Landtag Brandenburg Drucksache 6/9424 6. Wahlperiode Eingegangen: 22.08.2018 / Ausgegeben: 27.08.2018 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 3766 des Abgeordneten Steeven Bretz (CDU-Fraktion) Drucksache 6/9259 Das Weltkulturerbe in Potsdam Namens der Landesregierung beantwortet die Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur die Kleine Anfrage wie folgt: Die Bewahrung des „herausragenden kulturellen Erbes“ sei ein wichtiges Ziel des Landes, betonte die Vorsitzende des Stiftungsrates der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten (SPSG) und Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur, Dr. Martina Münch, bei der Vorstellung des Masterplans II im April dieses Jahres (MAZ, 400 Millionen Euro für Preußens Schlösser, v. 18.4.18). Ein geplantes Neubauprojekt am Park Babelsberg, südlich der Nuthestraße, sorgt allerdings bereits seit Jahren für Diskussionen um den Status Potsdams als Weltkulturerbe. Der Internationale Rat für Denkmalpflege (Icomos) hat sich nun eingeschaltet und kritisiert den Verlust von Sichtachsen, sollten 30.000 Quadratmeter wie geplant bebaut werden, Der Rat droht, die Potsdamer Schlösser und Parks auf die Rote Liste der bedrohten Welterbe-Stätten zu setzen und verlangt den Verzicht auf die Bebauung eines Baufeldes mit 80 Wohnungen. Eine weitere Herausforderung für den Erhalt des Weltkulturerbes seien „Müllberge und zunehmende Konflikte zwischen Besuchergruppen “, Hunde, Grillen, wildes Kampieren und eine „zunehmende Segmentierung der Interessenlagen“ in den Gärten und Parkanlagen des Weltkulturerbes, erklärte der kürzlich verabschiedete Generaldirektor der Stiftung Schlösser und Gärten (SPSG), Prof. Dr. Hartmut Dorgerloh, in einem Interview (MAZ vom 23.5.18, „Es zählt immer nur das Ich“). Die Folge seien irreparable Schäden, z.B. gebe es im Neuen Garten einen Rückgang der Biotop-Flächen um 60 Prozent. Ich frage daher die Landesregierung: 1. Wie bewertet die Landesregierung, vertreten durch die Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kultur und Vorsitzende des Stiftungsrates der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, Dr. Martina Münch, die Debatte um den Bau von Wohnungen am Potsdamer Havelufer und eine damit einhergehende Gefährdung des Welterbe-Status? 2. Inwieweit folgt die Landesregierung der Einschätzung des Potsdamer Denkmalamts und der SPSG, dass zumindest ein Teil der Gesamtfläche als Grünfläche erhalten bleiben müsse? 3. Inwiefern wird sich die Landesregierung an einem Dialogprozess beteiligen, um zwischen wohnungswirtschaftlichen und denkmalpflegerischen Aspekten zu vermitteln? Landtag Brandenburg Drucksache 6/9424 - 2 - Zu Fragen 1 bis 3: Grundsätzlich erachtet es die Landesregierung im Interesse des Schutzes der Welterbestätte als notwendig, dass Änderungen bezüglich der beabsichtigten Bebauung des besagten Baufeldes vorgenommen werden. Dabei geht es nicht um das Ob, sondern das Wie der Bebauung. Die Landesregierung bzw. das MWFK sind nicht direkt am Verfahren zur Aufstellung des entsprechend betroffenen B-Planes Nr. 145 beteiligt. Das MWFK hat jedoch im Hinblick auf die besondere Sensibilität des betroffenen Bereichs angeboten, zwischen den unterschiedlichen Interessen des Denkmalschutzes und der Landeshauptstadt Potsdam zu vermitteln. Die Gespräche hierzu laufen derzeit. Im Übrigen ist der Behauptung des Fragestellers zu widersprechen, der Internationale Rat für Denkmalpflege (ICOMOS) drohe, Potsdamer Schlösser und Parks auf die Rote Liste der bedrohten Welterbe-Stätten zu setzen. Vielmehr hat sich ICOMOS in die Gespräche und Verhandlungen mit eingeschaltet. 4. Welche Kenntnisse hat die Landesregierung über die von Prof. Dr. Dorgerloh thematisierten irreparablen Schäden in den Potsdamer Parkanlagen? 5. Wie bewertet die Landesregierung die Aussagen von Prof. Dr. Dorgerloh, dass insbesondere „im Neuen Garten und im Park Babelsberg“ eine Übernutzung der Parkflächen stattfinde und z.B. im Neuen Garten bereits ein „Rückgang der Biotop-Flächen um 60 Prozent “ stattfinde? Zu Fragen 4 und 5: Die Landesregierung hat folgende Kenntnisse von Schäden bzw. irreparablen Schäden und den Rückgang der Biotope in den Potsdamer Parkanlagen: Neuer Garten: Uferschäden durch Badende zwischen Grünem Haus und Hasengraben am Heiligen See; hier sind stellenweise bis zu 10 Meter Uferstreifen (in der Tiefe) verloren und erhebliche Schäden an den Schilfgürteln entstanden; Uferschäden durch Badende zwischen Rotem Haus und der Gotischen Bibliothek; Uferausbrüche und Schäden am Schilfgürtel; Wiesen im Bereich zwischen Grünem Haus und Hasengraben sowie dem Heiligen See und dem Jungfernsee; völlige Versteppung bis hin zur Totalbrache von ca. 5 ha, davon 2 ha ausgewiesenes Wiesenbiotop, irreparabel; Zerstörung der Wiesen entlang des Westufers am Heiligen See von der Gotischen Bibliothek bis zum Roten Haus in der Tiefe bis an die Eichenallee und die Pyramide ; teilweise Totalzerstörung im unmittelbaren Uferbereich und erhebliche Zerstörung der Pflanzengesellschaften durch Plattlagern, Trampelpfade und Feuerstellen von Grillgerätschaften; Fläche von ca. 6,5 ha, davon ca. 3,5 ha Wiesenbiotope verloren ; Hinzu kommen erhebliche Kosten für die Müllbeseitigung, die Reparaturen durch Radfahren auf Wegen, die nicht für den Radverkehr freigegeben sind, sowie erhöhter Verschleiß der Technik, insbesondere der Mähtechnik, durch Kronkorken und Scherben. Park Babelsberg: Uferschäden durch Badende zwischen den Strandbad Babelsberg und dem Kleinen Schloss am Tiefen See (Schäden am Schilfgürtel); Wiesen im Bereich zwischen dem Strandbad Babelsberg und dem Kleinen Schloss; teilweise Totalzerstörung im Uferbereich und erhebliche Zerstörung der Pflanzengesellschaften durch Plattlagern, Trampelpfade und Feuerstellen von Grillgerät- Landtag Brandenburg Drucksache 6/9424 - 3 - schaften: Fläche von ca. 4,5 ha; Schäden durch Radfahren auf wassergebundenen Wegedecken in Bereichen, die nicht für den Radverkehr freigegeben sind; besonders betroffen sind die neuen Wege im Pleasureground, die Wege zum Schloss Babelsberg und die Steilwege in hängigen Partien; Uferweg am Tiefen See und an der Glienicker Lake ist durch Radfahren nachhaltig bis in den Unterbau zerstört; hinzu kommen auch hier erhebliche Kosten für die Müllbeseitigung, die Reparaturen durch Radfahren auf Wegen, die nicht für den Radverkehr freigegeben sind, sowie erhöhter Verschleiß der Technik, insbesondere der Mähtechnik, durch Kronkorken und Scherben. Im Park Sanssouci gibt es aktuell keine irreparablen Schäden. 6. Prof. Dr. Dorgerloh sagte in dem o.g. Interview: „Ein Ich ist übrigens auch die Schlösserstiftung . Die muss sich genauso relativieren.“ Wie beurteilt die Landesregierung diese Kritik an der SPSG? Zu Frage 6: Das vollständige Zitat lautete: „Die aktuelle Situation in den Parkanlagen zeigt jedoch ganz deutlich, dass wir klare Regeln brauchen. Gerade an Schönwetter- Wochenenden gibt es im Neuen Garten und im Park Babelsberg Müllberge und zunehmende Konflikte zwischen Besuchergruppen. Auch die Potsdamer sind keine homogene Interessengruppe. Der eine will mit seinen Enkeln spazieren gehen, der nächste will baden , der dritte will nur schnell in das Viertel auf der anderen Seite des Parks radeln. Wir beobachten eine zunehmende Segmentierung der Interessenlagen, bei der immer nur das Ich zählt. Ein Ich ist übrigens auch die Schlösserstiftung. Die muss sich genauso relativieren .“ Die beiden letzten Sätze sind mithin keine Kritik an der SPSG, sondern vielmehr eine Positionsbestimmung. Die SPSG hat mit ihrem denkmalpflegerischen Auftrag ebenso das Recht, als “Ich“ akzeptiert und respektiert zu werden, ist aber zugleich bereit, zwischen den Ansprüchen ihrer heutigen Gäste und dem, was diese historischen Anlagen an Möglichkeiten bieten, abzuwägen und Kompromisse anzubieten. In diesem Sinne hat die SPSG z.B. bestimmte Fahrradstrecken oder eine Badestelle am Heiligen See für diese Nutzungen ausgewiesen. 7. Inwiefern sind nach Ansicht der Landesregierung die geplanten 400 Millionen Euro aus dem Sonderinvestitionsprogramm des Bundes in den kommenden Jahren ausreichend, um in Potsdams Schlössern und Gärten die Instandsetzungen und Sanierungsmaßnahmen zu gewährleisten? Zu Frage 7: Grundsätzlich sind die 400 Millionen Euro Sonderinvestitionsmittel des Bundes und der Länder Berlin und Brandenburg ausreichend, um fortlaufend Instandsetzungsund Sanierungsmaßnahmen in den Schlössern und Gärten der SPSG zu gewährleisten. Das Sonderinvestitionsprogramm sieht vor, dass die Sicherung der Substanz und der Sammlungen und die Erfüllung öffentlich-rechtlicher Auflagen gewährleistet wird, Verbesserungen bei den musealen Angeboten und im Besucherservice erfolgen, Kosteneinsparungen erreicht und Einnahmen gesteigert werden können. Auf dieser Basis erfolgte im Rahmen des Programms eine Schwerpunktsetzung und Bestimmung von ca. 50 Investitionsprojekten in Berlin und Brandenburg. In Potsdam können Sanierungsmaßnahmen in den Schlössern Neues Palais, Babelsberg, Cecilienhof und Große Orangerie weitergehen. Landtag Brandenburg Drucksache 6/9424 - 4 - Gebaut werden können Parkreviere, Skulpturendepot, Besucherzentren, saniert werden Wohnhäuser, Wege, Gewässer u.a.m.