Datum des Eingangs: 26.03.2015 / Ausgegeben: 31.03.2015 Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/976 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 319 der Abgeordneten Heide Schinowsky Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 6/686 Export von Braunkohle ins Ausland – wird Lausitzer Kohle demnächst in Tschechien verbrannt? Wortlaut der Kleinen Anfrage 319 vom 23.02.2015: Mitte Februar 2015 verkündete der halbstaatliche tschechische Energiekonzern CEZ, den Kauf der Braunkohlesparte von Vattenfall zu prüfen. Bereits zuvor erklärte der tschechische Energiekonzern EPH sein Interesse an den Lausitzer Tagebauen und Kohlekraftwerken. EPH ist mit seinem Tochterunternehmen MIBRAG bereits im mit- teldeutschen Revier aktiv. Laut einer parlamentarischen Anfrage im Deutschen Bun- destag (Drucksache 18/3819) werden die tschechischen Braunkohle-Tagebaue aller Voraussicht nach spätestens im Jahr 2022 ausgekohlt sein. Seit dem Jahr 2012 sol- len in der Tschechischen Republik keine „unfreiwilligen bergbaulichen Grundabtre- tungen“ mehr möglich sein. Daher wäre eine anschließende Ersatzversorgung der nordböhmischen Kraftwerke mit deutscher Braunkohle durchaus denkbar, wenn tschechische Konzerne die Lausitzer Braunkohlesparte erwerben. Auch die Bundes- regierung will die Möglichkeit nicht ausschließen: „Ob im großen Umfang Braunkoh- lelieferungen aus der Lausitz in die Tschechische Republik trotz hoher Transportkos- ten wirtschaftlich möglich wären, sind betriebswirtschaftliche Überlegungen, die vom Unternehmen anzustellen sind“ erklärte der Staatssekretär im Bundeswirtschaftsmi- nisterium Rainer Baake in seiner Antwort. Laut den Unterlagen für einen Beschluss über den Hauptbetriebsplan 01.04.2015 – 31.03.2017 des Tagebaus Profen gemäß, § 54 Abs. 2 Bundesberggesetz hat die MIBRAG bereits ab diesem Jahr die Versorgung der tschechischen Kohlekraftwerke Komorany und Opatovice mit Braunkohle aus Mitteldeutschland vorgesehen. Eine Grundabtretung nach §§ 77 bis 79 BBergG zur Förderung deutscher Braunkoh- le – wie sie derzeit für den neuen Tagebau Welzow Süd II geplant ist – ist laut Bun- desregierung zulässig, „wenn das Vorhaben zur Erreichung eines Gemeinwohlziels, hier die Versorgung des Marktes mit Rohstoffen, vernünftigerweise geboten ist. Ob diese Voraussetzung gegeben ist, ist anhand einer umfassenden Gesamtabwägung von der zuständigen Landesbehörde zu entscheiden“ (vgl. Deutscher Bundestag, Drucksache 18/3819). Während des Genehmigungsverfahrens für den Braunkohlen- plan Welzow Süd II verkündete die Landesregierung fortwährend, die Kohle aus dem Tagebau soll der Versorgung des Braunkohlenkraftwerks Schwarze Pumpe dienen. In einem Interview mit der Berliner Zeitung (vgl. „Prenzlau ist nicht Prenzlauer Berg“ 11.02.2015) erklärte Wirtschaftsminister Gerber, dass im Moment Gespräche zwi- schen Vattenfall und potenziellen Käufern laufen. Er führe regelmäßig Gespräche mit Vattenfall; der Kontakt sei eng. Der Minister sei zuversichtlich, dass sich die Frage, ob das Land Brandenburg Anteile an Vattenfalls Braunkohlesparte erwirbt, nicht stel- le. Ich frage die Landesregierung: 1. Vor dem Hintergrund der Lieferung von Braunkohle aus dem Tagebau Profen in die Tschechische Republik: Wie bewertet die Landesregierung einen möglichen Export von Lausitzer Braunkohle ins Ausland? 2. Welche Umweltauswirkungen hat der Transport von Braunkohle in Bezug auf die beim Transport anfallenden CO2-Emissionen, Feinstaubbelastungen und Lärmemissionen bezogen auf Transportmenge und Transportweg? 3. Besteht die Möglichkeit, in einem bergrechtlichen Hauptbetriebsplan den Export von Braunkohle ins Ausland zu untersagen. Wenn ja welche? 4. Die geplanten Grundabtretungen in Welzow und Proschim für den geplanten Tagebau Welzow Süd II sollen im Namen des „Gemeinwohlziels“ geschehen. Umfasst das „Gemeinwohlziel“ (hier: die Versorgung des Marktes mit Rohstoffen ) nach Ansicht der Landesregierung auch eine Lieferung von Lausitzer Braunkohle in die Tschechische Republik? 5. Welche Abwägungen wären durch welche Instanzen durchzuführen, um ein überwiegendes öffentliches Interesse nach § 11 Nummer 10 BBergG an der Durchsetzung von bergbaulichen Eigentumsansprüchen für Braunkohlelieferungen in die Tschechische Republik sicherzustellen? 6. Teilt die Landesregierung die Auffassung der Bundesregierung, wonach der Export der Braunkohle ins Ausland einzig und allein an Hand betriebswirtschaftlicher Überlegungen von den Unternehmen zu entscheiden ist oder gibt es weitere Restriktionen? 7. Behindert der Braunkohlenplan für Welzow Süd II den freien Warenverkehr in der EU im Sinne einer Sondervorschrift, weil der Plan zur Versorgung des Braunkohlenkraftwerks Schwarze Pumpe dienen soll oder handelt es sich bei der im Braunkohlenplan angekündigten Versorgung des Braunkohlenkraftwerks Schwarze Pumpe nur um eine Absichtsbekundung? 8. Ist es rechtssicher möglich, die Lieferung von Braunkohle ins Ausland zu unterbinden bzw. wie will die Landesregierung sicherstellen, dass ein neuer Eigentümer der Braunkohlesparte von Vattenfall die Braunkohle nicht ins Ausland exportiert oder teilt die Landesregierung die Auffassung, dass ein Käufer der Braunkohlesparte von Vattenfall gegen die Entscheidung klagen kann, sollte das Land einen Export der Braunkohle ins Ausland untersagen? 9. Auf welchen Fakten beruht die Einschätzung von Minister Gerber, dass sich die Frage eines Einstiegs des Landes nicht mehr stellt bzw. dass es zu einem vollständigen Verkauf der Braunkohlesparte kommt? 10. Welche Branchen gelten für die Landesregierung im Sinne des Koalitionsvertrages als besonders zukunftsfähig; kann sich die Landesregierung insbesondere eine Wirtschafts- und Technologieförderung auch für die Braunkohlewirtschaft vorstellen? 11. Wie hoch schätzt die Landesregierung den Wert der Braunkohlesparte (Tagebaue und Braunkohlekraftwerke) von Vattenfall ein? Namens der Landesregierung beantwortet der Minister für Wirtschaft und Energie die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Vor dem Hintergrund der Lieferung von Braunkohle aus dem Tagebau Profen in die Tschechische Republik: Wie bewertet die Landesregierung einen möglichen Export von Lausitzer Braunkohle ins Ausland? zu Frage 1: Der Landesregierung sind keinerlei Planungen für einen Export von Lausitzer Braun- kohle bekannt. Zu hypothetischen Annahmen kann sie keine Auskunft geben. Frage 2: Welche Umweltauswirkungen hat der Transport von Braunkohle in Bezug auf die beim Transport anfallenden CO2-Emissionen, Feinstaubbelastungen und Lärmemis- sionen bezogen auf Transportmenge und Transportweg? zu Frage 2: Der Landesregierung liegen keine Informationen über Planungen von Braunkoh- letransporten aus brandenburgischen Tagebauen zu Kraftwerken außerhalb der Lausitz und auch keine auf Transportmenge und -weg bezogenen Angaben über Umweltauswirkungen im Zusammenhang mit dem Transport von Braunkohle vor. Im Übrigen erstreckt sich das BBergG gem. § 2 Abs. 4 Nr. 1 und 2 nicht auf den Trans- port von Bodenschätzen im Schienenverkehr der Eisenbahnen des öffentlichen Ver- kehrs und im Kraftfahrzeugverkehr auf öffentlichen Wegen oder Plätzen. Frage 3: Besteht die Möglichkeit, in einem bergrechtlichen Hauptbetriebsplan den Export von Braunkohle ins Ausland zu untersagen. Wenn ja welche? zu Frage 3: Die Möglichkeit besteht nicht. Frage 4: Die geplanten Grundabtretungen in Welzow und Proschim für den geplanten Tage- bau Welzow Süd II sollen im Namen des „Gemeinwohlziels“ geschehen. Umfasst das „Gemeinwohlziel“ (hier: die Versorgung des Marktes mit Rohstoffen) nach Ansicht der Landesregierung auch eine Lieferung von Lausitzer Braunkohle in die Tschechi- sche Republik? zu Frage 4: Es liegen keine Kenntnisse über geplante Grundabtretungen für den Tagebau Welzow-Süd, räumlicher Teilabschnitt II, vor. Die Bergbautreibenden sind selbst be- strebt, Grundabtretungsverfahren zu vermeiden und führen daher im Vorfeld mit den betroffenen Grundstückseigentümern und -nutzern privatrechtliche Verhandlungen durch. Eine Grundabtretung wird nur dann - als ultima ratio - beantragt, wenn dabei keine gütliche Einigung erzielt werden konnte und das Grundstück zwingend benötigt wird. Ob ein die Grundabtretung rechtfertigendes Gemeinwohlziel vorliegt, ist im Zeitpunkt der Entscheidung über den Grundabtretungsantrag zu prüfen und lässt sich nicht pauschal beantworten. Frage 5: Welche Abwägungen wären durch welche Instanzen durchzuführen, um ein über- wiegendes öffentliches Interesse nach § 11 Nummer 10 BBergG an der Durchset- zung von bergbaulichen Eigentumsansprüchen für Braunkohlelieferungen in die Tschechische Republik sicherzustellen? zu Frage 5: In § 11 BBergG sind die Kriterien aufgeführt, unter denen die Erlaubnis zur Aufsu- chung von bergfreien Bodenschätzen zu untersagen ist. Ein unmittelbarer Zusam- menhang der Vorschrift mit hypothetischen Braunkohlelieferungen in die Tschechi- sche Republik ist nicht ersichtlich. Frage 6: Teilt die Landesregierung die Auffassung der Bundesregierung, wonach der Export der Braunkohle ins Ausland einzig und allein an Hand betriebswirtschaftlicher Über- legungen von den Unternehmen zu entscheiden ist oder gibt es weitere Restriktio- nen? zu Frage 6: Die der Bundesregierung unterstellte Auffassung deckt sich nicht mit der Auffassung, die die Bundesregierung in der BT-Drs. 18/3819 vertreten hat. Die Landesregierung teilt die Auffassung der Bundesregierung, dass die Frage, ob im großen Umfang Braunkohlelieferungen aus der Lausitz in die Tschechische Republik trotz hoher Transportkosten wirtschaftlich möglich wären, betriebswirtschaftliche Überlegungen sind, die vom Unternehmen anzustellen sind. Bei der bergrechtlichen Zulassung eines Braunkohletagebaus ist zu prüfen, ob die Gewinnung der Braunkohle dem Gemeinwohl dient und keine überwiegenden öffent- lichen Interessen entgegenstehen. Die Entscheidung ist im Einzelfall auf Grundlage einer Gesamtabwägung aller für und gegen das Vorhaben sprechenden öffentlichen und privaten Belange zu treffen. Zu einem einzelnen, rein hypothetischen Aspekt kann die Landesregierung deshalb keine Bewertung abgeben. Frage 7: Behindert der Braunkohlenplan für Welzow Süd II den freien Warenverkehr in der EU im Sinne einer Sondervorschrift, weil der Plan zur Versorgung des Braunkohlen- kraftwerks Schwarze Pumpe dienen soll oder handelt es sich bei der im Braunkoh- lenplan angekündigten Versorgung des Braunkohlenkraftwerks Schwarze Pumpe nur um eine Absichtsbekundung? zu Frage 7: Der Braunkohlenplan Tagebau Welzow-Süd, Räumlicher Teilabschnitt II, kann unter keinem Gesichtspunkt den freien Warenverkehr in der EU behindern, weil sich seine Aufgabe allein auf die Festlegung der landesplanerischen Ziele und Grundsätze der Raumordnung für das geplante Tagebauvorhaben beschränkt. Ziel des Braunkoh- lenplans ist es, eine langfristig sichere Energieversorgung - hier durch Sicherung des Energiestandortes Schwarze Pumpe - zu ermöglichen. Frage 8: Ist es rechtssicher möglich, die Lieferung von Braunkohle ins Ausland zu unterbinden bzw. wie will die Landesregierung sicherstellen, dass ein neuer Eigentümer der Braunkohlesparte von Vattenfall die Braunkohle nicht ins Ausland exportiert oder teilt die Landesregierung die Auffassung, dass ein Käufer der Braunkohlesparte von Vat- tenfall gegen die Entscheidung klagen kann, sollte das Land einen Export der Braun- kohle ins Ausland untersagen? zu Frage 8: Siehe hierzu Antwort zu Frage 6. Frage 9: Auf welchen Fakten beruht die Einschätzung von Minister Gerber, dass sich die Fra- ge eines Einstiegs des Landes nicht mehr stellt bzw. dass es zu einem vollständigen Verkauf der Braunkohlesparte kommt? zu Frage 9: Die Einschätzung begründet sich darauf, dass die Landesregierung bisher keinerlei Signale erhalten hat, dass mögliche Kaufinteressenten eine Beteiligung des Landes an der zum Verkauf stehenden Braunkohlesparte von Vattenfall in ihre Überlegungen einbeziehen. Frage 10: Welche Branchen gelten für die Landesregierung im Sinne des Koalitionsvertrages als besonders zukunftsfähig; kann sich die Landesregierung insbesondere eine Wirt- schafts- und Technologieförderung auch für die Braunkohlewirtschaft vorstellen? zu Frage 10: Gemäß der regionalen Innovationsstrategie des Landes Brandenburg (innoBB plus) sind folgende Branchenkompetenzfelder, die in Clustern zusammengefasst werden, besonders zukunftsfähig: Energietechnik, Gesundheitswirtschaft, IKT/Medien/Kreativwirtschaft, Optik, Verkehr/Mobilität/Logistik, Ernährungswirtschaft, Kunststoffe und Chemie, Metall sowie Tourismus. Die Förderung von Investitionen der gewerblichen Wirtschaft ist insbesondere in Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruk- tur“ auf diese besonders zukunftsfähigen Branchen ausgerichtet. Im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe sind der Bergbau sowie die Energieversorgung grundsätzlich von einer Förderung ausgeschlossen. Die Technologieförderung erfolgt nicht bran- chenorientiert und nicht als Unternehmensförderung. Gefördert werden im Wege der Projektförderung und unter Berücksichtigung der im Rahmen der regionalen Innova- tionsstrategie des Landes definierten Cluster die Entwicklung neuer Produkte und Verfahren. Vorrangige Zielgruppe sind KMU und Forschungseinrichtungen im Ver- bund mit Unternehmen. Diese Unternehmen können aus allen Branchen (auch aus der Braunkohlewirtschaft) kommen. Frage11: Wie hoch schätzt die Landesregierung den Wert der Braunkohlesparte (Tagebaue und Braunkohlekraftwerke) von Vattenfall ein? zu Frage 11: Die Landesregierung hat dazu keine Schätzungen vorgenommen.