Landtag Brandenburg Drucksache 6/9559 6. Wahlperiode Eingegangen: 11.09.2018 / Ausgegeben: 17.09.2018 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 3814 des Abgeordneten Dieter Dombrowski (CDU-Fraktion) Drucksache 6/9369 Begutachtung von Nutztierrissen durch Wölfe Namens der Landesregierung beantwortet der Minister für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung des Fragestellers: In den vergangenen Wochen wird von betroffenen Weitetierhaltern brandenburgweit berichtet, dass es zu einem spürbaren Qualitätsabfall bei Rissbegutachtungen von Wolfsschäden an Weidetieren gekommen ist. Abgesehen vom offenbaren Wechsel in den zuständigen Personen wird auch an äußeren Merkmalen deutlich , dass es zu tiefgreifenden Veränderungen in der Rissbegutachtung gekommen sein muss. So wurden beispielsweise bislang Rissprotokolle mittels eines computergestützten Systems erstellt, welches eine Vergleichbarkeit der verschiedenen Vorfälle gewährleistete und zudem den weitestgehenden Informationsfluss zu weiteren betroffenen Partnern, wie beispielsweise in die Landkreise hinein, gewährleistet hat. Zudem hat dieses System die operative Erfassung deutlich vereinfacht. So konnte der betroffene Weidetierhalter noch im Gelände das Protokoll auf einem Tablett gegenzeichnen. Zwischenzeitlich zeigen die neueren Rissprotokolle, dass diese nunmehr auf Basis veralteter Formulare und offenbar außerhalb eines datenbankgestützten Systems erstellt werden. Dies führt in einer Vielzahl von Fällen offenbar dazu, dass die für die abschließende Beurteilung des Rissgeschehens relevanten Parameter nicht mehr vollständig und vergleichbar erhoben werden. Ferner sind die Rissbegutachter zwischenzeitlich dazu übergegangen, in den „Bemerkungen und Hintergrundinformationen“ der Protokolle eine wertende Analyse des Rissgeschehens vorzunehmen. Dies ist unter anderem deshalb bedenklich, weil die Aufnahme des Rissgeschehens bislang aus guten Gründen ausschließlich an der objektiven Erhebung von Fakten orientiert war, die erst in einem späteren Verfahrensgang auf der Ebene der zuständigen Verwaltung einer abschließenden Bewertung zugeführt wurden. Umso problematischer ist dieses Vorgehen , als bei jüngsten Fällen an der Elbe der zuständige Gutachter in den Bemerkungen der Rissdokumentation einen strafbewehrten Betrugsvorwurf erhebt, indem er dem Weitetierhalter unterstellt, den gerissenen Kadaver bewusst an einer Stelle innerhalb der Weideschutzmaßnahme platziert zu haben. Frage 1: Welche vergaberechtlichen Entscheidungen haben dazu geführt, dass die bislang von mehreren Personen betriebene Rissbegutachtung nunmehr von wenigen neuen Personen vorgenommen wird? Landtag Brandenburg Drucksache 6/9559 - 2 - Zu Frage 1: Das derzeit laufende Vergabeverfahren hat noch nicht zu einem Zuschlag geführt . Das Landesamt für Umwelt (LfU) arbeitet bis zum Abschluss eines neuen Vergabeverfahrens mit einer Zwischenlösung. Frage 2: Wie viele Personen waren in den Jahren seit Beginn der Rissbegutachtung und viele sind gegenwärtig mit der Protokollierung von Nutztierrissen im Land Brandenburg beauftragt? (bitte tabellarisch nach Jahren auflisten). Zu Frage 2: Von 2007 bis 2014 erfolgte die Begutachtung durch einen Mitarbeiter des LfU. Die Hauptlast der Rissbegutachtung lag seit der ersten Fremdvergabe im Jahr 2014 bei einem Gutachter, der nur bei außergewöhnlichen Situationen, wie z. B. parallele Rissereignisse an weit entfernten Orten oder im Rahmen der Urlaubsvertretung Unterstützung einholte. Seit Ende 2017 wird mit der oben genannten Zwischenlösung gearbeitet. Frage 3: Werden Rissbegutachter gleichzeitig als Wolfsberater aktiv oder sind diese Tätigkeiten personell voneinander getrennt? Zu Frage 3: Die bisherigen Rissgutachter waren bzw. sind zugleich Ehrenamtliche Wolfsbeauftragte . Von den Rissbegutachtern wird erwartet, dass sie schon bei der Begutachtung eine „Erstberatung“ durchführen, insbesondere wenn Tierhalter erstmalig betroffen sind. Im Rahmen der Erstberatung erhalten betroffene Tierhalter Hinweise, wo und wie die getroffenen Schutzmaßnahmen schnell und mit vergleichsweise einfachen Mitteln ergänzt werden und schnell erkennbare Defizite abgestellt werden können. Die beiden Wolfsbeauftragten des Ministeriums für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft (MLUL) sind dagegen nicht als Rissgutachter tätig. Frage 4: Welche Sachkundenachweise müssen Personen vorlegen, um im Land Brandenburg für die Begutachtung von Wolfsrissen als qualifiziert zu gelten? Zu Frage 4: Um für die Begutachtung von Wolfsrissen als qualifiziert zu gelten, ist in Brandenburg , wie in den anderen Bundesländern auch, der Nachweis praktischer Qualifikationen erforderlich. Frage 5: Aus welchen Gründen wurde das elektronische Datenerfassungs- und - managementsystem bei der Rissbegutachtung auf ein analogbasiertes Verfahren umgestellt wurde? Zu Frage 5: Es obliegt dem Auftragnehmer, ob er die vom LfU vorgegebenen Inhalte bei der Erstellung des Rissprotokolls elektronisch oder analog erfasst. Für das Verwaltungsverfahren bei der Gewährung von Ausgleichszahlungen ist keine umfangreiche digitale Datenhaltung erforderlich. Frage 6: Wieso werden Rissprotokolle nicht mehr durch den Besitzer der Tiere vor Ort elektronisch unterschrieben und welchen Rechtscharakter haben die durch den Rissgutachter eingetragenen Namenzüge der Besitzer hinter der Angabe „zur Kenntnis genommen “? Zu Frage 6: Den betroffenen Tierhaltern muss ein angemessener Zeitraum eingeräumt werden, um sich mit dem Protokoll und seinen Inhalten auseinandersetzen zu können. Die Landtag Brandenburg Drucksache 6/9559 - 3 - unmittelbar nach der Rissaufnahme geleistete Unterschrift erfüllt diese Bedingung nicht, sondern bestätigt nur, wer von Seiten des Betriebes an der Rissbegutachtung teilnahm. Der in Rede stehende Vordruck mit dem Namenszug entfaltet keine Rechtswirkung. Frage 7: Welche Umstände führten in der jüngeren Vergangenheit dazu, dass sich betroffene Behörden bei den Kreisverwaltungen über mangelnde Informationsflüsse beschweren ? Zu Frage 7: Der Landesregierung sind keine Beschwerden bekannt. Frage 8: Welche systematischen Umorientierungen in der Erhebung des Rissgeschehens im Land Brandenburg haben in jüngerer Zeit dazu geführt, dass Rissgutachter nunmehr im Rahmen der Protokollierung wertende Aussagen zu den erhobenen Parametern vornehmen ? Zu Frage 8: Es gab keine systematischen Umorientierungen bei der Erhebung des Rissgeschehens . Es gab und gibt auch keine Vorgaben für Formulierungen. Die eingesetzten Gutachter formulieren naturgemäß unterschiedlich, wobei von dem Gutachter erwartet wird, dass er eine Bewertung des Schadenfalls vornimmt. Die abschließende Bewertung und Entscheidung liegt beim LfU. Unklarheiten werden durch Anhörung der betroffenen Tierhalter und des Gutachters ausgeräumt. Frage 9: Welche schriftlich fixierten Verfahrensanweisungen bestehen im Land Brandenburg von Seiten der zuständigen Behörden für die Begutachtung von Rissgeschehen? Zu Frage 9: Die Rissbegutachtung erfolgt nach einer vom LfU vorgegebenen und abgestimmten Methodik, die auch Grundlage für die Leistungsbeschreibungen für die Vergaben von Fremdleistungen an Gutachter war. Frage 10: Ist es im Zuge der vorgenannten Kriterien zulässig, dass Rissgutachter während der Begutachtung mit Vertretern von in Brandenburg ansässigen Naturschutzverbänden telefonieren, um sich Detailinformationen zur Aufnahme vom Rissgeschehen geben zu lassen? Zu Frage 10: Ein solcher Fall ist der Landesregierung nicht bekannt. Frage 11: Welche Anforderungen an die Neutralität von Rissgutachtern werden gestellt? Zu Frage 11: Wie von jedem anderen Gutachter wird von den Rissgutachtern Objektivität erwartet. Durch die vom LfU verlangte Fotodokumentation, die Einbeziehung von behördlichen Veterinärpathologen bei unklaren Fällen sowie durch die Entnahme von Proben für genetische Untersuchungen stehen dem LfU darüber hinaus jederzeit nachprüfbare Unterlagen zur Verfügung. Frage 12: Ist die gleichzeitige ehrenamtliche Tätigkeit als Wolfsbotschafter für eine NGO mit der Neutralitätsanforderung an einen Rissgutachter zu vereinbaren? Landtag Brandenburg Drucksache 6/9559 - 4 - Zu Frage 12: Die Mitgliedschaft oder Funktion in einer Umweltvereinigung ist kein Grund, an der Neutralität des Rissgutachters zu zweifeln. Frage 13: Wieso werden die Wolfsbeauftragten der Landkreise nicht mehr zur Rissbegutachtung hinzugezogen? Zu Frage 13: Es gibt keine Wolfsbeauftragten der Landkreise. Soweit die Ehrenamtlichen Wolfsbeauftragten des LfU gemeint sind, erfolgte deren Hinzuziehung nur ausnahmsweise . In der jüngeren Vergangenheit war eine Hinzuziehung von Ehrenamtlichen Wolfsbeauftragten nicht erforderlich. Frage 14: Auf Basis welcher Ermächtigung handeln die Rissgutachter, wenn sie nach der Begutachtung dem Besitzer der Tiere nahelegen, auf einen Antrag nach BbgWolfV zu verzichten ? Zu Frage 14: Eine Beantragung von Maßnahmen nach der Brandenburgischen Wolfsverordnung ist nicht erforderlich. Das LfU als die für die Umsetzung der Wolfsverordnung zuständige Behörde handelt von Amts wegen bzw. prüft Hinweise auf ein Wolfsverhalten, das möglicherweise ein Eingreifen nach der Verordnung erfordert. Frage 15: In mehreren dokumentierten Fällen lehnen es Rissgutachter ab, Genproben zu entnehmen, obwohl diese den Verdacht einer Primär- und/oder Nachnutzung durch Schutzhunde ausschließen oder belegen könnten. Auf welcher Grundlage erfolgen diese Entscheidungen und warum wird dabei nicht dem Verlangen des Betroffenen gefolgt? Zu Frage 15: Genetische Untersuchungen erfordern hohe Qualitätsstandards hinsichtlich des verwendeten Materials. Es gibt daher eine Reihe von Umständen, die den Gutachter veranlassen können, auf die Entnahme einer Probe für genetische Untersuchungen zu verzichten. Ungünstige Witterungsverhältnisse, Nachnutzung und Verunreinigung durch andere Aasfresser, fortgeschrittene Verwesung oder eine sehr weitgehende Nutzung des Kadavers können wichtige Gründe sein, weshalb der Gutachter auf die Entnahme einer Probe verzichtet. Unter diesen Umständen ist kein oder kein eindeutiges Ergebnis zu erwarten . „Auf-Wunsch-Entnahmen“ entgegen der Fachmeinung des Gutachters können dennoch gemacht werden, wenn der Tierhalter sich schriftlich bereit erklärt, die dabei entstehenden Kosten selbst zu tragen, sollte die anschließende genetische Untersuchung nicht zu dem Ergebnis führen, dass ein Wolf ursächlich war.