Landtag Brandenburg Drucksache 6/8360 6. Wahlperiode Eingegangen: 08.03.2018 / Ausgegeben: 13.03.2018 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 3295 des Abgeordneten Péter Vida (fraktionslos) Drucksache 6/8107 Freie Träger - KITA Namens der Landesregierung beantwortet die Ministerin für Bildung, Jugend und Sport die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung des Fragestellers: Zu den Pflichtaufgaben der Kommunen gehört u.a. die Sicherstellung der Betreuung von Kindern im KITA- und Hortbereich. Die meisten Kommunen betreiben diese Einrichtungen in Eigenregie bzw. in Eigenverantwortung. Mancherorts wird der Betrieb der einzigen KITA bzw. einiger KITAs in größeren Orten freien Betreibern überantwortet. Hinsichtlich der Vergabepraxis an Freie Träger hatte sich der Gemeindevertreter Herr K. aus Grünheide mit einer entsprechenden Fragestellung bereits an das MBJS gewendet. In der Antwort (Mail vom 22.01.2018) wurde u.a. auf die Möglichkeit geförderter Webinare des MBJS verwiesen. Dies kann keine ernsthafte Antwort auf eine substantiierte Anfrage sein. Frage 1: Ist es den Kommunen generell freigestellt, ob sie das Betreiben von KITAs selbst vornehmen oder sich hierzu Dritter bedienen? zu Frage 1: Zu den Aufgaben der örtlichen Gemeinschaft, die die Gemeinden in eigener Verantwortung erfüllen, gehört gemäß § 2 Absatz 2 der Kommunalverfassung des Landes Brandenburg die Sicherung und Förderung eines breiten Angebots an Kinderbetreuungseinrichtungen . Eine Verpflichtung, die Kinderbetreuungseinrichtungen in eigener Trägerschaft zu betreiben, besteht für die Gemeinden nicht. Nach § 12 Absatz 1 Satz 1 Kindertagesstättengesetz (KitaG) hat der örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe (der Landkreis oder die kreisfreie Stadt) die Aufgabe, die Kindertagesbetreuung nach § 1 KitaG zu gewährleisten. Nach Satz 2 dieser Vorschrift kann der Landkreis Aufgaben zur Gewährleistung der Kindertagesbetreuung per öffentlich-rechtlichem Vertrag an kreisangehörige Gemeinden und Ämter zur Durchführung abgegeben. Das ändert jedoch nichts an der Gesamtverantwortung des örtlichen Jugendhilfeträgers nach §§ 79, 85 Absatz 1 SGB VIII. Die Durchführung der Aufgaben ist nicht mit der Trägerschaft über eine Kindertagesstätte gleichzusetzen, vielmehr umfasst sie die Verpflichtung, geeignete und bedarfsgerechte Betreuungsplätze zu vermitteln und nachzuweisen. Dabei kann es sich auch um Betreuungsplätze in Einrichtungen freier Träger handeln. Landtag Brandenburg Drucksache 6/8360 - 2 - Frage 2: Ist das „Finden“ eines freien Trägers ein Geschäft der laufenden Verwaltung? zu Frage 2: Das „Finden“ eines freien Trägers ist keine gesetzlich normierte Pflicht der Gemeinde oder des örtlichen Jugendhilfeträgers. Dieser hat nach § 12 Absatz 1 Satz 1 KitaG die Aufgabe, die Kindertagesbetreuung nach § 1 KitaG zu gewährleisten und nach § 12 Absatz 3 KitaG die Pflicht, im Benehmen mit den Trägern der freien Jugendhilfe und den Gemeinden einen Bedarfsplan für die Kindertagesbetreuung auf- und rechtzeitig fortzuschreiben . Der Bedarfsplan weist die Einrichtungen aus, die zur Erfüllung des Rechtsanspruchs gemäß § 1 KitaG als erforderlich erachtet werden. Die Aufstellung des Bedarfsplans nach § 12 Absatz 3 KitaG gehört zur Jugendhilfeplanung gemäß § 80 SGB VIII, wobei der Träger der öffentlichen Jugendhilfe gemäß § 79 Absatz 2 Nr. 1 SGB VIII zu gewährleisten hat, dass die erforderlichen und geeigneten Einrichtungen rechtzeitig und ausreichend zur Verfügung stehen. Gemäß § 80 Absatz 1 Nr. 3 SGB VIII hat er Vorsorge zu treffen, dass auch ein unvorhergesehener Bedarf befriedigt werden kann. Frage 3 a: Nach welchen Vorschriften des Vergaberechts sind freie Träger für Kitas zu bestimmen ? zu Frage 3 a: Die Vorschriften des Vergaberechts sind nicht anwendbar, soweit bei dem Betrieb von Kindertagesstätten zwischen dem freien Träger und dem örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe kein entgeltlicher Vertrag zur Erbringung einer Dienstleistung geschlossen werden soll und somit kein öffentlicher Auftrag im Sinne der §§ 97 ff. Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) vorliegt. Beim jugendhilferechtlichen Dreiecksverhältnis zwischen örtlichem Träger der öffentlichen Jugendhilfe, freiem Träger der Einrichtung und den Leistungsberechtigten ist der Leistungsberechtigte der Auftraggeber und nicht der örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe. Bei der wettbewerblichen Einordnung ist zwischen dem klassischen Dienstleistungsvertrag, bei dem der öffentliche Jugendhilfeträger ein festgelegtes Entgelt für die Leistung des freien Trägers erbringt, und der Dienstleistungskonzession zu unterscheiden. Bei letzterem wird als Gegenleistung kein vertraglich festgelegtes Entgelt vereinbart; stattdessen besteht das Recht, die zu erbringende Eigenleistung zu nutzen oder dafür ein Entgelt zu verlangen. Es kommt für die Beurteilung der Anwendbarkeit des Vergaberechts somit maßgeblich auf den konkreten Einzelfall an. Vorliegend wird in der Regel weder ein entgeltlicher Dienstleistungsvertrag noch eine Dienstleistungskonzession zwischen dem freien Träger und dem öffentlichen Jugendhilfeträger geschlossen. Vielmehr wird die Finanzierung eines freien Trägers, der eine Erlaubnis zum Betrieb einer Kindertagesstätte nach § 45 SGB VIII besitzt, in § 16 Kita G geregelt. Hinsichtlich der Anwendbarkeit des Vergaberechts ist zudem fraglich, ob es sich bei Leistungen auf dem Gebiet des SGB VIII um Marktleistungen im Sinne des Wettbewerbsrechts handelt, weil öffentlicher Träger und freier Träger eine gemeinsame Aufgabe bewältigen und gerade nicht im Wettbewerb miteinander stehen. Frage 3 b: D.h. müssen hierzu öffentliche Bekanntmachungen und Ausschreibungen erstellt werden und landesweit publiziert werden? zu Frage 3 b: Öffentliche Bekanntmachungen und Ausschreibungen sind im Falle der Nichtanwendbarkeit des Vergaberechts nicht notwendig. Landtag Brandenburg Drucksache 6/8360 - 3 - Frage 3 c: Wie verhält es sich, wenn an den zukünftigen Freien Träger ein noch von der Gemeinde zu erwerbendes Grundstück in Erbbaupacht verbunden mit der Verpflichtung zur Errichtung und den Betrieb der Einrichtung vergeben wird? zu Frage 3 c: Das Zur-Verfügung-Stellen eines Grundstücks in Erbbaupacht durch die Gemeinde, verbunden mit der Verpflichtung zur Errichtung und zum Betrieb einer Kindertagesstätte , kann als Zuschuss nach § 16 Absatz 3 Satz 1 KitaG gewertet werden. Danach stellt die Gemeinde dem Träger einer gemäß § 12 Absatz 3 Satz 2 KitaG erforderlichen Kindertagesstätte das Grundstück einschließlich der Gebäude zur Verfügung und trägt die bei sparsamer Betriebsführung notwendigen Bewirtschaftungs- und Erhaltungskosten für Gebäude und Grundstücke. Frage 3 d: Darf Grundstückserwerb, die Vergabe dieses Grundstücks in Erbbaupacht verbunden mit der Verpflichtung zur Errichtung einer KITA und die Vergabe der Betreiberrechte an einen Freien Träger als Paket beschlussmäßig behandelt werden? zu Frage 3 d: Die Gemeinde ist auf der Grundlage ihrer kommunalen Selbstbestimmung berechtigt, Kindertagesstätten zu betreiben. Sie kann dieses Recht jedoch nicht einem freien Träger übertragen. Eine Übertragung von „Betreiberrechten“ einer Gemeinde auf einen freien Träger kommt nicht in Betracht. Vielmehr ist der freie Träger aus eigenem Recht aufgrund von Artikel 2 und Artikel 12 des Grundgesetzes berechtigt, die Trägerschaft einer Einrichtung zu übernehmen. In beiden Fällen bedarf es einer Betriebserlaubnis nach § 45 SGB VIII, die nicht von einem Träger auf einen anderen übertragen werden kann. Vielmehr bedarf es im Falle eines Trägerwechsels einer neuen Betriebserlaubnis. Vor diesem Hintergrund bestehen keine Bedenken gegen einen Beschluss einer Gemeindevertretung über den Erwerb eines Grundstücks und die Vergabe dieses Grundstücks in Erbbaupacht an einen freien Träger, verbunden mit der Verpflichtung zur Errichtung und zum Betrieb einer Kindertagesstätte. Frage 4: Wie sind solche Beschlüsse der Gemeindevertretung zu Freien Trägern bzw. in Kombination mit einem Grundstückserwerb und Grundstücksvergabe, Vergabe der Betreiberrechte usw. wie unter Frage 3d benannt in ihrer Wirksamkeit rechtlich zu bewerten, falls Vergabevorschriften nicht eingehalten wurden? zu Frage 4: Da das Vergaberecht in der Regel nicht zur Anwendung kommt, bestehen hinsichtlich der Wirksamkeit eines solchen Beschlusses keine Bedenken. Zur Beurteilung der Wirksamkeit eines entsprechenden Gemeindevertretungsbeschlusses kommt es auf die individuelle vertragliche Gestaltung an.