Landtag Brandenburg Drucksache 6/8693 6. Wahlperiode Eingegangen: 26.04.2018 / Ausgegeben: 02.05.2018 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 3453 des Abgeordneten Benjamin Raschke (Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Drucksache 6/8469 Sanierung des „Alten Kanalabstiegs“ in Eisenhüttenstadt Namens der Landesregierung beantwortet der Minister für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkungen des Fragestellers: Der „Alte Kanalabstieg“ in Eisenhüttenstadt, über den ursprünglich Schiffe zur Oder geleitet wurden, wurde nach Presseangaben in den 1950er- 1960er Jahren durch die Entsorgung von Gichtgasschlämmen der EKO-Hochöfen belastet . Ab 1969 wurde der Abfall deponiert. Die Deponien seien inzwischen beseitigt worden, ein Teil des Kanals wird nun durch Abdeckung mit Erdschichten „saniert“. Die Entscheidung , dies nur auf einen 1,1 km langen Teil des Alten Kanalabstiegs zu beschränken wurde von der Unteren Abfallwirtschafts- und Bodenschutzbehörde finanziell und naturschutzfachlich begründet. Die Kosten hierfür lägen bei rund 1,7 Millionen Euro und würden zu 60 Prozent vom Bund, zu 40 Prozent vom Land übernommen. Der eigentliche Verursacher, das EKO, müsse sich an den Kosten nicht beteiligen1. Frage 1: Auf welcher Rechtsgrundlage erfolgte die Kostenverteilung, so dass der Verursacher von jeglicher Beteiligung frei gestellt wurde? zu Frage 1: Die Freistellung von EKO Stahl GmbH (nunmehr ArcelorMittal Eisenhüttenstadt GmbH) von der Kostenlast für die Sanierungsmaßnahme zu 100 Prozent erfolgte durch den Bescheid des Landkreises Oder-Spree vom 27.10.1998 (verlängert durch Bescheid vom 22.06.2015) auf der Grundlage von Artikel 1 § 4 Abs. 3 Umweltrahmengesetz. Die Kostenverteilung zwischen Bund (60 %) und Land (40 %) beruht auf dem Verwaltungsabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Ländern Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Thüringen und dem Freistaat Sachsen zur Finanzierung der ökologischen Altlasten vom 10. März 1993 (abgelöst durch die ab 01.01.1995 geltende Fassung). Frage 2: Liegt der „Alte Kanalabstieg“ teilweise oder vollständig in einem Naturschutzgebiet mit besonders schützenswerten Arten? Falls ja, in welchem und zu welchem Anteil? Falls nein, wieso wird die Sanierung nicht für den gesamten belasteten Kanalabstieg vorgenommen ? Frage 3: Welche Kosten würden für eine Sanierung des gesamten Kanalabschnitts zusätzlich anfallen? 1 https://www.moz.de/artikel-ansicht/dg/0/1/1634982/ Landtag Brandenburg Drucksache 6/8693 - 2 - zu Frage 2 und 3: Der „Alte Kanalabstieg“ (AKA) liegt weder teilweise noch vollständig in einem Naturschutzgebiet. Diese Sanierungsvariante wurde wegen des nicht vertretbaren Kosten- als auch Zeitrahmens verworfen. Daher ist eine genaue Kostenkalkulation nicht erfolgt. Frage 4: Welche Kenntnis hat die Landesregierung von Plänen einer Speicherkraftwerksanlage zur möglichen Finanzierung der Sanierung und wie bewertet sie diese? zu Frage 4: Der Landesregierung sind über Schreiben bzw. Mail-Eingaben eines Bürgers aus Eisenhüttenstadt (Oktober 2010 und Oktober/Dezember 2017) Vorstellungen zu einem Pumpspeicherwerk übermittelt worden. Nach Kenntnis der Landesregierung kann keine der in die Korrespondenz einbezogenen bzw. möglicherweise betroffenen Behörden in den Ausführungen des Bürgers einen realistischen bzw. belastbaren Ansatz erkennen. Frage 5: Mit welcher Begründung wurde der Widerspruch der Stadt gegen den Sanierungsplan abgewiesen, in welchem die Stadt forderte, die Schlämme nicht nur abzudecken , sondern komplett zu beseitigen? zu Frage 5: Der Widerspruchsbescheid verweist insoweit auf den im Zuge einer gutachterlichen Bewertung erstellten Variantenvergleich und die danach für die betreffenden Sanierungszonen getroffene Entscheidung der unteren Bodenschutzbehörde zugunsten der Vorzugsvariante als geeignete und angemessene Maßnahme zur Gefahrenabwehr. Die vollständige Beseitigung der kontaminierten Gichtgasschlämme hatte sich in der Variantenbetrachtung als nicht angemessen erwiesen. Zusätzlich sei eine konkrete Verletzung der Rechte der Stadt in diesem Punkt nicht erkennbar. Frage 6: Welche Kosten wären bei einer kompletten Schlammbeseitigung angefallen? zu Frage 6: Da eine komplette Schlammbeseitigung zu keinem Zeitpunkt (weder fachlich noch monetär) Planungsgegenstand der Sicherungsmaßnahme war, können auf Grund der fehlenden Datenbasis hierfür keine seriösen Angaben gemacht werden. Frage 7: Das Auftragen einer 35cm starken Bodenschicht wurde grundsätzlich für ausreichend erachtet, um den belasteten Abfall zu sichern. In der Nähe des Spiel- und Skaterplatzes soll hingehen ein kompletter Bodenaustausch vorgenommen werden. Wie ist dies begründet? zu Frage 7: Der Spielplatz ist bereits 2004 im Rahmen einer sogenannten vorgezogenen Maßnahme saniert worden. Der mit der jetzigen Sicherungsmaßnahme in der Sanierungszone „Spielbereich“ noch vorgesehene Bodenaustausch begrenzt sich auf aufgrund nachgewiesener lokaler Verschleppungen gichtgasschlammhaltiger Bodensedimente auf (Rest- )Flächen. Frage 8: Welcher Abfall wurde von wem wo deponiert, waren gefährliche Abfälle darunter? Wann wurde der Abfall entsorgt und wer trug hierfür die Kosten? zu Frage 8: Ab 1969 wurden die gefährliche Stoffe enthaltenden Gichtgasschlämme, die nach geltendem Abfallrecht als gefährliche Abfälle einzustufen sind, aus den Hochöfen des damaligen Eisenhüttenkombinates Ost (EKO) auf die ehemalige Betriebsdeponie Landtag Brandenburg Drucksache 6/8693 - 3 - „Schlammhalde“ verbracht. Diese ist 2007/2008 nach den Maßgaben der abfallrechtlichen Plangenehmigung der zuständigen Behörde (damaliges Landesumweltamt) gesichert, endgültig stillgelegt und 2010 in die Nachsorge entlassen worden. Analog wurde mit den beiden weiteren Feststoffdeponien „Grube Präsident-Nord“ und „Seekippe/Staubhalde“ des damaligen EKO verfahren. Eine Deponiebeseitigung oder (externe) Abfallentsorgung erfolgte hingegen nicht. Frage 9: Gibt es ein Grund- und/oder Oberflächenwasser-Monitoring? Falls ja, seit wann und mit welchen Ergebnissen? Frage 10: Welche Gutachten oder Untersuchungen zu einer möglichen Belastung des Grund- und/oder Oberflächenwassers wurden von wem in Auftrag gegeben und kamen zu welchem Ergebnis? Frage 11: Liegt eine Belastung mit wasser- und bodengefährdenden Stoffen vor, falls ja in welcher Konzentration (bspw. Schwermetalle, Arsen etc.)? zu Fragen 9 bis 11: Seit 2000 wird für den Industriestandort Eisenhüttenstadt ein systematisches und flächendeckendes Grundwassermonitoring für die ehemaligen Betriebsdeponien und für das Werksgelände einschließlich angrenzendem Außen- und Abstrombereich (inklusive AKA) durchgeführt. Die Ergebnisse werden ganzheitlich in den Jahresberichten zur Nachsorge dokumentiert. Diese können bei der zuständigen unteren Bodenschutzbehörde des Landkreises Oder-Spree eingesehen werden. Die Beauftragung der Gutachten und Untersuchungen im Rahmen der Altlastenhaftungsfreistellung erfolgt grundsätzlich durch die ArcelorMittal Eisenhüttenstadt GmbH in enger Abstimmung mit der zuständigen Bodenschutzbehörde. Die Gutachten mit ihren jeweiligen Ergebnissen sind ebenfalls bei der unteren Bodenschutzbehörde des Landkreise Oder-Spree einsehbar. Die im Bereich des AKA durchgeführten Sedimentuntersuchungen belegten lokal Schadstoffbelastungen durch Cyanide, Schwermetalle und Mineralölkohlenwasserstoffe, die oberhalb der Prüfwerte der Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung (BBodSchV) für Park- und Freizeitanlagen lagen. Durchgeführte Eluatuntersuchungen wiesen eine nur geringe Mobilität der Schadstoffe nach. Im Grundwasser wurden in abstromigen Messstellen vereinzelt leicht über dem Geringfügigkeitsschwellenwert (GFS) nach Länderarbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) liegende Gehalte an Cyanid und Quecksilber festgestellt; eine relevante Verlagerung von Schadstoffen über den Grundwasserpfad wird den bisherigen Gutachten zufolge aber ausgeschlossen.