Landtag Brandenburg Drucksache 6/9389 6. Wahlperiode Eingegangen: 16.08.2018 / Ausgegeben: 21.08.2018 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 3685 der Abgeordneten Gordon Hoffmann (CDU-Fraktion) und Dr. Jan Redmann (CDU- Fraktion) Drucksache 6/9087 Mindestanforderungen an Seiteneinsteiger im Brandenburger Schuldienst Namens der Landesregierung beantwortet die Ministerin für Bildung, Jugend und Sport die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung der Fragesteller: Angesichts des bundesweiten Lehrermangels ist auch Brandenburg darauf angewiesen, nicht vollständig ausgebildeter Lehrer, sogenannter Seiteneinsteiger , in den Schuldienst einzustellen. Derzeit beträgt deren Anteil an allen Brandenburger Lehrkräften bereits (fast) 10 Prozent. Seiteneinsteiger kommen mit sehr unterschiedlichen Voraussetzungen an die Schulen. Viele verfügen über einen (Fach- )Hochschulabschluss und könnten unter bestimmten Umständen berufsbegleitend die Befähigung zu einem Lehramt erwerben. Andere wiederum haben keinen (Fach- )Hochschulabschluss und teilweise nicht einmal die Allgemeine Hochschul- bzw. Fachhochschulreife . Verständlicherweise sind Eltern besorgt - nicht nur, was die pädagogische Eignung von Seiteneinsteigern, sondern auch deren Vorbereitung auf ihre Aufsichtspflichten anlangt. Frage 1: Unter welchen Voraussetzungen dürfen Personen als Lehrkraft eingestellt werden , die kein Studium abgeschlossen haben? (bitte brandenburgische Rechtsgrundlage und ggf. KMK-Beschluss nennen) Zu Frage 1: Sofern keine Lehrkraft mit einer entsprechenden Lehramtsbefähigung gewonnen werden kann, erfolgt zur Abdeckung des Unterrichts die Einstellung von Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteigern. Die im Schuldienst des Landes Brandenburg tätigen Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger können in folgende drei Kategorien von Studienoder Berufsabschlüssen aufgeteilt werden: 1. Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger mit nicht lehramtsbezogenem Universitätsabschluss : Diplom, Master, Magister. 2. Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger mit nicht lehramtsbezogenem Fachhochschulabschluss : Diplom, Master. 3. Sonstige Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger: u.a. Bachelor, Fachschule, Meisterabschluss , Abitur. In den Rahmenvorgaben der KMK (Beschluss vom 5./6. März 2009) heißt es u.a.: „Querund Seiteneinsteigerprogramme sind kein Ersatz für die reguläre Lehrerausbildung. Sie sind ein sinnvolles Instrument zur Überbrückung personeller Engpässe und eine positive Bereicherung für die Schulen. Die Länder werden bei diesen Programmen qualitative Standards beachten.“ Landtag Brandenburg Drucksache 6/9389 - 2 - Da die Deckung des Bedarfs an Lehrkräften in den nächsten 12 Jahren nur mit Hilfe von Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteigern möglich ist, wird in Einzelfällen auch auf Bewerberinnen und Bewerber zurückgegriffen, die über keinen Studienabschluss verfügen. Diese erhalten - wie alle Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger - eine pädagogische Grundqualifizierung, können aber aufgrund ihrer zu geringen Vorqualifikation nicht berufsbegleitend eine Lehramtsbefähigung erwerben. In dem Konzept der Landesregierung zur Qualifizierung von Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteigern für den Schuldienst1 (Beschluss des Landtages Brandenburg vom 3. März 2017 „Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger als Lehrerinnen und Lehrer dauerhaft halten und qualifizieren“ - Drucksache 6/6076 ND-B) bilden die in der o.g. Gruppe 3 beschriebenen Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger (unterhalb des KMK-Standards) den Mindeststandard für eine Einstellung in den Schuldienst des Landes Brandenburg. In den sogenannten Leitlinien2 ist daher zwischen der Landesregierung und den Gewerkschaften und den Verbänden vereinbart worden , dass in Fällen, in denen keine Lehrkräfte mit der entsprechenden Lehramtsbefähigung eingestellt werden können, Lehrkräfte ohne Lehramtsbefähigung (Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger) zunächst befristet für eine Dauer von fünfzehn Monaten eingestellt werden dürfen. Der befristete Arbeitsvertrag wird entfristet, sofern die Lehrkraft die geforderten Fortbildungsmaßnahmen absolviert hat und eine Bewährungsfeststellung durch das staatliche Schulamt getroffen wurde. Das gilt für alle Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger, die zunächst keinen direkten Zugang zum Vorbereitungsdienst finden. Frage 2: Auf wie viele Lehrkräfte im brandenburgischen Schuldienst trifft dies derzeit zu? (bitte nach Schulämtern aufschlüsseln) Zu Frage 2: Die nachfolgende Tabelle gibt die Anzahl der Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger ohne Hochschul- bzw. Fachhochschulabschluss an den Lehrkräften an Schulen in öffentlicher Trägerschaft wieder, untergliedert nach Schulämtern: Schulamt Lehrkräfte Seiteneinsteiger/-innen Brandenburg an der Havel 5.036 191 Cottbus 4.537 234 Frankfurt (Oder) 5.411 292 Neuruppin 4.470 204 Insgesamt 19.454 921 Datengrundlage: APSIS-Auswertung der staatlichen Schulämter, Stichtag: 30.09.2017 Von den 921 Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteigern ohne Hochschul- bzw. Fachholschulabschluss sind 391 Lehrkräfte (rund 43 %,) bereits 10 Jahre und länger im Schuldienst in Brandenburg tätig. Von diesen 391 Lehrkräften wurden wiederum fast zwei Drittel (244 Lehrkräfte) bereits vor 1990 in den Schuldienst eingestellt (insbesondere Lehrkräfte mir DDR-Lehrbefähigungen. 1https://mbjs.brandenburg.de/media_fast/6288/45- 18_anlage_konzept_zur_qualifizierung_von_seiteneinsteigerinnen_und_seiteneinsteigern_fuer_den_schuldienst.pdf 2 Vgl. Anlage 1 zur Ergebnisniederschrift über die Fortsetzung der Gespräche zu aktuellen Fragen des öffentlichen Dienst- und Arbeitsrechts (sog. Attraktivitätsgespräche) am 21. November 2017 Landtag Brandenburg Drucksache 6/9389 - 3 - Frage 3: Unter welchen Voraussetzungen dürfen Personen als Lehrkraft eingestellt werden , die weder über die Allgemeine Hochschulreife noch über die Fachhochschulreife verfügen ? (bitte brandenburgische Rechtsgrundlage und ggf. KMK-Beschluss nennen) Zu Frage 3: Nach dem in Frage 1 benannten Konzept der Landesregierung zur Qualifizierung von Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteigern für den Schuldienst ist beschrieben worden, dass die Einstellung von Bewerberinnen und Bewerbern ohne die Allgemeine Hochschulreife (oder gar ohne Fachhochschulreife) die große Ausnahme darstellt und nur als temporäre Personalgewinnung in Betracht kommt, wenn qualifiziertere Seiteneinsteiger nicht zur Verfügung stehen. Für die Einstellungen von Lehrkräften sind die staatlichen Schulämter zuständig. Diese haben auf die Einhaltung qualitativer Mindeststandards zu achten. In Umsetzung dieses Konzepts und der in Frage 1 benannten Leitlinien werden derzeit weitere Regelungen zur Umsetzung der Qualifizierungsmaßnahmen etc. vorbereitet . Dazu wurden bereits im Frühjahr 2018 für die staatlichen Schulämter vorläufige Regelungen herausgegeben. Nach diesen vorläufigen Regelungen setzt die Einstellung von Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteigern grundsätzlich mindestens eine Allgemeine Hochschulreife bzw. einen berufsqualifizierenden Abschluss und eine mindestens fünfjährige Berufserfahrung voraus, die die staatlichen Schulämter in eigener Zuständigkeit vornehmen dürfen. Nur wenn ausnahmsweise die Einstellung geringer qualifizierter Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger in Betracht gezogen werden sollte, was bislang noch nicht der Fall, müsste eine vorherige Abstimmung mit der obersten Schulaufsicht erfolgen. Frage 4: Auf wie viele Lehrkräfte im brandenburgischen Schuldienst trifft dies derzeit zu? (bitte nach Schulämtern aufschlüsseln) Zu Frage 4: Hierzu ist keine Angabe möglich, da die schulischen Abschlüsse wie „Allgemeine Hochschulreife“ oder „Fachhochschulreife“ der Beschäftigten durch das MBJS statistisch nicht erfasst werden. Es ist jedoch angedacht, die Ausgangsqualifikation der Seiteneinsteiger -Lehrkräfte im Zuge der im „Konzept der Landesregierung zur Qualifizierung von Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteigern für den Schuldienst“ erwähnten externen Evaluierung zu ermitteln. Frage 5: Was sind die Mindestanforderungen, um grundsätzlich als Lehrkraft im Land Brandenburg zu arbeiten? (bitte brandenburgische Rechtsgrundlage und ggf. KMK- Beschluss nennen) Zu Frage 5: Siehe Antwort zu den Fragen 1 und 3. Frage 6: Inwiefern gelten für bestimmte Unterrichtsfächer besondere Anforderungen - etwa für das Fach Sport, bei dem für Schüler/innen unter Umständen eine besondere Verletzungsgefahr besteht? Zu Frage 6: Gemäß den Verwaltungsvorschriften über die Wahrnehmung der Fürsorgeund Aufsichtspflicht im schulischen Bereich (VV-Aufsicht) gehört die Fürsorge- und Aufsichtspflicht zu den Dienstpflichten der Lehrkräfte. Hierzu zählt, die angemessenen Maßnahmen , Vorkehrungen und Anordnungen zu treffen, um die Schülerinnen und Schüler vor Schaden zu bewahren und zu verhindern, dass andere Personen durch sie Schaden erleiden . In den Verwaltungsvorschriften sind besondere Anforderungen an die Vorbildung der unterrichtenden Lehrkräfte explizit geregelt für den Unterricht Landtag Brandenburg Drucksache 6/9389 - 4 - im Fach Sport Sportunterricht im Allgemeinen soll nur von Lehrkräften erteilt werden, die die erforderliche Qualifikation dafür besitzen (Erste Staatsprüfung oder Lehrbefähigung im Fach Sport als Diplomlehrer für Sport oder Diplomsportlehrer) und eine Grundausbildung in Erster Hilfe absolviert haben. Sportunterricht in den Jahrgangsstufen 1 bis 10 darf auch von Lehrkräften erteilt werden, die eine Grundausbildung in Erster Hilfe absolviert haben und denen vom staatlichen Schulamt nach Prüfung ihrer fachlichen Voraussetzungen die Genehmigung dazu erteilt wurde, wenn Lehrkräfte mit einer Lehrbefähigung im Fach Sport nicht zur Verfügung stehen (Nummer 1 der Anlage 1 der VV-Aufsicht). Schwimmunterricht im Besonderen darf nur von Lehrkräften erteilt werden, die zumindest das Deutsche Rettungsschwimmerabzeichen in Bronze erworben haben, eine Ausbildung in der Methodik des Schwimmunterrichts nachweisen können und sich in Abständen von vier Jahren einer Wiederholungsprüfung unterzogen haben (Nummer 3 der Anlage 2 der VV-Aufsicht). Bei besonderen schulischen Veranstaltungen, die Betätigungen in stehenden oder fließenden Gewässern einschließen (z. B. Schwimmen, Rudern, Paddeln, Segeln, Segelsurfen), muss die aufsichtführende Lehrkraft schwimmkundig sein, beim Schwimmen an unbewachten Badestränden muss sie im Besitz des Deutschen Rettungsschwimmabzeichens in Bronze sein (Nummer 4 der Anlage 3 der VV- Aufsicht). in den naturwissenschaftlichen Fächern, den Fächern Wirtschaft-Arbeit-Technik Der Unterricht in den genannten Fächern ist unter Einhaltung der Bestimmungen der Empfehlung für Richtlinien zur Sicherheit im Unterricht (RISU; Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 9. September 1994 in der jeweils geltenden Fassung) durchzuführen. Die RISU fasst den aktuellen Stand einschlägiger Vorschriften aus Recht, Verwaltung und Unfallverhütung sowie geltender technischer Regeln (z. B. Arbeitsschutzgesetz, Technische Regeln Gefahrstoffe, DIN-Normen) zusammen, die für Schulen von Bedeutung sind.