Datum des Eingangs: 23.03.2015 / Ausgegeben: 30.03.2015 Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/955 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 293 der Abgeordneten Christina Schade der AfD-Fraktion Drucksache 6/642 Brandenburgisches Gesetz über Mindestanforderungen für die Vergabe von öffentli- chen Aufträgen (Brandenburgisches Vergabegesetz - BbgVergG) Wortlaut der Kleinen Anfrage 293 vom 19.2.2015 Nach Auskunft des Ministeriums für Wirtschaft und Energie gaben laut Evaluations- bericht 78 % der Vergabestellen der Landesverwaltung an, Arbeitsentgeltkontrollen nie durchzuführen. 49% der Auftragnehmer gaben an, noch nie kontrolliert worden zu sein. Es bestünde ein Vollzugsdefizit hinsichtlich der Durchsetzung der Vorgaben zum Mindestarbeitsentgelt und zur Tariftreue der Auftragnehmer. Unternehmensaus- schlüsse von Vergabeverfahren kämen bislang selten oder nie vor. Es würden kaum Eintragungen in die Listung von Auftragssperren vorgenommen (derzeit liegen zwei Eintragungen vor). Der Evaluationsbericht hätte aufgezeigt, dass die öffentlichen Auf- traggeber ihre Auftragnehmer zur Einhaltung der Mindestentgeltvorgaben nach § 3 BbgVergG zivilrechtlich verpflichten würden. Damit sieht die Landesregierung das wesentliche Ziel des Gesetzes erreicht. Die Landesregierung geht davon aus, dass sich die Unternehmen rechtstreu verhalten. Im Haushalt 2014 wie im Vorjahr sind 10.000.000 Euro als Kostenerstattung für die Kommunen vorgesehen. Die Anträge der Kommunen hatten bis Ende 2013 einen Umfang von 706.827,39 Euro und im Jahr 2014 von 599.378,07 Euro, zusammen also 1.306.205,46 Euro. Ich frage die Landesregierung 1. Aus welchem Grund kommen nach Einschätzung der Landesregierung 78% der Vergabestellen der Landesverwaltung ihrer gesetzlichen Pflicht zu Arbeitsentgeltkontrollen , eine der wesentlichen Regelungen des Gesetzes, nicht nach? 2. Aus welchem Grund nehmen die kommunalen Auftraggeber nach Einschätzung der Landesregierung die Kostenerstattungsmöglichkeit nach § 14 BbgVergG gegenüber den hierfür eingeplanten Kosten nur zu einem geringen Teil (unter 10 %) in Anspruch? 3. Aus welchem Grund ist nach Einschätzung der Landesregierung das wesentliche Ziel des Gesetzes schon dann erreicht, wenn die öffentlichen Auftraggeber die Regelungen zum Arbeitsentgelt lediglich vertraglich verankert haben? 4. Warum sieht die Landesregierung weiterhin die Notwendigkeit gesetzlicher Regelungen zur Höhe von Arbeitsentgelten und deren Kontrolle, obwohl dies bundesweit geregelt wurde? 5. Sieht die Landesregierung bei den Kommunen bessere Möglichkeiten, ein Knowhow für Kontrollen des Arbeitsentgeltes aufzubauen, als z. B. bei entsprechenden Ämtern auf Landesebene oder beim Zoll? Namens der Landesregierung beantwortet der Minister für Wirtschaft und Energie die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Aus welchem Grund kommen nach Einschätzung der Landesregierung 78% der Vergabestellen der Landesverwaltung ihrer gesetzlichen Pflicht zu Arbeitsentgeltkon- trollen, eine der wesentlichen Regelungen des Gesetzes, nicht nach? zu Frage 1: Zunächst stellt die Landesregierung fest, dass nicht sie die Einschätzung getroffen hat, dass „78% der Vergabestellen der Landesverwaltung ihrer gesetzlichen Pflicht zu Arbeitsentgeltkontrollen“ nicht nachkommen würden bzw. eine entsprechende Auskunft erteilt hat. Diese Aussage enthält der Evaluationsbericht (Anlage zu LT-Drs. 5/8975, S. 92, Abbildung 40). Die Landesregierung bedauert diesen Umstand ausdrücklich (LT-Drs. 5/8975, S. 10). Die Landesregierung stellt daneben fest, dass die öffentlichen Auftraggeber kraft Verfassungsrechts (Art. 2 Abs. 5 Satz 2 der Landesverfassung) zur Einhaltung des Vergabegesetzes und damit zu entsprechenden Kontrollen verpflichtet sind. Hinsicht- lich des auch vom Evaluationsbericht festgestellten „Vollzugsdefizits“ geht die Lan- desregierung davon aus, dass viele Auftraggeber durch die Kontrolle „je Vertrag" (§ 1 Abs. 1 Satz 2 der Brandenburgischen Vergabegesetz-Durchführungsverordnung) überfordert zu sein scheinen (LT-Drs. 5/8975, S. 10). Frage 2: Aus welchem Grund nehmen die kommunalen Auftraggeber nach Einschätzung der Landesregierung die Kostenerstattungsmöglichkeit nach § 14 BbgVergG gegenüber den hierfür eingeplanten Kosten nur zu einem geringen Teil (unter 10 %) in An- spruch? zu Frage 2: Über die Gründe, weswegen die kommunalen öffentlichen Auftraggeber eine Kos- tenerstattung in geringerem Maße als eingeplant in Anspruch nehmen, lassen sich auf der Grundlage des Evaluationsberichts keine abschließenden Aussagen treffen (LT-Drs. 5/8975, S. 11). Ausweislich des Evaluationsberichts gaben 47% der befrag- ten Auftraggeber an, das Antragsverfahren gestalte sich in der Praxis einfach (LT- Drs. 5/8975, Anlage, S. 99). Hiermit kann die geringere Inanspruchnahme der Kos- tenerstattung nach Auffassung der Landesregierung daher nicht erklärt werden. Auch die Landesregierung könnte über die Gründe für die geringere Inanspruchnahme der Kostenerstattung nur Vermutungen anstellen. Das ist aber nicht zielführend. Frage 3: Aus welchem Grund ist nach Einschätzung der Landesregierung das wesentliche Ziel des Gesetzes schon dann erreicht, wenn die öffentlichen Auftraggeber die Rege- lungen zum Arbeitsentgelt lediglich vertraglich verankert haben? zu Frage 3: Ein wesentliches Ziel des Vergabegesetzes war es, die Beschäftigung zu Löhnen, die durch Sozialleistungen aufgestockt werden müssen, nicht auch noch durch den Zuschlag bei der Vergabe öffentlicher Aufträge zu fördern (LT-Drs. 5/3030, S. 1). Damit sind Auftragnehmer zivilvertraglich verpflichtet, ihren bei der Erfüllung der Leistung eingesetzten Beschäftigten die Mindestentgelte des § 3 BbgVergG zu zahlen . Die Landesregierung geht davon aus, dass sich Auftragnehmer angesichts der drohenden Sanktionen wie Kündigung und Vertragsstrafe vertragstreu verhalten und ihren Beschäftigten die Mindestarbeitsentgelte auch tatsächlich bezahlen. Mit einer entsprechenden Entlohnung der Beschäftigten ist das o.a. Ziel erreicht. Frage 4: Warum sieht die Landesregierung weiterhin die Notwendigkeit gesetzlicher Regelun- gen zur Höhe von Arbeitsentgelten und deren Kontrolle, obwohl dies bundesweit ge- regelt wurde? Zu Frage 4: Die Notwendigkeit gesetzlicher Regelungen zur Höhe von Arbeitsentgelten und deren Kontrollen besteht nach Auffassung der Landesregierung auch nach Erlass des Mindestlohngesetzes, weil das Mindestlohngesetz Schutzlücken aufweist, die das Vergabegesetz nicht aufweist: Nach dem Mindestlohngesetz gehen Regelungen eines Tarifvertrages repräsentativer Tarifvertragsparteien dem Mindestlohn bis zum 31. Dezember 2017 vor, wenn sie für alle unter den Geltungsbereich des Tarifvertrages fallenden Arbeitgeber mit Sitz im In- oder Ausland sowie deren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer verbindlich gemacht worden sind. Erst ab dem 1. Januar 2017 müssen abweichende Regelungen in diesem Sinne mindestens ein Entgelt von brutto 8,50 Euro je Zeitstunde vorsehen (§ 24 Absatz 1 Satz 1 MiLoG). Das gilt auch für Rechtsverordnungen, die auf der Grundlage von § 11 des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes sowie § 3a des Arbeit- nehmerüberlassungsgesetzes erlassen worden sind. Bis zum 31. Dezember 2016 ist daher nicht ausgeschlossen, dass auf der Grundlage des Mindestlohngesetzes ein Lohn bezahlt werden darf, der unter 8,50 Euro liegt. Diese Schutzlücke schließt das Vergabegesetz für den Bereich der öffentlichen Aufträge. Auf dessen Grundlage ist auch in den Fällen des § 24 Absatz 1 MiLoG ein Mindestarbeitsentgelt in Höhe von 8,50 Euro zu zahlen, soweit es sich um einen öffentlichen Auftrag handelt, der dem Vergabegesetz unterliegt. Hinzu kommt, dass das Mindestlohngesetz in § 22 MiLoG Ausnahmen für bestimmte Personengruppen vorsieht, denen nicht der gesetzliche Mindestlohn zu zahlen ist. Die Landesregierung verweist hier insbesondere auf § 22 Absatz 4 MiLoG. Danach gilt der gesetzliche Mindestlohn nicht für Arbeitsverhältnisse von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die unmittelbar vor Beginn der Beschäftigung langzeitarbeitslos im Sinne des § 18 Absatz 1 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch waren. Auch diese Ausnahme kennt das Vergabegesetz nicht. Der persönliche Anwendungsbereich des Vergabegesetzes ist demnach weiter als der des Mindestlohngesetzes. Auf der Grundlage des Vergabegesetzes ist daher potentiell mehr Beschäftigten ein Arbeitsentgelt in Höhe von 8,50 Euro zu zahlen. Frage 5: Sieht die Landesregierung bei den Kommunen bessere Möglichkeiten, ein Know-how für Kontrollen des Arbeitsentgeltes aufzubauen, als z. B. bei entsprechenden Ämtern auf Landesebene oder beim Zoll? Zu Frage 5: In Bezug auf Kontrollen nach dem Vergabegesetz sieht die Landeregierung keine Unterschiede im Hinblick auf die erforderlichen Fachkenntnisse zwischen Landesbe- hörden und Kommunen. Bei allen mit den Kontrollen befassten Beschäftigten ist für die Durchführung der Kontrollen ein gewisses Maß an Fachkenntnissen erforderlich.