Landtag Brandenburg Drucksache 6/9801 6. Wahlperiode Eingegangen: 23.10.2018 / Ausgegeben: 29.10.2018 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 3899 des Abgeordneten Günter Baaske (SPD-Fraktion) Drucksache 6/9584 Entwicklung eines zentralen Verwaltungsstandortes in Beelitz-Heilstätten Namens der Landesregierung beantwortet der Minister des Innern und für Kommunales die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkungen des Fragestellers: Die Verwaltung des Landkreises Potsdam-Mittelmark hat für den Kreistag eine Beschlussvorlage erarbeitet unter dem Betreff „Fortschreibung des Strategieprogramms für die Jahre 2019/2020“. Darin heißt es auf Seite 16: "Verwaltungsstandortentwicklung der Kreisverwaltung PM. Der Kreistag wird voraussichtlich in seiner Sitzung am 11.10.2018 die Beschlussvorlage über das Verwaltungsstandortentwicklungskonzept Potsdam-Mittelmark beraten und diese ggf. beschließen. Das Verwaltungsstandortentwicklungskonzept beschreibt im Sinne eines Masterplans, wie sämtliche Verwaltungsstandorte und Liegenschaftsobjekte mittel- bzw. langfristig entwickelt werden sollen. Vorbehaltlich des entsprechenden Kreistagsbeschlusses wird dabei das wichtigste Vorhaben die Errichtung eines zentralen Verwaltungsstandortes in Beelitz- Heilstätten sein. Mit dem Verwaltungsstandortentwicklungskonzept sollen folgende Ziele verfolgt werden: - Sicherstellung der mittel- und langfristig benötigten Bürokapazitäten - Gewährleistung der Bürgernähe - Verbesserung der Wirtschaftlichkeit im Liegenschaftsmanagement sowie - Erhöhung der Attraktivität der Kreisverwaltung als Arbeitgeber Für die kommende Haushaltsplanperiode 2019/2020 ist der Beginn folgender Bau- und Modernisierungsprojekte geplant: Entwicklung eines zentralen Verwaltungsstandortes in Beelitz-Heilstätten. Vorbehaltlich des für den 11.10.2018 erwarteten Kreistagsbeschlusses zum Verwaltungsstandortentwicklungskonzept Potsdam-Mittelmark soll Beelitz-Heilstätten zum Zentralen Verwaltungsstandort für die Kreisverwaltung entwickelt werden. Beginnend mit einem Architektenwettbewerb soll mittelfristig eine Verwaltungsliegenschaft für ca. 960 Verwaltungsmitarbeitende geplant und gebaut werden. Dazu gehören u.a. die Errichtung eines Parkhauses, eines zentralen Bürgerservice sowie die Errichtung technischer Liegenschaften .“ Belzig ist seit 1816 Kreisstadt. lm Nachgang zur letzten Kreisgebietsreform aufgrund des Gesetzes zur Neugliederung der Kreise und kreisfreien Städte im Land Brandenburg (KNGBbg) vom 24. Dezember 1992 bestimmte das Gesetz zur Bestimmung von Verwaltungssitz und Namen des Landkreises Potsdam-Mittelmark vom 22. April 1993 (pMarkG) in dessen §2: Landtag Brandenburg Drucksache 6/9801 - 2 - „Sitz der Verwaltung des Landkreises ist die Stadt Belzig.“ Diese Regelung wurde mit Ablauf des Tages der darauffolgenden Kreistagswahl rechtswirksam . Änderungen daran sind seither nicht eingetreten und sind auch nach meiner Kenntnis nicht beabsichtigt. § 125 KommVerf Bbg stellt in Abs. 2 weiterhin fest: „Die Bestimmung des Kreissitzes erfolgt durch Gesetz.“ § 1 des Gesetzes zu den Grundsätzen der Funktionalreform im Land Brandenburg (Funktionalreformgrundsatzgesetz - FRGGBbg) vom 30. Juni 1994 bestimmt: „Verwaltungsaufgaben sind möglichst orts- und bürgernah zu erfüllen. Dabei ist eine größtmögliche Bündelung vor Ort anzustreben und der Grundsatz der Einräumigkeit der Verwaltung zu beachten.“ Der Vollständigkeit halber sei hier §1 Abs. 3 der Hauptsatzung des Landkreises erwähnt: ,,Der Kreissitz ist die Stadt Bad Belzig.“ Der Landesgesetzgeber hat die getroffene Entscheidung zum Kreissitz von verschiedenen Kriterien abhängig gemacht. Besonders ins Gewicht fielen die Hauptkriterien: a) Kreissitzbestimmung insbesondere in den strukturschwachen und dünn besiedelten Gebieten des Landes (landesplanerisch wirksame Effekte, strukturpolitisches Zeichen). „Deshalb kommen als künftige Kreissitze nur Städte in Betracht, deren zentralörtliche Bedeutung im Landesinteresse und im lnteresse des neuen Landkreises eine Förderung und Aufwertung erfordern.“ b) Städte von zentralörtlicher Bedeutung in ausreichendem Abstand von Berlin (von Berlin unabhängige Entwicklung) c) bisher schon Sitz einer Kreisverwaltung (räumliche Unterbringung und Ausstattung mit Personal und Sachmitteln vorhanden) d) keine Kreisfreien Städte Der Landesgesetzgeber hat letztlich die Stadt Belzig aus folgenden Gründen vorgeschlagen (LT-Druchsache 1/165g): „Die Stadt Belzig gehört mit rund 7.800 Einwohnern zu den kleinen Kreisstädten. Sie liegt im südlichen Teil des Landkreises Potsdam-Mittelmark und ist seit 1816 Kreisstadt. [..] Die Stadt liegt in der Mitte eines ebenfalls von der Landesplanung so bezeichneten "mittelzentral unterversorgten Raumes, “ das heißt, dass in zumutbarer Entfernung kein Mittelzentrum vorhanden ist. Folgerichtig hat die Stadt die Ausweisung als Mittelzentrum beantragt. Belzig ist der Mittelpunkt der Flämingregion, die zu den strukturschwächsten Gebieten des Landes gehört. Auch innerhalb des Kreises Potsdam- Mittelmark ist dieser Bereich der bei weitem strukturschwächste; die Arbeitslosenquote ist mehr als doppelt so hoch als im Kreis Potsdam. Die verkehrsmäßige Anbindung der Stadt an das überregionale Straßen- und Schienennetz kann demgegenüber als sehr gut bezeichnet werden. [..] Der Behördenbesatz entspricht dem einer kleinen Kreisstadt. Mit Einrichtungen des Bildungs- und Gesundheitswesens, ausgerichtet auf das Umland, ist Belzig ausreichend ausgestattet. Der Gewerbe- und lndustriebesatz ist demgegenüber ausgesprochen dürftig. Die Kreisverwaltung ist nach Angabe des Landrats der größte Arbeitgeber . [..] c) Der Gesetzentwurf schlägt die Stadt Belzig als Kreissitz nicht nur deshalb vor, weil sie als einzige kreisangehörige Stadt im Landkreis Potsdam-Mittelmark schon jetzt Kreissitz ist. (Hauptkriterium 1 c) der Allgemeinen Begründung). Vielmehr spielen hierbei strukturpolitische Überlegungen eine ausschlaggebende Rolle. Der südliche Teil des Kreises Potsdam -Mittelmark bedarf dringend einer stärkeren Förderung, wenn sich das Gefälle zwischen dem Berliner Umland und der südwestlichen Randregion nicht noch weiter Landtag Brandenburg Drucksache 6/9801 - 3 - verstärken soll. Dem verfassungsrechtlichen Gebot zur Herstellung gleicher Lebensverhältnisse im Land würde dann nicht entsprochen. Ohne den Fortbestand der Kreisverwaltung in Belzig würde der dortige Raum wesentlicher Entwicklungschancen beraubt, ohne dass im Randbereich Potsdams Strukturverbesserungen eintreten, die nicht auch ohne die Verlagerung des Kreissitzes noch dort erreichbar wären.“ Nach aktuellen Überlegungen des Landrates, beruhend auf einem sogenannten „Masterplan PM zur Entwicklung der Standorte der Kreisverwaltung“ sollen von den derzeit etwa 1000 Stellen der Kreisverwaltung noch etwa 50 Stellen am Sitz der Kreisverwaltung verbleiben . Schon in den vergangenen Jahren wurde eine Vielzahl von Stellen von der Kreisstadt weg in andere Städte des Landkreises verlagert. Jetzt soll eine Konzentration der Stellen in Beelitz-Heilstätten erfolgen und in diesem Zuge bis auf einige wenige verbleibende Stellen auch viele aus der Kreisstadt Bad Belzig verlagert werden. Allerdings gelten all die Gründe, die 1993 ausschlaggebend für den Kreissitz Belzig waren nach wie vor. So ist immer noch der Südwesten des Landkreises Potsdam-Mittelmark durch eine besondere Strukturschwäche gekennzeichnet, was sich im hohen Verschuldungsgrad der Kommunen des Mittelbereiches Bad Belzig widerspiegelt und im direkten Vergleich der aktuellen Arbeitslosenzahlen. So liegt die Arbeitslosenquote bezogen auf alle zivilen Erwerbspersonen im Jahresdurchschnitt 2017 in der Stadt Bad Belzig bei 10,1 und in Beelitz bei nur 4,3 %. Der Landkreis selbst sollte eine Politik verfolgen, mit der er möglichst gleichwertige Lebensverhältnisse in allen Gebieten des Kreises erreichen kann. Dies hat er auch so in seinem bis heute geltendem Leitbild formuliert, in dem er formulierte: „unsere Aufgabe ist es auch, die berlinfernen Regionen im Landkreis zu stärken." Kommunale Selbstverwaltung ist ein hohes Gut, aber wie oben beschrieben, hat es sich auch der Gesetzgeber 1993 nicht leicht gemacht. Dem Landtag ging es damals darum, durch die Festlegung von Kreissitzen auch Strukturförderung zu erreichen, was ja zum großen Teil in Brandenburg auch gelungen ist. Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: 1. Wie bewertet die Landesregierung die Pläne des Landrates des Landkreises PM, über 90 % der Verwaltungsmitarbeiter außerhalb der Kreisstadt unterzubringen? zu Frage 1: Die Landesregierung hat keine konkrete Erkenntnis, dass die „Pläne des Landrates“ einer Beschlussfassung in den zuständigen Kreisorganen zugeführt worden sind. Nach aktuellen Presseberichten sind die ersten „Pläne“, wie sie in der Vorbemerkung des Fragestellers dargestellt werden, nicht mehr Grundlage weiterer Bearbeitung im Landkreis Potsdam-Mittelmark. Der Landesregierung sind keine Vorlagen bekannt, die die Annahme rechtfertigen würden, dass „90 % der Verwaltungsmitarbeiter außerhalb des Kreissitzes “ untergebracht würden. Deshalb sieht die Landesregierung derzeit keine Veranlassung , eine Bewertung derartiger „Pläne“ vorzunehmen. 2. Welche Ämter und Behörden versteht die Landesregierung unter den Ämtern und Behörden , die auf jeden Fall an einen Kreissitz gehören? Bitte dabei auch explizit auf die unteren Landesbehörden eingehen. Landtag Brandenburg Drucksache 6/9801 - 4 - zu Frage 2: Eine abstrakte Vorgabe zu Ämtern und Behörden, die an einem Kreissitz zu verbleiben haben, und ab wann die gesetzgeberische Entscheidung zugunsten einer Kreisstadt unterlaufen wird, ist der einschlägigen Literatur und Rechtsprechung bislang nicht zu entnehmen. Umso mehr Bedeutung kommt den konkreten Umständen des Einzelfalles zu. 3. Sollte die Absicht des Landrates in PM so umgesetzt werden, wie es derzeit beabsichtigt ist: welche Bedeutung hätte vor diesem Hintergrund noch eine gesetzgeberische Vorgabe zum Kreissitz? zu Frage 3: Die Ausübung der Organisationshoheit findet ihre Grenzen dort, wo die gesetzgeberische Entscheidung zu einem Kreissitzstandort unterlaufen wird (vgl. Obermann, in: Schumacher u.a., Kommunalverfassung Brandenburg, Stand: Juli 2018, § 125 Erl. 2), denn die Entscheidung über den Kreissitz ist nach § 125 BbgKVerf dem Gesetzgeber überlassen. 4. Gibt es weitere Initiativen in Brandenburg, die zum Ziel haben, die gesetzliche Vorgabe des Kreissitzes in ähnlicher Art und Weise wie im Masterplan PM zu interpretieren? zu Frage 4: Über derartige Initiativen liegen der Landesregierung keine Kenntnisse vor.