Datum des Eingangs: 24.03.2015 / Ausgegeben: 30.03.2015 Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/952 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 328 des Abgeordneten Dr. Andres Bernig der Fraktion DIE LINKE Drucksache 6/712 Umsetzung Mindestlohngesetz in Brandenburg II Wortlaut der Kleinen Anfrage 328 vom 25.2.2015: Umsetzung Mindestlohngesetz in Brandenburg II Das Gesetz zum allgemeinen, flächendeckenden Mindestlohn ist seit 1. Januar in Kraft. Der gesetzliche Mindestlohn soll Beschäftigte im Niedriglohnsektor vor Lohn- dumping schützen und die Zahl der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die trotz Vollbeschäftigung auf Sozialleistungen angewiesen sind, verringern. In Medien wur- de jetzt davon berichtet, dass Brötchenpreise steigen, das Schulessen teurer wird, Filialen schließen oder in der Vereins- und Verbandsarbeit Stundenreduzierungen vorgenommen werden. Ich frage die Landesregierung: 1. Gibt es Erkenntnisse über Arbeitsplatzabbau aufgrund des Mindestlohngesetzes ? 2. Welche Auswirkungen hat das Mindestlohngesetz auf die Arbeitsfähigkeit von Vereinen und Verbänden? 3. Wie hoch ist der derzeitige durchschnittliche Verdienst für Menschen mit Behinderungen , die in sogenannten Integrationsfirmen arbeiten? Wie viele erhalten Lohnkostenzuschüsse? 4. Gibt es ein spezielles Unterstützungsprogramm für Integrationsprojekte bzw. ist eins geplant? 5. Greift das Mindestlohngesetz auch für Beschäftigte in Werkstätten für Menschen mit Behinderungen? Namens der Landesregierung beantwortet die Ministerin für Arbeit, Soziales, Ge- sundheit, Frauen und Familie die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Gibt es Erkenntnisse über Arbeitsplatzabbau aufgrund des Mindestlohnge- setzes? zu Frage 1: Der Landesregierung liegen keine belastbaren Erkenntnisse über Arbeitsplatzabbau oder Arbeitszeitverkürzungen in Brandenburg vor, die auf die Einführung des allge- meinen gesetzlichen Mindestlohns von 8,50 Euro zurückzuführen sind. Auch zwei Monate nach Inkrafttreten des gesetzlichen Mindestlohns dürfte es noch zu früh für derartige Einschätzungen sein. Im Hinblick auf die Entwicklung des Arbeitsmarktes ist seit Anfang des Jahres sogar ein deutlicher Aufwärtstrend zu vermerken, der sich auch im Februar fortgesetzt hat. Wie schon in der Antwort der Landesregierung auf die Kleinen Anfrage 256 ausgeführt, sind die Arbeitslosenzahlen in Brandenburg rückläufig. Im Februar sind die Arbeitslosenzahlen im Vergleich zum Vormonat noch weiter gesunken, die Arbeitslosenquote liegt mit 9,8 Prozent um 0,8 Prozentpunkte sogar deutlich unter Vorjahreswert. All dies sind Indizien dafür, dass die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns am 1. Januar 2015 in Brandenburg bisher keine messbaren negativen Auswirkungen auf die Beschäftigung hatte. Frage 2: Welche Auswirkungen hat das Mindestlohngesetz auf die Arbeitsfähigkeit von Vereinen und Verbänden? zu Frage 2: Auswirkungen des Mindestlohngesetzes auf die Arbeitsfähigkeit von Vereinen und Verbänden speziell in Brandenburg sind der Landesregierung bisher nicht bekannt geworden. Vereine und Verbände erfüllen ihre Aufgaben zum großen Teil mit ehren- amtlich Tätigen. Gemäß § 22 Absatz 3 des Mindestlohngesetzes werden ehrenamt- lich Tätige von vorneherein vom Mindestlohn nicht erfasst. Allgemein gilt folgendes: Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn haben seit dem 1. Januar 2015 auch die in Sportvereinen tätige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Wer Arbeitnehmer bzw. Arbeitnehmerin ist, bestimmt sich nach den allgemeinen Grundsätzen. Die Ver- gütung in Sportvereinen von ehrenamtlich Tätigen regelt das Mindestlohngesetz da- gegen nicht. Die Koalitionsfraktionen haben im Rahmen des Gesetzgebungsverfah- rens bekundet, dass ehrenamtliche Übungsleiterinnen und Übungsleiter und andere ehrenamtlich tätige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Sportvereinen nicht unter das Mindestlohngesetz fallen, soweit die Tätigkeit nicht von der Erwartung einer adäqua- ten finanziellen Gegenleistung, sondern dem Willen geprägt sei, sich für das Ge- meinwohl einzusetzen. Werden Tätigkeiten im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung als sogenannte Minijobs durchgeführt, ist anzunehmen, dass es sich um ein Arbeitsverhältnis handelt und diese unter das Mindestlohngesetz fallen. Dies schließt ein darüberhinausge- hendes ehrenamtliches Engagement neben der geringfügigen Beschäftigung nicht zwangsläufig aus. Es muss sich jedoch aus dem Arbeitsvertrag ergeben, welche Leistungen im welchen Umfang Bestandteil des Minijobs sind. Eine darüberhinaus- gehende ehrenamtliche Tätigkeit sollte von der Art und vom Inhalt deutlich zum Mi- nijob abgrenzbar sein (andernfalls besteht der Verdacht einer Umgehung des Min- destlohns). Zur bundesweit diskutierten Frage der Bezahlung von Amateursportlerinnen und – sportlern oder Übungsleiterinnen und -leitern wird ergänzend auf die Erläuterungen des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales vom 23. Februar 2015 im Nachgang eines Gesprächs von Bundesministerin Nahles mit Vertretern des Deutschen Olym- pischen Sportbundes (DOSB) und des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) verwiesen. Zitat: „Grundsätzlich gilt der Mindestlohn für alle Arbeitnehmer. In der Regel ist eine An- meldung zum Minijob mit der Arbeitnehmereigenschaft verbunden, so dass der Min- destlohn zu zahlen ist. Die Koalitionsfraktionen und das Bundesministerium für Arbeit und Soziales haben im Bundestag während des Gesetzgebungsprozesses jedoch das gemeinsame Verständnis zum Ausdruck gebracht, dass Vertragsamateure nicht unter das Mindestlohngesetz fallen sollen. Das zeitliche und persönliche Engage- ment dieser Sportler zeige, dass nicht die finanzielle Gegenleistung, sondern die Förderung des Vereinszwecks und der Spaß am Sport im Vordergrund stehen. Somit ist davon auszugehen, dass es sich trotz Mini-Job nicht um ein Arbeitnehmerverhält- nis handelt und der Mindestlohn keine Anwendung findet. Die Gesprächsteilnehmer waren sich einig, dass die Zahl der Mini-Jobs im ehrenamt- lichen Bereich bei anderen Tätigkeiten (z.B. Übungsleiter, Platzwarte) reduziert wer- den soll, etwa durch die Nutzung von Aufwandsentschädigungen und Auslagener- satz. Mit dieser Klarstellung auf Basis des geltenden Mindestlohngesetzes wird den Sport- vereinen eine einfach handhabbare Lösung entlang der bisherigen Praxis angeboten. Die Klarstellung fußt auf den Gesetzgebungsmaterialien zum Mindestlohngesetz, hier insbesondere einer Drucksache des zuständigen Ausschusses, und der Recht- sprechung zum Arbeitnehmerbegriff.“ Frage 3: Wie hoch ist der derzeitige durchschnittliche Verdienst für Menschen mit Behinderungen, die in sogenannten Integrationsfirmen arbeiten? Wie viele erhalten Lohnkostenzuschüsse? zu Frage 3: Mit Stand Januar 2015 liegt der Hauptanteil des Stundenlohnes der Menschen mit einer Schwerbehinderung, die in Integrationsprojekten gemäß § 132 SGB IX be- schäftigt sind, zwischen 8,50 Euro und 11,00 Euro. In zwei Integrationsprojekten wird noch kein Mindestlohn gezahlt, was auf Grund der Tarifverträge nach dem Arbeit- nehmer-Entsendegesetz zulässig ist. Im Land Brandenburg existieren gegenwärtig 28 Integrationsprojekte, in denen der- zeit 252 besonders betroffene Menschen mit einer Schwerbehinderung beschäftigt sind. Davon erhalten 225 Menschen mit einer Schwerbehinderung Lohnkostenzu- schüsse vom Integrationsamt und 27 Eingliederungszuschüsse von der Bunde- sagentur für Arbeit. Frage 4: Gibt es ein spezielles Unterstützungsprogramm für Integrationsprojekte bzw. ist eins geplant? zu Frage 4: Integrationsunternehmen gemäß § 132 SGB IX können auf Grund ihrer Struktur in eine wirtschaftliche Problemsituation geraten, in deren Konsequenz die Arbeitsplätze der besonders betroffenen schwerbehinderten Menschen oder auch das Integrati- onsunternehmen selbst gefährdet sind. Zur Abfederung wirtschaftlicher Problemlagen in Integrationsunternehmen beabsich- tigt das Integrationsamt beim Landesamt für Soziales und Versorgung des Landes Brandenburg für bestehende Integrationsunternehmen ein Programm für zeitlich be- fristete Unterstützungsmaßnahmen zur Verfügung zu stellen. Ein Entwurf des Pro- grammes befindet sich gegenwärtig im Abstimmungsprozess im Rahmen des Bera- tenden Ausschusses beim Integrationsamt gemäß § 103 SGB IX. Frage 5: Greift das Mindestlohngesetz auch für Beschäftigte in Werkstätten für Men- schen mit Behinderungen? zu Frage 5 Menschen mit Behinderung, die im Arbeitsbereich einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen (WfbM) beschäftigt sind, stehen gemäß § 138 SGB IX in ei- nem arbeitnehmerähnlichen Rechtsverhältnis. Sie sind somit keine Arbeitnehmerin- nen und Arbeitnehmer und das Mindestlohngesetz gilt daher für sie nicht; sie erhal- ten als voll erwerbsgeminderte Menschen zur Sicherstellung ihres Lebensunterhalts Leistungen der Grundsicherung oder eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Zudem erhalten sie in der WfbM rehabilitative Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsle- ben. In WfbM wird Fachpersonal beschäftigt zur Begleitung der oben genannten behinder- ten Menschen. Das Fachpersonal ist regulär sozialversicherungspflichtig beschäftigt und für sie kommt der gesetzliche Mindestlohn zur Anwendung. Dies schließt Mitar- beitende mit Behinderungen ein.