Landtag Brandenburg Drucksache 6/8549 6. Wahlperiode Eingegangen: 10.04.2018 / Ausgegeben: 16.04.2018 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 3365 des Abgeordneten Benjamin Raschke (Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Drucksache 6/8236 Ist das noch Bio? – Eier aus überdimensionierten Bio-Legehennenanlagen in Brandenburg Namens der Landesregierung beantwortet der Minister für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung des Fragestellers: Die EU-Verordnung über die ökologische Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen Erzeugnissen (Verordnung (EG) Nr. 889/2008) regelt im Artikel 12e, dass maximal 3.000 Bio-Legehennen in einem Stall untergebracht werden dürfen, um die Eier als Bio-Eier vermarkten zu dürfen. In Brandenburg sind jedoch eine Vielzahl von Öko-Legehennenhaltungen anzutreffen, bei denen in einem Stallgebäude erheblich höhere Tierzahlen erkennbar sind. Erklärungsbedürftig ist, unter Einhaltung welcher Kriterien mehr als 3.000 Legehennen in einem Gebäude gehalten werden dürfen, um trotzdem als verordnungs-konformes Bio-Ei vermarktet werden zu dürfen. Definition Frage 1: In der Antwort auf die Große Anfrage zur Geflügelhaltung in Brandenburg (Drucksache 6/2602) schreibt die Landesregierung, dass der Begriff Stall durch ein Schreiben der EU vom 23.04.2014 geklärt wurde. In der Antwort auf die Mündliche Anfrage 1148 (Drucksache 6/8036) erwähnte der Minister ein weiteres Schreiben der EU aus dem Jahr 2015. Wie hat die EU-Kommission den Begriff Stall im Einzelnen definiert (bitte beide Schreiben hierzu beifügen) und bestehen Ausnahmemöglichkeiten, um mehr als 3.000 Legehennen in einem Gebäude halten zu dürfen? Wenn ja, in welcher Form und auf welcher rechtlichen Grundlage? Frage 2: In welcher Form müssen derzeit nach der EU-Ökoverordnung bauliche Abgrenzungen erfolgen, um mehrere Ställe mit jeweils 3.000 Bio-Legehennen unter einem Dach unterbringen zu dürfen? Wie unterscheidet die Europäische Kommission zwischen Ställen und Stallabteilen? zu Frage 1 und 2: Beide Schreiben sind nicht an die Landesregierung gerichtet. Das Schreiben vom 23. Mai 2014 ist direkt an eine Privatperson gerichtet. Hierin bemerkt die Kommission „Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass nach den Rechtsvorschriften die Unterbringung von mehr als einem Geflügelstall in einem Gebäude nicht verboten ist und auch nicht festgelegt ist, was innerhalb eines Gebäudes als geeignete Trennung zwischen Landtag Brandenburg Drucksache 6/8549 - 2 - diesen Ställen anzusehen ist, wenn ein solches Gebäude mehr als einen Stall beherbergt .“. Weitere Vorgaben bestehen in der EU-Ökoverordnung (EU-ÖkoVO) nicht. Das zweite Schreiben ist an die Bundesregierung gerichtet, in dem die Verfahrenseinstellung zum EU-Pilotverfahren „Angebliche Nichteinhaltung der EU-Vorschriften für die ökologische /biologische Produktion im Bereich der spezifischen Unterbringungsvorschriften für Geflügel“ bekannt gegeben wurde. In dem Verfahren ist die Kommission u. a. auf die Auslegung in ihrem Schreiben vom 23. Mai 2014 hingewiesen worden. Frage 3: Wie bewertet die Landesregierung diese Regelungen und welche Änderungen würde sie ggf. befürworten? zu Frage 3: An die Vorgaben der EU sind die Mitgliedsstaaten gebunden. Frage 4: Welche baulichen Vorgaben sind bei den einzelnen Bioanbauverbänden bei Haltung von mehr als 3.000 Legehennen in einem Gebäude einzuhalten? zu Frage 4: Die Landesregierung bewertet nicht die Einzelvorgaben von Anbauverbänden des ökologischen Anbaus. Legehennenanlagen in Brandenburg Frage 5: In wie vielen Bio-Legehennenanlagen in Brandenburg werden mehr als 3.000 Legehennen in einem Stallgebäude gehalten? Wie viele dieser Anlagen haben jedoch nur eine Stallkennnummer? zu Frage 5: In Brandenburg sind 28 Anlagen, in denen sich mehr als ein Stall bzw. Stallabteil befinden. Jede dieser Tierproduktionseinheiten besitzt eine Packstellennummer. Frage 6: Wie erfolgt die Vergabe der Stallkennnummer für jeweils einen einzelnen Stall mit 3.000 Tierplätzen? zu Frage 6: Die Vergabe der Kennnummern erfolgt nach dem Legehennenbetriebsregistergesetz (LegRegG). Grundlage ist ein Registrierungsantrag nach § 3 des LegRegG vom 12.09.2003 für das beantragte Haltungssystem: Ökologische Erzeugung. Dieser Antrag enthält unter anderem Angaben über die Betriebsstätte, wie Adresse, Betriebsnummer (nach EU-ÖkoVO), maximale Anzahl der Legehennen. Nach Vorlage des Nachweises der erfolgten Biozertifizierung nach EU-Öko-VO vergibt die zuständige Behörde für das Legehennenbetriebsregister (Landesamt für Ländliche Entwicklung, Landwirtschaft und Flurneuordnung) die Kennnummer. Frage 7: In wie vielen Anlagen mit mehr als 3.000 Bio-Legehennen handelt es sich um eigenständige Ställe mit jeweils maximal 3.000 Legehennen unter einem Dach? In wie vielen Fällen sind die Versorgungs- und Entsorgungseinrichtungen nicht komplett getrennt ? Gibt es hier Unterschiede zwischen Betrieben, die Mitglied/nicht Mitglied in einem Ökoanbauverband sind? Landtag Brandenburg Drucksache 6/8549 - 3 - zu Frage 7: In Brandenburg befinden sich zwei Betriebe mit mehr als 3.000 Biolegehennen , welche eigenständige Ställe mit jeweils unter 3000 Legehennen unter einem Dach halten. Die Gestaltung der Entsorgungs- und Versorgungseinrichtungen obliegt den Unternehmen . Der Landesregierung liegen hierzu keine Angaben vor. Frage 8: Welches sind in Brandenburg die drei größten Bio-Legehennenanlagen? Wie viele Tiere werden hier jeweils in wie vielen a) Gebäuden b) Ställen gehalten? zu Frage 8: Die drei größten Bio-Legehennenanlagen haben jeweils 2 Stallgebäude mit jeweils 6 bzw. 7 Stallabteilen. Hier werden 39.000, 38.981 und 38.882 Legehennen gehalten . Kontrollen Frage 9: Wer prüft die Einhaltung der Vorgaben der EU-Ökoverordnung im Planungs- und Bewilligungsverfahren von neuen Legehennenanlagen? Frage 10: Wer kontrolliert in welchem Umfang die Einhaltung der EU-Öko-Verordnung und die Umsetzung der baulichen Voraussetzungen für die Haltung von Bio-Legehennen in der Bau- und Endabnahmephase? zu Frage 9 und 10: Beabsichtigt das Unternehmen eine Vermarktung seiner zukünftigen Produkte nach EU-ÖkoVO, müssen eigenverantwortlich die baulichen Voraussetzungen in der Planung mit berücksichtigt werden. Nach Fertigstellung und bei Betrieb der Anlage prüft eine staatlich zugelassene private Öko-Kontrollstelle die Konformität nach EU- ÖkoVO. Frage 11: Wie viele Bio-Legehennenanlagen wurden die vergangenen fünf Jahre mit jeweils welchem Ergebnis kontrolliert? Was waren die jeweiligen Konsequenzen bei Nichteinhaltung der EU-Verordnung in Bezug auf die Anzahl der Tiere in einem Stall und die fehlenden baulichen Voraussetzungen zur Unterbringung von mehreren Ställen unter einem Dach (bitte auflisten)? Frage 18: In wie vielen und welchen Fällen wurden Missstände festgestellt? Wurde diese abgestellt? Wenn nein, was für Konsequenzen ergeben sich hieraus? zu Frage 11 und 18: Es wird davon ausgegangen, dass unter „Missstände“ allgemein Abweichungen gegenüber der EU-ÖkoVO verstanden werden. Jeder Bio-Betrieb wird mindestens ein Mal im Jahr kontrolliert. Jede Abweichung von den Vorschriften der EU-ÖkoVO wird sanktioniert und deren Abstellung von einer Öko- Kontrollstelle überwacht. Die Höhe der Sanktion hängt von der festgestellten Abweichung ab. Eine statistische Erhebung zu den einzelnen Abweichungen erfolgt nicht. Die betreffenden Betriebe verfügen alle aktuell über eine Bescheinigung gemäß Art. 29 der EU-ÖkoVO. Landtag Brandenburg Drucksache 6/8549 - 4 - Frage 12: Gibt es eine Obergrenze, wie viele Ställe mit jeweils 3.000 Bio-Legehennen in einem Stallgebäude untergebracht werden dürften? Wenn ja, welche Rechtsgrundlage ist hier maßgeblich? zu Frage 12: Nein, es besteht keine Obergrenze. Frage 13: Wie bewertet die Landesregierung die Unterbringung von mehreren Ställen in einem Gebäude mit entsprechendem Auslauf im Hinblick auf Hygiene, Tiergesundheit und Ansteckungsgefahr der Tiere? Mit welchen Maßnahmen wird hier Vorsorge getroffen? zu Frage 13: Vorsorgemaßnahmen zur Gesunderhaltung der Tiere sowie die Durchführung von Hygienemaßnahmen zur Vorbeugung und Verhinderung der Verschleppung und Verbreitung von Tierseuchen liegen nach § 3 des Tiergesundheitsgesetzes grundsätzlich in der Verantwortung des Tierhalters. Besondere Hygieneanforderungen für gewerbsmäßige Geflügelhaltungen ergeben sich aus den Vor-schriften der Geflügel-Salmonellen-Verordnung. Die in der Geflügel- Salmonellen-Verordnung aufgeführten Hygieneanforderungen gelten unabhängig von der Größe des Tierbestandes für alle gewerbsmäßigen Geflügelhaltungen, die dem Geltungsbereich genannter Verordnung unterfallen. Dabei hängen die Aufrechterhaltung der Tiergesundheit und die Verhinderung der Einschleppung und Verbreitung von Tierkrankheiten maßgeblich von der strikten Einhaltung der geforderten Hygienemaßnahmen durch den Tierhalter und nicht von der Größe des Tierbestandes ab. Im Falle des Auftretens anzeige- und bekämpfungspflichtiger Tierseuchen, wie z. B. Salmonellen , in einem Tierbestand, der in mehreren Ställen in einem Gebäude mit Auslauf gehalten wird, ist durch die Veterinärbehörde im Einzelfall zu prüfen, ob dieser Tierbestand wegen bestehender Übertragungsmöglichkeiten als epidemiologische Einheit zu betrachten ist. Die tierseuchenrechtlichen Maßnahmen zur Bekämpfung eines Tierseuchenausbruchs werden in jedem Fall auf den Tierbestand als epidemiologische Einheit angewandt. Frage 14: Wie beurteilen Sie die derzeitige Praxis, dass mehr als 3.000 Bio-Legehennen in Gebäuden untergebracht werden, im Hinblick auf die Umweltauswirkungen insbesondere auf die Schutzgüter Luft, Boden und Wasser? zu Frage 14: Im Hinblick auf die Bewertung der Umweltauswirkungen einer Anlage ist nur die Gesamtzahl der beantragten Tierplätze von Bedeutung und nicht die Unterteilung innerhalb von Gebäuden. Die Unterteilung von Gebäuden in mehrere Ställe ist daher unter Umweltgesichtspunkten nicht zu beanstanden. Frage 15: Wie werden mehrere Ställe und Stallgebäude in unmittelbarer Nähe beim Immissionsschutzverfahren behandelt (Stichwort: Kumulationsprinzip)? zu Frage 15: Sofern es sich um gemeinsame Anlagen i. S. v. § 1 Abs. 3 der Vierten Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen - 4. BImSchV) handelt, wird ein immissionsschutzrechtliches Genehmigungsverfahren für die Gesamtanlage durchgeführt. Sofern sich die Einwirkungsbereiche benachbarter Anlagen, die keine gemeinsame Anlage bilden, überschneiden , ist ggf. eine gemeinsame Betrachtung im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung bzw. Vorprüfung vorzunehmen. Landtag Brandenburg Drucksache 6/8549 - 5 - Frage 16: Welche baulichen Maßnahmen müssen bei der Auslaufplanung berücksichtigt werden, wenn mehr als ein Bio-Legehennenstall in einem Gebäude untergebracht werden soll? zu Frage 16: Die Abgrenzungen zwischen den Ausläufen müssen ein Wechseln der Tiere verhindern. Frage 17: Durch wen und wie oft wird kontrolliert, a) in welchem Umfang die Ausläufe von den Bio-Legehennen tatsächlich genutzt und die vorgeschriebenen 4 m2/Huhn Auslauffläche eingehalten werden, und b) die Auslaufflächen nach der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung so gestaltet sind, dass sie gleichmäßig durch die Legehennen genutzt werden können? zu Frage 17: Zu a) Die Ausläufe werden vermessen im Rahmen des Kontrollverfahren gemäß Verordnung über die Zulassung von Kontrollstellen nach dem Öko-Landbaugesetz (ÖLG- Kontrollstellen-Zulassungsverordnung - ÖLGKontrollStZulV) durch die Öko-Kontrollstellen . Die Öko-Kontrollstellen prüfen anhand von Auslaufjournalen und Vorortkontrollen das zur Verfügung stellen der Ausläufe. zu b) Die Ausläufe werden risikoorientiert von den Öko-Kontrollstellen überwacht. Förderung Frage 19: Ist die Landesregierung bereit, die Investitionsförderung wie in Mecklenburg- Vorpommern und Niedersachsen auf Stallgebäude mit maximal 6.000 Tierplätzen zu beschränken ? zu Frage 19: Im Rahmen der Umsetzung des Tierschutzplanes wird geprüft, inwieweit die Förder-Richtlinie geändert werden sollte. Frage 20: Welche Regelungen gelten aktuell in Brandenburg? zu Frage 20: Aktuell gilt die Richtlinie des MLUL über die Gewährung von Zuwendungen für einzelbetriebliche Investitionen in landwirtschaftlichen Unternehmen im Land Brandenburg und Berlin vom 13. April 2016, geändert durch Erlass vom 16. Januar 2017. Demnach kann für die Erfüllung besonderer Anforderungen an eine tiergerechte Geflügelhaltung die sogenannte „Premiumförderung“ gewährt werden. Zu den besonderen Anforderungen an die Freilandhaltung von Legehennen gehören ausreichende Schutzeinrichtungen natürlicher oder baulicher Art für alle Tiere im Außenbereich. Diese Schutzeinrichtungen müssen von allen Tieren und von jeder Stelle des Außenbereichs schnell erreicht werden können. Soweit die Einrichtung eines Kaltscharraums aus baulichen oder rechtlichen Gründen nicht möglich ist, muss der Stall über einen Dachüberstand von mindestens 2 Meter Breite/Tiefe über die gesamte mit Ausschlupflöchern versehene Stallseite verfügen . Die gesamte Fläche unter dem Dachüberstand muss befestigt sein.