Landtag Brandenburg Drucksache 6/8974 6. Wahlperiode Eingegangen: 13.06.2018 / Ausgegeben: 18.06.2018 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 3551 des Abgeordneten Christoph Schulze (fraktionslos) Drucksache 6/8744 Personalnot in Brandenburger Pflegeeinrichtungen Namens der Landesregierung beantwortet die Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie die Kleine Anfrage wie folgt: Wie die Presse berichtetet rechnet Ministerin Golze mit einem dramatischem Anstieg der Pflegefälle. Die Pflege alter Menschen ist eine enorme Herausforderung für die gesamte Gesellschaft. Wie dramatisch die Entwicklung der Pflegefälle verlaufen könnte, zeigen Zahlen aus Brandenburg . In Brandenburg wird nach Angaben des Sozialministeriums die Zahl der Pflegebedürftigen bis 2040 um 70.000 auf dann rund 173.000 steigen, das entspricht nahezu 70 Prozent. Das Verwaltungsgericht Cottbus hat in einem Urteil zur Pflege festgestellt, dass eine Pflegerin , bzw. ein Pfleger für 60 Bewohner ist zu wenig. Das Verwaltungsgericht Cottbus hat eine Lausitzer Einrichtung dafür gerügt, zu wenige Fachkräfte einzusetzen. Die Brandenburger Pflegeoffensive habe deshalb begonnen, Maßnahmen anzustoßen. Das Ministerium hat zudem die neue Broschüre "Zeit im Quartier - Gemeinsame Lebensqualität vor Ort gestalten" herausgegeben. Sie soll anhand von Projektbeispielen Hinweise geben, die sich aus dem demografischen Wandel ergeben. Es gehe unter anderem um die Bereiche Wohnen, Mobilität und Versorgung. Derzeit leben 640.000 Menschen im Alter über 65 Jahren in Brandenburg, den Schätzungen zufolge werden es 2040 über 800.000 sein. Bisher hat keiner die Zahlen offengelegt, wie es wirklich um das Personal in der Altenpflege steht und wie die Perspektiven sind. Ich frage die Landesregierung: 1. Wie viele Pflegerinnen und Pfleger sind aktuell im kommunalen Bereich und bei freien Trägern beschäftigt? Zu Frage 1: Die aktuell verfügbare Pflegestatistik des Amtes für Statistik Berlin-Brandenburg weist zum Stichtag 15. Dezember 2015 für das Land Brandenburg insgesamt 34.648 Personen aus, die in der ambulanten und stationären Pflege beschäftigt waren. Eine Unterscheidung nimmt die Statistik lediglich nach der Trägerschaft von Pflegediensten und stationären Pflegeeinrichtungen vor. Demnach befinden sich 65 % der Pflegedienste in privater, 34 % in freigemeinnütziger und 1 % in öffentlicher Trägerschaft. Bei den stationä- Landtag Brandenburg Drucksache 6/8974 - 2 - ren Pflegeeinrichtungen werden 35 % privat, 63 % freigemeinnützig und 2 % öffentlich betrieben . 2. Wie viele offene Stellen Pflegerinnen und Pfleger entsprechend dem Bedarf gibt es im Land Brandenburg? Liegen der Landesregierung hierzu Zahlen der kommunalen Spitzenverbände oder der Liga der Wohlfahrtsverbände, welche die Einrichtungen betreiben ? Zu Frage 2: Nach den Angaben der Bundesagentur für Arbeit waren dort im April 2018 in Brandenburg 987 freie sozialversicherungspflichtige Stellen in der Altenpflege gemeldet. Eine Verpflichtung der Träger von Pflegeeinrichtungen oder ihrer Spitzenverbände, offene Stellen zu melden, gibt es nicht. 3. Wie stellt sich der Bedarf an Pflegerinnen und Pfleger für die nächsten zehn Jahre dar? Wie viele Pflegerinnen und Pfleger müssten ausgebildet und dem Arbeitsmarkt zur Verfügung gestellt werden, um den Bedarf zu decken? 4. Wie viele Pflegerinnen und Pfleger gehen in den nächsten zehn Jahren voraussichtlich in den Ruhestand? Zu Frage 3 und Frage 4: Die Fragen 3 und 4 werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet. In dem für das Land Brandenburg veröffentlichten Pflegedossier wird eine Projektion der Anzahl der Beschäftigten in der Pflege unter Status-quo- Bedingungen vorgenommen. Demnach läge der Personalbedarf in der Pflege im Jahr 2029 aufgrund der zunehmenden Zahl pflegebedürftiger Menschen bei 47.794 Beschäftigten . Zudem werden bis dahin 15.440 kumulierte Rentenabgänge ausgewiesen. Um den sich aus diesen Faktoren ergebenden Ersatz- und Erweiterungsbedarf zu kompensieren , müssten unter Betrachtung der aktuellen heterogenen Beschäftigungsstruktur in den Pflegeeinrichtungen bis zum Jahr 2029 in etwa 13.800 Menschen einen staatlich anerkannten Berufsabschluss in den Pflegeberufen erzielen. Hinzu kommen die für dieses Berufsfeld ebenfalls relevanten Personalbedarfe in Krankenhäusern, in Arztpraxen sowie Ersatzbedarfe aufgrund von Personen, die den Beschäftigungssektor Pflege zugunsten anderer Branchen verlassen. 5. Wo werden aktuell im Land Brandenburg Pflegerinnen und Pfleger ausgebildet? Zu Frage 5: Die duale Ausbildung in der Altenpflege erfolgt in Anstellungsträgerschaft bei den ambulanten und stationären Pflegeeinrichtungen im Land Brandenburg. Der durch das Land geförderte theoretische Teil der Ausbildung wird derzeit an folgenden 18 staatlich anerkennten Altenpflegeschulen im Land Brandenburg durchgeführt: 1. Altenpflegeschule der Akademie für Sozial- und Gesundheitsberufe GmbH in 14547 Beelitz Heilstätten, 2. Altenpflegeschule der Hoffnungstaler Stiftung Lobetal im Diakonischen Bildungszentrum Lobetal in 16321 Bernau bei Berlin, 3. Altenpflegeschule des Carl-Thiem-Klinikum Cottbus gGmbH in 03048 Cottbus, 4. Altenpflegeschule in 16225 Eberswalde (Träger: Deutsches Erwachsenen-Bildungswerk gemeinnützige Schulträger-Gesellschaft Bamberg), Landtag Brandenburg Drucksache 6/8974 - 3 - 5. Schule für Gesundheits- und Pflegeberufe in 15890 Eisenhüttenstadt (Träger: Schule für Gesundheitsberufe e. V. Eisenhüttenstadt), 6. Altenpflegeschule des Campus Schule Lausitz in 01998 Schipkau Ortsteil Klettwitz (Träger: Klinikum Campus GmbH), 7. Altenpflegeschule des AWO Regionalverband Brandenburg Süd e.V. in 03222 Lübbenau , 8. Schule für Gesundheitsberufe am DRK Krankenhaus Luckenwalde in 14943 Luckenwalde , 9. AGUS Altenpflegeschule in 16816 Neuruppin in Trägerschaft der AGUS Akademie für Gesundheits- und Sozialberufe gGmbH Neuruppin, 10. Altenpflegeschule in 14641 Paulinenaue Ortsteil Selbelang des Ausbildungszentrums Gesundheit und Pflege Havelland GmbH Nauen, 11. Hoffbauer Altenpflegeschule in 14453 Kleinmachnow der Hoffbauer gGmbH Potsdam 12. AWO Akademie Altenpflegeschule in 14480 Potsdam (Träger: AWO Bezirksverband Potsdam), 13. Altenpflegeschule in 17291 Prenzlau (Träger: Medizinische Schule Uckermark e.V.), 14. Altenpflegeschule in 16928 Pritzwalk (Träger: KMG Bildungsakademie gGmbH Bad Wilsnack), 15. Altenpflegeschule in 15344 Strausberg der SOWI - Sozialwirtschaftliche Fortbildungsgesellschaft mbH Strausberg, 16. Altenpflegeschule in 03044 Cottbus (Träger: Lausitzer Wirtschafts- und Gesundheitsakademie GmbH Cottbus), 17. AGUS Altenpflegeschule in 16515 Oranienburg (Träger: AGUS Schule für Gesundheits - und Sozialberufe Oberhavel GmbH) und 18. Altenpflegeschule in 14770 Brandenburg a. d. H. (Träger: Städtisches Klinikum Brandenburg GmbH). Pflegekräfte werden zudem für die Gesundheits- und Krankenpflege und Gesundheitsund Kinderkrankenpflege ausgebildet. Diesbezüglich wird auf die Beantwortung der Kleinen Anfrage Nr. 3561 (Antwort zu Frage fünf) verwiesen. 6. Geht die Landesregierung davon aus, dass die aktuellen Ausbildungskapazitäten im Land Brandenburg ausreichen, um den Bedarf an Pflegerinnen und Pfleger in den nächsten zehn Jahren zu decken? Zu Frage 6: Die Landesregierung hat in den vergangenen Förderperioden dafür gesorgt, dass allen an einer Altenpflegeausbildung interessierten Menschen ein Schulplatz zur Verfügung gestellt werden konnte. Nach dem Bericht „Ausbildungsstätten für Fachberufe des Gesundheitswesens im Land Brandenburg Schuljahr 2017/18“ des Amtes für Statistik Berlin -Brandenburg haben im Schuljahr 2017/18 insgesamt 1.590 Menschen eine Ausbildung in einem einschlägigen Pflegeberuf begonnen. Ausgehend von den statistischen Projektionen zur Entwicklung des künftigen Pflegebedarfs müssten deutlich mehr Menschen für einen Pflegeberuf gewonnen und die Ausbildungskapazitäten entsprechend erhöht werden . So wird nach dem Ergebnisbericht der Einrichtungsbefragung zur Situation in ausgewählten Gesundheitsfachberufen in Berlin-Brandenburg aus dem Jahr 2015 (http://www.fisbranden - burg.de/media/1033/20150615_einrichtungsbefragung_gesundheitsfachberufe_berlinbrandenburg _kurzfassung.pdf) für den Zeitraum 2020 bis 2030 beispielsweise ein Erweite- Landtag Brandenburg Drucksache 6/8974 - 4 - rungs- und Ersatzbedarf von 7.800 examinierten Altenpflegerinnen und Altenpflegern angenommen . Im Jahr 2017 erreichten 475 Absolventinnen und Absolventen diesen Berufsabschluss . Für die Sicherung des künftigen Personalbedarfs in der Pflege ist die Ausbildung ein wichtiger Baustein, sie kann diese allein aber nicht gewährleisten. Darüber hinaus bedarf es weiterer Maßnahmen, zum Beispiel hinsichtlich verbesserter Arbeitsbedingungen und einer Weiterentwicklung der Versorgungsstrukturen. 7. Welche Schritte und Initiativen überlegt die Landesregierung, um mögliche Defizite bei der Ausbildung von Pflegerinnen und Pfleger zu schließen? Zu Frage 7: Es ist mit der Herausforderung umzugehen, dass aufgrund der demographischen Entwicklung die Anzahl von potentiellen Schülerinnen und Schülern sowie das künftig zur Verfügung stehende Erwerbspersonenpotential insgesamt sinken. Die bereits im Jahr 2011 in Auftrag gegebene und 2014 veröffentlichte „Brandenburger Fachkräftestudie Pflege“ hat hierfür Handlungsempfehlungen aufgezeigt. Danach muss mit Blick auf die Fachkräftesicherung besondere Priorität die Frage haben, wie der Eintritt von Pflegebedürftigkeit verzögert, verringert oder gar verhindert werden kann. Es geht strategisch um Pflegeprävention, u.a. durch eine alternsgerechte Gestaltung der Sozialräume (Altern und Pflege im Quartier). Zudem wurde eine Verbesserung der Beratung und Unterstützung pflegender Angehöriger empfohlen (78 Prozent der Pflegebedürftigen werden in der eigenen Häuslichkeit versorgt) sowie die Verbesserung der Ausbildungs- und Beschäftigungsbedingungen in der professionellen Pflege. Ausgehend von diesen Ergebnissen und unter Umsetzung des Landtagsbeschlusses „Pflegeoffensive für eine verantwortungsvolle pflegerische Versorgung im Land Brandenburg auch in der Zukunft“ vom 17. Dezember 2014 (Drucksache 6/248-B) hat die Landesregierung im Oktober 2015 eine Pflegeoffensive gestartet. Zentrale Maßnahmen, die im Rahmen der Pflegeoffensive entwickelt und mit den bereitstehenden Haushaltsmitteln (ab 2016 jährlich 1 Mio. Euro) gefördert wurden, sind die Projekte „Fachstelle Altern und Pflege im Quartier“, das Kompetenzzentrum Demenz für das Land Brandenburg und das Modellprojekt „Innovative Personaleinsatz- und Entwicklungskonzepte“. Die Landesregierung wird ihre Aktivitäten im Bereich der Ausbildungsförderung in der Altenpflege fortsetzen. 2017 wurden hierfür 4,7 Mio. Euro bereitgestellt. Seit Oktober 2017 fördert das Land ergänzend zur dreijährigen Altenpflegeausbildung auch die staatlich anerkannte einjährige Altenpflegehilfeausbildung als Regelausbildung, bis dahin war dies nur in Form einer Umschulung möglich. Nach dem erfolgreichen Abschluss kann dann in eine verkürzte Altenpflegeausbildung gewechselt werden. Um Ausbildungsabbrüche zu verringern , werden zudem Mittel für die sozialpädagogische Begleitung dieser Ausbildung bereitgestellt . Chancen für die Steigerung der Attraktivität einer Ausbildung in der Pflege bietet zudem die Einführung der generalistischen Pflegeausbildung auf der Grundlage des am 17. Juli 2017 vom Bundestag mit Zustimmung des Bundesrates beschlossenen Pflegeberufereformgesetzes . Im MASGF wurde eine Projektgruppe eingesetzt, um die fristgerechte Umsetzung der neuen Ausbildung in Brandenburg unter Einbeziehung der relevanten Beteiligten erfolgreich sicherzustellen, zu steuern und zu begleiten. Landtag Brandenburg Drucksache 6/8974 - 5 - Die Pflegeoffensive soll fortgesetzt und weiterentwickelt werden. Der Landespflegeausschuss , in dem alle wichtigen Brandenburger Pflegeakteure vertreten sind, hat in seiner Sitzung am 19. April 2018 als einen künftigen Arbeitsschwerpunkt beschlossen, die Fortführung der Pflegeoffensive zu unterstützen und weiter zu begleiten.