Landtag Brandenburg Drucksache 6/8278 6. Wahlperiode Eingegangen: 26.02.2018 / Ausgegeben: 05.03.2018 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 3278 des Abgeordneten Benjamin Raschke (Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Drucksache 6/8040 Streuobst-Bestände in Brandenburg Namens der Landesregierung beantwortet der Minister für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung des Fragestellers: Bundesweit gab es in den vergangenen Jahrzehnten einen massiven Rückgang der Streuobstbestände. Bundesweit wird der Bestand derzeit auf noch ca. 300.000 ha geschätzt. Streuobstbestände gelten als „Hotspots“ der biologischen Vielfalt. Auf über 5.000 Tier- und Pflanzenarten sowie 3.000 Obstsorten wird die biologische Vielfalt in Deutschland nach Angaben des NABU-Bundesfachausschusses Streuobst geschätzt. Unklar ist, wie sich die Situation in den vergangenen Jahrzehnten in Brandenburg entwickelt hat und welche Ziele die Landesregierung verfolgt. Frage 1: Welche Erkenntnisse über die Anzahl an Hochstamm-Obstbäumen bzw. über die Fläche von Streuobstbeständen (in ha) liegen der Landesregierung für Brandenburg vor? zu Frage 1: Die Fläche der Streuobstbestände in Brandenburg kann derzeit lediglich grob geschätzt bzw. hochgerechnet werden, da der Datenbestand des aktuellen Durchgangs der landesweiten Biotop- und Lebensraumtypenkartierung noch nicht vollständig ist. Mit Stand April 2017 geht die Landesregierung von ca. 1.000 ha Streuobstbeständen in Brandenburg aus. Frage 2: Gibt es regionale oder lokale Studien über die Flächenentwicklung des Streuobstbaus seit 1990 in Brandenburg und wenn ja, mit welchen Ergebnissen? Welche weiteren Daten und Ergebnisse liegen der Landesregierung vor? Welches sind die wesentlichen Gründe für die Entwicklung? zu Frage 2: Der Landesregierung liegen keine Daten über die Flächenentwicklung des Streuobstbaus seit 1990 in Brandenburg vor. Frage 3: Wie viel ha Streuobstbestände gibt es in Brandenburger FFH-Gebieten, EU- Vogelschutzgebieten, Naturschutzgebieten und in Landschaftsschutzgebieten bzw. sind in solchen entsprechend unter Schutz gestellt? zu Frage 3: In den Brandenburger Schutzgebieten gibt es folgende Streuobstbestände: FFH-Gebiete: 40 ha EU-Vogelschutzgebiete: 95 ha Landtag Brandenburg Drucksache 6/8278 - 2 - Landschaftsschutzgebiete: 356 ha Naturschutzgebiete: 22 ha Frage 4: Wie hat sich seit 2007 im Land die Entwicklung der Streuobstbestände nach Kriterien der EU-Biorichtlinie entwickelt (bitte tabellarische Auflistung) und wie viel Prozent der Streuobstfläche sowie der Gesamtobstfläche (inkl. Plantagen) entsprach dies? zu Frage 4: Der Landesregierung liegen keine Daten zur Entwicklung der Streuobstbestände nach Kriterien der EU-Ökoverordnung vor. Frage 5: Wie schätzt die Landesregierung die Entwicklung der Streuobstbestände im Land ein vor dem Hintergrund der Einstufung als "stark gefährdet bis vom Aussterben bedroht" (1-2) in der 2017 erschienenen neuen Auflage der Roten Liste gefährdeter Biotoptypen Deutschlands und welche Informationen bzw. Bewertungen aus Brandenburg flossen in diese bundesweite Bewertung mit ein? zu Frage 5: Traditionelle „Streuobstwiesen“ gibt es in Brandenburg selten. Die meisten Bestände sind eher kleinflächig am Rand von Ortslagen vorhanden und gehen teils in Gartenland über. Frage 6: Wurde das Ziel der Nationalen Biodiversitätsstrategie und der Naturschutz- Offensive 2020 in Brandenburg erreicht, den Flächenanteil wertvoller Agrarbiotope wie Streuobstwiesen zwischen 2005 und 2015 um mindestens zehn Prozent zu erhöhen? zu Frage 6: Für die Streuobstwiesen kann davon ausgegangen werden, dass sie nicht zur Erhöhung des Flächenanteils beigetragen haben. Eine Flächenstatistik wird nicht geführt. Frage 7: Welche eigenen Ziele hat sich die Landesregierung bzgl. der Entwicklung des Streuobstbestandes im Land gesteckt? zu Frage 7: Die Landesregierung hat das Ziel, durch die Erhaltung des Landessortengartens mit ca. 1000 Apfelsorten und weiteren Birnensorten die Entwicklung und Wiederbelebung der Weg- und Begleitpflanzung zu unterstützen. Frage 8: Wie viele Tier- (insbesondere Vogel- und Insektenarten), Pflanzen- und Pilzarten wurden in den Streuobstbeständen des Landes nachgewiesen und welche Erhebungen sind der Landesregierung bekannt? Wie viele Arten sind in Anhang II + IV der FFH- Richtlinie oder Anhang I der Vogelschutzrichtlinie aufgeführt? zu Frage 8: Zu Artenzahlen von Streuobstbeständen in Brandenburg gibt es keine detaillierten Kenntnisse und keine landesweiten Erhebungen, auch nicht zu Vogelarten in Streuobstbeständen. Frage 9: Welchem Schutz unterliegen Streuobstbestände in Brandenburg und welche Begründungen liegen den rechtlichen Regelungen zu Grunde? zu Frage 9: Streuobstbestände unterliegen in Brandenburg dem gesetzlichen Biotopschutz gemäß § 30 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) in Verbindung mit § 18 Brandenburgi- Landtag Brandenburg Drucksache 6/8278 - 3 - sches Naturschutzausführungsgesetz (BbgNatSchAG) und der Biotopschutzverordnung vom 7.8.2006. Frage 10: Wie viele Apfel-, Birnen-, Süßkirschen, Walnuss- und Prunus-Sorten (Mirabellen , Pflaumen, Zwetschgen) gibt es nach aktuellem Erkenntnisstand noch in Brandenburg ? zu Frage 10: Der Landesregierung liegt folgender Erkenntnisstand, der sich auf Daten der im Landesamt für Ländliche Entwicklung, Landwirtschaft und Flurneuordnung ansässigen Obstbauversuchsstation Müncheberg stützt, vor: ca. 1000 Apfelsorten, 150 - 200 Birnensorten sowie 70 - 100 Süßkirschensorten. Zum Umfang von Walnuss- und Prunus-Sorten liegen keine Erkenntnisse vor. Frage 11: Achtet die Landesregierung vor dem Hintergrund der bundesweiten Gütebestimmungen für Hochstamm-Obstbäume, der naturschutzfachlichen Bedeutung der Stammhöhe von mind. 180cm Höhe sowie der leichteren Bewirtschaftung von Streuobstbeständen bei hoher Stammhöhe darauf, dass bei Pflanzungen als „Hochstamm“ deklarierter Bäume auch die Größenvorgaben eingehalten werden? zu Frage 11: Aus Sicht des Arten- und Biotopschutzes spielen Hochstämme (180 cm) in Brandenburg bei der Definition der gesetzlich geschützten Biotope keine Rolle und sind auch bei sonstigen Beurteilungen des Wertes von untergeordneter Bedeutung. Traditionell wurden hier häufiger Halb- oder Dreiviertel-Stämme verwendet. Qualitätsmerkmale für Streuobstbestände werden in Brandenburg in erster Linie auf großkronige und starkwüchsige Sorten gelegt. Soweit das Landesamt für Umwelt als zuständige Naturschutzbehörde Stellungnahmen zu Genehmigungsvorhaben abgibt und dort (Streu-) Obstbaumpflanzungen als Kompensationsmaßnahmen festgelegt werden, werden grundsätzlich die bundesweiten Gütebestimmungen und die entsprechenden Pflanzqualitäten eingefordert. Darüber hinaus werden bei der Förderung extensiver Obstbestände im Rahmen der Agrarumweltund Klimamaßnahmen nur Hochstämme (180 cm) gefördert. Frage 12: Wie viele und welche Obstsortenlehrpfade oder sonstige Einrichtungen gibt es im Land, in denen Obstsorten auf Hochstamm-Obstbäumen gesichert und dokumentiert werden? In welcher Form unterstützt die Landesregierung diese? Welche Bedeutung kommt hierbei der Obstbauversuchsanstalt in Müncheberg zu? zu Frage 12: Nach Kenntnissen der Landesregierung existieren gegenwärtig 11 Streuobstanlagen , die als Schau-/Lehrgärten bzw. Lehrpfade sowohl der Erhaltung und Dokumentation von alten Hochstamm-Obstbäumen dienen als auch für Führungen und Lehrgänge zum Thema Streuobsterhaltung genutzt werden (sh. Anlage). Mehrere dieser Einrichtungen werden von der Obstbauversuchsstation Müncheberg fachlich unterstützt (z. B. Sortenwahl). Die Versuchsstation stellt auch alte Sorten zu Vermehrungszwecken zur Verfügung . Frage 13: Stimmt die Landesregierung der Aussage aus Kreisen von Verbraucherzentralen zu, dass die Verbraucher*innen bei Produkten mit der Bezeichnung „aus Streuobst“ bzw. „aus Streuobstwiesen“ Pestizidfreiheit erwarten? Landtag Brandenburg Drucksache 6/8278 - 4 - zu Frage 13: „Streuobst“ bzw. „Streuobstwiesen“ stellen Obstanbauformen dar. Eine Aussage zum Pestizideinsatz ist damit nicht verbunden. Frage 14: Sieht die Landesregierung das Angebot des NABU-Qualitätszeichens für Streuobstprodukte als hilfreich für die Unterstützung von Keltereien und anderen Streuobst- Vermarktern an? Welche Bemühungen unternimmt die Landesregierung, um die Verwertung oder Vermarktung von getrennt erfasstem Streuobst zu unterstützen? zu Frage 14: Die Landesregierung kommentiert private und Vereinsinitiativen nicht. Frage 15: Stimmt die Landesregierung der Forderung der Streuobst-Aufpreisvermarkter beim vierten bundesweiten Treffen im Jahr 2014 in Fulda zu („Kasseler Erklärung zum Streuobstbau“), dass für eine betriebswirtschaftlich rentable Bewirtschaftung von Streuobstbeständen zum Zwecke der Verwertung des Obstes für Getränke ein Preis von mindestens 25 Euro pro Doppelzentner erforderlich ist? zu Frage 15: Die Landesregierung hat hierzu keine eigenen Erhebungen vorgenommen und kommentiert die Marktpreisfindung nicht. Frage 16: Welche Anstrengungen unternimmt die Landesregierung, um die Bewirtschaftung , Verwertung und Vermarktung von Streuobstprodukten zu fördern? zu Frage 16: Die Obstbauversuchsstation Müncheberg unterstützt den Anbau von Streuobst beispielsweise durch Empfehlungen für eine fachgerechte Sortenauswahl. Darüber hinaus fördert die Landesregierung die Verarbeitung und Vermarktung gartenbaulicher Produkte über die Richtlinien zur Gewährung von Zuwendungen für einzelbetriebliche Investitionen in landwirtschaftlichen Unternehmen sowie zur Förderung im Bereich der Marktstrukturverbesserung. Frage 17: In welchem Umfang wurden in den vergangenen fünf Jahren wie viel ha Streuobstfläche vom Land gefördert? Wie viel Fördermittel stehen noch für die Jahre 2018 und 2019 zur Verfügung? Wie beurteilt die Landesregierung die Nachfrage? zu Frage 17: Die Förderung von Streuobstbeständen der letzten fünf Jahre gemäß Richtlinie Kulturlandschaftsprogramm (KULAP)/ Förderprogramm Pflege extensiver Obstbestände kann der nachfolgenden Tabelle entnommen werden. Mit Beginn der laufenden Förderperiode im Jahr 2015 wurde die Förderung von Fläche auf Bäume (Anzahl) umgestellt. Jahr Anträge Fläche in ha Zuwendung in 1.000 € 2012 107 383 290 2013 97 349 269 2014 84 340 130 2015 60 (Förderung Bäume) 111 2016 63 (Förderung Bäume) 118 Landtag Brandenburg Drucksache 6/8278 - 5 - Für das Jahr 2017 wurden 76 Zahlungsanträge gestellt. Die Auszahlung ist noch nicht erfolgt . Die Finanzierung des KULAP-Förderprogramms Pflege extensiver Obstbestände ist für die Jahre 2018 und 2019 gesichert. Das Förderprogramm gehört zu den drei noch für eine Antragstellung offenen Programmen. Anlage/n: 1. Anlage 1 Anlage zur Beantwortung der Frage 12 der KA 3278 Pomologische Schaugärten und Lehrpfade in Brandenburg - Pomologischer Schau- und Lehrgarten Döllingen (Naturpark Niederlausitzer Heidelandschaft) Größe 3 ha mit ca. 400 Obstgehölzen, davon 192 Hochstämme Errichtung im Jahr 2000 über Lottomittel unterschiedliche kleine Förderungen über ANU, Regionalbudget und Landaufschwung - Streuobstbestände der Obstbauversuchsstation Müncheberg und ihres Umfeldes (Naturpark Märkische Schweiz) alte und sehr traditionsreiche Forschungsstation zur Obstforschung und Obstzüchtung für die speziellen Boden- und Klimabedingungen Nordost- Deutschlands Seit 1990 besondere Bemühungen um den Erhalt und die Vermehrung alter Streuobstbestände in Brandenburg Sortenschaugarten mit mehr als 1000 verschiedenen Apfelsorten und hunderte weiterer Obstsorten betreut und pflegt auch alte Streuobstbestände in der Region, u.a. über 200 Jahre alte Apfelbaumallee zwischen Tempelberg und Görlsdorf Unterstützung bei der Einrichtung von neuen Streuobst-Schaugärten und der Anlage vieler Streuobstwiesen in den neuen Bundesländern - Streuobstwiese Maasdorf (Naturpark Niederlausitzer Heidelandschaft) Größe 1,3 ha. mit 150 Hochstammobstbäumen Errichtung im Jahr 2000 mit Mitteln des Vertragsnaturschutzes des Landes Brandenburg Beschilderung und Informationstafeln gefördert über ANU - Sortenschaugarten Templin (Naturpark Uckermärkische Seen) Größe ca. 5 ha mit 109 hochstämmigen Apfelsorten, die für die Uckermark typisch sind gefördert durch Mittel des Landes Brandenburg Sortenauswahl und Betreuung der Anlage durch Obstbauversuchsstation Müncheberg - Streuobstwiese in Lichtenhain bei Boitzenburg (Naturpark Uckermärkische Seen) Größe ca. 5 ha, im Eigentum der Gräfin von Arnim Dokumentation, Erhalt und Vermarktung typischer alter Obstsorten der Uckermark 2 - Streuobstsortenanlage der Baumschule Fischer in Lichterfelde bei Eberswalde (Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin) In den letzten 20 Jahren neu angelegter Streuobstbestand (ca. 2-3 ha) zur gezielten Gewinnung von Veredlungsreisern für alte, regionale Hochstamm- Obstsorten Die Baumschule trägt wesentlich zum Erhalt alter Obstsorten und Obstgärten in Nordbrandenburg bei Die Anlage des Sortengartens erfolgte mit Beratung der Obstbauversuchsstation Müncheberg - Streuobst-Lehrgarten Blankensee (Naturpark Nuthe Nieplitz) 17,7 ha Streuobstwiesen mit regionaltypischen Hochstammsorten Von 1993-1997 angelegt durch den Landschaftsförderverein des NP NN Finanziert über Naturschutzgroßprojekt mit anteiliger Landesförderung Betreuung durch Baumpatenschaften und Pomologischen Verein Brandenburg Durchführung von Führungen und Obstbaulehrgängen - Ministersortengarten mit Bauernobstwiese in Philadelphia bei Storkow (Naturpark Dahme Heideseen) 0,5 ha Streuobstwiese mit Erweiterungspotential in Trägerschaft des Vereins „Äpfel und Konsorten e.V.“ Erweiterung der Anlage durch Neupflanzung regionaler Hochstammsorten anlässlich der Umweltministerkonferenz im Mai 2017 in Storkow (Ministersortengarten) Nutzung als Schauanlage und für Obstbaulehrgänge Finanzierung über Vereinsmittel und Spenden - Streuobstwiese des KEPOS-Hofes in Alt-Globsow (Naturpark Stechlin Ruppiner Land) ca. 1,5 ha Fläche eines Demeter-Betriebes mit ca. 100 regionaltypischen Hochstammsorten Zwischen 2013 und 2017 angelegt als Musterprojekt mit Mitteln des Naturschutzfonds Brandenburg Betreuung durch pomologischen Verein und Naturwacht des NP SRL - Obstschaugarten des Hofes Rademacher in Lenzen (Bioshärenreservat Elbe) Neuanlage einer Streuobstwiese mit bisher 20 alten Hochstamm-Obstsorten der Region Dient als Schau- und Beispielanlage für die Förderung weiterer Projekte in der Region Finanzierung der Anlage über Fördermittel des Landes Betreuung durch Pomologischen Verein Brandenburg 3 - Pilgerweg mit Hochstamm-Obstbäumen an der Karthane in Bad Wilsnack (Bioshärenreservat Elbe) Neuanlage von 54 Hochstamm-Obstbäumen mit Ausschilderung an touristisch stark genutztem Wanderweg Finanzierung über Fördermittel des Landes bzw. A&E-Maßnahmen Betreuung durch die Stadt Bad Wilsnack