Landtag Brandenburg Drucksache 6/9199 6. Wahlperiode Eingegangen: 12.07.2018 / Ausgegeben: 17.07.2018 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 3640 des Abgeordneten Danny Eichelbaum (CDU-Fraktion) Drucksache 6/8950 Traumaambulanzen in Brandenburg Namens der Landesregierung beantwortet die Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie die Kleine Anfrage wie folgt: Neben den psychiatrischen Fachkrankhäusern bzw. -abteilungen und dn psychiatrischen Institutsambulanzen (PIA) besteht das Institut der Traumaambulanz. Ziel von Traumaambulanzen ist es, Opfern von Gewalt- und Sexualstraftaten monatelange Wartezeiten bei niedergelassenen Ärzten und Psychologen zu ersparen und eine Akutversorgung innerhalb von wenigen Tagen zu ermöglichen. Zahlreiche Bundesländer haben solche Traumaambulanzen bereits eingerichtet. In Brandenburg bestand bis zum Jahr 2016 ein entsprechendes dreijähriges Modellprojekt, das allerdings nicht fortgeführt wurde. Im Juli 2017 hat die Landesregierung Lottomittel zur Verfügung gestellt und damit dem Verein Opferhilfe die Finanzierung von fünf Traumaambulanzplätzen bis Februar 2018 ermöglicht. Ich frage die Landesregierung: 1. In welchem Umfang hat oder plant die Landesregierung jeweils in den Jahren 2015 bis 2019 Landesmittel zur Unterstützung traumatisierter Verbrechensopfer zur Verfügung gestellt? Zu Frage 1: Die Landesregierung hat von 2015 bis zur Gegenwart mehrere Organisationen finanziell gefördert, die sich aktiv dem Opferschutz widmen. Das Ministerium für Bildung, Jugend und Sport (MBJS) hat im betreffenden Zeitraum aus Haushaltsmitteln die Beratung von Betroffenen rechtsextremer Gewalt durch den Verein „Opferperspektive e.V.“ gefördert. Insgesamt wurde der Verein Opferperspektive e.V. mit folgenden Beträgen gefördert: 2015: 289.709,64 € 2016: 311.850,00 € Ab 2017 hat nach dem Wechsel der Koordinierungsstelle „Tolerantes Brandenburg“ vom MBJS in die Staatskanzlei diese im betreffenden Zeitraum aus Haushaltsmitteln die Beratung von Betroffenen rechtsextremer Gewalt durch den Verein „Opferperspektive e.V.“ gefördert . Insgesamt wurde/wird der Verein Opferperspektive e.V. mit folgenden Beträgen gefördert: 2017: 386.756,00 € 2018: 406.037,00 € Landtag Brandenburg Drucksache 6/9199 - 2 - Die Fortsetzung der Förderung in 2019 wird vom MBJS angestrebt. Das Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie (MASGF) hat seit 2014 das Projekt "Medizinische Soforthilfe und vertrauliche Spurensicherung" nach einer Vergewaltigung mit insgesamt 34.790 € aus Landesmitteln gefördert. Seit November 2014 bieten vier Kliniken (Potsdam, Neuruppin, Cottbus, Frankfurt / Oder) die "Medizinische Soforthilfe und vertrauliche Spurensicherung" nach einer Vergewaltigung an. Dabei geht es nicht in erster Linie um die Behandlung von Traumatisierungen, sondern um die medizinische Betreuung, Beratung, Information und um die vertrauliche Spurensicherung. Die Kliniken sind jedoch gehalten, die Opfer bei Bedarf über eine Traumabehandlung zu beraten und an die entsprechenden Stellen zu verweisen. Gerade traumatisierte Opfer sind oft nicht sofort in der Lage, strafrechtliche Möglichkeiten zu nutzen. Später kann das Opfer ohne zeitlichen Druck entscheiden, ob und wann eine Anzeige erstattet wird. Es gilt die ärztliche Schweigepflicht. Die Strukturen zur vertraulichen Spurensicherung sind ein wichtiger Beitrag zur Verbesserung des Opferschutzes. Dies beinhaltet die Kosten für landesweit einheitliche Spurensicherungssets in den Kliniken, regelmäßige Schulungen in den Kliniken, u.a. zu psychotraumatologischen Grundlagen, sowie Mittel für Öffentlichkeitsarbeit (u.a. Flyer in fünf Sprachen). Außerdem wurde eine Fachtagung veranstaltet und ein Kinospot gedreht. In 2018 sind 5.000 € aus Landesmitteln vorgesehen. Auch in 2019 ist dieser Betrag veranschlagt. Über die Förderung des Projekts Traumaambulanz des Vereins Opferhilfe e.V. wird in der Antwort auf die Fragen 6 bis 8 berichtet. 2. Welche personellen, zeitlichen und fachlichen Kapazitäten besitzen die Psychiatrischen Institutsambulanzen, um psychotraumatologische Notfälle zu versorgen? Zu Frage 2: Die Fachärztinnen und Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie und approbierten psychologischen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten in den Psychiatrischen Institutsambulanzen (PIA) sind dafür ausgebildet, psychische Störungen einschließlich Traumafolgestörungen zu diagnostizieren und zu behandeln. Im Land Brandenburg gibt es ein flächendeckendes Netz aus 18 PIAs und 10 weiteren Außenstellen. Die Hilfen der PIA können während ihrer Öffnungszeiten ohne Voranmeldung und ohne Überweisung in Anspruch genommen werden. In Notfällen wird auch zu anderen Tageszeiten Akuthilfe geleistet. 3. Wie viele Psychotherapeuten haben die Fortbildungsqualifikation „Psychotraumatherapie OPK“ (oder eine äquivalente Fortbildung) absolviert? Zu Frage 3: Die Ostdeutsche Psychotherapeutenkammer (OPK) pflegt auf ihrer Webseite (www.opk-info.de) eine Übersicht „Psychotraumatherapeuten“ und weist mit Stand vom Mai 2018 im Land Brandenburg 19 psychologische Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten und 5 „Traumatherapeuten KiJu OPK“ aus. 4. Was war das Ergebnis der Evaluierung des auf drei Jahre angelegten Potsdamer Modellprojekt „Traumaambulanz und Opferberatung“? 5. Wie bewertet die Landesregierung dieses Projekt bzw. dessen Evaluierung? Landtag Brandenburg Drucksache 6/9199 - 3 - Zu den Fragen 4 und 5: Die Fragen 4 und 5 werden wegen des sachlichen Zusammenhangs zusammen beantwortet. Der Verein Opferhilfe beauftragte 2013 Frau Prof. Dr. Gahleitner von der Österreichischen Donau Universität Krems mit der Evaluation des von der Aktion Sorgenkind geförderten Projektes „Traumaambulanz der Opferhilfe Potsdam – Modellprojekt zur Verbesserung der Psychosozialen Versorgung traumatisierter Gewaltopfer im Rahmen der Frühintervention“. Ziel der Evaluation war nach dem veröffentlichten Bericht (www.opferhilfe-brandenburg.de/opferhilfe/veroeffentlichungen/) u.a. „einen Nachweis über die Wirkung der Einrichtung für potentielle GeldgeberInnen zu führen“ (S. 7). Für diesen Zweck wurde eine quantitative und eine qualitative Studie mit Klientinnen und Klienten zwischen 2013 und 2015 durchgeführt. Aus dem Bericht geht hervor, dass von den 369 Personen, die mit der Traumaambulanz im Zeitraum von etwa zwei Jahren Kontakt hatten, 176 zur Zielgruppe gehörten. Drei Maßnahmen wurden angeboten und in der Evaluation untersucht: (1) Akut- und Kurzzeittraumatherapie , (2) sozialpädagogische Begleitung und (3) Psychotrauma-Beratung. Die Klientinnen und Klienten wurden nach fachlichen Gesichtspunkten nach dem Erstgespräch den drei Gruppen zugeordnet. Schließlich wurden insgesamt 63 Personen (mehrheitlich Frauen) zu Beginn der Maßnahmen für die Evaluation untersucht. Zum Abschluss der Maßnahmen nach drei Monaten wurden 31 Personen befragt und zum dritten Zeitpunkt, drei Monate nach der Maßnahme, wurden noch 17 Personen erreicht. Die drei Gruppen ähneln sich im Verlauf der Maßnahmen. Das heißt, nach den Evaluationsdaten sind die Maßnahmentypen Begleitung, Beratung, Psychotherapie ähnlich in der Wirkung. Allerdings ist das Ergebnis mit Vorsicht zu interpretieren. Die Personen wurden den drei Maßnahmegruppen nicht zufällig zugeordnet und verglichen mit der Gesamtzahl der Besucherinnen in der Ambulanz ist die schließlich untersuchte Personengruppe zu klein, um die Evaluationsergebnisse abschließend zu bewerten. Aus der Evaluation wird nicht ersichtlich , was aus der Mehrzahl der Klientinnen und Klienten im Zeitverlauf wurde. Im qualitativen Teil der Evaluation bescheinigen die Klientinnen und Klienten der Traumaambulanz, Hilfe erfahren zu haben. 6. Aus welchen Gründen wurde das Modellprojekt nicht weitergeführt? 7. Aus welchen Gründen wurde im Juli 2017 doch eine Förderung des Vereins Opferhilfe zur Finanzierung von fünf Traumaambulanzplätzen beschlossen? 8. Wurde die Förderung nach Februar 2018 wieder endgültig eingestellt? Ist eine weitere Förderung geplant? Zu den Fragen 6 bis 8: Wegen des sachlichen Zusammenhangs werden die Fragen 6 bis 8 zusammen beantwortet. Die Traumaambulanz ist keine Einrichtung der Regelversorgung im Gesundheitswesen. Daher mussten immer wieder neue Wege der Finanzierung gesucht werden. Nach Auskunft der Leitung der Opferberatung/Traumaambulanz - Opferhilfe Land Brandenburg e.V., des Ministeriums der Justiz und für Europa und Verbraucherschutz (MdJEV) sowie nach Sachstandslage des MASGF wurde und wird die Finanzierung der Traumaambulanz folgendermaßen organisiert: Landtag Brandenburg Drucksache 6/9199 - 4 - Die Einrichtung wurde nach Abschluss des Modellprojektes (Förderung durch die Aktion Mensch) vom 1. September bis 31. Dezember 2015 durch das MASGF weiterfinanziert . Ziel war die Überleitung des Modellprojektes in eine Dauereinrichtung. Hierfür wurde in der Psychiatrischen Institutsambulanz des Klinikums Ernst von Bergmann eine Psychotherapeutenstelle für die psychotherapeutische Behandlung von Personen mit Posttraumatischem Belastungssyndrom (PTSB) eingerichtet. Von Januar bis Juni 2016 erfolgte dann die Finanzierung der Psychotherapeutenstelle durch das Klinikum Ernst von Bergmann. Leider konnte eine Überleitung in eine Finanzierung durch die GKV nicht erreicht werden. Die Traumaambulanz am Klinikum Ernst von Bergmann wurde Ende Juni 2016 geschlossen. Im Juni 2017 wurde die Traumaambulanz dann mithilfe einer Förderung (Konzessionsabgabe Lotto) durch das Ministerium der Justiz und für Europa und Verbraucherschutz (MdJEV) wieder eröffnet (Förderzeitraum 1. Juni 2017 bis 28. Februar 2018 mit 8.316,00 €). Im Zeitraum 1. März 2018 bis 28. Februar 2019 fördert das MdJEV wieder mit 11.536,80 € aus der Konzessionsabgabe Lotto. Mithilfe der Förderung können 5 Therapieplätze in der Traumaambulanz finanziert werden. Seit Januar 2017 wird zudem die sozialpädagogische Begleitung in der Traumaambulanz durch die Stadt Potsdam im Umfang von 10 Wochenstunden gefördert. Es liegt derzeit ein Förderbescheid bis Ende 2018 vor. Aus der obigen Aufstellung ergibt sich, dass die Förderung nach Februar 2018 nicht eingestellt wurde. MdJEV plant, die Traumaambulanz auch in den Jahren 2019 und 2020 weiter zu fördern. 9. Sind weitere Traumaambulanzen oder Plätze zur Traumatherapie in anderen Landesteilen Brandenburgs geplant oder bereits eingerichtet? Wenn nein, warum nicht? Zu Frage 9: Gegenwärtig sind keine weiteren Traumaambulanzen oder Plätze zur Traumatherapie in anderen Landesteilen Brandenburgs geplant. Eine entsprechende Einrichtung ist nicht bekannt. Die Landesregierung hat anlässlich mehrerer Kleiner Anfragen (Fragen 8 und 9 der Kleinen Anfrage Nr. 558, Landtagsdrucksache 6/1264; Frage 9 der Kleinen Anfrage Nr. 3464, Landtagsdrucksache 5/8896; Frage 2 der Kleinen Anfrage 2475, Landtagsdrucksache 5/6433) zu Traumaambulanzen Stellung genommen. In den Regelstrukturen der medizinischen Versorgung im Land sind Möglichkeiten für die psychiatrische und psychotherapeutische Behandlung von traumatisierten Gewaltopfern vorhanden. Diese Auffassung entspricht der S3-Leitlinie Posttraumatische Belastungsstörung (ICD 10: F 43.1; https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/051- 010k_S3_Posttraumatische_Belastungsstoerung_2012-abgelaufen.pdf), wonach im medizinischen Versorgungssystem keine Sondereinrichtungen für die Posttraumatische Belastungsstörung vorgesehen sind. Opfern von Gewalttaten sollte ein breites, vernetztes Angebot gemacht werden. Die Anforderung der vernetzten Arbeit bezieht sich hier darauf, dass zunächst eine sichere Umgebung herzustellen ist (Schutz vor weiterer Traumaeinwirkung ). Weiterhin sind wichtig: Organisation des psycho-sozialen Helfersystems, Psychoedukation und Informationsvermittlung bzgl. traumatypischer Symptome und Verläufe. Landtag Brandenburg Drucksache 6/9199 - 5 - Psychiatrische und psychotherapeutische Hilfe für Gewaltopfer leisten neben den ambulant tätigen ärztlichen und psychologischen Fachkräften vor allem die Psychiatrischen Institutsambulanzen . Alle 18 psychiatrischen Fachkrankenhäuser bzw. psychiatrischen Fachabteilungen an Allgemeinkrankenhäusern in Brandenburg verfügen über eine psychiatrische Institutsambulanz zur ambulanten psychiatrischen und psychotherapeutischen Versorgung derjenigen Versicherten, die wegen Art, Schwere oder Dauer ihrer Erkrankung oder wegen zu großer Entfernung zu geeigneten Ärztinnen und Ärzten auf die Behandlung durch diese Krankenhäuser angewiesen sind (vgl. Antwort auf Frage 2). Die Psychiatrischen Institutsambulanzen arbeiten mit anderen Stellen zusammen, die Opferberatung anbieten.