Landtag Brandenburg Drucksache 6/9268 6. Wahlperiode Eingegangen: 24.07.2018 / Ausgegeben: 30.07.2018 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 3664 der Abgeordneten Klara Geywitz (SPD-Fraktion) Drucksache 6/9016 Parität in der Filmförderung II Namens der Landesregierung beantwortet der Minister für Wirtschaft und Energie die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkungen der Fragestellerin: Im Koalitionsvertrag des Bundes heißt es: „Wir wollen Gleichstellung und Geschlechtergerechtigkeit in Kunst, Kultur und Medien weiter ausbauen : Mehr Frauen müssen Führungsverantwortung in Kultur- und Medieneinrichtungen übernehmen und künstlerische Leistungen geschlechterunabhängig honoriert werden. Die Besetzung von z. B. Jurys und Gremien hat ausgewogener zu erfolgen, damit das künstlerische Schaffen von Frauen wie Männern angemessen einbezogen werden kann. Wir beziehen bei Stipendienvergaben und Förderentscheidungen auch das Prinzip der Geschlechtergerechtigkeit ein.“ Brandenburg ist Deutschlands wichtigster Film- und Medienstandort. Das Medienboard Berlin-Brandenburg vergab allein in der zweiten Förderrunde 2018 10,7 Millionen Euro für die Filmförderung. Jedoch sind die Chancen für Regisseurinnen, Fördermittel für Kinospielfilme zu erhalten, nach einer Untersuchung der Initiative „Pro Quote Film“ wesentlich geringer als die Chancen von Regisseuren. Durchschnittlich 16 % der gesamten Förderung erhielten weibliche Regisseure in den letzten zehn Jahren. Auch Drehbuchautorinnen und Produzentinnen sind bei der Vergabe der Filmfördergelder unterrepräsentiert. Die mangelnde Beschäftigung von Frauen hinter der Kamera betrifft nicht nur den Bereich Filmförderung, sondern auch die Präsentation auf den Filmfestivals. Vorbemerkungen der Landesregierung: Die Medienpolitik des Landes ist auch von der Zielrichtung geleitet, die Chancengleichheit von Frauen in der Film- und Fernsehbranche zu stärken. Weil die Produktion von Filmen und deren Förderung eine wichtige gesellschaftliche Ressource darstellt, soll hier möglichst eine gleichberechtigte Teilhabe angestrebt werden. Schließlich ist eine chancengleiche Teilhabe von Frauen wichtig, damit Geschichten für Film und Fernsehen auf unterschiedliche Arten und aus möglichst verschiedenen Perspektiven erzählt werden und sich die Diversität unserer Gesellschaft auch in den Medien widerspiegelt. Die Geschlechtergerechtigkeit bei der Filmförderung kann nicht losgelöst von den Rahmbedingungen in der Filmbranche insgesamt betrachtet werden. Die Filmförderungsanstalt des Bundes (FFA) hat gemeinsam mit den öffentlichen-rechtlichen Fernsehsendern ARD und ZDF im Jahre 2017 die Studien „Gender und Film“ sowie „Gender und Fernsehen“ vorgestellt. Die wichtigsten Ergebnisse der Studie sind: Landtag Brandenburg Drucksache 6/9268 - 2 - - In den meisten kreativen Schlüsselpositionen der Filmproduktionen arbeiten mehr Männer als Frauen: 72 Prozent der Kinofilme werden von Regisseuren, 23 Prozent von Regisseurinnen und 5 Prozent von gemischten Teams inszeniert. Drehbücher werden zu 60 Prozent von Autoren, 23 Prozent von Autorinnen und 16 Prozent von gemischten Teams verfasst. Im Bereich der Produktion werden 58 Prozent der Filme von Männern, 14 Prozent von Frauen und 28 Prozent von gemischten Teams hergestellt . Nur im Bereich Kostüm, der zu 86 Prozent von Frauen verantwortet wird, sind Männer unterrepräsentiert. - Der Frauenanteil an Filmhochschulen beträgt durchschnittlich 40 Prozent. Nur 23 Prozent der Absolventinnen im Bereich Regie und Drehbuch sind später aktiv in der Kinobranche tätig. - Branchenkulturelle Herausforderungen und Barrieren existieren für Frauen und Männer , sie wirken sich jedoch stärker auf Frauen aus. Hierzu zählen insbesondere: die Vermeidung von Risiken (u. a. der Rückgriff auf bewährte Netzwerke), die fehlende Vereinbarkeit von Beruf und Familie, die Sättigung des Marktes sowie prekäre Arbeitsbedingungen , wie beispielsweise eine unsichere Auftragslage. Frage 1: Wie ist die Entwicklung bei der Verteilung der Mittel zur Filmförderung in Bezug auf weibliche und männliche Regisseure? zu Frage 1: Auch die Förderpolitik der Medienboard Berlin Brandenburg GmbH ist von der Zielrichtung geprägt, die Chancengleichheit von Frauen in der Film- und Fernsehbranche zu stärken. Die Unterrepräsentanz von Frauen bei Schlüsselpositionen wie Regisseurinnen und Regisseuren führt aber dazu, dass bei der Medienboard erheblich weniger Anträge auf Produktionsförderung für Projekte von Regisseurinnen als für Projekte von ihren männlichen Kollegen gestellt werden. Allerdings ist in den letzten Jahren ein Anstieg der Förderanträge von Frauen festzustellen. Rund 30% aller Anträge auf Produktionsförderung sind Projekte von Regisseurinnen. Gemessen an der Anzahl der Anträge werden die beantragten Filmprojekte von Regisseurinnen auf Produktionsförderung hinsichtlich der Zusagen der Medienboard im Vergleich zu den Zusagen an Regisseuren leicht bevorzugt. Vergleich Produktion Anträge / Zusagen gesamt – nach Regisseurinnen und Regisseuren Quelle: Medienboard Berlin-Brandenburg GmbH 54 22 59 29 71 30 73 30 67 23 72 29 156 71 153 73 174 68 158 79 159 69 127 66 0 50 100 150 200 250 300 Anträge 2012 Zusagen 2012 Anträge 2013 Zusagen 2013 Anträge 2014 Zusagen 2014 Anträge 2015 Zusagen 2015 Anträge 2016 Zusagen 2016 Anträge 2017 Zusagen 2017 Frauen Männer Landtag Brandenburg Drucksache 6/9268 - 3 - Die geringere Zahl von Förderanträgen spiegelt sich auch hinsichtlich der Verteilung der Mittel zur Filmförderung in Bezug auf weibliche und männliche Regisseure wieder. Bezogen auf das Fördervolumen, von denen Regisseurinnen profitiert haben, ist hier allerdings in den letzten Jahren eine Steigerung zu verzeichnen. Quelle: Medienboard Berlin-Brandenburg GmbH Frage 2: Wie ist die Entwicklung bei der Verteilung der Mittel zur Filmförderung in Bezug auf den Frauenanteil im Bereich „Stoff“ und „Verleih und Vertrieb“? zu Frage 2: Auch bei der Förderung der Stoff- und Projektentwicklung profitieren weibliche Medienschaffende noch nicht ausreichend. Es werden weitaus weniger Projekte mit Regisseurinnen eingereicht. 2017 entfielen rund 30% der Anträge auf Projekte von Regisseurinnen . Der Anteil der zugesagten Projekte beträgt 38%. Im Vergleich dazu wurden von 70% der eingereichten Anträge mit Regisseuren 62% gefördert. Auch bei der Verleihförderung sind Filme von Regisseurinnen unterrepräsentiert; hier liegt die Ursache ebenfalls in der niedrigeren Zahl von Anträgen. Die Entwicklung bei der Verteilung der Mittel zur Filmförderung in Bezug auf den Frauenanteil in den Bereichen „Stoff-/Projektentwicklung“ und „Verleih“ sehen von 2012 bis 2017 wie folgt aus: 10,2 2,4 9,2 4,1 11,6 4,6 11,7 4,1 13,9 3,2 14 4,4 44,9 14,9 39,9 16,6 39,6 16,1 36,2 17,4 46,3 16,1 34,5 14,6 0 10 20 30 40 50 60 70 Anträge 2012 Zusagen 2012 Anträge 2013 Zusagen 2013 Anträge 2014 Zusagen 2014 Anträge 2015 Zusagen 2015 Anträge 2016 Zusagen 2016 Anträge 2017 Zusagen 2017 Vergleich Produktion Anträge / Zusagen - nach Regisseurinnen und Regisseuren in Euro (Angaben in Mio.) Frauen Männer Landtag Brandenburg Drucksache 6/9268 - 4 - Vergleich Stoff- / Projektentwicklung Anträge / Zusagen - nach Regisseurinnen und Regisseuren Quelle: Medienboard Berlin-Brandenburg GmbH 0,5 0,02 0,3 0,09 0,8 0,2 0,7 0,1 0,6 0,1 0,5 0,1 1,2 0,3 1,2 0,4 1,9 0,8 1 0,3 1,4 0,2 1,5 0,2 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 Anträge 2012 Zusagen 2012 Anträge 2013 Zusagen 2013 Anträge 2014 Zusagen 2014 Anträge 2015 Zusagen 2015 Anträge 2016 Zusagen 2016 Anträge 2017 Zusagen 2017 Vergleich Stoff-/ Projektentwicklung Anträge / Zusagen - nach Regisseurinnen und Regisseuren in Euro (Angaben in Mio.) Frauen Männer Landtag Brandenburg Drucksache 6/9268 - 5 - Quelle: Medienboard Berlin-Brandenburg GmbH Frage 3: Spielt der Aspekt der Gleichstellung bei der Förderung von Filmfestivals in Brandenburg eine Rolle? zu Frage 3: Die Förderung von Filmfestivals im Land Brandenburg erfolgt primär unter kultur - und strukturpolitischen Gesichtspunkten. Gleichwohl sind bei den von der Medienboard geförderten Filmfestivals im Land Brandenburg die Leitungspositionen bei den Festivals in der Gesamtheit ausgewogen besetzt. Die Medienboard fördert im Land Brandenburg die folgenden fünf Filmfestivals regelmäßig: Filmfestival Cottbus, Jüdisches Filmfestival Berlin-Brandenburg, Filmfestival Eberswalde, „Film ohne Grenzen“ in Bad Saarow und das Studentenfilmfestival „Sehsüchte“. Das Jüdische Filmfestival und das Filmfest in Bad Saarow haben eine weibliche Leitung. Beim Filmfestival „Sehsüchte“ gibt es traditionell ein gemischtes Team, das jedes Jahr wechselt. Beim größten Filmfestival im Land Brandenburg , dem Filmfestival in Cottbus, ist der Festivalleiter ein Mann, aber das Leitungsteam hinsichtlich der Geschlechterzuordnung gemischt zusammengesetzt. Frage 4: Wie beurteilt die Landesregierung die Modelle in Österreich und Schweden zur Herstellung von Geschlechtergerechtigkeit bei der Filmförderung? zu Frage 4: Um eine größere Geschlechtergerechtigkeit zu erreichen setzt die Landesregierung primär auf mittelbare Effekte durch strukturelle Veränderungen. So sind Aufsichtsrat und die Geschäftsführung der Medienboard hinsichtlich der Geschlechterverteilung paritätisch zusammengesetzt. Im Rahmen der Tätigkeitsberichte der Medienboard gibt die Medienboard regelmäßig einen Gleichstellungsreport heraus, in dem Entwicklungen und Maßnahmen zur Geschlechtergerechtigkeit dokumentiert sind. Bei der Förderung können künftig auch Kinderbetreuungskosten am Set gefördert werden. Filmschaffenden Eltern soll auf diese Weise die Möglichkeit gegeben werden, Dreharbeiten und Kinderbetreuung zu vereinbaren. Auch die Kosten für Harassment-Beauftragte (Vertrauenspersonen, denen Übergriffe gemeldet werden) können seit Anfang 2018 als Herstellungskosten anerkannt 0,9 0,8 0,6 0,3 1 0,3 0,5 0,4 0,7 0,6 0,8 0,4 3,3 1,8 3,2 1,7 2,8 1,6 3,3 1,4 2,9 1,4 3,2 1,6 0 0,5 1 1,5 2 2,5 3 3,5 4 4,5 Anträge 2012 Zusagen 2012 Anträge 2013 Zusagen 2013 Anträge 2014 Zusagen 2014 Anträge 2015 Zusagen 2015 Anträge 2016 Zusagen 2016 Anträge 2017 Zusagen 2017 Vergleich Verleih Anträge / Zusagen - nach Regisseurinnen und Regisseuren in Euro (Angaben in Mio.) Frauen Männer Landtag Brandenburg Drucksache 6/9268 - 6 - werden. Die entsprechenden weitergehenden Modelle in Österreich und Schweden sind der Landesregierung bekannt, aber nicht auf die Filmförderung in der Hauptstadtregion übertragbar : Unter dem Titel "Gender Incentive" der Filmförderung in Österreich kann es für ein Projekt bis zu 30.000 Euro zusätzlich an Fördermitteln geben, wenn nachgewiesen wird, dass Frauen in den Leadingteams wie Produktion, Regie, Buch, Kamera, Schnitt, Ausstattung oder Kostüm vertreten sind. Als zweiter Punkt werden die sogenannten Referenzmittel um bis zu zehn Prozent aufgestockt, wenn ein geplantes Werk den Höchstwert an Punkten erreicht - wobei auch diese Mittel für ein künftiges Projekt mit Frauenbeteiligung in zumindest einer Hauptkategorie verwendet werden müssen. Referenzmittel sind vom Besucher- und Festivalerfolg abhängige Fördergelder. Dieses Fördermodell ist auf Brandenburg nicht direkt anwendbar, weil die Darlehen der Medienboard eine Fehlbedarfsfinanzierung bei Filmprojekten darstellen. Die Höhe der Förderung wird von der Medienboard nach dem tatsächlichen Bedarf und die Förderentscheidung unter kulturellen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten gefällt. In Schweden besteht ein Film-Agreement zwischen Regierung, Parlament, Filmproduzenten und TV-Sendern mit der Festlegung, dass ab Ende 2015 die Hälfte des Filmförderungsbudgets an Regisseurinnen, Drehbuchautorinnen oder Produzentinnen vergeben werden muss. Eine solche Vereinbarung macht für die Hauptstadtregion nur Sinn, wenn auch die Zahl der beantragten Filmprojekte von Regisseurinnen auf Produktionsförderung steigen würde. Weiter ist zu berücksichtigen, dass die Filmförderung der Medienboard neben einer kulturellen Ausprägung auch stark wirtschaftlich ausgerichtet ist. Dies gilt insbesondere hinsichtlich internationaler Koproduktionen. Die Medienboard kann nicht beeinflussen , ob eine USA-Produktionsfirma eine Regisseurin, einen Regisseur oder ein gemischtes Team mit der Umsetzung eines Filmprojekts in der Hauptstadtregion beauftragt. Gleichwohl begrüßt die Landesregierung grundsätzlich Selbstverpflichtungen der Filmund Fernsehwirtschaft. So hat die DEGETO, die jährlich rund 100 Spielfilme und Serien für die ARD produziert, sich verpflichtet, mindestens 20 Prozent aller Aufträge an Frauen zu vergeben. Das Bespiel DEGETO macht aber auch deutlich, welch langer Weg noch bis zu einer vollen Geschlechtergerechtigkeit in der Film- und Fernsehbranche zu gehen ist.