Landtag Brandenburg Drucksache 6/8611 6. Wahlperiode Eingegangen: 18.04.2018 / Ausgegeben: 23.04.2018 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 3429 des Abgeordneten Benjamin Raschke (Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Drucksache 6/8415 Mobilisierung bisher ungenutzter Potentiale – der ELER für die Förderung von Frauen auf dem Land Namens der Landesregierung beantwortet der Minister für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkungen des Fragestellers: Die Enquete-Kommission 6/1 hat sich mit der Zielrichtung der Förderungen aus dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) beschäftigt. Der Brandenburger Landfrauenverband e.V. hat in der Enquete-Kommission 6/1 deutlich gemacht, dass Frauen im Ehrenamt und Beruf in erheblichem Maße zur Entwicklung der ländlichen Räume beitragen. Allerdings treffen Frauen öfter als Männer auf strukturelle Hindernisse, die eine gleichberechtigte Teilhabe erschweren. Deswegen muss unter Berücksichtigung der vielfältigen Lebenswirklichkeiten und um die Teilnahme und Teilhabe von Frauen an Fördermaßnahmen zu erhöhen die Gleichstellung von Frauen und Männern als ein Zielbereich der Förderung der ländlichen Entwicklung verankert werden. Komplementär dazu sind spezifische gleichstellungsorientierte Programme und Maßnahmen im ELER einzurichten. Durch bewusste Ausgestaltung und Umsetzung der Förderung ist ein Beitrag zu mehr Gleichstellung möglich. Die Gleichstellung und Förderung von Frauen ist für den ELER u.a. relevant, weil das Förderprogram LEADER (frz. Liaison entre actions de développement de l'économie rurale) ein methodischer Ansatz der Regionalentwicklung ist, der es den Menschen vor Ort ermöglicht, regionale Prozesse mitzugestalten und die Region gemeinsam weiterzuentwickeln. Zu den wesentlichen Merkmalen der LEADER-Methode zählt der Bottom-up-Ansatz: Lokale Akteurinnen und Akteure sind aktiv an der Ausarbeitung und Umsetzung der Regionalen Entwicklungsstrategie beteiligt sowie in die Auswahl der Projekte in ihrer Region eingebunden . (Quelle: „Der LEADER-Ansatz“ - Europäischen Kommission 2006). Hinsichtlich der Ist-Situation bei der Teilhabe von Frauen an Entscheidungsprozessen - in Brandenburg sind in den Kommunalparlamenten Frauen mit durchschnittlich 23,3 % vertreten - mit einer großen Varianz, die von 10 bis 39,3 % reicht. Es gibt eine einzige Landrätin und keine einzige Oberbürgermeisterin (Quelle: MASGF 2018) und da durch eine gendersensible Ausgestaltung und Umsetzung von Förderung ihre Wirksamkeit erhöht werden kann, frage ich die Landesregierung: Frage 1: In der für die Strukturfonds geltenden Rahmenverordnung, der ESIF-Verordnung, wird das Querschnittsziel „Gleichstellung und Nichtdiskriminierung" postuliert. In der E- LER-Verordnung wird dieses Ziel aber nicht mehr erwähnt. Wird sich die Landesregierung bei der Europäischen Union dafür einsetzen, dass die Gleichstellung von Frauen und Landtag Brandenburg Drucksache 6/8611 - 2 - Männern als ein Zielbereich der Förderung der ländlichen Entwicklung in der nächsten ELER-Verordnung verankert wird? zu Frage 1: Die EU-Verordnung Nr. 1303/2013 mit gemeinsamen und allgemeinen Bestimmungen über den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds, den Kohäsionsfonds, den Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) und den Europäischen Meeres- und Fischereifonds (ESI-VO) ist als übergeordnete Verordnung auch für den ELER verbindlich. In Teil 2, Artikel 5, Satz 1, Buchstabe C wird die Partnerschaft mit Stellen, die die Gleichstellung fördern, festgelegt und in Artikel 7 ist die Gleichstellung als verbindliches Prinzip auch für den ELER verankert. Das bedeutet, dass der ELER die Gleichstellung fördern muss. Somit ist die Gleichstellung von Frauen und Männern als Zielbereich der Förderung der ländlichen Entwicklung ausgewiesen und in allen Programmdokumenten des Landes verankert . Ein gesonderter Einsatz der Landesregierung bei der Europäischen Union ist somit nicht erforderlich. Frage 2: Was unternimmt die Landesregierung um sicherzustellen, dass im Rahmen der ELER-Förderung Genderkompetenz/-sensibilität aufgebaut und gefördert wird? Inwieweit wird die Landesgleichstellungsbeauftragte in diesen Prozess mit einbezogen? Bitte konkrete Maßnahmen auflisten. zu Frage 2: Alle gleichstellungsrelevanten Akteure wurden bei der Erarbeitung des Entwicklungsprogramms für den ländlichen Raum (EPLR) 2014 - 2020 einbezogen. Für die Begleitung der Durchführung und Bewertung der operationellen Programme und des EPLR ist der Begleitausschuss das zentrale Instrument der Beteiligung der relevanten Partner. Dazu gehören auch Vertretungen für die von der EU vorgegebenen horizontalen Prinzipien Gleichstellung von Frauen und Männern. In die Konsultationen zur Vorbereitung und Programmierung des EPLR wurden die Partner regelmäßig über die inhaltlichen Planungen informiert und zu Stellungnahmen eingeladen. Zur Unterstützung bei der Befassung mit bereichsübergreifenden Grundsätzen wurde für die Förderperiode 2014 - 2020 die Kontakt- und Beratungsstelle „KBSplus“ als Netzwerk der Wirtschafts-, Sozial- und Umweltpartner eingerichtet. Die auf Grundlage des Arbeitskonzepts der KBSplus erstellte Aufgabenplanung wurde mit der Landesgleichstellungsbeauftragten abgestimmt. Bei ihrer Aufgabenwahrnehmung wird die KBSplus durch die Landesbeauftragte fachlich unterstützt. Die KBSplus informiert die breite Öffentlichkeit im Rahmen von Workshops und Internetpräsentationen über das Thema. Für den ELER sind „Gleichstellung von Männern und Frauen und Nichtdiskriminierung“ keine expliziten (quantifizierten) Querschnittsziele, sondern werden als bereichsübergreifende Grundsätze bei der Programmierung, Durchführung, dem Monitoring und der Bewertung beachtet. Demzufolge wurde die „Genderrelevanz“ maßnahmenspezifisch geprüft . Die folgenden ELER-Maßnahmen/Teilmaßnahmen, die eine signifikante Relevanz für die Förderung der Gleichstellung von Männern und Frauen und Nichtdiskriminierung haben, wurden identifiziert: Landtag Brandenburg Drucksache 6/8611 - 3 - M01: Wissenstransfer und Informationsmaßnahmen (Artikel 14) mit den Untermaßnahmen : 1.1 Bildung und Qualifizierung sowie 1.3 Exkursionen und Betriebsbesuche M06: 6.4 Diversifizierung (Artikel 19) M16 Zusammenarbeit (Artikel 35) mit den Untermaßnahmen: 16.1 operationelle Gruppen der Europäische Investitionspartnerschaft - EIP sowie 16.3 Zusammenarbeit zur Vermarktung landtouristischer Angebote M19 LEADER: (Artikel 20). Durch entsprechende Verfahrensfestlegungen der ELER-Verwaltungsbehörde wird die Gleichstellung der Geschlechter sowohl auf der Ebene der Verwaltung als auch auf der Ebene der Fördermittelempfänger vor allem durch Auflagen in den Bewilligungsbescheiden umgesetzt. Frage 3: Um die Teilhabe von Frauen an Entscheidungsprozessen zu verbessern haben einige Bundesländer einen Frauenanteil in LEADER-LAGn festgelegt: In Hessen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein gibt es bspw. Soll-Formulierungen und in Nordrhein- Westfalen eine konkrete Quotenregelung - dort sollen ein Drittel der LAG aus Frauen bestehen . Gibt es in Brandenburg entsprechende Regelungen? Wenn nein, wie bewertet die Landesregierung den Ansatz eine klare Frauenquote für LEADER-Regionen einzuführen? Zu Frage 3: Entsprechende Regelungen sind in Brandenburg nicht notwendig. In den nach dem Bottom-up-Prinzip durch die Mitglieder der LAGs gewählten Vorstände und beratenden Gremien wirken derzeit 242 Mitglieder, davon 86 Frauen (36 %) mit. Weiterhin sind von den ca. 30 Beschäftigten in den 14 Regionalmanagements 21 Frauen (70 %). Frage 4: Sollten nach Auffassung der Landesregierung gendersensible Auswahlkriterien für LEADER-Projekte eingeführt werden? Zu Frage 4: Eine Einführung gendersensibler Auswahlkriterien ist bereits erfolgt. Für die LEADER-Maßnahmen gelten gemäß Art. 34 (1) der VO (EU) 1303/2013 die in der Regionalen Entwicklungsstrategie von den LAG selbstbeschlossenen und vom Ministerium für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft genehmigten nicht diskriminierenden und transparenten Auswahlverfahren und objektiven Projektauswahlkriterien. In diesen spiegeln sich in vielfältiger Form einzelne Aspekte u. a. der Vereinbarkeit von Familie und Beruf, der besseren Verfügbarkeit von Angeboten der Daseinsvorsorge, der Förderung der gesellschaftlichen Teilhabe sowie der Schaffung und Erhaltung von Arbeitsplätzen für Frauen wider. In der Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Entwicklung der ländlichen Entwicklung im Rahmen von LEADER wird in den Zuwendungsbestimmungen gefordert, dass bei der Planung, Durchführung, Begleitung und Bewertung der Fördervorhaben die Auswirkungen auf die geschlechterspezifischen Situationen - Bedürfnisse und Interessen von Frauen und Männern - zu berücksichtigen sind. Landtag Brandenburg Drucksache 6/8611 - 4 - Frage 5: In Mecklenburg-Vorpommern gibt es Leitfäden für verschiedene Förderbereiche. Zur Umsetzung von Gleichstellung im Entwicklungsprogramm für den ländlichen Raum (EPLR) bspw. zu Vereinbarkeit von Erwerbs- und Privatleben in Unternehmen oder Integration von Gleichstellung in der Integrierten ländlichen und der lokalen Entwicklung. Sind der Landesregierung diese Leitfäden bekannt? Gibt es etwas Vergleichbares in Brandenburg? Wenn nein, warum nicht? Falls ja, bitte auflisten. Zu Frage 5: Die Leitfäden sind bekannt. In Brandenburg werden entsprechende Informationen durch die eigens dafür eingerichtete Kontakt- und Beratungsstelle „KBSplus“ (siehe Antwort zu Frage 2) transportiert. So wurde die Thematik während des KBSplus- Workshops „Das Querschnittsziel Gleichstellung von Frauen und Männern, Chancengleichheit und Nichtdiskriminierung in den ESI-Fonds des Landes Brandenburg“ am 29.03.2017 und im „BRANDaktuell“-Newsletter 5/2017 einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt . Frage 6: In Baden-Württemberg gibt es ein Landesförderprogramm „Innovative Maßnahmen für Frauen im Ländlichen Raum“ (seit dem Jahr 2000). Es ist EU-kofinanziert und EUweit das einzige ELER-Programm speziell zur Förderung von Frauen. Ziel ist die Erschließung neuer Geschäftsfelder, Erleichterung des Wiedereinstiegs in den Beruf, Förderung der Zusammenarbeit unterschiedlichster Kooperationspartner, um wohnortnahe Einkommens - und Beschäftigungsmöglichkeiten für Frauen im Ländlichen Raum zu schaffen und den sozialen Zusammenhalt in den Dörfern zu stärken. a) Ist der Landesregierung dieses Programm bekannt und wenn ja, wie bewertet sie es? b) Kann sich die Landesregierung vorstellen ein ähnliches Programm auf Landesebene, mit oder auch ohne EU-Kofinanzierung einzuführen? Wenn nein, warum nicht? Falls ja, in welchem Zeitraum? Zu Frage 6a): Der Landesregierung ist dieses Programm bekannt, eine Bewertung ist nicht erfolgt. Zu Frage 6b): Die Gleichstellung von Frauen und Männern ist ein Querschnittsziel, das sich durch alle Förderbereiche zieht. Somit können sich Frauen eines breiten Förderspektrums bedienen. Ein Pendant zum baden-württembergischen Programm ist daher aus Sicht der ELER-Förderung nicht notwendig. Die Zielrichtung dieses Programmes wird in Brandenburg insbesondere im Rahmen der LEADER-Förderung im Bereich des ELER verfolgt.