Landtag Brandenburg Drucksache 6/8615 6. Wahlperiode Eingegangen: 18.04.2018 / Ausgegeben: 23.04.2018 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 3433 des Abgeordneten Raik Nowka (CDU-Fraktion) Drucksache 6/8419 Grippewelle im Land Brandenburg: traurige Rekorde bei Influenza-Erkrankungen Namens der Landesregierung beantwortet die Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie die Kleine Anfrage wie folgt: Seit Beginn der Zählungen hat es in Brandenburg noch nie so viele Grippekranke gegeben wie in diesem Winter: Einige Menschen starben sogar infolge der Grippe. Diversen Medienberichten zufolge gibt es Engpässe bei Behandlungs- und Unterbringungsmöglichkeiten . Wie prekär ist die Lage? Ich frage die Landesregierung: 1. Wie viele Influenza-Erkrankungen wurden in dieser Grippesaison gemeldet? (Mit der Bitte um Auflistung nach Regionen. Zu Frage 1: Im Land Brandenburg wurden in der Saison 2017/2018 seit ihrem Beginn in der 40. Kalenderwoche 2017 bisher 8.889 Influenza-Fälle gemeldet (Stand: 26.03.2018). Die von den einzelnen Landkreisen und kreisfreien Städten übermittelten Meldungen sind der nachfolgenden Übersicht zu entnehmen. Dabei ist zu beachten, dass der Landkreis Märkisch-Oderland wegen technischer Probleme seit dem 02.02.2018 keine Daten übermitteln konnte und somit eine geringere Gesamtfallzahl resultiert, die nach Lösung dieser Probleme korrigiert werden wird. Anzahl der im Land Brandenburg in der Saison 2017/2018 bisher gemeldeten Influenza-Fälle und der Erkrankungen pro 100.000 Einwohnerinnen/Einwohnern nach Landkreisen und kreisfreien Städten (Stand: 26.03.2018) Landkreis / kreisfreie Stadt Anzahl der Influenza- Meldungen Erkrankungen pro 100.000 Einwohner LK Barnim 439 249,65 LK Dahme-Spreewald 270 166,78 LK Elbe-Elster 667 584,51 LK Havelland 537 346,36 LK Märkisch-Oderland 25* 13,13* LK Oberhavel 1.025 506,83 LK Oberspreewald-Lausitz 395 319,94 LK Oder-Spree 731 393,67 LK Ostprignitz-Ruppin 239 230,13 Landtag Brandenburg Drucksache 6/8615 - 2 - LK Potsdam-Mittelmark 1.111 537,14 LK Prignitz 156 186,72 LK Spree-Neiße 411 318,43 LK Teltow-Fläming 821 507,32 LK Uckermark 133 101,39 Brandenburg (Havel) 154 211,58 Cottbus 611 597,35 Frankfurt (Oder) 454 737,52 Potsdam 710 459,86 Land Brandenburg 8.889 353,29 * Daten des Landkreises Märkisch-Oderland konnten wegen technischer Probleme seit dem 02.02.2018 nicht übermittelt werden. 2. Welche Personen- bzw. Altersgruppen sind insbesondere betroffen? Zu Frage 2: Die höchste Influenza-Erkrankungsrate lag am Stichtag 26.03.2018 in der Altersgruppe der Kinder und Jugendlichen mit einem Gipfel von 1.141 Erkrankungen pro 100.000 Einwohnerinnen/Einwohnern bei den 3-Jährigen. In der Gruppe der Erwachsenen jüngeren und mittleren Alters wiesen die 40- bis 49-Jährigen mit 379 Erkrankungen pro 100.000 Einwohnerinnen/Einwohner die höchste Erkrankungsrate auf. In der Altersgruppe der über 59-Jährigen lag die höchste Inzidenz mit 306 Erkrankungen pro 100.000 Einwohnerinnen /Einwohner bei den 80 Jahre alten und älteren Personen. 3. Wie stellen sich die Auslastungen der Rettungsstellen und der stationären Kapazitäten in den Krankenhäusern dar? Zu Frage 3: In den Rettungsstellen des Landes Brandenburg sind im Rahmen der Grippewelle sehr viele Erkrankte zur Behandlung erschienen und über die Rettungsstellen auch stationär aufgenommen worden. Es kam zu deutlich vermehrten Abmeldungen von zumeist Grund- und Regelversorgungseinrichtungen, insbesondere waren die Intensivkapazitäten davon betroffen. Die Abmeldungen der Intensivkapazitäten hatten sich im Vergleich zum Vorjahr in einigen Gebieten fast verdreifacht. Die Abmeldungen betrafen teilweise ganze Kreise, so dass nach Behandlungskapazitäten lange gesucht werden musste und der Rettungsdienst verlängerte Einsatzzeiten und vermehrte Verlegungsfahrten zu verzeichnen hatte. 4. Gibt es im Zuge der Grippewelle Krankenhäuser, die an Ihre Belastungsgrenze gelangten und keine Patienten mehr aufnahmen/ behandelten, wenn ja welche und wo konnten Patienten alternativ behandelt werden? Zu Frage 4: Einige Brandenburger Kliniken konnten aus Kapazitätsgründen zeitweise keine Patientinnen und Patienten mit akutstationärem Behandlungsbedarf stationär aufnehmen . Dies betraf zumeist Grund- und Regelversorgungseinrichtungen, insbesondere waren die Intensivkapazitäten davon betroffen. Rettungsdienstfahrzeuge mussten deshalb weiter entfernte Kliniken anfahren (s. Antwort zu den Fragen 3 und 6). Daneben erfolgten auch Verlegungen in andere Krankenhäuser. Der überproportionalen Inanspruchnahme der Krankenhäuser wurde nach Möglichkeit durch organisatorische Maßnahmen im Rahmen des Behandlungsmanagements und durch zusätzliches Engagement der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Krankenhäuser Rechnung getragen. Landtag Brandenburg Drucksache 6/8615 - 3 - 5. Offenbar fehlt es aktuell in den Brandenburger Krankenhäusern vor allem an Beatmungsbetten . Wie groß ist die Anzahl der Beatmungsbetten derzeit in Brandenburg und entspricht die Anzahl der vorhandenen Betten aus Sicht der Landesregierung den Anforderungen auch in einer Krankheitswelle? Zu Frage 5: Die Vorhaltung von Beatmungsbetten in den Krankenhäusern des Landes unterliegt nicht der Krankenhausplanung des Landes Brandenburg. Es unterliegt der Organisationsverantwortung der Krankenhäuser, dafür zu sorgen, dass Notfallpatientinnen und - patienten für die weitere Versorgung unverzüglich stationär aufgenommen oder von einem anderen Krankenhaus übernommen werden. Nach dem Kenntnisstand der Landesregierung wurden die Brandenburger Krankenhäuser dieser Verantwortung auch während der Grippewelle gerecht. Engpässe bei Beatmungsbetten wurden der Landesregierung nicht gemeldet. 6. Welche Probleme ergeben sich beim Rettungsdienst durch längere Flug- und Fahrzeiten , wenn in den nächstgelegenen Krankenhäusern die Kapazitäten erschöpft sind? Zu Frage 6: Nach Auskunft verschiedener Rettungsleitstellen bestanden Probleme auf mehreren Ebenen: Zunächst war das Aufkommen der Rettungsdiensteinsätze erheblich erhöht. Es kam zu teilweise deutlich längeren Einsatzzeiten durch längere Anfahrtswege, weil die Fahrzeuge länger gebunden waren; weiterhin durch langes Warten in den Rettungsstellen und Notaufnahmen durch erschöpfte Aufnahmekapazitäten und fehlende Tragen. Die Rettungsdienstfahrzeuge wurden teilweise abgewiesen, so dass, oft nach längeren Telefonaten, weiter entfernte Kliniken angefahren werden mussten. Diese befanden sich gelegentlich in anderen Bundesländern. In umliegenden Bundesländern (Sachsen-Anhalt, Berlin) bestand intermittierend ein Aufnahmestopp für Patientinnen und Patienten aus Brandenburg. Die Leitstellen und Aufnahmeeinheiten der Krankenhäuser waren zu teilweise Stunden dauernden Telefonaten gezwungen, um Intensivpatientinnen und -patienten unterzubringen. Dadurch kam es zusätzlich zu Verlegungsfahrten durch die Rettungsdienste und Notarztsysteme . Problematisch war vor allen Dingen, dass es sich hierbei um arztbegleitete Verlegungsfahrten von Intensivpatientinnen und -patienten handelte. 7. Worin sieht die Landesregierung mögliche Ursachen für die Intensität der aktuellen Grippewelle? Zu Frage 7: Derzeit lässt sich noch keine abschließende Bewertung zu den Gründen der hohen Intensität der aktuellen Grippewelle abgeben. Grundsätzlich ist von einem multifaktoriellen Geschehen auszugehen. Auch in der Vergangenheit gab es wiederholt Grippewellen , die in manchen Jahren stärker waren als in anderen. Influenzaviren sind in der Lage, sich genetisch sehr schnell zu verändern. Deshalb wird in jedem Jahr die Zusammensetzung des jeweiligen Influenza-Impfstoffs durch die Weltgesundheitsorganisation neu festgelegt. Um rechtzeitig vor dem Beginn der Grippesaison im Herbst impfen zu können, beginnt die Produktion der Impfstoffe bereits einige Monate früher . In dieser Phase können sich andere Influenzavarianten durchsetzen, die später nicht im Impfstoff enthalten sind, was zu einer Einschränkung der Wirksamkeit des Impfstoffs führt. Landtag Brandenburg Drucksache 6/8615 - 4 - Es kommt dann zu stärkeren Grippewellen, wenn andere Virus(sub)typen als in der Vorsaison vorherrschend zirkulieren. In der aktuellen Influenzasaison dominieren, im Gegensatz zur Vorsaison 2016/2017, mit großem Abstand Influenza B-Viren aus der Yamagata- Linie, die nur im Influenza-Impfstoff mit vier Komponenten (4-fach-Impfstoff) und nicht im überwiegend verwendeten Influenza-Impfstoff mit drei Komponenten (3-fach-Impfstoff) enthalten sind. Wegen dieser fehlenden Komponente konnten die mit dem 3-fach-Impfstoff geimpften Personen keine ausreichende Immunität aufbauen. Eine der Ursachen für die hohe Intensität der aktuellen Grippewelle ist vermutlich der geringe Impfschutz innerhalb der Bevölkerung. Das Robert Koch-Institut geht davon aus, dass nur etwa ein Viertel der Bevölkerung einen Impfschutz aufweist. Eine geringe Impfeffektivität des verwendeten Influenza-Impfstoffs, die nach Mitteilung des Robert Koch- Instituts bei etwa 50 % liegt, könnte ebenfalls eine Rolle spielen. 8. Wie waren die Impfquoten für Grippeschutzimpfungen unmittelbar vor dem Winter 2017/2018? Zu Frage 8: Der Landesregierung liegen keine Informationen zu den Impfquoten für Grippeschutzimpfungen unmittelbar vor dem Winter 2017/2018 vor. 9. Wie wird die Impfschutzwirkung der für diese Saison eingesetzten Schutzimpfungen durch die Landesregierung eingeschätzt? Zu Frage 9: Der Landesregierung liegen keine eigenen Untersuchungsergebnisse zur Impfeffektivität der in der aktuellen Saison eingesetzten Influenza-Impfstoffe vor. Die Schutzwirkung (Effektivität) der Influenza-Impfung ist nach Mitteilung des Robert Koch-Instituts geringer als bei vielen anderen von der STIKO empfohlenen Impfungen. Es wird davon ausgegangen, dass etwa 50 % der Geimpften gegen Influenza geschützt sind. Die Impfeffektivität kann in den einzelnen Saisons sehr unterschiedlich sein. Dennoch ist die Impfung die wichtigste Maßnahme zum Schutz vor einer Influenza-Erkrankung. Eine vorläufige Einschätzung des Robert Koch-Instituts zur Wirksamkeit der saisonalen Influenzaimpfung zeigt, dass die zirkulierenden Viren gut zu den im aktuellen Impfstoff enthaltenen Komponenten passen, wobei der Impfstoffstamm gegen die in Deutschland dominant zirkulierenden Influenza B-Viren der Yamagata-Linie jedoch nur im 4-fach- Impfstoff enthalten ist. Allerdings weisen die vorläufigen Schätzwerte der Impfeffektivität für Deutschland auch auf eine gewisse Schutzwirkung des 3-fach-Impfstoffs gegen die zirkulierenden Influenza B-Viren der Yamagata-Linie hin. Detaillierte Untersuchungen zur Impfeffektivität werden jedoch erst nach Beendigung der aktuellen Influenzasaison erwartet . 10. Das Innenministerium hat für den Ernstfall ein Konzept u.a. für den Brand- und Katastrophenschutz erarbeitet. Inwiefern werden hier auch Schwachstellen mit Blick auf eine solche Krankheitswelle thematisiert und wie sollen diese in Zukunft behoben werden? Landtag Brandenburg Drucksache 6/8615 - 5 - Zu Frage 10: In Umsetzung des Landtagsbeschlusses vom 28. September 2016 „Die Veränderungsprozesse im Bereich des Brand- und Katastrophenschutzes im Land Brandenburg erfolgreich bewältigen“ (LT-Drs. 6/5167-B) wird - vor dem Hintergrund sich verändernder Rahmenbedingungen - ein Konzept zur Weiterentwicklung des Brand- und Katastrophenschutzes erarbeitet. Es handelt sich hierbei nicht um ein Einsatzkonzept für den „Ernstfall“. Im aktuell vorliegenden Konzeptentwurf wird die Thematik „Grippewelle“ nicht behandelt. 1. Wie viele Influenza-Erkrankungen wurden in dieser Grippesaison gemeldet? (Mit der Bitte um Auflistung nach Regionen. 2. Welche Personen- bzw. Altersgruppen sind insbesondere betroffen? 3. Wie stellen sich die Auslastungen der Rettungsstellen und der stationären Kapazitäten in den Krankenhäusern dar? 4. Gibt es im Zuge der Grippewelle Krankenhäuser, die an Ihre Belastungsgrenze gelangten und keine Patienten mehr aufnahmen/ behandelten, wenn ja welche und wo konnten Patienten alternativ behandelt werden? 5. Offenbar fehlt es aktuell in den Brandenburger Krankenhäusern vor allem an Beatmungsbetten. Wie groß ist die Anzahl der Beatmungsbetten derzeit in Brandenburg und entspricht die Anzahl der vorhandenen Betten aus Sicht der Landesregierung den Anford... 6. Welche Probleme ergeben sich beim Rettungsdienst durch längere Flug- und Fahrzeiten, wenn in den nächstgelegenen Krankenhäusern die Kapazitäten erschöpft sind? 7. Worin sieht die Landesregierung mögliche Ursachen für die Intensität der aktuellen Grippewelle? 8. Wie waren die Impfquoten für Grippeschutzimpfungen unmittelbar vor dem Winter 2017/2018? 9. Wie wird die Impfschutzwirkung der für diese Saison eingesetzten Schutzimpfungen durch die Landesregierung eingeschätzt? 10. Das Innenministerium hat für den Ernstfall ein Konzept u.a. für den Brand- und Katastrophenschutz erarbeitet. Inwiefern werden hier auch Schwachstellen mit Blick auf eine solche Krankheitswelle thematisiert und wie sollen diese in Zukunft behoben ...