Landtag Brandenburg Drucksache 6/9342 6. Wahlperiode Eingegangen: 06.08.2018 / Ausgegeben: 13.08.2018 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 3731 der Abgeordneten Isabelle Vandre (Fraktion DIE LINKE) Drucksache 6/9166 Befristung von Wissenschaftlichen Mitarbeiter_innen an den Brandenburger Hochschulen Namens der Landesregierung beantwortet die Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur die Kleine Anfrage wie folgt: Kettenbefristungen, geringe Planungsmöglichkeiten und daraus resultierender Stress sind seit Jahren beklagte Realität der Mehrheit der Wissenschaftlichen Beschäftigten an den Hochschulen. So geht aus dem 2017 veröffentlichten Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs hervor, dass im Jahr 2014 knapp 80% des hauptberuflichen wissenschaftlichen und künstlerischen Personals an den Hochschulen (ohne Professor_innen) befristet beschäftigt gewesen ist. Große Hoffnungen setzten die Mitarbeiter_innen und die Gewerkschaften daher insbesondere in die 2016 erfolgte Novelle des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes . Diese blieb jedoch weitestgehend hinter den Erwartungen zurück. Zwar wurde in dieser geregelt, dass die Befristung von Arbeitsverträgen nur noch bei drittmittelfinanzierten oder zur wissenschaftlichen Qualifizierung besetzten Stellen zulässig sei, allerdings erfuhr der Terminus „wissenschaftliche Qualifizierung“ eine flexible Definition durch die Bundesregierung, indem unter diesem jeglicher „Erwerb wissenschaftlicher Kompetenzen “ über formale Qualifikationen hinausgehend, subsummiert wurde. Dem gegenüber steht die stetig wachsende Bedeutung der Wissenschaftlichen Mitarbeiter_innen an den Hochschulen. Sie realisieren einen Großteil der Lehre, prüfen Studierende, leisten inhaltliche und organisatorische Zuarbeit bei Forschungen, organisieren wissenschaftliche Konferenzen , bringen sich in wissenschaftliche Debatten ein und leisten nicht selten organisatorische Arbeit für die Akquise von Drittmitteln. Ich frage die Landesregierung daher: 1. Wie bewertet die Landesregierung die Situation der Wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen an den Brandenburger Hochschulen? Zu Frage 1: Die Situation der akademischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Brandenburg hat sich nach Einschätzung der Landesregierung in den letzten Jahren verbessert. In die Hochschulgesetznovelle 2014 wurden Regelungen zu den Vertragslaufzeiten aufgenommen . Danach sollen Erstverträge mit wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern grundsätzlich eine Laufzeit von 2 Jahren haben (§ 49 Abs. 1 Satz 3 BbgHG). Es wird damit das Ziel verfolgt, für die Beschäftigten mehr Planungssicherheit zu schaffen und die tatsächliche Dauer der Promotionsverfahren besser zu berücksichtigen. Relevanz Landtag Brandenburg Drucksache 6/9342 - 2 - hat diese Regelung vor allem für die Universitäten, die gegenüber den Fachhochschulen den weitaus größeren Anteil an Befristungen nach dem WissZeitVG aufweisen. Im Rahmen der Hochschulgesetznovelle 2014 wurde zudem geregelt, dass Verträge von Drittmittelbeschäftigten in der Regel für die Dauer der Projektlaufzeit abgeschlossen werden, § 49 Abs. 1 S. 4 BbgHG. In § 49 Abs.1 Satz 6 BbgHG ist außerdem die grundsätzliche Anwendung der familienpolitischen Komponente nach dem WissZeitVG vorgesehen. Die Wahrnehmung von Betreuungsverpflichtungen soll für die Beschäftigten nicht dazu führen, dass sich die Qualifikationszeiten faktisch verkürzen. Darüber hinaus wurden in das WissZeitVG mit Wirkung vom 11.03.2016 Regelungen zur Befristungspraxis aufgenommen. Die Befristungsdauer ist danach so zu bemessen, dass sie der angestrebten Qualifizierung angemessen ist. Weiterhin soll bei Drittmittelprojekten die Befristungsdauer dem Projektzeitraum entsprechen. Dass diese Änderung der Rahmenbedingungen positive Auswirkungen auf die Beschäftigungssituation der akademischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Folge hat, zeigt eine Erhebung zum Stichtag 01.04.2017 bezogen auf die akademischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Qualifizierung; Drittmittelbeschäftigte wurden dort nicht erfasst. Im Jahr 2014 betrug die durchschnittliche Länge des Erstvertrages noch 19,15 Monate. Im Zeitraum März bis Dezember 2016 (nach Inkrafttreten der Änderungen des BbgHG und des WissZeitVG) betrug die durchschnittliche Vertragslaufzeit 31,25 Monate. Zum 01.04.2017 lag die durchschnittliche Vertragslaufzeit des Erstvertrages bei 27,81 Monaten. Obwohl die Laufzeiten auch in Zukunft Schwankungen unterworfen sein werden, sind deutlich längere Vertragslaufzeiten der Erstverträge erkennbar. Auch mit Blick auf die Vergütung der akademischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit den Aufgaben einer ehemaligen Lehrkraft für besondere Aufgaben an Fachhochschulen konnten Verbesserungen erreicht werden. So ist es gelungen, die Vergütung der Lehrkräfte für besondere Aufgaben mit einem wissenschaftlichen Hochschulabschluss von der Entgeltgruppe E 11 auf die Entgeltgruppe E 13 anzuheben. Es wird nunmehr nicht mehr differenziert, ob die Lehrkräfte für besondere Aufgaben an einer Universität oder an einer Fachhochschule beschäftigt sind. Für akademische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit den Aufgaben einer ehemaligen Lehrkraft für besondere Aufgaben, die über eine abgeschlossene Fachhochschulbildung verfügen, konnte die Vergütung von der Entgeltgruppe E 9 auf die Entgeltgruppe E 11 angehoben werden. Trotz dieser positiven Entwicklung will die Landesregierung die Beschäftigungsbedingungen weiter verbessern. Es sollen daher in den Hochschulvertragsverhandlungen Regelungen zum Thema „Gute Arbeit“ vereinbart werden. 2. Wie viele der wissenschaftlichen und künstlerischen Beschäftigungsverhältnisse an den Brandenburger Hochschulen sind befristet? (Bitte aufschlüsseln nach Hochschulen, Dauer , Drittmittelfinanzierung und Alterskohorten) Zu Frage 2: Statistische Erhebungen zu befristeten Arbeitsverträgen an Hochschulen sind wegen der unterschiedlichen Befristungs- und Finanzierungsarten mit einem hohen Aufwand verbunden und fehleranfällig. Teilweise müssen Daten einzeln aus den Personalakten erhoben werden, was bei dem großen Personalkörper der Hochschulen einen unverhältnismäßigen Aufwand darstellt und die Fehlerquote erhöht. Es liegen Daten aus einer Erhebung zum Stichtag 01.04.2017 vor, die für die Beantwortung der Kleinen Anfrage herangezogen werden. Eine Aktualisierung dieser Daten ist aufgrund des damit verbundenen Aufwandes nicht vorgesehen. Bei zukünftigen Erhebungen wird eine Vergleichbarkeit der Daten daher nur bedingt möglich sein. Landtag Brandenburg Drucksache 6/9342 - 3 - Tabelle 1: Anzahl der befristeten Verträge zum Stichtag 01.04.2017 (Akademische Mitarbeiter/innen, ohne Drittmittelbeschäftigte) befristete Verträge insgesamt davon: an Universitäten davon: an Fachhochschulen 873 812 61 Tabelle 2: Durchschnittliche Vertragslaufzeiten zum Stichtag 01.04.2017 (Akademische Mitarbeiter /innen, ohne Drittmittelbeschäftigte) Durchschnittliche Länge des Erstvertrages 27,81 Monate Durchschnittliche Länge von Folgeverträgen 17,80 Monate Tabelle 3: Altersstrukturen befristet beschäftigter Akademischer Mitarbeiter/innen (ohne Drittmittelbeschäftigte ) in der Zeit vom 01.01.2017 bis 01.04.2017 befristet Beschäftigte 2017 16-25 Jahre 26-40 Jahre 41-55 Jahre ab 56 Jahre 8621 19 709 122 12 Tabelle 4: Drittmittelbeschäftigte zum Stichtag 01.04.2017 Hochschulen insgesamt 1.634 davon: Universitäten 1.284 davon: Fachhochschulen 350 3. Wie hat sich das Verhältnis zwischen befristeten und unbefristeten Stellen in den vergangenen 5 Jahren an den Brandenburger Hochschulen entwickelt? (Bitte aufschlüsseln nach Hochschulen, Dauer, Drittmittelfinanzierung und Alterskohorten) Zu Frage 3: Zur Datenerhebung wird auf die Antwort zu Frage 2 Bezug genommen. Es liegen Daten vor für die Zeit von 2013 bis 2017 (Stichtag 01.04.2017). Zur Entwicklung der Altersstruktur gibt es keine statistische Erhebung. Die Entwicklung der Vertragslaufzeiten kann ab 2014 abgebildet werden. Tabelle 4: Entwicklung befristeter und unbefristeter Verträge von 2013 bis 2017 (Akademische Mitarbeiter /innen, ohne Drittmittelbeschäftigte) Gesamt Arbeitsverträge unbefristete Arbeitsverträge befristete Arbeitsverträge Anteil befristet Beschäftigter in % 1 Bei der Anzahl der befristeten Verträge sind die Verträge zum Stichtag 01.04.2017 erhoben worden. In der Aufschlüsselung nach Altersstrukturen wurden die Verträge in der Zeit vom 01.01.2017 bis zum 01.04.2017 erfasst. Daher kommt es zu Abweichungen. Landtag Brandenburg Drucksache 6/9342 - 4 - 2013 1.139 419 720 63 2014 1.153 398 755 65 2015 1.243 390 853 69 2016 1.219 356 863 71 2017 1.234 361 873 71 Tabelle 5: Einzelbetrachtung Universitäten von 2013 bis 2017 (Akademische Mitarbeiter/innen, ohne Drittmittelbeschäftigte) Gesamt Arbeitsverträge unbefristete Arbeitsverträge befristete Arbeitsverträge Anteil befristet Beschäftigter in % 2013 1.046 368 678 65 2014 1.053 346 707 67 2015 1.127 341 786 70 2016 1.101 306 795 72 2017 1.121 309 812 72 Tabelle 6: Einzelbetrachtung Fachhochschulen von 2013 bis 2017 (Akademische Mitarbeiter/innen, ohne Drittmittelbeschäftigte) Gesamt Arbeitsverträge unbefristete Arbeitsverträge befristete Arbeitsverträge Anteil befristet Beschäftigter in % 2013 93 51 42 45 2014 100 52 48 48 2015 116 49 67 58 2016 118 50 68 58 2017 113 52 61 54 Tabelle 7: Entwicklung der Drittmittelbeschäftigten von 2013 bis 2017 01.12.2013 01.12.2014 01.12.2015 01.12.2016 01.04.2017 Gesamt 1.572 1.743 1.661 1.680 1.634 Fachhochschulen 288 367 319 359 350 Universitäten 1.284 1.376 1.342 1.321 1.284 Tabelle 8: Entwicklung der Vertragslaufzeiten von 2014 bis 2017 (Akademische Mitarbeiter/innen, ohne Drittmittelbeschäftigte) 2014 2015 01.01.- 29.02.2016 01.03.- 31.12.20162 2017 2 Nach Inkrafttreten des WissZeitVG Landtag Brandenburg Drucksache 6/9342 - 5 - Durchschnittliche Länge des Erstvertrages in Monaten 19,15 19,92 21,21 31,25 27,81 Durchschnittliche Länge des Folgevertrages in Monaten 15,00 15,04 12,40 20,22 17,80 4. Welche Kenntnisse hat die Landeregierung über sog. Kettenbefristungen an den Brandenburger Hochschulen? Zu Frage 4: Der Landesregierung liegen keine Erkenntnisse zu sog. Kettenbefristungen an den Brandenburger Hochschulen vor 5. Teilt die Landesregierung die durch die Bundesregierung vertretene Definition nach der unter „wissenschaftlichen Qualifizierung“ jeder Erwerb wissenschaftlicher Kompetenzen zu verstehen sei? Wie begründet sie ihre Position? Zu Frage 5: Nach § 2 Abs. 1 WissZeitVG kann eine Befristung von Arbeitsverträgen des wissenschaftlichen Personals zur Förderung der eigenen wissenschaftlichen oder künstlerischen Qualifizierung erfolgen. Diese Qualifizierung ist nicht beschränkt auf den Erwerb einer formalen Qualifikation wie Promotion oder Habilitation, sondern erstreckt sich auf den Erwerb wissenschaftlicher Kompetenzen. 6. Welche konkreten Maßnahmen plant die Landesregierung zur Verbesserung der Situation der Wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen an den Brandenburger Hochschulen? Zu Frage 6: Die Landesregierung beabsichtigt, das Thema „Gute Arbeit“ zum Gegenstand der Hochschulvertragsverhandlungen zu machen, die im September 2018 beginnen werden . Es ist geplant, Ziele zum Thema „Gute Arbeit“ mit den Hochschulen zu vereinbaren. Hierzu gehören z. B. die Erhöhung der Anzahl unbefristeter Beschäftigungsverhältnisse im akademischen Mittelbau sowie die Erhöhung der Schwerbehindertenquote durch die verstärkte Einstellung von Menschen mit Schwerbehinderungen.