bearbeitet. Darüber hinaus kann das Gewerbeamt auch bei den zuständigen Landesverfassungsschutzbehörden eine Abfrage durchführen (§ 34a Abs. 1 Satz 6, Abs. 1a Satz 4 GewO). Durch Änderung der GewO wird ab dem 01. Januar 2019 die Abfrage bei der zuständigen Landesverfassungsschutzbehörde als Regelabfrage durchgeführt und es wird eine Nachberichtspflicht für Polizei und Verfassungsschutz eingeführt, sodass nach Erlaubniserteilung bekannt werdende Informationen ebenfalls Berücksichtigung finden werden. 2. Welche Kenntnisse hat die Landesregierung über neonazistische Verbindungen in die sogenannte "Türsteherszene" bzw. dem Wachschutzgewerbe in Brandenburg? zu Frage 2: Insbesondere im Raum Cottbus bestehen seit vielen Jahren gewachsene enge Verflechtungen zwischen der rechtsextremistischen Szene, der Fußballfanszene, Teilen der Kampfsportszene, Rockern sowie der Türsteherszene und dem Wachschutzgewerbe. Auf diese Situation wurde in der Vergangenheit wiederholt hingewiesen, so u. a. in den jährlichen Verfassungsschutzberichten. Im Bereich der Polizei des Landes Brandenburg liegen Erkenntnisse zu insgesamt 20 Sicherheitsunternehmen vor, die im Süden Brandenburgs aktiv sind. Davon sind 13 Sicherheitsunternehmen auffällig geworden, bei denen Personenüberschneidungen zu den Bereichen „Rocker“, „PMK“ und „Fußball“ festzustellen waren. In den letzten Jahren gab es immer wieder Hinweise, wonach sich Personen aus dem rechtsextremistischen Spektrum gezielt um Arbeitsstellen im Bewachungsgewerbe bemühen . In Einzelfällen gründeten Rechtsextremisten selbst solch ein Gewerbe. Dieses Tätigkeitsspektrum bietet Rechtsextremisten eine Vielzahl an Möglichkeiten, rechtsextremistisches Gedankengut in den öffentlichen Raum zu transportieren oder repressiv auf Andersdenkende und auf Bürger ausländischer Herkunft einzuwirken. Eine Tätigkeit im Bewachungsgewerbe ist für Rechtsextremisten auch auf Grund der Uniformierung und der Bewaffnung sowie der Ausübung von Macht und Dominanz attraktiv. Zudem ist keine langjährige Ausbildung erforderlich. 3. Welche Erkenntnisse besitzt die Landesregierung über Unterwanderungsversuche von Neonazis in bestehende (Kampf)Sport-Clubs innerhalb Brandenburgs? zu Frage 3: Kampfsport übt seit jeher auf die rechtsextremistische Szene eine besondere Anziehungskraft aus. Zahlreiche Rechtsextremisten trainieren in Vereinen, lassen sich in Workshops in Selbstverteidigungstechniken schulen oder nehmen sogar an Mixed-Martial- Arts-Turnieren als Kämpfer teil. Auch hierauf wurde in den vergangenen Jahren regelmäßig in den Verfassungsschutzberichten hingewiesen. Es liegen derzeit jedoch keine Hinweise vor, wonach Rechtsextremisten gezielt versuchen, bestehende (Kampf)Sport-Clubs zu unterwandern. In den Jahren 2011 bis 2013 geriet das Kickbox-Team Cottbus wegen fehlender Abgrenzung zum Rechtsextremismus in die Schlagzeilen. In der Folgezeit ist der Verein nicht mehr in rechtsextremistischen Zusammenhängen in Erscheinung getreten. Gegenwärtig existiert in Lübben die Kampfsportgruppe North Side Crew, die durch die Ver- Landtag Brandenburg Drucksache 6/8257 - 3 - fassungsschutzbehörde als rechtsextremistischer Personenzusammenschluss bewertet wird. 4. Ist der Landesregierung bekannt, ob und wenn ja wie viele aktive oder ehemalige Funktionsträger der NPD Brandenburg, und deren Jugendorganisation "JN", der Partei „Die Rechte“ oder Neonazis derzeit in Brandenburger Sicherheitsunternehmen beschäftigt sind? zu Frage 4: Der Landesregierung liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. 5. Liegen der Landesregierung Informationen vor, wonach es in den vergangenen fünf Jahren Vorfälle gab, in denen Personen im Wachschutzbereich in Brandenburg eingesetzt wurden, bei denen Anhaltspunkte für eine neonazistische Betätigung vorlagen (bitte Einzelauflistung)? zu Frage 5: Nein, derartige Sachverhalte werden statistisch nicht erfasst. 6. Welche Unterstützung können Unternehmen von kommunalen, Landes- oder Bundesbehörden bei der Einstellung von Mitarbeiterinnen oder Mitarbeitern für besonders sensible Einsatzorte erhalten? 7. Welche Unterstützung können Kommunen von Landes- oder Bundesbehörden bei der Überprüfung der Eignung der Wachschutzunternehmen bzw. deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für besonders sensible Einsatzorte erhalten? zu den Fragen 6 und 7: Das zuständige Gewerbeamt trifft in eigener Verantwortung im Rahmen des Überprüfungsverfahrens (siehe Antwort zu Frage 1) eine Entscheidung über die Erlaubniserteilung und somit auch über die Zuverlässigkeit eines Wachunternehmers oder einer Wachunternehmerin bzw. einer Wachperson. In rechtlichen Zweifelsfällen kann sich das Gewerbeamt an die zuständige Aufsichtsbehörde wenden. Das Landeskriminalamt Brandenburg prüft seit dem 01. Dezember 2016 auf der Grundlage des § 34a GewO Personen, die ein Wachschutzunternehmen betreiben und/oder als Mitarbeiter/-innen in einem solchen Unternehmen tätig werden sollen. Die Überprüfungen erfolgen auf Antrag der jeweils zuständigen Gewerbeämter. Im Rahmen dieser Anfragen werden dem Landeskriminalamt weder die Wachschutzfirma, in der die zu prüfende Person tätig werden soll, noch der konkrete Einsatzbereich der Person mitgeteilt. Durch den zuständigen Bereich im Landeskriminalamt wurden seit Dezember 2016 3.208 Personen (Stand 31.01.2018) in den polizeilichen Datenbeständen entsprechend überprüft. Dabei wurden zu 651 Personen polizeiliche Erkenntnisse festgestellt. Die Landkreise und kreisfreien Städte wurden in der Vergangenheit durch die Verfassungsschutzbehörde des Landes Brandenburg zur Problematik im Wachschutzbereich sensibilisiert und auf die gesetzlichen Regelungen hingewiesen, wonach die zuständige Behörde Wachpersonal einer Zuverlässigkeitsprüfung auch durch das zuständige Landesamt für Verfassungsschutz unterziehen kann. Von dieser Möglichkeit machen die Kommunen sehr unterschiedlich Gebrauch. Im Jahr 2017 wurden durch den Verfassungsschutz des Landes Brandenburg 846 Zuverlässigkeitsüberprüfungen nach § 34 a GewO durchgeführt - im Jahr 2016 waren es 1150 (bis 01.Dezember 2016 nach § 9 Abs. 2 Satz 2 Bewachungsverordnung ). Landtag Brandenburg Drucksache 6/8257 - 4 - 8. Welche Kriterien gelten für Wachschutzunternehmen, die zur Bewachung von Landesliegenschaften bzw. Veranstaltungen der Landesregierung und deren nachgeordneten Behörden eingesetzt werden? zu Frage 8: Die Auswahl von Wachunternehmen erfolgt nach den üblichen vergaberechtlichen Kriterien, wobei im Rahmen der Geeignetheitsprüfung auch das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen (z. B. Vorliegen einer Erlaubnis nach § 34a GewO) überprüft wird. Vorfälle, die die Geeignetheit eines beauftragten Bewachungsunternehmens in Frage stellen, sind bisher nicht bekannt geworden.