Landtag Brandenburg Drucksache 6/9528 6. Wahlperiode Eingegangen: 06.09.2018 / Ausgegeben: 11.09.2018 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 3796 der Abgeordneten Birgit Bessin (AfD-Fraktion) und Dr. Rainer van Raemdonck (AfD- Fraktion) Drucksache 6/9327 Aufklärung des Brandenburger Arzneimittelskandals Namens der Landesregierung beantwortet der Minister für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkungen der Fragesteller: Zu unserem Bedauern verweigert uns die Landesregierung bislang die Akteneinsicht im Brandenburger Arzneimittelskandal. Wir sind sehr besorgt um die Gesundheit der Menschen in Brandenburg und darüber hinaus. Daher fordern wir eine lückenlose Aufklärung und ein schnelles Handeln. Zur Vorbemerkung: Nach Art. 56 Abs. 4 LV obliegt der Landesregierung vor der Gewährung von Akteneinsichten zunächst zu prüfen, ob und inwieweit der Einsichtsgewährung überwiegende öffentliche oder private Interessen an der Geheimhaltung der Akten entgegenstehen könnten. Sie ist dabei an den, in der GGO normierten Verfahrensablauf (§ 19 Abs. 1, Anlage 7) gebunden. Von einer Verweigerung der Akteneinsicht kann daher nicht geredet werden; vielmehr ist die Landesregierung bemüht - insbesondere vor dem aktuellen Hintergrund - dieses Verfahren schnellstmöglich vorzunehmen. Frage 1: Welche und wie viele Arzneimittel befanden sich in dem Arzneimitteltransport der Firma Lunapharm, der in Bayern aufgehalten wurde? Woher stammten diese Arzneimittel? Wohin sollten sie verbracht werden? zu Frage 1: Die sichergestellten Produkte kamen von der Lunapharm Deutschland GmbH und sollten zu einer Firma nach Bayern transportiert werden. Insgesamt befanden sich drei Paletten mit hochpreisigen Arzneimitteln und Lösungen zur parenteralen Ernährung in dem Transport. Diese Arzneimittel wurden von Lunapharm Deutschland GmbH von anderen Lieferanten als der griechischen Apotheke bezogen. Frage 2: Weshalb wurden die Bescheide zum Widerruf der Herstellungs- und Großhandelserlaubnis vom 20. Juli vor kurzem wieder aufgehoben? Bitte genau begründen. zu Frage 2: Der Widerrufsbescheid vom 20. Juli 2018 wurde im Rahmen des Widerspruchsverfahrens aufgehoben, weil er nach Hinweis des Verwaltungsgerichts ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig war. Nach § 18 Abs. 1 S. 2 Arzneimittelgesetz (AMG) und § 52a Abs. 5 S. 2 AMG hat die zuständige Behörde, selbst wenn ein Versagungsgrund vorliegt, nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob sie entweder die Erlaubnis Landtag Brandenburg Drucksache 6/9528 - 2 - widerruft oder anstelle des Widerrufs das zeitweise Ruhen der Erlaubnis anordnet. Im Widerrufsbescheid vom 20. Juli 2018 fehlten Ausführungen zu dieser Ermessensentscheidung , die auch nicht nachgeholt werden konnten. Frage 3: Weshalb ist die Ruhensanordnung mit Sofortvollzug für die Herstellungs- und Großhandelserlaubnis nicht schon am 20. Juli ergangen? Bitte genau begründen. zu Frage 3: Aufgrund der Tatsachen, die im Bescheid vom 20. Juli 2018 zur Begründung des Versagens der Herstellungs- und Großhandelserlaubnis angeführt wurden, hat die zuständige Behörde den Widerruf als die erforderliche Maßnahme angenommen. Frage 4: Welche Stellen im MASGF hatten ab wann und in welchem Umfang Kenntnis über den Fall Lunapharm? zu Frage 4: Am 2. Dezember 2016 erreichte das MASGF über das E-Mail-Postfach „Poststelle MASGF“ eine Nachricht aus der Abteilung Pharmakovigilanz des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), der ein dortiger E-Mail-Verkehr mit der polnischen Main Pharmaceutical Inspectorate Warsaw beigefügt war und in der um Kenntnisnahme und Beantwortung der Frage gebeten wurde, ob im einzelnen aufgeführte Packungen des Arzneimittels Neulasta von dem Großhändler Lunapharm und aus der legalen Vertriebskette stammen. Diese E-Mail wurde an das zuständige Fachreferat im MASGF weitergeleitet. Von dort wurde die Beantwortung der Fragen eingeleitet. Frage 5: Wie bereits bekannt ist, gab es im Zusammenhang mit der Aufsicht über die Firma Lunapharm eine Anfrage der polnischen Behörden, ein Rechtshilfeersuchen aus Griechenland sowie einen Schriftverkehr des Landesamtes mit der zuständigen griechischen Behörde. Lagen diese Dokumente dem MASGF vor? Wenn ja, warum übte das MASGF seine Fachaufsicht nicht aus, wenn ihm dieselben Informationen wie dem LAVG vorlagen? zu Frage 5: Die ursprünglich an das BfArM gerichtete Anfrage der polnischen Behörden wurde - wie bereits zur Antwort der Frage 4 ausgeführt - mit Mail vom 2. Dezember 2016 zur Beantwortung an das MASGF weitergeleitet. Der Vorgang wurde, soweit die Zuständigkeit des MASGF bestand, im entsprechenden Fachreferat bearbeitet und soweit die Zuständigkeit des LAVG begründet wurde, dorthin zur weiteren Bearbeitung abgegeben. Das Rechtshilfeersuchen aus Griechenland wurde dem MASGF vom LAVG durch Weiterleitung einer Mail vom 3. März 2017 des Landeskriminalamtes (LKA) an das LAVG auszugsweise zur Kenntnis gegeben. Über Anfragen an die griechischen Behörden bzw. über die von dort erhaltenen Antworten informierte das LAVG - wie erbeten - das zuständige Fachreferat im MASGF ab Februar 2017. Die Auswertung des Agierens des MASGF ist u.a. Gegenstand der von Ministerin Golze eingerichteten Task Force. Frage 6: Wie viele Fachexperten (GMP-Inspektoren, Verwaltungsfachleute) aus dem LAVG, dem MASGF und der sogenannten Taskforce arbeiten aktuell an der Aufklärung des Brandenburger Arzneimittelskandals? Bitte getrennt nach LAVG, MASGF und der sogenannten Taskforce angeben. Bitte geben Sie auch die Qualifikation und Erfahrungen der Fachexperten an. Landtag Brandenburg Drucksache 6/9528 - 3 - zu Frage 6: Derzeit arbeiten 7 Personen im MASGF, 11 Personen im LAVG und 6 Personen in der Task Force in unterschiedlicher Zusammensetzung und aufgabenbezogen an der Aufarbeitung des Vorgangs um die Lunapharm Deutschland GmbH. Es handelt sich hierbei um erfahrene Verwaltungsfachleute, Juristinnen und Juristen sowie Pharmazeutinnen und Pharmazeuten. Zu den Aufgabenkomplexen gehören die Bewertung des Verwaltungshandelns gegen das Unternehmen, die Bearbeitung der Rückrufe, die Aufklärung des Netzwerks zum Arzneimittelhandel im Umfeld des Unternehmens, die Aufklärung des Verwaltungshandelns in der Vergangenheit und die Beantwortung der zahlreichen Fragen aus Politik und Medien. Im Übrigen wird auf die Ausführungen des Task Force Leiters in der Sitzung des AASGF am 16. August 2018 verwiesen. Frage 7: Welche Zeugen wurden bisher von den Mitgliedern der sogenannten Taskforce befragt? Welche Ergebnisse wurden dabei erzielt? Frage 8: In welchem Maße wurde der sogenannten Taskforce bisher Akteneinsicht gewährt ? zu Fragen 7 und 8: Es wird auf den vorliegenden Bericht der Task Force sowie die 36. Sitzung des Ausschusses für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie am 28.08.2018 verwiesen. Frage 9: Uns liegen Informationen vor, dass derzeit nur noch ein GMP-Inspektor im Landesamt arbeitsfähig ist. Inwiefern stellt die Landesregierung sicher, dass die Inspektionen, die aufgrund internationaler Verträge verpflichtend mit zwei GMP-Inspektoren durchzuführen sind, derzeit und in Zukunft stattfinden können? Frage 10: Wie kann die Arzneimittelsicherheit in Brandenburg gewährleistet werden, wenn der letzte verbliebene GMP-Inspektor seinen gesetzlich vorgeschriebenen Urlaub antritt? zu Fragen 9 und 10: Wie in der Vergangenheit werden auch in der Zukunft anstehende Inspektionen als Teaminspektionen durchgeführt. Zum aktuellen Zeitpunkt verfügt das LAVG über vier GMP-Inspektoren. Sollten Inspektoren längere Zeit krankheitsbedingt ausfallen , werden über Amtshilfe in anderen Bundesländern Inspektoren angefragt. Im Übrigen wird die Arzneimittelsicherheit nicht nur über GMP-Inspektoren gewährleistet. In erster Linie sind die Hersteller und Händler von Arzneimitteln in der Verantwortung, dass nur sichere Arzneimittel auf den Markt gelangen. Frage 11: Entstehen aufgrund des GMP-Inspektorenmangels im LAVG Probleme für die pharmazeutische Industrie des Landes Brandenburg bzw. für die Bevölkerung im Rahmen der Arzneimittelsicherheit? Gibt es Abnahme-Inspektionsanträge von Firmen, denen nicht nachgekommen werden kann? Wenn ja, wieviele und seit wann? zu Frage 11: Derzeit sind keine nachteiligen Auswirkungen auf die pharmazeutische Industrie des Landes Brandenburg bzw. für die Bevölkerung erkennbar. Es wird sichergestellt , dass alle anstehenden Abnahme-Inspektionen durchgeführt werden können. Frage 12: Gibt es Arzneimittelmeldungen der Arzneimittelkommission der Apotheker, die nicht bearbeitet werden können? Wenn ja, wieviele und seit wann? Landtag Brandenburg Drucksache 6/9528 - 4 - zu Frage 12: Nein. Frage 13: Wie viele von den im Jahr 2014 für den Haushalt 2015/2016 als Personalbedarf im Umfang von 14 Stellen angemeldeten Stellen wurden dem zuständigen Dezernatsleiter im Landesamt tatsächlich zur Verfügung gestellt? Um wie viele Stellen im höheren Dienst und gehobenen Dienst handelt es sich? zu Frage 13: Mit dem Haushaltsplan 2015/2016 sind insgesamt 10 neue Stellen für den Bereich Apotheken, Arzneimittel, Medizinprodukte (AM/MP) neu veranschlagt worden (2 hD, 7 gD, 1 mD). Dem LAVG wurden alle im Haushaltsplan 2015/2016 ausgebrachten Stellen vollumfänglich zur eigenständigen Bewirtschaftung übertragen. Innerhalb des LAVG wurden dem Dezernat G 3 davon insgesamt 7 Stellen zur Verfügung gestellt: 2 Stellen im hD (davon Abordnung einer Stelleninhaberin an das Ministerium, dafür erfolgte eine befristete Nachbesetzung im Umfang von 0,5 VZÄ im Bereich AM/MP) und 5 Stellen im gD (davon eine Stelle erst ab 2017). Von den übrigen 3 Stellen wurde eine gD-Stelle dauerhaft in der Abteilung Verwaltung, eine weitere gD-Stelle dauerhaft im Bereich Heilberufe sowie eine mD-Stelle nach einer befristeten Verwendung im Bereich AM/MP ab Juni 2016 dauerhaft für Sekretariatsaufgaben der Abteilung Gesundheit verwendet . Frage 14: Wer ist als Qualitätssicherungsbeauftragter des Landes Brandenburg seit dem 20.7.2018 im Ministerium tätig? Wurde dieser der Zentralstelle der Länder für Gesundheitsschutz bei Arzneimitteln und Medizinprodukten (ZLG) gemeldet? zu Frage 14: Der Qualitätssicherungsbeauftragte des Landes Brandenburg ist im LAVG tätig. Dieser wurde bei seiner Ernennung der ZLG gemeldet. Frage 15: Gibt es seit dem 20.7.2018 Eingänge von Medizinprodukterisiken? Wenn ja, wieviel und von wem wurden diese bearbeitet? zu Frage 15: Seit dem 20 Juli. 2018 bis einschließlich 17. August 2018 gab es insgesamt 49 Meldungseingänge im Bereich nichtaktiver Medizinprodukte. Die wurden jeweils von den dafür zuständigen Beschäftigten des MASGF und des LAVG bearbeitet. Frage 16: Ist beabsichtigt, Mitarbeiter für den Arzneimittelbereich des Referats 11B abzuordnen ? Wenn ja, mit welcher Qualifikation und Erfahrung und wer wird diese einarbeiten? zu Frage 16: Seit dem 13. August 2018 ist eine Apothekerin zum MASGF abgeordnet. Sie schloss ihre Ausbildung 2011 ab. In der Einarbeitungsphase wurde sie insbesondere vom LAGeSo in Berlin unterstützt. Frage 17: Ab welchem Zeitpunkt werden diese Fachexperten über die nötigen Fach- und Anwenderkenntnisse zum elektronischen System ELDOC verfügen, um vollumfänglich mitarbeiten zu können? zu Frage 17: Sofern mit Fachexperten die Mitglieder Task Force gemeint sind, bedarf es keinerlei EL.DOK-Kenntnisse, da diese nicht mit dem elektronischen Aktenverarbeitungssystem arbeiten müssen. Landtag Brandenburg Drucksache 6/9528 - 5 - Neue Beschäftigte des MASGF durchlaufen regelmäßig einen 3-Tages-Standardkurs beim ZIT-BB Schulungszentrum. Danach erfolgt die Einarbeitung unter Anwendung der Schulung . In der Regel ist das Basiswissen nach 2 bis 4 Wochen gefestigt. Frage 18: Welche Überlegungen wurden mittlerweile angestellt, um die Attraktivität des Landes Brandenburg als Arbeitgeber für die dringend benötigten GMP-Inspektoren zu erhöhen ? zu Frage 18: Derzeit gibt es nur die Möglichkeit über flexible Arbeitszeitregelungen und dem Angebot mobiler Arbeit in einem interessanten und vielseitigen Arbeitsfeld die Attraktivität zu erhöhen. Die Zusammenarbeit in einem jungen Team engagierter Mitarbeiter ist ein weiteres Argument. Frage 19: Inwiefern könnte ein Umzug des LAVG nach Potsdam helfen, die Arbeitgeberattraktivität für künftige GMP-Inspektoren zu erhöhen? zu Frage 19: Es ist nicht auszuschließen, dass potentielle interessierte GMP-Inspektorinnen oder -Inspektoren eine Tätigkeit in Potsdam gegenüber Wünsdorf bevorzugen würden.