Landtag Brandenburg Drucksache 6/9121 6. Wahlperiode Eingegangen: 04.07.2018 / Ausgegeben: 09.07.2018 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 3605 der Abgeordneten Prof. Dr. Ulrike Liedtke (SPD-Fraktion) Drucksache 6/8877 Entwicklung des Kulturtourismus in Brandenburg Namens der Landesregierung beantwortet die Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung der Fragestellerin: Mit fast 13,1 Millionen Übernachtungen konnte das Land Brandenburg im Jahr 2017 einen weiteren Besucherrekord verbuchen. Kulturtourismus als ein Teil der Tourismuswirtschaft birgt nach wie vor große Wachstumspotenziale. So gehören Kultur und Tourismus einer Studie der Deutschen Zentrale für Tourismus zum Incoming Tourismus (DZT) zu den sechs wichtigsten Faktoren und Gründen, nach Deutschland zu kommen. Kulturtourismus kann gerade ländlichen und oft strukturschwachen Regionen nachhaltig Auftrieb geben. Brandenburgs kulturelle Vielfalt beschränkt sich dabei nicht nur auf Museen, Theater oder Schlösser. Gerade auch Tradition und Brauchtum in den ländlichen Regionen Brandenburgs bieten vielfältige Möglichkeiten und Abwechslung für zukünftige Gäste und Touristen. 1. Wie hat sich der Kulturtourismus in Brandenburg in den letzten fünf Jahren insbesondere mit Blick auf die ländlichen Regionen entwickelt? Zu Frage 1: Konkrete Zahlen zum Kulturtourismus in den ländlichen Räumen gibt es nicht. Allerdings haben sich die absoluten Übernachtungszahlen in Brandenburg in den letzten Jahren konstant positiv entwickelt: Waren es 2010 10,7 Mio. noch Übernachtungen, wurden 2017 die bereits zitierten 13,1 Mio. Übernachtungen erreicht. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der touristischen Markenbildung, in dem das Erleben von Kultur eine wichtige Rolle spielt, ist davon auszugehen, dass diese einen wichtigen Beitrag hierzu geleistet hat. Denn Brandenburg hat sich in den vergangenen Jahren zu einem beliebten Kulturreiseziel entwickelt: 42% der Inlandsreisenden und 57% der Gäste aus dem Ausland bezeichnen ihren Urlaub in Brandenburg „als Kultururlaub“ bzw. „auch als Kultururlaub“. Damit hat Brandenburg nach Sachsen-Anhalt den höchsten Anteil an innerdeutschen Kulturreisen am Reiseaufkommen der einzelnen Flächen-Bundesländer und liegt weit über dem bundesdeutschen Durchschnitt von 19%. 2. Mit welchen konkreten Maßnahmen unterstützt das Land Brandenburg die kulturtouristischen Akteure bei der Entwicklung und Vermarktung von kulturtouristischen Angeboten und beim Auf- und Ausbau von marktspezifischem Know-how? Zu Frage 2: Ein Kernelement der Kulturpolitischen Strategie des Landes (KPS) ist die Entwicklung des Kulturtourismus in Brandenburg. Als Hilfestellung für diesen Prozess hat Landtag Brandenburg Drucksache 6/9121 - 2 - die Landesregierung 2013 gemeinsam mit der TMB einen Leitfaden Kulturtourismus entwickelt . Mit dieser konkreten Maßnahme werden die Kulturakteure und -einrichtungen angeleitet , die eigenen kultur-touristischen Potenziale zu identifizieren, die touristischen Serviceketten in der Einrichtung bzw. im Umfeld zu definieren, Partnerschaften mit touristischen Dienstleistern zu entwickeln und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für den Kulturtourismus zu qualifizieren. Viele Kultureinrichtungen und Künstler des Landes haben ihren Platz bzw. ihre Rolle in Bezug auf den Kulturtourismus gefunden. Thematisch bei ihrer Arbeit geleitet werden sie dabei von den etablierten Kulturtourismus-Marken, wie sie mit den Kulturland-Themenjahren, den Kulturfeste-Reihen oder mit den TMB-Kultur- Jahreskampagnen definiert werden, zu denen sich viele Angebote zuordnen lassen. Innerhalb der Erlebniswelt „Kultur erleben“ sind die brandenburgischen Kernthemen - UNESCO-Weltkulturerbe Potsdam - Events vor historischen Kulissen und auf „Natur“-Bühnen - Preußisches Arkadien (insbes. Friedrich II., Schinkel) - Schlösser, Gärten, Parks - Kunst und Kultur in Geschichte und Gegenwart (von Pückler bis Bollhagen), - Geschichte, Sagen, Traditionen (Archäologisches Landesmuseum, mystischer Spreewald , AG Städte mit hist. Stadtkernen) - Gedenk- und Erinnerungsstätten Märkische Dichterlandschaft/Dichterstraße (Fontane, Kleist, Hauptmann) - Industriekultur gestern und heute. Auf dieser Marken- und Themenarchitektur aufbauend, haben die zuständigen Ressorts MWE und MWFK gemeinsam verschiedene Instrumente und Maßnahmen entwickelt, um die Kultur- und Tourismus-Akteure auf der Grundlage der „Landestourismuskonzeption 2016+“ bei ihrer Angebotsentwicklung zu unterstützen. Hierzu zählen neben der genannten kulturpolitischen Strategie des Landes Brandenburg und dem Leitfaden Kulturtourismus die interministerielle AG Tourismus und die Arbeit der Tourismus Marketing Brandenburg GmbH (TMB). Die TMB treibt die Schulung der Akteure ebenso wie die Vermarktung der kulturtouristischen Angebote voran. 2017 wurde hier eigens eine Koordinierungsstelle für Kulturtourismus eingerichtet, wobei die bisherigen Instrumente (AG Kulturtourismus in der TMB, Geschäftsführerkonferenz der Reisegebietsverbände) weitergeführt werden. Ausgewählte Kultur-Jahreskampagnen, wie z.B. 2017 die Reformation und 2019 Fontane werden wesentlich von der TMB getragen. Auf der Seite der Kulturakteure verfügt zum einen die Brandenburgische Gesellschaft für Kultur und Geschichte gGmbH (BKG) ein zentrales Management für tourismusaffine Kulturveranstaltungen und entsprechende landesweit wirksame Projekte (Initiierung, Beratung, Umsetzung mit den jeweiligen Partnern). Hierzu zählen die Kulturland -Themenjahre 2018: „wir erben. europa in brandenburg. brandenburg in europa.“ (im europäischen Kulturerbejahr/ECHY 2018) und fontane.200 in 2019 sowie Ausstellungen, Projekte, Veranstaltungen im Haus der Brandenburgisch- Preußischen Geschichte mit kultur-touristischer Impulsgebung für das Land Brandenburg. Zum anderen haben sich die Kulturfeste im Land Brandenburg e.V. mit besonderem Fokus auf Events vor historischen Kulissen und auf Naturbühnen (im ländlichen Raum) seit vielen Jahren etabliert. Beispielhaft und als kleiner Ausschnitt seien hier genannt: die Havelländischen Musikfestspiele, der Theatersommer Netzeband, das Bebersee Festival, der Choriner Musiksommer, die Musikfesttage an der Oder, die Uckermärkischen Musikwochen , die Elblandfestspiele Wittenberge oder die Brandenburgischen Sommerkonzerte. Die Landesregierung orientiert ihre Kultur- und Tourismuspolitik darauf, sowohl die strukturellen Voraussetzungen als auch inhaltliche Angebote zu entwickeln, um nachhaltige Rei- Landtag Brandenburg Drucksache 6/9121 - 3 - seanlässe zu schaffen und somit den Kulturtourismus als integralen Bestandteil des Brandenburg -Tourismus insgesamt weiter zu profilieren und zu stärken. So wurden und werden sowohl kulturpolitische und investive Maßnahmen zur Ertüchtigung der kulturellen und kultur -touristischen Infrastruktur umgesetzt und zugleich auch regionale Highlight-Events gefördert , die über eine bestimmte Region hinaus Aufmerksamkeit und eine kulturaffine Reisetätigkeit generieren. Hierzu zählen in jüngster Zeit neben weiteren Maßnahmen die Errichtung der Stiftung „Fürst-Pückler-Museum Park und Schloss Branitz“ (SFPMG) für die Region Cottbus/Lausitz (2018), der Aufbau eines Landesmuseums für moderne Kunst (BLmK) für die Entwicklung der Kunststandorte Cottbus und Frankfurt/Oder (2017) oder der konsequente bauliche und strukturelle Aufbau des Kleist-Museums in Frankfurt (Oder). Über diese Maßnahmen hinaus fördert das Land jährliche regionale Kunst- und Eventreihen mit hohem touristischem Besucherpotenzial, wie o die Kunstschauen „Spectrale“ (Luckau), „Aquamediale“ (Lübbenau und Spreefließe) oder o die Musik-Festivals „Oper Oder-Spree“, „Seefestival Wustrau“ oder den „Kirchensommer Brodowin“, o die Theater-Events „Potsdamer Tanztage“, „Brandenburger Klostersommer“, „Theaterspektakel an der neuen Bühne Senftenberg“ oder das „Internationale Puppentheater -Festival im Elbe-Elster-Land“ o die Förderung regionaler kultur-touristischer Netzwerke, wie das „Netzwerk Kulturtourismus Seenland Oder-Spree“, das Netzwerk „Klosterland e.V.“, der Europäische Parkverbund Lausitz oder der Museumsverbund im Elbe-Elster-Land (Doberlug- Kirchhain, Mühlberg, Finsterwalde, Bad Liebenwerda) Hinzu kommt die kontinuierliche Modernisierung bzw. der Ausbau der brandenburgischen Museums- und Gedenkstättenlandschaft - auch in Bezug auf die touristische Attraktivierung bzw. Inwertsetzung der Einrichtungen. Hier sind aus der jüngsten Zeit - ebenfalls nur ausschnitthaft besonders hervorzuheben: das Museum Himmlisches Theater Neuzelle, das Museum Schloss Doberlug, das Museum Mühlberg 1547, das Hedwig Bollhagen Museum Velten und das Museum Kloster Chorin. Im Rahmen des laufenden ESF-OP (2016- 2020) und der daraus abgeleiteten „Richtlinie zur Kompetenzentwicklung in Kultur und Kreativwirtschaft“ von MWE und MWFK werden unter Fördertatbestand B zudem Netzwerkprojekte gefördert, die explizit der touristischen Vermarktung von kulturellen Angeboten dienen. Beispielhaft sind hierfür die Projekte: - Eigenbetrieb Kloster Chorin: „Kloster Chorin als Destination des spirituellen Tourismus in der Modellregion Barnim und Uckermark“ - Fontane-Festspiele gUG: „Organisatorischer und programmatischer Ausbau der Fontane -Festspiele und ihrer Wirkungsfelder“ in der Reiseregion Ruppiner Seenland - com+ Büro für Kommunikation und Kunst: „Kunst machen - Kunst gucken” als Kooperationsprojekt zwischen bildenden Künstlern, Kunstvermittlern und touristischen Einrichtungen (neue kultur-touristische Produkte, geführte Kunsttouren mit Atelierbesuchen und Mitmachangeboten unter Einbeziehung regionaler Besonderheiten und Produkte). 3. Wie beurteilt die Landesregierung die Vernetzung der einzelnen Akteure im Kulturtourismus ? Zu Frage 3: Auf der Grundlage der Landestourismuskonzeption (insbesondere im Handlungsfeld 2: „Organisation und Kooperation“) sowie mithilfe des „Leitfadens Kulturtourismus Brandenburg“ haben die Vernetzung der kultur-touristischen Akteure in den letzten Jahren erheblich an Qualität und Quantität gewonnen haben. Dies zeigt sich vor allem in Landtag Brandenburg Drucksache 6/9121 - 4 - den wachsenden Aktivitäten sowohl der Kultur- als auch der Tourismusakteure, Win-Win- Partnerschaften einzugehen und gemeinsam kultur-touristische Produkte zu entwickeln. Unter dem Dach z.B. von Kulturland Brandenburg, den Kulturfesten im Land Brandenburg oder der AG Städte mit historischen Stadtkernen werden die kulturtouristischen Angebote gebündelt und im Rahmen der strategischen Zusammenarbeit mit der TMB in das touristische Landesmarketing integriert. Beispielhaft war hierbei die Gründung des landesweiten touristischen Netzwerks Industriekultur Brandenburg in 2017. 4. Welche Schwerpunkte setzt das Land, um den Kulturtourismus in Brandenburg weiter auszubauen? Zu Frage 4: In Umsetzung der Landestourismuskonzeption 2016+ hat die Landesregierung aus den sechs Handlungsfeldern folgende Aufgaben (Schwerpunkte) zum Kulturtourismus verifiziert (zusammengefasste Auswahl): Handlungsfeld 1: Starke und innovative Unternehmen Hier soll es einerseits um die Förderung des touristischen Bewusstseins in kulturellen Einrichtungen gehen (Verifizierung neuer Wertschöpfungsketten für differenzierte Angebote , Kulturtourismus als Chance zur Sicherung/Schaffung von Arbeitsplätzen), andererseits um die Förderung des kulturellen Bewusstseins bei touristischen Dienstleistern (Kultur als Chance, touristische Angebote weiter zu profilieren sowie für die Stärkung der regionalen Identität touristischer Marken). Zur Ertüchtigung der Unternehmen für die kultur-touristische Wertschöpfung sollen zudem spezielle Beratungs- und Qualifizierungsangebote entwickelt und ggf. gefördert werden (u.a. „Service Q“-Qualifizierung durch die TAB - Tourismusakademie Brandenburg). Darüber hinaus unterstützt die Landesregierung Kooperationen und Netzwerke von Kulturträgern mit der Tourismuswirtschaft sowie die Entwicklung gemeinsamer, innovativer Produkte mit dem Ziel, den Gästen außergewöhnliche und qualitativ hochwertige Erlebnisse zu garantieren. Handlungsfeld 2: Organisation und Kooperation In diesem Handlungsfeld unterstützt die Landesregierung die Einbindung von Kulturträgern in touristische Organisationsstrukturen (lokal, regional, landesweit), die Verifizierung relevanter Kooperationspartner in den Regionen sowie die Initiierung neuer, innovativer Kooperationen und kulturtouristischer Netzwerke von Kultur- und Tourismuspartnern. Hierbei kommen insbesondere der IMAG Tourismus beim MWE, der TMB sowie der Brandenburgischen Gesellschaft für Kultur und Geschichte gGmbH (Kulturland Brandenburg) steuernde und koordinierende Aufgaben zu. Handlungsfeld 3: Digitalisierung und Kommunikation Bei der Entwicklung von Digitalisierung und Kommunikation im Kulturtourismus sind die Bestrebungen der Landesregierung auf den Ausbau der digitalen Zielgruppenansprache für Kulturtouristen gerichtet, auf die Qualifizierung/Weiterbildung der kulturellen und touristischen Akteure für die digitale Angebotsentwicklung/Vermarktung, auf die Förderung des gegenseitigen Verständnisses von Kommunikationsketten in Kultur und Tourismus zur Optimierung der kulturtouristischen Kommunikation sowie auf die Sicherstellung der rechtzeitigen und kontinuierlichen Informationsgebung in die gegenseitigen Kommunikationsplattformen (Online, Print, Mobil). Hinzu kommt die Sicherstellung der Kommunikation kulturtouristischer Angebote in den Vermarktungskanälen der TMB, die Forcierung der Buchbarkeit kulturtouristischer Angebote im Internet und die Etablierung moderner Informationsquellen in den Kultureinrichtungen (Touchpoints etc.). Landtag Brandenburg Drucksache 6/9121 - 5 - Handlungsfeld 4: Infrastruktur und Mobilität Hierbei sind die Aktivitäten der Landesregierung auf die stärkere Anpassung der Infrastruktur , der Servicequalität sowie der Abläufe von Kulturträgern an die touristische Nachfrage bzw. an das touristische Ortsbild gerichtet (Informationsgebung/Beschilderung, Öffnungszeiten , Mobilitätsangebote etc.). Außerdem sollen die Synergien zwischen kulturellen und touristischen Infrastrukturen befördert werden (Vermarktung, Vertrieb, Kommunikation, Dienstleistungen). Handlungsfeld 5: Wertschöpfende Produkte Die Kreierung wertschöpfender Produkte im Kulturtourismus ist eine zentrale Aufgabe im Kulturtourismus. Die Landesregierung richtet daher ihre Aktivitäten insbesondere auf die Entwicklung von (emotionalen) kulturtouristischen Leitprodukten sowie Sekundärangeboten , die dauerhaft und saisonal Reiseanlässe schaffen (Basis: kulturelles Erbe), auf die Unterstützung bei der Durchsetzung der Markenstrategie der TMB für eine konkurrenzfähige Produktqualität (Stichwort: touristische Erlebbarmachung), auf die Erfüllung der Leistungsversprechen von kulturtouristischen An-geboten sowie auf die weitere und optimierte Entwicklung von wertschöpfenden kulturtouristischen Produkten von nationalem und internationalem Interesse. Dabei soll nicht zuletzt die interministerielle Zusammenarbeit zur aktiven Förderung landesweiter Potential- und Machbarkeitsstudien optimiert werden (z.B. Leitfaden Kulturtourismus, Besucheranalysen, Potenzialanalysen zum Kulturtourismus). Handlungsfeld 6: Fokussierung Zielgruppen und Märkte Im Zentrum dieses Handlungsfeldes steht für die Landesregierung die weitere Schärfung des Profils Brandenburgs als „Kulturreiseland am Wasser“. Dazu sollen kulturelle Subthemen der Urlaubswelt „Kultur erleben“ mit den Zielgruppen abgeglichen und gegebenenfalls neujustiert werden. Touristische Dienstleister werden angehalten, Kultureinrichtungen als Bestandteil des Tourismus anzuerkennen und in die Produktentwicklung und Zielgruppenansprache einzubinden. Umgekehrt, sollen sich Kultureinrichtungen als Teil der Marke Brandenburg verstehen. Zudem sollen die Kenntnisse über die Zielgruppen im Kulturtourismus verbessert werden (z.B. mit Hilfe der systematischen Marktforschung).