Landtag Brandenburg Drucksache 6/8685 6. Wahlperiode Eingegangen: 23.04.2018 / Ausgegeben: 30.04.2018 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 3414 der Abgeordneten Klara Geywitz (SPD-Fraktion) Drucksache 6/8373 Antisemitismus in Brandenburg Namens der Landesregierung beantwortet der Chef der Staatskanzlei die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung der Fragestellerin: Anlässlich einer Tagung der F. C. Flick-Stiftung gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Intoleranz und des Moses-Mendelssohn-Zentrums für europäisch-jüdische Studien Potsdam (MMZ) wurde festgestellt, dass der Antisemitismus in vielen Bereichen der Gesellschaft zugenommen hat. Vor allem im Bildungsbereich wurden Defizite in Sachen Antisemitismusprävention ausgemacht. Seitens der Stiftung und des MMZ wird vorgeschlagen, auf Länderebene Antisemitismusbeauftragte einzusetzen , die als Ansprechpartner Betroffenen helfen könnten. Außerdem müsste die Aus- und Fortbildung für Polizisten, Lehrer und Juristen verbessert werden, um diese für die Problematik zu sensibilisieren und die Rechtsstaatlichkeit zu stärken. Eine weitere Forderung war eine breite und wirksame Unterstützung von zivilgesellschaftlichen Initiativen gegen Antisemitismus vor Ort. Frage 1: Wie hat sich die Zahl antisemitischer Vorfälle in den letzten 5 Jahren entwickelt und wie werden diese erfasst und ausgewertet? zu Frage 1: Der Politisch motivierten Kriminalität werden u. a. Straftaten zugeordnet, wenn in Würdigung der Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie gegen eine Person wegen ihrer zugeschriebenen oder tatsächlichen Religionszugehörigkeit gerichtet sind und die Tathandlung damit im Kausalzusammenhang steht bzw. sich in diesem Zusammenhang gegen eine Institution/Sache oder ein Objekt richtet. „Antisemitisch“ als ein Teil der Hasskriminalität wird gem. dem Definitionssystem Politisch motivierte Kriminalität unter dem gleichnamigen Unterthemenfeld erfasst. In den Jahren 2013 - 2017 wurden im Rahmen des „Kriminalpolizeilichen Meldedienstes in Fällen Politisch motivierter Kriminalität“ (KPMD-PMK) insgesamt 425 politisch motivierte Straftaten mit antisemtischen Bezügen registriert. Nachfolgend eine Aufstellung der registrierten Straftaten in diesem Sachzusammenhang. Landtag Brandenburg Drucksache 6/8685 - 2 - Jahr Anzahl der Fälle davon Gewaltdelikte 2013 87 2 2014 94 2 2015 83 3 2016 92 5 2017 69 1 Gesamt 425 13 Quelle: KPMD-PMK, Stand: 28.03.2018. Deliktische Aufstellung der Straftaten mit antisemitischen Bezügen 2013 - 2017: Bezeichnung der Straftat Anzahl der Fälle 2013 2014 2015 2016 2017 Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte gem. § 113 StGB 0 0 0 1 0 Körperverletzung gem. § 223 StGB 1 0 1 3 0 Gefährliche Körperverletzung gem. § 224 StGB 1 2 2 0 1 Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion gem. § 308 StGB 0 0 0 1 0 Summe der Gewaltdelikte 2 2 3 5 1 Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen gem. § 86 StGB 0 0 0 1 0 Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gem. § 86a StGB 13 15 13 12 10 Volksverhetzung gem. § 130 StGB 51 50 45 61 44 Störung der Totenruhe gem. § 168 StGB 2 0 1 0 0 Beleidigung gem. §§ 185 ff StGB 9 15 9 8 4 Nötigung gem. § 240 StGB 0 0 0 1 0 Bedrohung gem. § 241 StGB 2 4 1 1 2 Diebstahl gem. §§ 242 f StGB 3 1 0 1 0 Sachbeschädigung gem. § 303 f StGB 5 7 11 2 8 Gesamtanzahl der Straftaten 87 94 83 92 69 Landtag Brandenburg Drucksache 6/8685 - 3 - Für den schulischen Bereich gibt es ein Meldeverfahren, dass mit dem Rundschreiben 16/17 „Hinsehen- Handeln - Helfen. Angst- und gewaltfrei leben und lernen in der Schule“ vom 1. Dezember 2017 geregelt ist. Demnach sind explizit auch antisemitische, fremdenfeindliche , extremistische Äußerungen unabhängig vom politischen Hintergrund sowie auch für solche, die der verfassungsrechtlich garantierten Achtung der Menschenwürde entgegenstehen, zu melden. Die Meldungen sind über ein vorgegebenes Formular an die staatlichen Schulämter zu übermitteln, die weitere Maßnahmen veranlassen. Frage 2: Wie werden Lehrer, Polizisten und Juristen in Ihrer Ausbildung für das Thema Antisemitismus sensibilisiert und vorbereitet? zu Frage 2: Im Rahmen der zweiten Phase der Lehrkräfteausbildung im Land Brandenburg kann das Thema Antisemitismus sowohl im Hauptseminar als auch in den Fachseminaren angefragt werden. In den Fachseminaren der Fächer Geschichte und Politische Bildung besteht im Rahmen der Planung, Durchführung und Nachbereitung entsprechender Unterrichtsreihen und - sequenzen eine direkte Schnittstelle zum Thema Antisemitismus. In den Hauptseminaren kann Antisemitismus ein Themengebiet im Rahmen der Thematik „Heterogenität nutzen“ sein. Angehende Polizeibeamtinnen und -beamte werden in unterschiedlichen Kontexten für das Thema Antisemitismus sensibilisiert. Bereits sehr früh in Ausbildung und Studium wird an der Fachhochschule der Polizei das Fach Polizeigeschichte gelehrt, in dessen Rahmen unter anderem auch ein Besuch in der benachbarten Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers Sachsenhausen stattfindet. Im Fach Staats- und Verfassungsrecht werden ebenfalls zu einem sehr frühen Zeitpunkt in Ausbildung und Studium die Grundrechte behandelt, wobei vor allem auch Art. 1 und 3 GG eine zentrale Stellung einnehmen. Im Rahmen des Unterrichts in den Fächern Strafrecht, Kriminalistik und Kriminologie werden die einschlägigen Strafrechtsnormen (vor allem §§ 86a und 130 StGB) sowie die Phänomenologie und kriminalsoziologische Ätiologie der einschlägigen Deliktsformen, insbesondere auch der politisch motivierten Kriminalität, eingehend vorgestellt. Im Rahmen der Ausbildung der Rechtsreferendarinnen und Rechtsreferendare nehmen diese während der Strafstation an dem Seminar „Rolle der Strafgerichtsbarkeit in der NS- Justiz“ teil. Dieses Seminar umfasst 5 Unterrichtsstunden und findet nach Möglichkeit in der Stiftung Topographie des Terrors in Berlin statt. Frage 3: Gibt es bereits entsprechende Schulungs- und Fortbildungsangebote für Polizisten , Lehrer und Juristen und wenn ja, welche? Frage 4: Wenn nein: welche Angebote sind vorstellbar? zu den Fragen 3 und 4: Antisemitismus ist auch Bestandteil der Weiterbildung für alle Polizeibeamtinnen und -beamten. In den einzelnen Fortbildungen geht es dabei insbesondere um Wissensvermittlung, Sensibilisierung, Argumentationshilfen und Präventionsmöglichkeiten . Seit 2014 gibt es z.B. eine elektronische Lernanwendung „Politisch motivierte Kriminalität (PMK) Grundlagenwissen - Rechtsextremismus“. Zudem werden ein „Basismodul PMK“, „PMK - Spezialmodul Islamismus“ sowie ein „PMK- Spezialmodul Rhetorik gegen Rechts/Populismus“ angeboten. Hierbei werden schwerpunktmäßig Rechts- und Linksextremismus sowie Islamismus behandelt, aber auch das Landtag Brandenburg Drucksache 6/8685 - 4 - Phänomen des Antisemitismus angesprochen. Neben der Vermittlung rechtlicher Grundlagen und polizeilicher Handlungskonzepte werden das zivilgesellschaftliche Engagement gegen Rechtsextremismus, Ausländerfeindlichkeit und Antisemitismus erörtert und Argumentationshilfen im Umgang mit Parolen, Thesen und Manipulationsversuchen gegeben. Vorrangig für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Prävention und des Revierdienstes wird zudem das Seminar „Prävention - Soziale Medien - Gefahren und Präventionsmöglichkeiten “ angeboten. Ein darüber hinaus gehendes Weiterbildungsangebot bietet die Sicherheitskooperation der Länder Berlin, Sachsen-Anhalt und Brandenburg sowie der Freistaaten Sachsen und Thüringen. Dem Thema Antisemitismus widmet sich die Fachhochschule der Polizei insbesondere im Rahmen von Veranstaltungen. So besuchte etwa der jüdische Auschwitzüberlebende Michael Goldmann-Gilead in Gegenwart von Ministerpräsident Dr. Dietmar Woidke und unter großer Anteilnahme polizeilicher Auszubildender und Studierender die Fachhochschule im vergangenen Jahr zu einem Zeitzeugengespräch. Auch für dieses Jahr ist ein solcher Besuch mit einer Überlebenden avisiert. Die Sensibilisierung für den wachsenden Antisemitismus sowie jeglicher Form von Rassismus ist Bestandteil von Fortbildungen von Lehrerinnen und Lehrern im Handlungsfeld der historisch-politischen Bildung, in der Menschenrechts- und Demokratieerziehung und in der Bildung zur Akzeptanz von Vielfalt. Über das Landesinstitut für Schule und Medien Berlin-Brandenburg (LISUM), das Beratungs- und Unterstützungssystem der staatlichen Schulämter (BUSS) und durch die vom Land eingesetzten Gedenkstättenlehrkräfte werden Fortbildungen angeboten. Das Thema ist seit langem Gegenstand historischer Fachtagungen für Lehrkräfte und der Qualifizierungen der Beraterinnen und Berater, die jeweils vom LISUM durchgeführt werden . Hier kann die jährlich stattfindende Fachtagung “Forum für zeitgeschichtliche Bildung “, die Kooperation des LISUM mit dem Lehrerinstitut Beit Berl (Israel) sowie die Mitarbeit des LISUM in der AG KMK/Zentralrat der Juden(Entwicklung einer kommentierten Materialiensammlung zur Vermittlung des Judentums in der Schule) besonders erwähnt werden. Darüber hinaus werden die Angebote der Regionalen Arbeitsstellen für Bildung, Integration und Demokratie, Brandenburg (RAA) mit ihren sechs regionalen Außenstellen durch die Schulen genutzt. Diese Angebote umfassen Fortbildung und Beratung der Schulen zu den Themen: Gewalt, interkulturelle Bildung und Demokratiebildung. Das Potential historischer Lernorte und insbesondere das der Gedenkstätten wird zudem intensiv genutzt. Der Bildungsserver Berlin-Brandenburg bietet unter dem Bereich Demokratiebildung/ Antisemitismus zahlreiche Hinweise zum Thema und zu Materialien (häufig kostenlos zum Download) für den Unterricht (Handreichung, Arbeitsmaterialien usw.). Die Auseinandersetzung mit Antisemitismus und Salafismus erfolgt ebenso im Rahmen demokratischer Schulentwicklung, so bei der Entwicklung eines Curriculums "Demokratie stärken: Aktiv gegen Antisemitismus und Salafismus". Für Anfang Mai 2018 ist die Unterzeichnung einer gemeinsamen Absichtserklärung zwischen der „Gedenkstätte der Märtyrer und Helden des Staates Israel im Holocaust“ – Yad Vashem und dem Ministerium für Bildung, Jugend und Sport geplant. In deren Folge werden regelmäßig Fortbildungen von Brandenburger Lehrerinnen und Lehrer in der internationalen Schule für Holocaust-Studien in Yad Vashem durchgeführt. Den Brandenburger Richterinnen und Richtern sowie Staatsanwältinnen und Staatsanwälten wird jedes Jahr die Veranstaltung „politischer Extremismus und Terrorismus“ an der Justizakademie in Königs Wusterhausen (JAK) angeboten. Diese widmet sich schwer- Landtag Brandenburg Drucksache 6/8685 - 5 - punktmäßig auch Themen aus dem Bereich des Rechtsextremismus, wovon auch der Antisemitismus umfasst ist. Zudem wurde im Dezember letzten Jahres in Kooperation mit dem Deutschen Institut für Menschenrechte und dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz unter dem Titel „Stärkung der Strafjustiz - Rassismus erkennen und sanktionieren“ eine Fortbildung speziell zur Sensibilisierung der Strafjuristinnen und Strafjuristen für Rassismus und die Ermittlung rassistischer Straftaten angeboten. Diese Veranstaltung wird unter Aufgreifen der gewonnenen Erkenntnisse aus dieser Auftaktveranstaltung in überarbeitetem Format auch erneut im September dieses Jahres an der JAK stattfinden. Schließlich wird an der Deutschen Richterakademie jedes Jahr die Veranstaltung „Politischer Extremismus - Herausforderung für Gesellschaft und Justiz“ angeboten. Aufgrund der aktuellen Entwicklungen ist zudem beabsichtigt, im Rahmen der Veranstaltung „politischer Extremismus und Terrorismus“ in diesem Jahr im Schwerpunkt den Antisemitismus und die Ermittlung antisemitischer Straftaten zu thematisieren. Frage 5: Welche Rolle spielt die Auseinandersetzung mit Antisemitismus in den Rahmenlehrplänen ? zu Frage 5: Für die Jahrgangsstufen 1 bis 10 ist zum Schuljahr 2017/2018 ein neuer Rahmenlehrplan in Kraft getreten. Für den Geschichtsunterricht ist die Auseinandersetzung mit den Diktaturen der deutschen Geschichte verbindlich festgelegt. Grundsätzlich ist dabei den Prinzipien Multiperspektivität, Pluralität und Kontroversität zu folgen. Exemplarisch können folgende Beispiele genannt werden: Im Bereich der Sekundarstufe I werden im Basismodul „Zweiter Weltkrieg / Holocaust / Völkermord / Mord“ für das Fach Geschichte in der Doppelstufe Klasse 9/10 für die Vermittlung dieses Themas im Unterricht die Opfergruppen Juden, Sinti und Roma, Behinderte, Homosexuelle und politische Widerständler explizit genannt. Im Fach Politische Bildung sind im Basismodul „Demokratie in Deutschland“ für die Doppelstufe Klasse 9/10 unter dem Punkt „Gefährdung der Demokratie “ (Intoleranz / Gefährdung / Gewalt) Spielräume vorhanden, ebenso im Fach Lebensgestaltung -Ethik-Religionskunde (L-E-R) im Modul „Miteinander in kultureller Vielfalt“. Im Bereich der Sekundarstufe II kann für das Fach Geschichte das Thema „ Nationalsozialistische Gewaltherrschaft: Ideologie und Herrschaft; Täter, Opfer, Zuschauer; Holocaust und Völkermord“ genannt werden. Kontexte zur Vorgeschichte der NS-Ideologie und zu den Wirkungen der Geschichte des Nationalsozialismus bis in die Gegenwart können sowohl im Literaturunterricht als auch in den Fremdsprachen - aber auch in den Fächern, Philosophie , Kunst, Musik und weiteren - hergestellt werden. Im Fachunterricht sowie in fächerverbindenden/fächerübergreifenden und projektorientierten Angeboten sollen zudem außerschulische Lernorte (Denkmäler, Gedenkorte, Gedenkstätten und Museen) sowie Zeitzeugen in den Unterricht einbezogen werden. Dabei nehmen die Mahn- und Gedenkstätten des Landes Brandenburg eine besondere Stellung ein. Die Besuche dieser Gedenkstätten vor Ort stellen eine besondere und wichtige Form der Auseinandersetzung mit der deutschen Diktaturgeschichte, insbesondere mit dem Holocaust dar. Bei einem Besuch in der Gedenkstätte begleiten die Gedenkstättenlehrkräfte die Schulklassen und auch ihre Lehrkräfte in der Auseinandersetzung mit der Geschichte intensiv. Des Weiteren bietet das Zeitzeugenprogramm des Landes die Möglichkeit, Geschichte für die Schülerinnen und Schüler greifbarer zu machen. Im Land Brandenburg werden regelmäßig Zeitzeugengespräche sowohl in den Schulen als auch vor Ort in den Gedenkstätten durchgeführt. Landtag Brandenburg Drucksache 6/8685 - 6 - Die verpflichtenden übergreifenden Themen „Demokratiebildung“ mit ihrem Kern der Menschenrechtserziehung und die „Bildung zur Akzeptanz von Vielfalt“ sollen in Schule in allen Bereichen im Kontext der Entwicklung von Schulkultur stattfinden. Die Schulen sind aufgefordert , die übergreifenden Themen in ihrem schulinternen Curriculum umzusetzen. Unterstützung erhalten sie dabei durch das Beratungs-und Unterstützungssystem sowie durch entsprechende Materialien, die auch über den Bildungsserver Berlin/Brandenburg abgerufen werden können. Frage 6: Wie und wo unterstützt die Landesregierung zivilgesellschaftliche Projekte gegen Antisemitismus und wo sieht sie die Möglichkeit diese Unterstützung zu verbessern? zu Frage 6: Die „Aufklärung über Ursachen und Erscheinungsformen von Ausländerfeindlichkeit , Rassismus, Antisemitismus, politischem Extremismus und Gewalt sowie die Möglichkeiten zu ihrer Bekämpfung“ ist ein explizites Ziel des aktuellen Handlungskonzepts der Landesregierung „Tolerantes Brandenburg - für eine starke und lebendige Demokratie. Handlungskonzept der Landesregierung für eine demokratische Gesellschaft mit Zivilcourage gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit“ aus dem Jahr 2005. Die Koordinierungsstelle setzt das Handlungskonzept gemeinsam mit seinem Beratungsnetzwerk um, wobei auch Antisemitismus thematisiert wird. Zudem wurden bereits verschiedene Projekte gefördert, welche die Thematik des Antisemitismus explizit aufgreifen. Unter anderem fördert die Landesregierung ein Beratungsnetzwerk aus zivilgesellschaftlichen Trägern, das Kommunen, Land und Zivilgesellschaft auch zu Fragen der Bekämpfung des Antisemitismus als dem Rechtsextremismus inhärentes Phänomen berät. So schließt etwa der Verein Opferperspektive antisemitische Übergriffe in sein ständiges Monitoring und die Beratungspraxis ein. Gleiches gilt für die mobilen Beratungsteams und die Arbeit der Regionalen Arbeitsstellen für Bildung, Integration und Demokratie Brandenburg (RAA). Zudem werden immer wieder verschiedene Projekte durch das Land Brandenburg gefördert, welche die Thematik des Antisemitismus explizit aufgreifen. Beispielhaft seien folgende Projekte genannt: Im den Jahren 2015 und 2016 wurde die Ausstellungstournee des Anne-Frank-Zentrums e.V. durch die Koordinierungsstelle Tolerantes Brandenburg /Bündnis für Brandenburg i.H.v. jew. 10.000 Euro gefördert. Des Weiteren wurde das Theaterprojekt „Anne Frank im Wandel der Zeit“ des Fördervereins „Freunde der Otto- Unverdorben-Oberschule Dahme/Mark“ 2016 i.H.v. 2600 Euro gefördert. Hinzu kommen vielfältige Projekte, wie Ausstellungen, Publikationen aber auch Bildungsmaßnahmen freier Träger, die über die Brandenburgische Landeszentrale für politische Bildung, den Landesjugendplan oder andere Haushaltsmittel (u.a. Lottomittel) des Landes Brandenburg gefördert werden. Das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kultur (MWFK) hat 2016 ein Projekt des von der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST) unterhaltenen Kompetenzzentrums Prävention und Empowerment zu Antisemitismus als persönlicher Erfahrung und sozialem Phänomen mitfinanziert. Die Arbeit des Kompetenzzentrums zielt in erster Linie darauf ab, jüdische Jugendliche im Umgang mit Antisemitismuserfahrungen zu stärken und zu geeigneten Reaktionen zu befähigen. Ab 2017 wurden entsprechende Anträge von MBJS übernommen. Das Ministerium für Infrastruktur und Landesplanung (MIL) hat ein zivilgesellschaftliches Projekt gegen Antisemitismus des Brandenburgischen Kulturbundes e.V. in Perleberg aus Lottomitteln gefördert. An der Förderung im Jahr 2017 haben sich auch das Ministerium für Wirtschaft und Energie (MWE) sowie die Staatskanzlei beteiligt. Die Gesamtkosten für die beantragte Ausstattung der Begegnungsstätte Projekt Judenhof in Perleberg lagen bei Landtag Brandenburg Drucksache 6/8685 - 7 - 20.143,34 Euro, von denen 18.293,34 Euro gefördert wurden. Im Bereich der Erwachsenenbildung bietet die Landeszentrale für Politische Bildung thematische Veranstaltungen an bzw. fördert freie Träger die in den Regionen des Landes entsprechende Angebote umsetzen. Insgesamt tragen 73 Schulen in Brandenburg den Titel „Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage“. Die Schulen wirken in dem Bundesprogramm mit und werden auf Länderebene durch die RAA unterstützt. Schwerpunkt für die Schulen ist die Selbstverpflichtung der Schülerinnen und Schüler aktiv gegen Rassismus vorzugehen. In der Kinder- und Jugendarbeit ist es ein wesentlicher Arbeitsgrundsatz, dass Antisemitismus und Rassismus nicht geduldet werden dürfen und dies von den Fachkräften im Bedarfsfall thematisiert wird. Bei Antisemitismus reagieren die Fachkräfte der Kinder- und Jugendarbeit in den Einrichtungen der freien Träger der Jugendhilfe präventiv und durch entsprechende inhaltliche Angebote. Das Land Brandenburg stellt im Rahmen der „Richtlinie zur Förderung der Jugendbildung und Jugendbegegnung im Land Brandenburg" Mittel zur Förderung von Maßnahmen der Jugendbegegnung im In- und Ausland bereit. Außerdem fungiert das Ministerium für Bildung , Jugend und Sport als Länderzentralstelle für die Förderung internationaler Projekte aus dem Kinder- und Jugendplan des Bundes. Jugendverbände und Jugendbildungs- und Begegnungsstätten bieten besondere Lernorte außerhalb des Schul- und Familienalltags an, denn sie ermöglichen Abstand zum Alltag und die Konzentration auf neue Themen und Erfahrungshorizonte. Sie fördern Arbeit in Gruppen und selbstbestimmte, gemeinsame Freizeit. Referentinnen und Referenten aus Praxis und Forschung arbeiten in den Jugendverbänden und Jugendbildungsstätten mit Jugendlichen zu Aspekten des Antisemitismus. Insbesondere die Jugendbildungsstätte Schloss Gollwitz versteht sich als Jugendbildungseinrichtung , die in den vielfältigen Themenfeldern der außerschulischen Jugendbildung - speziell der Politischen Bildung und der Jugendbegegnungsarbeit - ihre Hauptaufgabenfelder sieht. In erster Linie geht es dabei um die Bearbeitung der Bereiche Rassismus , Antisemitismus und Menschenfeindlichkeit. Der Landespräventionsrat Brandenburg fördert seit 2015 das Modellprojekt „Verknüpfungen . Antisemitismus in der pluralen Gesellschaft“ des BildungsBausteine e. V. Das Projekt endet zum 31. Dezember 2019. Die Gesamtfördersumme des Landes Brandenburg beträgt 25.881,98 €. Das Projekt erhält in der Hauptsache eine Förderung aus dem Bundesprogramm „Demokratie leben! Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit “. Im Rahmen des überregionalen Modellprojekts entwickelt BildungsBausteine e. V. innovative pädagogische Konzepte, Methoden und Materialien, die sich mit Verknüpfungen von Antisemitismus und Rassismus (bzw. unterschiedlichen Rassismen) beschäftigen. Sie eignen sich auch für die Arbeit mit Jugendlichen, die über erschwerte Zugänge zu formaler Bildung verfügen. Gleichzeitig richtet sich das Projekt auch an Lehrkräfte, Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter sowie an Multiplikatorinnen und Multiplikatoren der politischen Bildung und der Jugend(sozial)arbeit. Erprobt werden die neuen Ansätze an Gesamtschulen in Brandenburg und Nordrhein-Westfalen. Auch in Zukunft werden entsprechende Fördermittel bereitgestellt. Die Landesregierung ermuntert zivilgesellschaftliche Träger, Förderungen für Projekte gegen Antisemitismus zu beantragen. Durch einen permanenten Austausch mit Expertinnen und Experten für das Thema Antisemitismus werden auch in Zukunft Optimierungspotentiale identifiziert. Weitere Maßnahmen wird das Land ggf. in Abstimmung mit der geplanten Bund-Länder- Kommission zum Antisemitismus in Betracht ziehen. Landtag Brandenburg Drucksache 6/8685 - 8 - Frage 7: Wie unterstützt die Landesregierung die jüdischen Gemeinden in Brandenburg im Kampf gegen Antisemitismus und schützt sie vor antisemitischen Übergriffen? zu Frage 7: Das MWFK hat mehrere Zuwendungsbescheide zur Verbesserung des Schutzes der Synagoge in Cottbus erlassen. In 2014 wurde der materiell-technische Grundschutz mit 18.347,66 € gefördert, in 2016 wurden bei einem gemeinsam mit der Staatskanzlei und dem Ministerium für Inneres und Kommunales (MIK) durchgeführten Projekt für die „Erhöhung der Sicherheitsmaßnahmen für die Synagoge in der Stadt Cottbus“ ein Betrag von 39.079,96 € ausgereicht. Dauerhafte polizeiliche Objektschutzmaßnahmen im Land Brandenburg zur Verhinderung von antisemitischen Übergriffen werden an der jüdischen Synagoge in Cottbus durchgeführt. Darüber hinaus sind der Polizei 90 relevante Objekte bekannt, die im Rahmen der täglichen Streifendiensttätigkeit Beachtung finden. Dazu gehören neben jüdischen Gemeinden auch jüdische Friedhöfe, jüdische Gedenksteine und -tafeln und Holocaust-Mahn- und Gedenkstätten. Die grundsätzliche und anlassbezogene Kommunikation mit den jüdischen Gemeinden wird durch die örtlich zuständigen Polizeidienststellen gewährleistet. Frage 8: Wie steht die Landesregierung zu der Forderung, einen Antisemitismusbeauftragten einzusetzen? zu Frage 8: Die Landesregierung hält die Einsetzung eines bzw. einer Antisemitismusbeauftragten für ein geeignetes Instrument, um jüdisches Leben in der Bundesrepublik zu unterstützen und Antisemitismus zu begegnen. Die Bundesregierung beabsichtigt zeitnah die Ernennung eines bzw. einer Antisemitismusbeauftragten . Nähere Details sind der Landesregierung noch nicht bekannt. Die Landesregierung wird sie bzw. ihn nach der Ernennung durch die Mitarbeit in der geplanten Bund-Länder-Kommission unterstützen und in diesem Rahmen mögliche weitere Maßnahmen abstimmen. Ob das Land Brandenburg ebenfalls eine bzw. einen Antisemitismusbeauftragte(n) beruft, wird die Landesregierung entscheiden, wenn über die Strukturen und Aufgaben auf Bundesebene sowie die Einbindung der Länder abschließend entschieden wurde.