Landtag Brandenburg Drucksache 6/8481 6. Wahlperiode Eingegangen: 26.03.2018 / Ausgegeben: 03.04.2018 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 3349 des Abgeordneten Christoph Schulze (fraktionslos) Drucksache 6/8195 Ärztemangel versus fehlende Studienmöglichkeiten im Land Brandenburg Namens der Landesregierung beantwortet die Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung des Fragestellers: Ärztemangel im Land Brandenburg ist weder ein Geheimnis noch ein plötzliches Ereignis, sondern das Ergebnis jahrzehntelanger Ignoranz der Problematik der medizinischen Versorgung im Land Brandenburg. Schon jetzt sind viele Regionen von einer deutlichen Unterversorgung bedroht. In Brandenburg besteht die schlechteste Ärzte-Patienten-Relation von allen Bundesländern. Der Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen stellte Ende 2016 fest, dass in absehbarer Zeit in 46 märkischen Regionen eine medizinische Unterversorgung eintreten könnte. Insbesondere im Hinblick auf die bessere Bevölkerungsentwicklung durch eine erhöhte Geburtenzahl im Land wird die Wahrscheinlichkeit wohl eher eintreten. Zahllose über 60jährige Mediziner in Niederlassungen, wie in Krankenhäusern haben keine Nachfolger. Der größte Mangel besteht im Bereich der Allgemeinmedizin. Die Problematik der Altersentwicklung bei niedergelassenen Ärzten ist kein plötzliches Ereignis ; sondern die Tatsache ist seit mehr als zehn Jahren bekannt. Bereits 2004/05 wurde über die prognostische Entwicklung der Niederlassungen und Arztdichte intensiv diskutiert. Seitdem sind über 12 Jahre vergangen. Brandenburg hat sich in den vergangenen 25 Jahren aktiv gegen den Aufbau einer eigenen Medizinischen Fakultät an einer der Hochschulen oder Universitäten gewehrt. Bereits seit 1998 gab es Initiativen zum Aufbau einer Medizinischen Fakultät, erst in Cottbus, später in Neuruppin und in Brandenburg. Dem Fragesteller sind die intensiven Bemühungen zur Bildung einer Medizinischen Fakultät im Land Brandenburg persönlich bekannt und dem Fragesteller ist auch bekannt, mit welchen Maßnahmen sich das Land politisch dagegen positioniert hat. Gegen alle politische Festlegung wurde dann aber durch Initiativen von gemeinnützigen Trägern die MHB in Neuruppin und Brandenburg gegründet. Außer dem Stadtstaat Bremen, der nur 557 000 Einwohner hat, haben alle Bundesländer, selbst das kleine Saarland mit nur 996 000 Einwohnern, eine Medizinische Fakultät. D. h. kein Bundesland überlässt es dem Zufall, wie sich die Arztausbildung und die Ärzteversorgung im Land gestaltet. Nur Im Land Brandenburg hat man seit 1998 keine Anstalten unternommen , sondern sich allein auf die Vereinbarung mit dem Land Berlin und der Charité verlassen. Nunmehr muss man feststellen, dass die Vereinbarung nichts bewirkt. Schon einfach deswegen, weil weder das Land Berlin noch die Charité zu entscheiden haben, wo Absolventen sich später niederlassen. Am 28. Oktober 2014 wurde dann endlich die Medizinische Hochschule Brandenburg „Theodor Fontane“ (MBH) offiziell gegründet. Landtag Brandenburg Drucksache 6/8481 - 2 - Neben den Träger-Kliniken Ruppiner Kliniken GmbH mit 33 %, dem Städtischen Klinikum Brandenburg mit 33 % und der Immanuel-Diakonie mit 11 % beteiligt sich die Sparkasse Ostprignitz-Ruppin mit 11 % und die Stadtwerke Ruppin mit 11 % an der Trägergesellschaft der MHB. Es ist nicht bekannt, dass die Landesregierung Brandenburg die MHB institutionell so unterstützt, wie das alle anderen Bundesländer mit ihren Universitäten tun. Aus diesem Grunde frage ich die Landesregierung: Vorbemerkung der Landesregierung: Der Fragesteller leitet seine Fragen mit einer ausführlichen Bewertung der Entwicklung der Anzahl der Ärztinnen und Ärzte im Land Brandenburg ein, die sich nicht mit der Bewertung der Landesregierung deckt. Im Einzelnen wird die Entwicklung in den zurückliegenden 12 Jahren und konkret das Jahr 2004 in Bezug genommen. Ärztekammer, Kassenärztliche Vereinigung, Krankenhäuser, Krankenkassen und die Landesregierung haben seitdem ein ganzes Bündel von Maßnahmen ergriffen , um einem drohenden Ärztemangel zu begegnen. Es trifft zu, dass angesichts der Altersstruktur der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte nicht nachgelassen werden darf, passgenaue Instrumente zu entwickeln, um für junge Ärztinnen und Ärzte insbesondere im ländlichen Raum attraktive Arbeits- und Lebensbedingungen zu erhalten und zu entwickeln . Die demografische Entwicklung und eine bereits zur Wendezeit vergleichsweise niedrige Arztdichte in Brandenburg (1991: 222 je 100.000 Einwohner; 2017: 251 je 100.000 Einwohner) sind der Rahmen, in dem sich die Bemühungen aller Akteure im brandenburgischen Gesundheitswesen bewegen. Richtig ist, dass ausweislich der von der Landesärztekammer Brandenburg jährlich veröffentlichten Statistik die Zahl der berufstätigen Ärztinnen und Ärzte seit 2004 um 21,6 % gestiegen ist. Während zum 31.12.2004 im Land Brandenburg 7.787 Ärztinnen und Ärzte ihren Beruf ausübten, stieg deren Anzahl bis zum 31.12.2017 um 2.142 auf derzeit 9.929. Im selben Zeitraum sind in allen Regionen des Landes Medizinische Versorgungszentren (MVZ) entstanden, ein von der brandenburgischen Landesregierung durch die Rettung ehemaliger Polikliniken entwickeltes und inzwischen bundesweit etabliertes „Produkt“. Ihre Zahl hat sich allein in Brandenburg von 32 im Jahre 2004 auf 92 bis Ende 2016 erhöht – bei steigender Tendenz. Die Zahl der in den MVZ tätigen Ärztinnen und Ärzte stieg in dieser Zeit von 146 auf 661. Zur Unterstützung und Entlastung insbesondere niedergelassener Allgemeinmedizinerinnen und Allgemeinmediziner sind inzwischen über 140 ausgebildete Praxisassistentinnen und -assistenten im Land unterwegs - ebenfalls ein in Brandenburg erprobtes und inzwischen bundesweit ermöglichtes Angebot. Kreativität, der Mut, neue Wege zu beschreiten und ein konzertiertes Vorgehen aller von Gesetzes wegen in unserem weitestgehend selbstverwalteten Gesundheitswesen Beteiligten haben diese Ergebnisse hervorgebracht. Das Land Brandenburg ist bei dem Aufbau der Hochschullandschaft in den 90er Jahren den Empfehlungen des Wissenschaftsrats vom 27. September 1991 gefolgt und hat mit Blick auf die Nähe zur Charité sowie zu Universitätsklinika in den benachbarten Ländern Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Sachsen auf eine eigene staatliche Medizinerausbildung verzichtet, getragen von der Vorstellung, dass die Charité und die Universitätsklinika in den genannten Bundesländern auch für das Land Brandenburg Mediziner und Zahnmediziner ausbilden werden. Der Wissenschaftsrat hat hierzu Folgendes empfohlen : „Das Land Brandenburg (…) verfügt wie das Land Bremen über kein eigenes Universitätsklinikum . Diesbezügliche Aufgaben nahm bisher vorwiegend die Charité wahr, die gut ein Drittel ihrer Patienten aus Brandenburg bezog. Auch in Zukunft wird sich aufgrund Landtag Brandenburg Drucksache 6/8481 - 3 - der zentralen Lage von Berlin im Land Brandenburg an der hochschulmedizinischen Bedeutung Berlins für Brandenburg kaum etwas ändern. Im Hinblick auf die zusätzliche Nähe der Universitätsklinika in den benachbarten Ländern Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen- Anhalt und Sachsen, die insgesamt ausreichende Zahl von Studienplätzen der Medizin in Deutschland, die vergleichsweise hohe Zahl der Universitätsklinika im östlichen Teil Deutschlands sowie die erheblichen Kosten für Investitionen und den laufenden Zuschußbedarf von Universitätsklinika empfiehlt der Wissenschaftsrat dem Land Brandenburg, keine eigene Ausbildungsstätte der Medizin einzurichten.1“ Die Problematik, dass sich junge - in großen Metropolen ausgebildete - Mediziner nicht in einem Umfang in ländlichen Regionen niederlassen, wie es den Bedarfen entspräche, hat sich in den darauffolgenden Jahren zugespitzt. Unabhängig davon ist zu konstatieren, dass die Gründung einer medizinischen Fakultät an einer der staatlichen Hochschulen des Landes Brandenburg – hierfür wären nach der Approbationsordnung für Ärzte nur die Universitäten in Betracht gekommen - keine zufriedenstellende Lösung für Versorgungsprobleme geboten hätte. Denn es wird nicht verallgemeinernd von einem Ärztemangel in Deutschland ausgegangen. Vielmehr wird insbesondere in Ballungsgebieten eine erhebliche ärztliche Überversorgung konstatiert. Ursächlich für die Versorgungsproblematik sind namentlich Verteilungsprobleme zwischen ländlichen Regionen und Ballungszentren. Immer weniger Ärzte sind bereit, sich in ländlichen Gebieten niederzulassen. Für die Lösung dieses Problems ist ein Zusammenwirken aller Akteure erforderlich, also insbesondere der Gesundheitsseite, der Wirtschaftsseite sowie der für die infrastrukturelle Entwicklung der ländlichen Regionen Verantwortlichen. Die Errichtung einer zusätzlichen medizinischen Fakultät in der Hauptstadtregion Berlin- Brandenburg, also zum Beispiel in Potsdam, aber auch in anderen Ballungszentren, hätte zwar die Zahl ausgebildeter Mediziner erhöhen können, jedoch die vorbeschriebene Verteilungsproblematik unberührt gelassen. Mit der staatlichen Anerkennung der Medizinischen Hochschule Brandenburg Theodor Fontane (MHB) mit Sitz in Neuruppin und Brandenburg an der Havel hat das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg einen wesentlichen Schritt genommen, dem beschriebenen Verteilungsproblem entgegenzuwirken. Denn die MHB versteht sich als Non-Metropol-Hochschule. Sie bildet künftige Humanmediziner direkt vor Ort auf dem Lande aus. Die Landesregierung hegt daher die berechtigte Erwartung , dass die MHB einen Beitrag zur Behebung des Ärztemangels leisten wird und ist bestrebt, sie unter Berücksichtigung der Maßgaben des Landtags im Rahmen des rechtlich und tatsächlichen Möglichen in ihrer Entwicklung zu unterstützen. 1. Mit wie vielen Finanzmitteln hat das Land Brandenburg die MHB vor der offiziellen Gründung am 28.10.2014 unterstützt? Zu Frage 1: Nichtstaatliche Hochschulen bedürfen nach § 83 des Hochschulgesetzes des Landes Brandenburg (BbgHG) der staatlichen Anerkennung. Die staatliche Anerkennung der Medizinischen Hochschule Brandenburg Theodor Fontane (MHB) erfolgte am 8. Juli 2014. Die Verfahrensbestimmungen des BbgHG sowie die Praxis der Landesregierung sehen keine finanzielle Unterstützung des Errichtungsprozesses nichtstaatlicher Hochschulen vor. Entsprechend wurde die Initiative zur Gründung einer nichtstaatlichen medizinischen Fakultät von der Landesregierung ebenfalls nicht finanziell unterstützt. Allerdings 1 Vgl. Wissenschaftsrat, Empfehlungen zur Hochschulmedizin in den neuen Ländern und in Berlin vom 27. September 1991, Drs. 406/91, unter B I. 3. auf S. 88,89 Landtag Brandenburg Drucksache 6/8481 - 4 - fanden im Rahmen des Gründungsprozesses in den Jahren 2011 bis 2014 zahlreiche Beratungsgespräche im Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Brandenburg statt, in denen die Initiatoren der MHB eingehende, fachliche Unterstützung erhalten haben. Anders als zahlreiche andere Bundesländer erhebt das Land Brandenburg für die staatliche Anerkennung nichtstaatlicher Hochschulen keine Gebühren. 2. Mit welchen finanziellen Mitteln hat die Landesregierung die MHB 2014 unterstützt? 3. Mit welchen Mitteln hat die Landesregierung die MHB im Jahre 2015 unterstützt? 4. Mit welchen Mitteln hat die Landesregierung die MHB im Jahre 2016 unterstützt? 5. Mit welchen Mitteln hat die Landesregierung die MHB im Jahre 2017 unterstützt? Zu den Fragen 2 bis 5: Nach § 83 Absatz 1 Satz 3 BbgHG begründet die staatliche Anerkennung nichtstaatlicher Hochschulen keinen Anspruch auf staatliche Zuschüsse. Entsprechend erhält die MHB – wie die anderen staatlich anerkannten Hochschulen im Land Brandenburg - keine Landesmittel, mit denen sie institutionell gefördert wird. 6. Gedenkt die Landesregierung die MHB in Zukunft besser institutionell zu unterstützen, wie das andere Bundesländer mit ihren Universitäten auch tun? Zu Frage 6: Die Fragestellung geht von einer unzutreffenden Annahme aus. Die MHB ist keine Landeshochschule. Die staatlichen Hochschulen sind in § 2 Abs. 1 BbgHG abschließend geregelt. Sie unterliegen der staatlichen Finanzierung gem. § 6 BbgHG. § 6 Abs. 1 Satz 3 BbgHG nimmt die nichtstaatlichen Hochschulen davon aus. Auch die anderen Bundesländer unterscheiden zwischen dem staatlichen und dem nichtstaatlichen Hochschulsektor. Die Mehrzahl der nichtstaatlichen Hochschulen erhält keine finanziellen Zuschüsse seitens der Länder. Im Rahmen des Gesundheitscampus wird der Aufbau eines Forschungsschwerpunkts an der MHB durch eine Vielzahl entstehender Synergien mit weiteren Universitäten und außeruniversitären Forschungseinrichtungen unterstützt. Der Landtag hat in seinem Beschluss vom 9. November 2016 (Drs. 6/5408-B) betont, dass im Rahmen des Gesundheitscampus staatliche Mittel direkt grundsätzlich nur an staatliche Einrichtungen gegeben werden dürfen. 7. Sollen dazu im Haushalt 2019/20 Mittel etatisiert werden, wenn ja, in welcher Höhe und in welchem Haushaltstitel? Zu Frage 7: Siehe Antwort zu Frage 6. 8. Wenn die Landesregierung nicht beabsichtigt, die MHB so zu unterstützen, wie andere Bundesländer, dann möchte die Landesregierung doch bitte erklären, warum das nicht notwendig ist. Zu Frage 8: Auf die Antwort zu Frage 6 wird zunächst verwiesen. Die Frage geht von einer unzutreffenden Annahme aus. Weder wird die MHB durch andere Bundesländer unterstützt , noch fördern andere Bundesländer in aller Regel die nichtstaatlichen Hochschulen in ihrem Zuständigkeitsbereich in relevantem Umfang. Die Landesregierung teilt jedoch die Auffassung, dass eine positive Entwicklung der MHB im Interesse der ärztlichen Versor- Landtag Brandenburg Drucksache 6/8481 - 5 - gung insbesondere im ländlichem Raum und daher im besonderen Landesinteresse liegt. Die Landesregierung unterstützt deshalb den Aufbau eines Gesundheitscampus Brandenburg , dessen Kernelement eine gemeinsame gesundheitswissenschaftliche Fakultät der Universität Potsdam und der BTU Cottbus-Senftenberg mit der Medizinischen Hochschule Brandenburg Theodor Fontane sein soll. Der Gesundheitscampus verfolgt die Zielstellung, die medizinische Versorgung für das Flächenland Brandenburg langfristig zu sichern. Die Landesregierung macht aber nochmals darauf aufmerksam, dass der Landtag selbst in seinem Beschluss vom 9. November 2016 „Gesundes Brandenburg – Forschung, Versorgung , Pflege und Prävention“ seine Erwartung betont, dass im Rahmen des Gesundheitscampus staatliche Finanzmittel direkt grundsätzlich nur an staatliche Einrichtungen gegeben werden dürfen. Die MHB ist jedoch keine staatliche Einrichtung. 9. Zahlt das Land Brandenburg an das Land Berlin oder die Charité Beiträge für die medizinische Hochschulausbildung? Wenn ja, seit wann und in welcher Höhe? Zu Frage 9: Nein, das Land Brandenburg zahlt an das Land Berlin und die Charité keine Beiträge für den dort angebotenen Studiengang Humanmedizin. Nach der Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern gemäß Artikel 91 b Abs. 1 Nr. 2 des Grundgesetzes über den Hochschulpakt 2020 (zweite Programmphase) erhielten die Länder Brandenburg , Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen als Sonderfinanzierung des Bundes eine Pauschale in Höhe von zusammen 5 vom Hundert der für den Aufwuchs veranschlagten Bundesmittel für die zweite Programmphase. Dort hieß es: „Aufgrund seiner überproportional in der Medizinausbildung vorgehaltenen Studienplätze partizipiert das Land Berlin an der Pauschale für die neuen Länder und erhält aus diesem Betrag insgesamt 10 Mio. Euro. Damit vermindert sich der auf die Länder Brandenburg , Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen entfallende Betrag um jeweils 2 Mio. Euro“.