Landtag Brandenburg Drucksache 6/9473 6. Wahlperiode Eingegangen: 28.08.2018 / Ausgegeben: 03.09.2018 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 3773 des Abgeordneten Sven Schröder (AfD-Fraktion) Drucksache 6/9279 Tiertötungsskandal in Neuzelle Namens der Landesregierung beantwortet der Minister der Justiz und für Europa und Verbraucherschutz die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung des Fragestellers: In einem Bericht des rbb Aktuell am 16.7.2018 wurde über einen Tiertötungsskandal in der Agrargenossenschaft Neuzelle berichtet. In dem Bericht wird gezeigt, wie durch zwei Mitarbeiter des Unternehmens Ferkel aus ihren Buchten entnommen werden. Einige dieser Ferkel werden dabei durch die Mitarbeiter erschlagen. Als Quelle dieses Filmmaterials wird Animal Rights Watch angegeben. Im Bericht werden auch Vorschriften für das Töten von Ferkeln wie folgt zitiert: „Für Ferkel sind die Betäubung durch Kopfschlag und anschließende Entblutung mittels Eröffnung der großen Blutgefäße (Halsschnitt) vorgeschrieben, alternativ wären die Betäubung und Tötung mittels CO2-Einsatz möglich.“ Frage 1: Ist die im Film gezeigte Selektion und anschließende Tötung der Ferkel aus dem Wurf eine Routinetätigkeit in den Arbeitsabläufen der Mitarbeiter der Agrargenossenschaft Neuzelle oder in der gezeigten Form einmalig? Zu Frage 1: In der Schweinezuchtanlage der AG Neuzelle werden 391 Sauen gehalten, die im Schnitt 2,3 Würfe pro Jahr haben und im Abferkelbereich abferkeln. Überzählige, kleine, aber vitale Ferkel werden zu einer Ammensau gesetzt. Pro Durchgang stehen 2-6 Ammensauen zur Verfügung. Die Stallkapazität ist ausreichend vorhanden, da Absetzer (>25kg) regelmäßig an Viehhändler abgegeben werden. Die Abferkelung wird begleitet durch insgesamt drei Mitarbeiterinnen in der Zeit von 6:00 bis 21:00 Uhr. Werden dabei missgebildete, sehr kleine und nicht überlebensfähige, unterentwickelte (Dokumentation vorgelegt) oder lebensschwache Ferkel mit infauster Prognose vorgefunden, werden diese durch die Mitarbeiterinnen notgetötet. Die Unterweisung zur Beurteilung auf Nicht- Lebensfähigkeit erfolgt in regelmäßigen Abständen. Demnach werden die Saugferkel (<5kg) erst mittels Schlag auf den Kopf durch einen Rundholz betäubt und anschließend durch einen Skalpellschnitt am Hals entblutet. Anzeichen einer ausreichenden Betäubung ist der schlaffe Körper und fehlende Bewegung der Tiere sowie fehlende Reflexe. Die erfolgreiche Tötung wird nach Angaben der anwesenden Betriebsangehörigen direkt im Anschluss und bevor die Tiere aus den Buchten eingesammelt werden, kontrolliert. Dabei wird auf die fehlende Atmung und den fehlenden Herzspitzenstoß geachtet sowie auf Ausbleiben der Reflexe. Die toten Tiere werden nach Ende des Durchgangs erst in einem Eimer eingesammelt und anschließend in die Kadavertonne gegeben. Zwischen Tötung und Absammeln aus den Abteilen liegen ca. 30 Minuten. Die Entsorgung erfolgt über die Tier- Landtag Brandenburg Drucksache 6/9473 - 2 - körperbeseitigungsanlage (TBA) „Secanim“. Das Fahrzeug der TBA fährt mindestens zweimal pro Woche den angeschlossenen Schlachthof an und leert bei Bedarf auch die Kadavertonnen der Schweineanlage. Frage 2: Verfügt die Agrargenossenschaft Neuzelle über geeignete Räumlichkeiten für die Durchführung der gesetzlich zulässigen „… Betäubung durch Kopfschlag und die anschließende Entblutung mittels Eröffnung der großen Blutgefäße“ (Halsschnitt)? Wenn nein, wo erfolgt dann die übliche Tötung der ausselektierten Ferkel in der Agrargenossenschaft Neuzelle? zu Frage 2: Die Nottötung von Ferkeln wurde aus der unmittelbaren Umgebung der Sauen heraus auf den Zwischengang verlegt. Dort wird Blut aufgefangen und über die TBA Tonne entsorgt. Schweine über 5kg werden im angeschlossenen Schlachthof notgetötet. Frage 3: Auf welcher gesetzlichen Grundlage erfolgte das Selektieren und anschließende Töten einiger Ferkel aus dem Wurf der Agrargenossenschaft Neuzelle? zu Frage 3: Rechtsgrundlage für die Nottötung von Tieren bilden Tierschutzgesetz und Tierschutz-Schlachtverordnung. Für die Durchführung der Nottötung liegt in der AG Neuzelle eine Arbeitsanweisung vor. Weiterhin wurden die Mitarbeiter durch die betreuenden Tierärzte unterwiesen. Frage 4: Wurden die für den Tod mehrerer Ferkel verantwortlichen Mitarbeiter der Agrargenossenschaft Neuzelle für ihre Taten rechtlich belangt oder anderweitig zur Verantwortung gezogen? zu Frage 4: Durch den Betriebsleiter erfolgte eine Abmahnung und aktenkundige Nachbelehrung zur Durchführung der Nottötung von nicht lebensfähigen Ferkeln. Das strafrechtliche Ermittlungsverfahren ist bei der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) anhängig, die Kontrollfeststellungen und angeordneten Maßnahmen des VLÜA wurden mit umfangreicher Sachstandsdarstellung zugearbeitet. Frage 5: Ist die Tötung von Ferkeln auch Gegenstand des Maßnahmenprogramms Tierwohl des Landes Brandenburg? Wenn nein, ist eine Aufnahme in das Maßnahmenprogramm Tierwohl des Landes Brandenburg vorgesehen? zu Frage 5: Die Initiative Tierwohl ist ein branchenübergreifendes Bündnis aus Landwirtschaft, Fleischwirtschaft und Lebensmitteleinzelhandel, welches sich für mehr Tierwohl in der Fleischerzeugung einsetzt. Dafür wurde nun für die neue Laufzeit, welche 2018 startet und für 3 Jahre vorgesehen ist, ein umfassendes Programm zur objektiven Verbesserung der Bedingungen in der Schweine- und Geflügelhaltung aufgelegt. Landwirte sollen das Tierwohl noch stärker umsetzen können, ohne dabei die Wettbewerbsfähigkeit Ihres Betriebes zu beeinträchtigen. Kriterien für Sauenhaltende Betriebe werden entsprechend der geltenden QS Systematik bewertet. Frage 6: Wurden die Mitarbeiter der Agrargenossenschaft Neuzelle vor der Ferkelselektion mit anschließender Tötung eines Teils der Ferkel durch einen vorgesetzten Mitarbeiter eingewiesen oder erfolgte die Tötung als selbstständiges Handeln der Mitarbeiter? Landtag Brandenburg Drucksache 6/9473 - 3 - zu Frage 6: Für die Durchführung der Nottötung liegt eine Arbeitsanweisung zur Durchführung der Nottötung vor. Weiterhin wurden die Mitarbeiter durch die betreuenden Tierärzte unterwiesen. Nachweise für die Unterweisung liegen vor - 21.09.2017, 06.03.2018. Anlassbezogen erfolgte erneut eine Unterweisung mit aktenkundiger Belehrung auf der Grundlage der Stellungnahme der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz (TVT) zur Nottötung von Saugferkeln durch den Tierhalter. Frage 7: Verfügten bzw. verfügen die Mitarbeiter der Agrargenossenschaft Neuzelle über einen Sachkundenachweis für das Selektieren und Töten ausgewählter Ferkel? Wenn nein, besteht für die Mitarbeiter eine Möglichkeit zum Erwerb eines Sachkundenachweises mit Unterstützung durch das Unternehmen? zu Frage 7: Für die Nottötung von Tieren durch den Tierhalter ist rechtlich kein Sachkundenachweis gefordert, sie müssen jedoch sachkundig sein, d.h. sie benötigen bestimmte Berufsabschlüsse oder müssen durch sachkundige Personen angelernt worden sein. Der Vorstand der AG Neuzelle plant, seine Mitarbeiter zum nächsten externen Lehrgang zur Tötung von Schweinen zu schicken, der angeboten wird. Frage 8: War das Eindringen in die Schweinezuchtanlage der Agrargenossenschaft Neuzelle rechtlich zulässig? Wenn nein, erfolgt eine Verfolgung dieses unzulässigen Eindringens von Mitarbeiter der Organisation Animal Rights Watch durch die zuständigen Behörden ? zu Frage 8: Durch den Tierhalter erfolgte eine Strafanzeige wegen „Hausfriedensbruch und Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereiches“. Das Auskunftsersuchen der Polizei wurde durch das Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsamt (VLÜA) beantwortet und auf die Akte bei der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) verwiesen, die das angezeigte Verhalten auf strafrechtliche Relevanz prüft. Frage 9: Wie wird das Eindringen und unbefugte Erstellen von Filmmaterial in landwirtschaftlichen Betrieben allgemein geahndet? zu Frage 9: Wenn eine Strafanzeige erfolgt, wird unbefugtes Eindringen und Erstellen von Filmmaterial je nach Beurteilung der strafrechtlichen Relevanz durch Ermittlungsbehörden und Gerichte geahndet. Frage 10: Welche Angaben können zu den Mitarbeitern, die an der Tötung mehrerer Ferkel im o.g. Film beteiligt waren, gemacht werden? (Bitte aufschlüsseln nach Bildungsgrad, Nationalität, Alter, Anstellungszeitraum und ggf. Erfahrungen in anderen ländlichen Betrieben ) zu Frage 10: Beide Mitarbeiterinnen, die auf den Videoaufnahmen zu sehen sind, sind seit vielen Jahren in Schweinebetrieben tätig, eine von ihnen ist als Tierwirtin ausgebildet, beide sind deutscher Nationalität.