Landtag Brandenburg Drucksache 6/9645 6. Wahlperiode Eingegangen: 25.09.2018 / Ausgegeben: 01.10.2018 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 3827 des Abgeordneten Benjamin Raschke (Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Drucksache 6/9410 Nachfragen zur Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 3275/Drucksache 6/8224: Multimediaboxen in Brandenburgs Justizvollzugsanstalten Namens der Landesregierung beantwortet der Minister der Justiz und für Europa und Verbraucherschutz die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung des Fragestellers: Aus der Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 3275 geht hervor, dass der Betreiber der Haftraummediensysteme in den Brandenburger Justizvollzugsanstalten unterschiedliche Nutzungsentgelte für die gleiche Leistung erhebt. Darüber hinaus soll durch diese Nachfrage u.a. der aktuelle Stand an vorhandenen Haftraummediensystemen in Erfahrung gebracht werden. Nutzungsentgelte der Multimediaboxen Frage 1: Wie erklärt sich die Landesregierung das Zustandekommen unterschiedlicher Nutzungsentgelte für Telefonate in den Justizvollzugsanstalten Wriezen und Neuruppin- Wulkow bzw. Brandenburg an der Havel? zu Frage 1: Die Ausschreibung und Vergabe der Konzession für sogenannte Haftraummediensysteme (HRMSe) erfolgte im Land Brandenburg nicht landeseinheitlich. Jede Justizvollzugsanstalt (JVA) schreibt bei Bedarf in Abstimmung mit dem MdJEV die Konzessionsvergabe nach ihren Leistungsanforderungen eigenständig aus. Konzessionsgeber ist dabei die jeweilige JVA. Vor diesem Hintergrund sind die unterschiedlichen HRMSe der Brandenburger JVAen auch im Leistungsbereich unterschiedlich und nicht ohne weiteres miteinander vergleichbar. Frage 2: Aus welchem Grund kostet das TV-„Gesamtpaket“ mit 60 Fernsehsendern und Aufnahmefunktion für 30 Fernsehsender in den Justizvollzugsanstalten Wriezen und Neuruppin -Wulkow mit 15,95 €/Monat trotz eines größeren Angebots weniger als das in der Justizvollzugsanstalt Brandenburg an der Havel angebotene „Paket 1“ mit 60 Fernsehsendern für 16,95 €/Monat? zu Frage 2: Bei dem HRMS der JVA Brandenburg an der Havel handelt es sich um ein Gesamtpaket, das TV- und Radiodienste, TV-Aufzeichnungsdienste, Informationsdienste, Telefonie, Abspieldienste für CDs und DVDs zur Nutzung auf dem Haftraum bzw. Zimmer zur Verfügung stellt und auf die Rahmenbedingungen der JVA Brandenburg an der Havel angepasst ist. Für die Untergebrachten der Sicherungsverwahrung besteht z. B. die Be- Landtag Brandenburg Drucksache 6/9645 - 2 - sonderheit der Rückruffunktion. Die Firma Telio als Betreiber stellt die für das HRMS erforderlichen Geräte nebst Zubehör sowie die erforderliche Software zur Verfügung und bleibt während der gesamten Vertragslaufzeit (fünf Jahre) Eigentümer der Geräte und Systemteile . Die Installation sowie Wartungs- und Betreuungsleistungen der gesamten Anlage werden von der Firma übernommen. Bei einem Preisvergleich dürfen daher die einzelnen Kosten (z.B. TV) nicht isoliert betrachtet werden. Da Insassen Nutzungsentgelte für das HRMS zahlen, ist immer der konkrete Leistungskatalog zu betrachten, der im HRMS enthalten ist. Sowohl die angebotenen Inhalte als auch die Nutzungsmöglichkeiten unterscheiden sich. So besteht in der JVA Brandenburg an der Havel im Gegensatz zu den beiden weiteren JVAen die Möglichkeit, mit dem HRMS kostenlos CD’s und DVD‘s abzuspielen und kostenpflichtig sky zu sehen, auch liegen die Telefongebühren unter denen der JVAen Neuruppin-Wulkow und Wriezen. Frage 3: Weshalb kostet das TV-„Paket Pay-TV“ in der Justizvollzugsanstalt Brandenburg an der Havel nur 16,91 €/Monat, obwohl es mindestens denselben Leistungsumfang wie „Paket 1“ für 16,95 €/Monat besitzt? zu Frage 3: Ursprünglich waren Weiterungen des Paketes „Pay-TV“ vorgesehen (zubuchbare Einzelpakete), die jedoch aus technischen Gründen nicht umgesetzt werden konnten. Inzwischen gibt es neben dem kostenlosen „Grundpaket“ und dem „Kleinpaket“ nur noch das „Großpaket“ zu 16,95 €, welches insgesamt 60 Sender inklusive Pay-TV enthält. Frage 4: Wie und auf welcher Grundlage wurden die in der Drucksache 6/8224, Antwort zu Frage 9, genannten „üblichen Marktpreise“ ermittelt? zu Frage 4: Dies erfolgte durch einen Preisvergleich (Internetrecherche) der Preise (innerhalb und außerhalb der JVA). Hierbei wurde im Rahmen der zu wahrenden Fürsorgepflicht seitens der Anstalten den finanziellen Interessen der Insassen Rechnung getragen und darauf geachtet, dass die Nutzungsentgelte für das HRMS nicht über den außerhalb des Vollzugs üblichen liegen. Hierbei muss jedoch auch den besonderen Belangen des Vollzuges , die eine höhere Belastung für den privaten Anbieter darstellen, Rechnung getragen werden. Eine Justizvollzugsanstalt unterliegt besonderen Anforderungen, die im privaten Bereich nicht gegeben sind und sich deshalb auch im Preis niederschlagen. Soweit auf marktübliche Preise verwiesen wird, ist zu beachten, dass der Insasse sich mit dem HRMS die Anfangsinvestition zu Beginn der Haft u.a. für ein TV-Gerät, ein Radio- und CD/DVD-Abspielgeräte (insgesamt rund 500 €) spart, da das HRMS diese Nutzungsmöglichkeiten in einem Gerät in sich vereinigt. Frage 5: Sind finanzielle Hilfen vorgesehen, die mittellosen Gefangenen einen mit der verfassungsrechtlich garantierten Informationsfreiheit zu vereinbarenden TV- und Rundfunkempfang ermöglichen? zu Frage 5: Finanzielle Hilfen oder eine Übernahme der Kosten für bedürftige Insassen erfolgen seitens der Anstalt nicht. Der Informationsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG wird durch die Bereitstellung des kostenlosen Grundpaketes Rechnung getragen. Landtag Brandenburg Drucksache 6/9645 - 3 - Leistungsumfang der Multimediaboxen Frage 6: Welche Leistungen umfasst das TV-„Paket Pay-TV“ in der Justizvollzugsanstalt Brandenburg an der Havel? zu Frage 6: Das „Pay-TV“ ist im Großpaket enthalten und beinhaltet die Sender Sky Sport 1, Sky Sport Bundesliga und 13Th Street. Frage 7: Aus welchem Grund unterscheiden sich die angebotenen TV-Pakete in den Justizvollzugsanstalten Wriezen und Neuruppin-Wulkow bzw. Brandenburg an der Havel? zu Frage 7: Jede Anstalt hat entsprechend ihrer Bedarfe und Rahmenbedingungen ausgeschrieben . Frage 8: Wie ist es zu erklären, dass entgegen der Angabe der Landesregierung in der Drucksache 6/8224 zumindest in der Justizvollzugsanstalt Brandenburg an der Havel lediglich zwei statt drei Sendern kostenfrei zur Verfügung stehen? zu Frage 8: Das kostenfreie Grundpaket umfasst in der JVA Brandenburg an der Havel zwei TV-Sender (RBB und WELT) sowie zwei Hörfunksender (Antenne Brandenburg und Info-Radio). Angestrebt war ursprünglich, den Gefangenen und Sicherungsverwahrten, gegebenenfalls im Rahmen von Nachverhandlungen, möglichst viele Sender kostenfrei zur Verfügung zu stellen. Kein Anbieter war jedoch bereit, im Rahmen dieser Konzessionsvergabe und den damit verbundenen unterschiedlichen Rahmenbedingungen (Sicherungsverwahrung , Untersuchungshaft, Kurzstrafer, SothA) mehr als zwei Sender kostenlos zur Verfügung zu stellen. Es konnte jedoch erreicht werden, dass die Telefongebühren gesenkt und die Möglichkeit, Pay-TV (sky) zu empfangen, eingerichtet wurden. Zudem besteht auch in der JVA Brandenburg an der Havel die Möglichkeit, TV-Sendungen aufzuzeichnen . Frage 9: Wie und von wem werden die kostenfrei zur Verfügung stehenden Sender ausgewählt ? zu Frage 9: Die JVA Brandenburg an der Havel wählte den Zugang zu jeweils einem Sender [TV (rbb regional)/Radio (Antenne Brandenburg)] aus dem Bereich Unterhaltung und einem Sender [TV (WELT)/Radio (Info Radio)] aus dem Bereich Infotainment aus. Frage 10: Gibt es Ausnahmeregelungen im Bereich der kostenfrei zur Verfügung stehenden TV- und Radioprogramme für nicht deutschsprachige Gefangene? zu Frage 10: Nein. Es ist weder über eine Antennenanlage noch über das HRMS möglich, jedem Insassen einen individuellen Senderempfang zu ermöglichen. Dies ist technisch nicht möglich. Vor dem Hintergrund, dass die Anstalt auch nie weiß, welche ausländischen Sender auf absehbare Zeit benötigt werden und insbesondere im Bereich der Untersuchungshaft eine hohe Fluktuation ausländischer Inhaftierter herrscht, muss dem Informationsinteresse dieser Insassen gegebenenfalls auf anderem Weg Rechnung getragen werden. Landtag Brandenburg Drucksache 6/9645 - 4 - Frage 11: Gibt es Ausnahmeregelungen zur Nutzung der Untertitel in der Videotextfunktion für hörgeschädigte Gefangene? zu Frage 11: Nein. Das Videotextsignal kann nur in Gänze unterdrückt werden; eine Einzelzuschaltung ist technisch nicht möglich. Bisher gab es keine konkrete Beschwerde eines Hörgeschädigten. In diesem Fall würde eine Einzelfallprüfung unter Beteiligung des medizinischen Dienstes erfolgen, ob und inwieweit etwaige Hörgerate oder besondere Kopfhörer hilfreich sind. Es würde hier der individuelle Einzelfall bewertet und geprüft. Frage 12: Warum ist die Nutzung des Videotextes nicht möglich? zu Frage 12: Der bisher mögliche Videotextempfang wurde aus Gründen der Sicherheit von der Anstalt widerrufen. Rechtsgrundlage hierfür sind § 104 Abs. 4 BbgJVollzG, § 91 Abs. 4 BbgSVVollzG. Danach dürfen rechtmäßige begünstigende Maßnahmen aufgehoben werden, wenn die vollzuglichen Interessen an der Aufhebung in Abwägung mit dem schutzwürdigen Vertrauen der Betroffenen auf den Bestand der Maßnahmen überwiegen. Davon ist auszugehen, wenn die Aufhebung einer Maßnahme unerlässlich ist, um die Sicherheit der Anstalt zu gewährleisten. Diese Voraussetzungen sind hinsichtlich des Videotextes gegeben. Über Video-/Teletext ist es möglich, zu chatten und somit Informationen auszutauschen sowie Absprachen zu treffen, die dem Resozialisierungsgrundsatz und der Verhinderung neuer Straftaten möglicherweise zuwiderlaufen. Fernsehsender bieten in Zusammenarbeit mit Mobilfunkdiensten Live-SMS-Chatrooms, d.h. mit jedem Handy können per Teletext Nachrichten auf Fernsehgeräte in Echtzeit (darin liegt gegenüber z.B. verschlüsselten Zeitungsanzeigen die ungleich größere Gefährdung) übermittelt werden, also z.B. auch Mitteilungen über Beobachtungen zur aktuellen Außensicherung der Anstalt. Auf diesem Weg kann auch der Transport von Drogen und Mobiltelefonen in die JVA abgesprochen und damit die Sicherheit und Ordnung der Anstalt gefährdet werden. Diese Form der Kommunikation kann auch Anordnungen nach § 119 Abs. 1 StPO unterlaufen, wodurch die Durchführung des Strafverfahrens gefährdet werden könnte. Auch die Informationsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG findet ihre Schranken unter anderem in den allgemeinen Gesetzen, Art 5 Abs. 2 GG. Das BbgJVollzG sowie das BbgSVVollzG enthalten zwar keine Vorschriften, die sich ausdrücklich auf den Empfang von Videotext in Anstalten bezieht, jedoch dürfen Insassen gemäß § 4 Abs. 3 BbgJVollzG/§ 4 Abs. 5 BbgSVVollzG Beschränkungen auferlegt werden, die zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder zur Abwendung einer schwerwiegenden Störung der Ordnung der Anstalt oder im Vollzug der Untersuchungshaft zur Umsetzung einer Anordnung nach § 119 Abs. 1 StPO unerlässlich sind. Dies ist vorliegend der Fall, insbesondere da weder das BbgJVollzG noch das BbgSVVollzG den Verkehr mit der Außenwelt grenzenlos gewähren. Da das Versenden von Textnachrichten in Echtzeit mittels Handys über Video-/Teletext nur durch Unterdrückung des Videotextsignals unterbunden werden kann, steht auch kein milderes Mittel zur Verfügung. Auch bei der Interessenabwägung überwiegt das vollzugliche Interesse an der Aufhebung des Empfangs von Videotext gegenüber dem schutzwürdigen Vertrauen der Gefangenen auf den weiteren Empfang. Landtag Brandenburg Drucksache 6/9645 - 5 - Frage 13: Ist es in der Vergangenheit zu konkreten Gefahren für die Sicherheit und Ordnung in Brandenburger Justizvollzugsanstalten gekommen, indem verbotene Kommunikation über Videotext stattfand? Kann dieser Vorfall ggf. bitte so genau wie möglich beschrieben werden? zu Frage 13: Der Landesregierung ist kein Fall einer verbotenen Kommunikation über Videotext bekannt, der in der Vergangenheit zu einer konkreten Gefahr für die Sicherheit und Ordnung in einer Brandenburger Justizvollzugsanstalt geführt hat. Zukünftige Entwicklungen Frage 14: Gibt es nach Kenntnis der Landesregierung in anderen Bundesländern vergleichbare Angebote bezüglich des TV- und Radioempfangs in Justizvollzugsanstalten? zu Frage 14: HRMSe werden in vielen Bundesländern betrieben. Eine Vergleichbarkeit ist jedoch nicht ohne weiteres möglich. Es wird jeweils nach dem Bedarf und den vorgegebenen Rahmenbedingungen ausgeschrieben. Frage 15: Welche Erfahrungen aus anderen Bundesländern bezüglich des TV- und Radioempfangs in Justizvollzugsanstalten lassen sich auf Brandenburg übertragen? zu Frage 15: Vor Einführung des HRMS wurde sich in anderen Bundesländern über dortige Systeme und Erfahrungen mit Mietfernsehen informiert. Da die Rahmenbedingungen zum Teil jedoch nicht vergleichbar sind, konnte nur sehr eingeschränkt davon profitiert werden. Frage 16: Für wann ist eine Inbetriebnahme von Multimediaboxen in den Justizvollzugsanstalten Luckau-Duben und Cottbus-Dissenchen geplant? zu Frage 16: Aktuell ist hierfür noch kein Zeitplan erstellt. Es gilt auch zunächst die Erfahrungen mit den bisher installierten HRMSen abzuwarten.