Landtag Brandenburg Drucksache 6/8694 6. Wahlperiode Eingegangen: 26.04.2018 / Ausgegeben: 02.05.2018 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 3461 der Abgeordneten Birgit Bessin (AfD-Fraktion) und Dr. Rainer van Raemdonck (AfD- Fraktion) Drucksache 6/8478 Feststellung ansteckender Krankheiten wie Tuberkulose, Skabies u.a. bei minderjährigen unbegleiteten und sonstigen Flüchtlingen in Brandenburg Namens der Landesregierung beantwortet die Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie die Kleine Anfrage wie folgt: In dem Bericht der Landesregierung zu den Auswirkungen der bundes- und landesrechtlichen Regelungen auf die Unterbringung, Versorgung und Betreuung unbegleiteter minderjähriger Ausländerinnen und Ausländer im Land Brandenburg (Drucksache 6/8135) wird auf Seite 16 mitgeteilt, dass nach Brandenburg umverteilte minderjährige Flüchtlinge ansteckende Krankheiten wie Skabies und Tuberkulose hatten. Zudem seien auch Krankheiten wie Hepatitis und andere Infektionskrankheiten festgestellt worden. In Erweiterung der bereits erfolgten Kleinen Anfragen zu TBC-Fällen von Flüchtlingen in Brandenburg (Drucksache 6/6827 und Drucksache 6/8235) wird nunmehr eine Gesamtbetrachtung sämtlicher meldepflichtiger Krankheiten vorzunehmen sein. Wir fragen die Landesregierung: 1. Welche konkreten meldepflichtigen Krankheiten und in welcher Anzahl wurden im Zeitraum ab 2015 bis einschließlich jetzt bei unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen sowie Flüchtlingen im Allgemeinen festgestellt? (Bitte aufschlüsseln nach Name der Krankheit, Anzahl, Name der Stadt bzw. Gemeinde, Jahr) Zu Frage 1: Die Auflistung der Anzahl der nach Infektionsschutzgesetz (IfSG) bei Flüchtlingen im Land Brandenburg übermittelten Meldungen im Zeitraum seit 2015 ist der Tabelle 1 zu entnehmen. Eine Aufschlüsselung für „unbegleitete“ minderjährige Flüchtlinge ist auf Landesebene nicht möglich, da dieses Merkmal bei der Übermittlung von meldepflichtigen Erkrankungen nicht erfasst wird. Die Angaben in der Tabelle 1 beziehen sich daher auf alle übermittelten Fälle bei Flüchtlingen, unterteilt nach Altersgruppe für unter und über 18-jährige Personen. Zum Vergleich ist die jeweilige Anzahl der übermittelten Fälle bei Nicht-Flüchtlingen (übrige Bevölkerung) angegeben. Eine Aufstellung nach Stadt bzw. Gemeinde ist nicht möglich, da der Landesregierung diese Daten dem IfSG entsprechend nicht vorliegen (siehe Antwort zu Frage 3). Weiterhin ist zu beachten, dass der Landkreis Märkisch-Oderland wegen technischer Probleme seit dem 02.02.2018 keine Daten übermitteln konnte. Landtag Brandenburg Drucksache 6/8694 - 2 - Für die Leitungen von Einrichtungen gemäß § 34 und § 36 IfSG, z. B. von Kindertageseinrichtungen , Schulen, Pflegeeinrichtungen, Justizvollzugsanstalten, Obdachlosenunterkünften und Einrichtungen zur gemeinschaftlichen Unterbringung von Asylbewerberinnen und Asylbewerbern und Flüchtlingen besteht beim Auftreten konkret benannter übertragbarer Krankheiten die Verpflichtung zur Meldung an das zuständige Gesundheitsamt, um notwendige Infektionsschutzmaßnahmen zu ermöglichen. Eine Übermittlungspflicht der Daten vom Gesundheitsamt an die Landesstelle (in Brandenburg das Landesamt für Arbeitsschutz , Verbraucherschutz und Gesundheit) besteht hingegen nicht. Darüber hinaus besteht im Land Brandenburg keine Übermittlungspflicht für das Auftreten einer durch E.-coli verursachten Darmentzündung (E.-coli-Enteritis), von Kopflausbefall oder der Hand-Fuß- Mund-Krankheit. Deshalb liegen der Landesregierung keine entsprechenden Daten vor. Tabelle 1: Anzahl der im Land Brandenburg nach IfSG übermittelten Infektionskrankheiten* bei Flüchtlingen nach Altersgruppe, Krankheit/Krankheitserreger und Meldejahr sowie bei Nicht-Flüchtlingen (übrige Bevölkerung ) nach Krankheit/Krankheitserreger und Meldejahr (Stand: 03.04.2018) Jahr 2015 2016 2017 2018 Flüchtlinge Übrige Bevölkerung Flüchtlinge Übrige Bevölkerung Flüchtlinge Übrige Bevölkerung Flüchtlinge Übrige Bevölkerung Infektionskrankheit bzw. Krankheitserreger An za hl < 18 J . ≥ 18 J . A nz ah l A nz ah l < 18 J . ≥ 18 J . A nz ah l A nz ah l < 18 J . ≥ 18 J . A nz ah l A nz ah l < 18 J . ≥ 18 J . A nz ah l Borreliose 1197 1 1 1764 1759 86 Brucellose 1 1 1 Campylobacter-Enteritis 2361 5 5 2148 5 4 1 2015 279 EHEC-Erkrankung 51 2 2 55 2 2 55 12 Enterobacter cloacae 3 2 1 1 9 1 Escherichia coli 1 1 5 1 1 4 1 Giardiasis 2 2 93 8 7 1 97 3 2 1 102 17 Hepatitis A 3 2 1 19 7 4 3 14 35 1 1 6 Hepatitis B 6 6 30 17 17 44 22 3 19 53 5 5 10 Hepatitis C 7 7 55 15 15 47 11 11 63 2 2 23 Hepatitis E 59 1 1 104 143 40 Influenza 1 1 2873 20 19 1 3595 13 8 5 4117 12 11 1 9379 Keuchhusten 553 1 1 637 1 1 833 191 Kryptosporidiose 3 3 74 79 1 1 93 5 Masern 101 24 23 1 10 8 2 Meningokokken, invasiv 1 1 11 1 1 7 1 1 9 5 Mumps 16 2 1 1 6 14 2 Norovirus-Gastroenteritis 9 9 4344 26 26 4519 11 11 3539 3 3 1346 Pneumokokken, invasiv 1 1 70 1 1 93 91 46 Rotavirus-Gastroenteritis 13 13 1841 12 11 1 1721 21 17 4 2921 421 Salmonellose 1 1 537 2 2 422 402 55 Shigellose 11 1 1 5 2 2 14 2 Tuberkulose 49 5 44 98 88 15 73 72 52 7 45 99 24 4 20 17 Typhus abdominalis 1 1 2 Windpocken 35 22 13 618 116 100 16 734 19 19 578 15 11 4 109 * Daten des Landkreises Märkisch-Oderland konnten wegen technischer Probleme seit dem 02.02.2018 nicht Landtag Brandenburg Drucksache 6/8694 - 3 - übermittelt werden. 2. Welche Maßnahmen wurden jeweils ergriffen und mit welchem Erfolg? Zu Frage 2: Der Landesregierung liegen keine Informationen zu konkret getroffenen Maßnahmen im Einzelfall vor, da sie nach IfSG nicht übermittlungspflichtig sind. Das zuständige Gesundheitsamt stellt gemäß § 25 IfSG die erforderlichen Ermittlungen an, insbesondere über Art, Ursache, Ansteckungsquelle und Ausbreitung der Krankheit. Die gemäß § 16 IfSG von der zuständigen Behörde zu treffenden Maßnahmen richten sich nach der jeweils gemeldeten Infektionserkrankung. Alle Maßnahmen zielen darauf ab, drohende Gefahren vom Einzelnen oder der Allgemeinheit abzuwenden. Dazu zählen Durchführung von Umgebungsuntersuchungen, um weitere Fälle und Kontaktpersonen zu identifizieren Veranlassung weiterführender Diagnostik (z.B. Feintypisierung, Gensequenzierung ), um Infektionsketten zu erkennen Empfehlung und Durchführung von Post-Expositionsprophylaxen in Form von Chemo- oder Impfprophylaxe Empfehlung und Umsetzung von Hygienemaßnahmen (z.B. Aufklärung von Erkrankten , Beratung zu Desinfektionsmaßnahmen) Anordnung notwendiger Schutzmaßnahmen (z.B. Tätigkeits- oder Schulbesuchsverbote ) Therapieüberwachung. Die Gesundheitsämter sind ebenso beteiligt an der Kontrolle der Wirksamkeit und des Erfolgs von angeordneten Maßnahmen. Die Einrichtungen, die unbegleitete minderjährige Flüchtlinge betreuen, melden gegenüber den zuständigen Gesundheitsbehörden meldepflichtige Krankheiten und stellen die gesundheitliche Versorgung des jungen Menschen sicher. 3. Sind Ansteckungen bekannt geworden? (Bitte aufschlüsseln nach Name der Krankheit, Anzahl, Name der Stadt bzw. Gemeinde, Jahr) Zu Frage 3: Bei Erkrankungsfällen, die im Rahmen eines Krankheitsausbruches gemeldet und übermittelt werden, wird davon ausgegangen, dass diese epidemiologisch zusammengehören , z.B. durch eine gemeinsame Infektionsquelle oder durch Ansteckung. In der Tabelle 2 ist für den Zeitraum ab 2015 die Anzahl der übermittelten Fälle von Infektionskrankheiten bei Flüchtlingen dargestellt, die im Zusammenhang mit einem Krankheitsausbruch gemeldet wurden. Insgesamt waren es 148 Fälle, die 11.031 Fällen gegenüberstehen , die in der gesamten Bevölkerung im Zusammenhang mit einem Krankheitsausbruch übermittelt wurden. Es handelt sich überwiegend um Infektionskrankheiten, die auch in der Allgemeinbevölkerung verbreitet sind. Eine Aufstellung nach Stadt bzw. Gemeinde ist der Landesregierung nicht möglich, da diese Daten dem IfSG entsprechend nicht übermittelt werden (siehe Antwort zu Frage 1). Weiterhin ist zu beachten, dass der Landkreis Märkisch -Oderland wegen technischer Probleme seit dem 02.02.2018 keine Daten übermitteln konnte. Landtag Brandenburg Drucksache 6/8694 - 4 - Tabelle 2: Anzahl der im Land Brandenburg nach IfSG übermittelten Infektionskrankheiten* bei Flüchtlingen, die im Zusammenhang mit einem Krankheitsausbruch gemeldet wurden, nach Krankheit/Krankheitserreger und Meldejahr (Stand: 03.04.2018) Jahr 2015 2016 2017 2018 Infektionskrankheit bzw. Krankheitserreger Giardiasis 2 Hepatitis B 2 Hepatitis C 2 Influenza 4 3 Masern 11 Norovirus-Gastroenteritis 2 3 Rotavirus-Gastroenteritis 16 Shigellose 2 Tuberkulose 1 Windpocken 18 62 10 10 Gesamtfallzahl 20 81 34 13 * Daten des Landkreises Märkisch-Oderland konnten wegen technischer Probleme seit dem 02.02.2018 nicht übermittelt werden. Bisher liegen der Landesregierung keine Anhaltspunkte dafür vor, dass eine relevante Infektionsgefährdung der Allgemeinbevölkerung durch Flüchtlinge vorliegt. Unverändert sieht auch das Robert Koch-Institut keine entsprechende Infektionsgefährdung. 4. Wie verläuft das weitere Verfahren, wenn wegen festgestellter ansteckender Krankheiten durch die Jugendämter Verteilausschlüsse erklärt worden sind? Zu Frage 4: Die Durchführung eines Verfahrens zur Verteilung unbegleiteter ausländischer Kinder und Jugendlicher ist gemäß § 42b Abs. 4 Ziff. 2 SGB VIII ausgeschlossen, wenn der Gesundheitszustand des bzw. der unbegleiteten ausländischen Minderjährigen die Durchführung des Verteilverfahrens nicht innerhalb von 14 Werktagen nach Beginn der vorläufigen Inobhutnahme zulässt. Festgestellte meldepflichtige, ansteckende Krankheiten stehen der Durchführung entgegen. Sollte im Rahmen der vorläufigen Inobhutnahme gemäß § 42a SGB VIII eine ansteckende Krankheit nicht festgestellt worden und der bzw. die unbegleitete Minderjährige aus einem anderen Bundesland nach Brandenburg verteilt worden sein, wird das Jugendamt, das den jungen Menschen zur Inobhutnahme gemäß § 42 SGB VIII zugewiesen bekommen hat, bzw. die betreuende Einrichtung die gesundheitliche Versorgung sicherstellen und die meldepflichtige Krankheit der zuständigen Gesundheitsbehörde melden.