Landtag Brandenburg Drucksache 6/9251 6. Wahlperiode Eingegangen: 19.07.2018 / Ausgegeben: 24.07.2018 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 3681 des Abgeordneten Danny Eichelbaum (CDU-Fraktion) Drucksache 6/9075 Einführung der E-Akte und des elektronischen Rechtsverkehrs Namens der Landesregierung beantwortet der Minister der Justiz und für Europa und Verbraucherschutz die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkungen des Fragestellers: Die Landesregierung ist durch Bundesgesetz verpflichtet, die E-Akte bis 2026 an allen ordentlichen Gerichten, der Arbeits-, Finanz-, Sozial- und Verwaltungsgerichtsbarkeit sowie bei den Staatsanwaltschaften einzuführen. In der Antwort zur Kleinen Anfrage 2603 (Drs. 6/6495) von April 2017 spricht die Landesregierung davon, dass ein Pilotprojekt zur E-Akte im November 2017 starten solle. Eine belastbare Zeitplanung zur flächendeckenden Einführung könne erst erstellt werden, wenn die Schnittstellen zwischen dem elektronischen Integrationsportal und dem jeweiligen Fachverfahren realisiert seien. Frage 1: Ist dieses Pilotprojekt im November 2017 gestartet? Wenn nein: wann ist es gestartet und was waren die Gründe für die Verzögerung? zu Frage 1: Das Pilotprojekt konnte im März 2018 mit der Aufnahme des Scannens der Bestandsakten der Pilot-Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) gestartet werden. Seit Mai 2018 wird dort die elektronische Akte unter Nutzung des elektronischen Integrationsportals (eIP) eingesetzt. Das Projekt wird federführend vom Zentralen IT-Dienstleister der Justiz des Landes Brandenburg (ZenIT) geleitet. Die Übertragung der Papierakten in elektronische Akten erfolgt zunächst allein zum Zweck der Pilotierung. Sie berücksichtigt die Vorgaben der einschlägigen technischen Richtlinie des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI). So wurden bislang ca. 250 in Papier geführte Gerichtsakten der Kammer digitalisiert und dabei ca. 80.000 Blatt eingescannt. Das Scanprojekt nutzt eine speziell an die Arbeitsabläufe der Justiz angepasste Software. Die ursprüngliche Planung , die eine Pilotierung des elektronischen Integrationsportals (eIP) bereits ab November 2017 vorsah, musste wegen unvorhergesehener technischer Schwierigkeiten bei der Installation der zum Einsatz kommenden Software für das rechtssichere Scannen angepasst werden. Die technischen Probleme konnten mit dem bundesweit erstmaligen Einsatz einer aktualisierten Version des Scan-Moduls behoben werden. Frage 2: Welche Erfahrungen haben die zwei Zivilkammern am Landgericht Frankfurt /Oder gezogen? Frage 3: Welche Zwischenbilanz zieht die Landeregierung? Landtag Brandenburg Drucksache 6/9251 - 2 - Frage 4: In welchen Bereichen sind Probleme aufgetreten (technischer oder sonstiger Natur ) und was sind die Lösungsmöglichkeiten? zu Fragen 2 bis 4: Die Auswertung der Pilotierung am Landgericht Frankfurt (Oder) steht noch bevor. Während der laufenden Pilotierungsphase ist es derzeit noch nicht möglich, über Erfahrungen und Probleme eine Bilanz zu ziehen. Es wird zu berücksichtigen sein, dass die Arbeit mit einer elektronischen Akte in hohem Grad Abhängigkeiten von der Verfügbarkeit der technischen Systeme und Verbindungswege erzeugt. Frage 5: Wird die Ausweitung des Pilotprojekts auf das Verwaltungsgericht Potsdam pünktlich zum Juli 2018 erfolgen? Wenn nein, warum nicht? zu Frage 5: Die Pilotierungsplanung für das Verwaltungsgericht Potsdam wie auch für die Fachgerichtsbarkeiten insgesamt ist insbesondere von der technischen Integration der jeweiligen Fachanwendung in das E-Akten-System abhängig, die in den Fachverfahrensverbünden mit hoher Priorität vorangetrieben wird. Bei der zu Beginn des Jahres 2017 aufgestellten Planung war von einem Start im Juli 2018 ausgegangen worden. Dieser Termin kann nicht gehalten werden, weil für die Verwaltungsgerichtsbarkeit eine Schnittstelle zwischen eIP und dem Fachverfahren noch nicht realisiert ist. Federführend im Projekt Anbindung eIP an EUREKA-Fach ist die Freie und Hansestadt Hamburg. Der derzeitige Plan sieht vor, dass frühestens Endes des Jahres 2018 eine pilotierungsfähige Anbindung von eIP an EUREKA-Fach durch die Entwickler zur Verfügung gestellt werden kann. Frage 6: Soll das Pilotprojekt auf weitere Standorte bzw. Gerichte ausgeweitet werden? zu Frage 6: Es ist nicht beabsichtigt, das Pilotprojekt auf weitere Standorte auszudehnen. Zur Einführung einer E-Akte werden zu gegebener Zeit weitere Pilotprojekte für die Geschäftsbereiche durchgeführt. Eine zeitliche oder räumliche Planung wird in Abhängigkeit von den technischen Gegebenheiten erstellt. Frage 7: Für wie lang ist die Pilotierungsphase geplant? zu Frage 7: Der Pilotierungszeitraum bei dem Landgericht Frankfurt (Oder) soll sich auf insgesamt mindestens zehn Monate erstrecken. Frage 8: Sind die Schnittstellen zwischen dem elektronischen Integrationsportal (eIP) als einheitlichem E-Akten-System und den jeweiligen Fachverfahren inzwischen realisiert? a. Wenn nein, wann ist hiermit zu rechnen? b. Wenn ja: Wie sieht die weitere Planung zur flächendeckenden Einführung der E-Akte aus: wann soll die E-Akte an welchen Gerichten eingeführt werden? zu Frage 8: Zunächst wird auf die Antwort zu Frage 5 Bezug genommen. Auch die weiteren Schnittstellen sind noch nicht realisiert. Verbindliche Aussagen zu möglichen Realisierungen der Schnittstellen können noch nicht getroffen werden. Frage 9: Inwieweit sind die Planungen zur Schaffung von Zugriffsmöglichkeiten auf den elektronischen Arbeitsplatz außerhalb des Dienstortes vorangeschritten (vgl. Kleine Anfrage 2776, Drs. 6/7114, Frage 5 f.)? Landtag Brandenburg Drucksache 6/9251 - 3 - zu Frage 9: Im Rahmen des Pilotprojektes beim Landgericht Frankfurt (Oder) wird auch die Nutzung dienstlich zur Verfügung gestellter Hybridnotebooks durch Richterinnen und Richter am Heimarbeitsplatz erprobt. Der ZenIT hat dafür gemeinsam mit dem für das LVN zuständigen ZIT-BB eine technische Möglichkeit eingerichtet, die einen Zugriff vom Heimarbeitsplatz aus ermöglicht. Frage 10: Sollen sämtliche Gerichte in sämtlichen Sitzungssälen mit Dockingstationen ausgestattet werden, damit die E-Akte über Kurzdistanz-Beamer o.ä. in der Sitzung verwendet werden können? Ist eine flächendeckende Ausstattung mit Mediensteuerungstechnik vorgesehen, um die Nutzung der elektronischen Prozessakte während der Sitzung zu vereinfachen? zu Frage 10: Im Rahmen der Pilotierung werden die zweckmäßige und die funktionale Ausstattung von Sitzungssälen untersucht. Insoweit bleiben auch hier der Abschluss und die Auswertung der Pilotierung abzuwarten. Parallel dazu wird durch den ZenIT die gegenwärtige technische Ausstattung der Sitzungssäle in den Gerichten des Landes erfasst. Frage 11: Mit welchem Zeitplan sollen diese etwaigen Umbau- oder Ausstattungsmaßnahmen durchgeführt werden? zu Frage 11: Ein konkreter Zeitplan existiert noch nicht. Für die Erstellung eines Zeitplanes müssen zunächst die Erkenntnisse aus der Pilotierung abgewartet werden. Frage 12: Mit welchen Kosten rechnet die Landesregierung hierfür und zu welchem Zeitpunkt sollen die entsprechenden Ausgaben in den Haushalt eingestellt werden? zu Frage 12: Auf Initiative der Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister haben die Länder eine Grobkalkulation des Verbesserungs- und Investitionsbedarfs für die Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs und der elektronischen Akte beauftragt. Diese Untersuchung geht für das Land Brandenburg von einmaligen Investitionskosten in Höhe von 11,4 Mio. Euro sowie von 2,1 Millionen Euro höheren laufenden Kosten pro Jahr aus. Im Haushaltsjahr 2017 sind für die Umsetzung bereits 2 Millionen Euro abgeflossen und für das Haushaltsjahr 2018 sind 4,7 Millionen Euro für die Fortsetzung der Einführung eingeplant . Für das Haushaltsjahr 2019 wurden 5,7 Millionen Euro und für das Haushaltsjahr 2020 weitere 4 Millionen Euro für den Doppelhaushalt 2019/2020 angemeldet. Eine verlässliche Aussage über die weitere Verteilung der Kosten ist gegenwärtig nicht möglich, da dies vom Fortschritt der Projektrealisierung abhängt. Frage 13: Welche Akten sollen in das E-Aktensystem überführt werden (nur Neueingänge, auch bereits anhängige Verfahren…)? a. Welcher konkrete Verfahrensablauf ist hierfür vorgesehen (Frist zur Überführung, Priorisierung …)? b. Wieviel Personal wird hierfür eingestellt? c. Ab wann soll die Pflicht zu einem reinen E-Akten-System bestehen? zu Frage 13: a) Es ist für den Regelbetrieb der verbindlichen elektronischen Aktenführung beabsichtigt, ab einem noch zu bestimmenden Stichtag nur Neueingänge im E-Aktensystem zu erfassen . Landtag Brandenburg Drucksache 6/9251 - 4 - b) Für das Scannen von Eingängen in Papierform ist zusätzliches Personal erforderlich. Hierfür sind ab dem Haushaltsjahr 2019 acht zusätzliche Stellen vereinbart, von denen vier Stellen bis 2029 befristet sind. Weitere sechs Stellen sind ab 2020 vorgesehen, von denen drei Stellen bis 2030 befristet sind. c) Entsprechend der gesetzlichen Vorgabe soll die führende elektronische Akte in allen Gerichten und Staatsanwaltschaften bis zum Jahr 2026 eingeführt sein. Frage 14: Erwartet die Landesregierung eine Beschleunigung der Verfahrenslaufzeiten durch die Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs / der E-Akte? zu Frage 14: Mit der Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs und der elektronischen Akte setzt die Landesregierung einen gesetzlichen Auftrag um. Auswirkungen des elektronischen Rechtsverkehrs und der elektronischen Akte auf Verfahrenslaufzeiten wurden hierzu nicht untersucht. Frage 15: Gibt es bei der elektronischen Strafakte Abstimmungsprozesse zwischen der Polizei, der Staatsanwaltschaft und den Ermittlungsrichtern bzw. zwischen dem Ministerium für Inneres und Kommunales und dem Ministerium der Justiz und für Europa und Verbraucherschutz im Hinblick auf eine gemeinsame elektronische Strafakte mit einheitlichen Aktenstandards? Frage 16: Wenn nein: Soll die Polizei elektronische Ermittlungsakten führen und wird sichergestellt , dass diese elektronischen Akten mit dem E-Akten-System der Staatsanwaltschaften kompatibel sind, damit entweder beide Behörden Zugriff auf dieselbe Akte haben oder die Staatsanwaltschaften die polizeilichen Ermittlungsakte unproblematisch in ihr eigenes System übernehmen können? Wird gewährleistet, dass der Ermittlungsrichter unproblematisch Zugang zu dieser gemeinsamen Akte bzw. der staatsanwaltlichen Akte hat? zu Fragen 15 und 16: Eine gemeinsame elektronische Strafakte ist weder das strategische Ziel von Polizei und Justiz in Brandenburg noch bundesweit. Vielmehr werden die elektronischen Akten oder Dokumente jeweils übertragen. Voraussetzung hierfür sind einheitliche Standards. Nach den Beschlüssen der Innenministerkonferenz und der Justizministerkonferenz sowie des E-Justice-Rates wird derzeit im Rahmen des Projektes „Medienbruchfreie Kommunikation zwischen Polizei und Justiz“ die Machbarkeit solcher Standards in einem Proof of Concept (PoC/Machbarkeitsstudie) evaluiert. Aufgrund der dabei gewonnenen Erkenntnisse sollen die technischen Voraussetzungen für einheitliche Datenaustauschformate geschaffen werden.