Landtag Brandenburg Drucksache 6/9849 6. Wahlperiode Eingegangen: 01.11.2018 / Ausgegeben: 06.11.2018 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 3919 der Abgeordneten Kathrin Dannenberg (Fraktion DIE LINKE) Drucksache 6/9631 Situation des Faches Politische Bildung Namens der Landesregierung beantwortet die Ministerin für Bildung, Jugend und Sport die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkung der Fragestellerin: Das Fach Politische Bildung ist ein zentrales Leitfach der Demokratieerziehung an unseren Schulen. Angesicht der sich zunehmend politisch polarisierenden und zum Teil auch radikalisierenden gesellschaftlichen Entwicklung in der Bundesrepublik und auch im Land Brandenburg hat der amtierende KMK-Präsident, Helmut Holter, in diesem Jahr mehrfach die Bedeutung der Demokratiebildung an unseren Schulen betont und einheitliche Standards im Bereich Politik gefordert. Dies setzt allerdings ausreichend qualifizierte Lehrkräfte an unseren Schulen voraus. Vorbemerkung der Landesregierung: Politische Bildung ist nicht nur Aufgabe eines Leitfaches . Aus diesem Grund werden die drei relevanten Fächer als Lernbereich Gesellschaftswissenschaften ausgewiesen und in den Fachplänen des Rahmenlehrplans aufeinander bezogen. Mit dem Auftrag an die Schulen zur Demokratiebildung wird ein übergeordnetes Bildungsziel verdeutlicht. Damit sind alle Lehrkräfte einer Schule bzw. alle Fächer gefordert, diesen Anspruch umzusetzen. Seit dem Schuljahr 2017/2018 müssen die Schulen das übergreifende Thema Demokratiebildung in ihrem schulinternen Curriculum verankern und fächerübergreifend umsetzen. Ziel ist es, die demokratische Schul- und Unterrichtskultur weiterzuentwickeln. Das MBJS hat eine Analyse des erteilten Unterrichts vorgenommen , um den tatsächlichen Unterricht in Politischer Bildung zu erfassen und ggf. Konsequenzen zu ziehen. Frage 1: Das Unterrichtsfach Politische Bildung in der Sekundarstufe I wird trotz formaler Gleichstellung mit den Fächern Geografie und Geschichte in der Kontingentstundentafel für Gesamtschulen und Oberschulen (Sekundarstufe I) in der Unterrichtspraxis im Land Brandenburg deutlich weniger als die beiden anderen gesellschaftswissenschaftlichen Fächer unterrichtet. Laut aktueller Berechnung des MBJS von 2018 beträgt der Anteil des Faches Politische Bildung am Gesamtunterricht in der Sekundarstufe I (ohne Sek. I an Gymnasien) nur 1,7 %. Das Fach Geschichte liegt hingegen bei 3,4 % und Geografie bei 2,6 %. Diese Werte sind seit Jahren relativ konstant. An Gymnasien ist das Verhältnis der drei Fächer ähnlich und betrifft damit alle Schulen der Sekundarstufe I. a) Wie begründet sich dieses starke Missverhältnis der gesellschaftswissenschaftlichen Fächer? Landtag Brandenburg Drucksache 6/9849 - 2 - b) Sollte aus Sicht der Landesregierung künftig ein ausgeglichenes Verhältnis der drei gesellschaftswissenschaftlichen Fächer in der Sekundarstufe I angestrebt werden? Zu Frage 1a: Das Fach Politische Bildung gehört in allen Schulformen der Sekundarstufe I zu den drei Pflichtfächern des Lernbereichs der Gesellschaftswissenschaften. Der Stundenumfang für die drei Fächer wird in den Doppeljahrgangsstufen 7/8 und 9/10 gemeinsam dargestellt. In diesem Kontingent können die Schulen die konkrete Verteilung der Stunden auf die Einzelfächer eigenverantwortlich entscheiden. Mit dem neuen Rahmenlehrplan der Jahrgangsstufen 1 bis 10 knüpft der Unterricht in Politischer Bildung an den Unterricht der Gesellschaftswissenschaften in 5 und 6 an. Auch zwischen den betreffenden Fächern in der Sekundarstufe I sind Anknüpfungspunkte deutlich gemacht. Zu Frage 1b: Den Schulen verbleiben Entscheidungsspielräume. So ist nach § 7 Absatz 3 des Brandenburgischen Schulgesetzes (BbgSchulG) festgelegt, dass die Schulen im Rahmen der Stundentafel Schwerpunkte bilden können. An den Schulen mit gymnasialer Oberstufe bedarf es zudem der Berücksichtigung der KMK-Vereinbarung zur Gestaltung der gymnasialen Oberstufe und der Abiturprüfung. So belegen die Schülerinnen und Schüler in der Qualifikationsphase im gesellschaftswissenschaftlichen Aufgabenfeld mindestens vier Schulhalbjahre Geschichte oder ein anderes gesellschaftswissenschaftliches Fach, in dem Geschichte mit festen Anteilen unterrichtet wird. An Gymnasien muss dieser Sachverhalt bereits in der Jahrgangsstufe 10 umgesetzt werden. Frage 2: Welche Festlegungen und Auflagen gibt es für fachfremd im Fach Politische Bildung eingesetzte Lehrkräfte seitens des zuständigen Ministeriums a) bezüglich eines kontinuierlichen Einsatzes im Fach Politische Bildung, b) bezüglich des Besuchs einer verbindlichen Fortbildung bzw. Grundqualifizierung (Seiteneinsteiger ) für Politische Bildung? Zu Frage 2: Mit einem Lehramtsstudium erwerben die Lehrkräfte in der Regel für zwei Fächer die notwendigen Kompetenzen. Mit der Befähigung für eine Lehrtätigkeit in bestimmten Fächern werden auch darüber hinausgehende Kompetenzen erworben. So besteht prinzipiell zwischen den Fächern Politische Bildung und Geschichte eine Affinität, so dass die Lehrkräfte in beiden Fächern eingesetzt werden können. Der Unterrichtseinsatz gilt deshalb als fachgerecht. Zu Frage 2a: Das Ministerium für Bildung, Jugend und Sport trifft keine Festlegungen und Auflagen für den fachfremden Unterrichtseinsatz im Fach Politischer Bildung. Der konkrete Lehrkräfteeinsatz ist originäre Aufgabe der Schulleiterinnen und Schulleiter. Nachfolgend wird auf die Antworten zu Frage 3 verwiesen. Zu Frage 2b: Im Rahmen der Pädagogischen Grundqualifizierung absolvieren die teilnehmenden Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger fachdidaktische Fortbildungen im Umfang von insgesamt 60 Fortbildungsstunden. Eine Teilnahme daran (und auch an der Pädagogischen Grundqualifizierung generell) ist nur für die Seiteneinsteigerinnen und Seiteneinsteiger verpflichtend, die erstmalig zum bzw. nach dem 01.08.2018 in den Schuldienst des Landes Brandenburg eingestellt wurden bzw. eine Anordnung zur Teilnahme von der Schulleitung oder dem Schulamt erhalten haben. Eine konkrete Vorgabe zur zu besuchenden fachdidaktischen Fortbildung kann innerhalb der Anordnung erfolgen. Im Weiteren gelten § 67 Abs. 3, § 70 Abs. 3 Pkt. 4 sowie § 71 Abs. 4 BbgSchulG. Landtag Brandenburg Drucksache 6/9849 - 3 - Frage 3: Wie ist das Verhältnis von fachlich ausgebildeten (Lehramtsbefähigung für Politische Bildung) zu fachfremd unterrichtenden Lehrkräften (fehlende Fachausbildung oder Seiteneinsteiger*innen) in der Gesamtzahl der erteilten Unterrichtsstunden im Fach Politische Bildung (Sekundarstufe I) pro Woche getrennt nach a) Oberschulen, Gesamtschulen und Gymnasien (Sekundarstufe I)? b) ausgebildeten Fachlehrkräften, fachfremden Lehrkräften und Seiteneinsteigern? Zu Frage 3: Die nachfolgenden Auswertungen zeigen, dass in den Jahrgangsstufen 7 bis 10 an allen drei Schulformen über 90 Prozent der im Fach Politische Bildung erteilten Lehrerwochenstunden von Lehrkräften mit einer Ausbildung für Politische Bildung oder Geschichte unterrichtet werden. Die Tabelle 1 gibt eine Übersicht über die Anzahl der im Unterrichtsfach Politische Bildung im Pflichtunterricht erteilten Lehrerwochenstunden (LWS) nach Schulform sowie Art der Unterrichtserteilung: Tabelle 1: Anzahl LWS im Pflichtunterricht1 für Unterrichtsfach Politische Bildung nach Schulform sowie Art der Unterrichtsverteilung, Jahrgangsstufen 7 bis 10 an Gymnasien, Ober- und Gesamtschulen in öffentlicher Trägerschaft, Schuljahr 2017/2018 Art der Unterrichtserteilung Schulform der Schule Insgesamt fachlich ausgebildet2 fachfremd absolut in % absolut in % Oberschule 838,49 765,49 91,29% 73,00 8,71% Gesamtschule 309,00 296,00 95,79% 13,00 4,21% Gymnasium 1.108,00 1.074,00 96,93% 34,00 3,07% Insgesamt 2.255,49 2.135,49 94,68% 120,00 5,32% Datenquelle: Schuldatenerhebung 2017/2018, Stichtag: 04.10.2017 Die Tabelle 2 zeigt die Anzahl der im Unterrichtsfach Politische Bildung im Pflichtunterricht erteilten LWS nach Art der Lehramtsbefähigung sowie Art der Unterrichtserteilung: Tabelle 2: Anzahl LWS im Pflichtunterricht3 für Unterrichtsfach politische Bildung nach Art der Lehramtsbefähigung sowie Art der Unterrichtsverteilung, Jahrgangsstufen 7 bis 10 an Gymnasien, Ober- und Gesamtschulen in öffentlicher Trägerschaft, Schuljahr 2017/2018 Art der Unterrichtserteilung Art der Lehramtsbefähigung Insgesamt fachlich ausgebildet4 fachfremd absolut in % absolut in % absolut in % Lehramtsbefähigung oder Lehramtsstudium abgeschlossen 2.218,49 98,36% 2.118,49 93,93% 100,00 4,43% Seiteneinsteiger 37,00 1,64% 17,00 0,75% 20,00 0,89% Insgesamt 2.255,49 100,00% 2.135,49 94,68% 120,00 5,32% Datenquelle: Schuldatenerhebung 2017/2018, Stichtag: 04.10.2017 1 Unterricht im Klassenverband, Unterricht für Teile von Klassen, Wahlpflichtunterricht, Schwerpunktunterricht ab Jahrgangsstufe 9 und Kurse auf grundlegendem Anforderungsniveau. 2 Als fachlich ausgebildet zählen Lehrkräfte mit dem Ausbildungsfach Politische Bildung oder Geschichte. 3 Unterricht im Klassenverband, Unterricht für Teile von Klassen, Wahlpflichtunterricht, Schwerpunktunterricht ab Jahrgangsstufe 9 und Kurse auf grundlegendem Anforderungsniveau. 4 Als fachlich ausgebildet zählen Lehrkräfte mit dem Ausbildungsfach Politische Bildung oder Geschichte. Landtag Brandenburg Drucksache 6/9849 - 4 - Hieraus geht hervor, dass in den betrachteten Schulformen der Sekundarstufe I 98,4 % der im Fach Politische Bildung erteilten Lehrerwochenstunden von Lehrkräften mit Lehramtsbefähigung bzw. abgeschlossenem Lehramtsstudium, davon 93,93 % fachgerecht (mit Ausbildungsabschluss für die Fächer Politische Bildung oder Geschichte) und 4,43 % fachfremd, sowie 1,6 % von Seiteneinsteigern, davon 0,7 % fachgerecht und 0,9 % fachfremd , erteilt werden. Frage 4: Für wie viele fachfremd Unterrichtende wurde in den letzten 4 Jahren eine Fortbildung bzw. eine Grundqualifizierung für Politische Bildung realisiert? Zu Frage 4: Dazu liegen dem MBJS keine Daten vor, da sie in dieser Form auch nicht erhoben wer-den. Spezielle Veranstaltungen ausschließlich für die Zielgruppe „fachfremd im Fach Politische Bildung eingesetzte Lehrkräfte“ gibt es nicht. Für den Zeitraum vom 01.08.2014 bis 31.07.2018 sind ca. 280 Veranstaltungen der staat-lichen Lehrkräftefortbildung im FortbildungsNetz hinterlegt, die sich mit Themen und Inhalten der Politischen Bildung in Schule und Unterricht befassen. Eine Aussage dazu, ob und wenn ja wie viele fachfremd unterrichtende Lehrkräfte an den o.g. Veranstaltungen teilgenommen haben, kann nur durch die staatlichen Schulämter getroffen werden, was mit einer sehr umfangreichen Recherche verbunden wäre, die im Rahmen zur Beantwortung einer Kleinen Anfrage nicht möglich ist. Dies gilt auch für die Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen externer Anbieter. Frage 5: Gibt es derzeit ein berufsbegleitendes Studienangebot zum nachträglichen Erwerb der Lehramtsbefähigung für das Fach Politische Bildung im Land Brandenburg? Zu Frage 5: Derzeit gibt es kein berufsbegleitendes Studienangebot zum nachträglichen Erwerb der Lehramtsbefähigung für das Fach Politische Bildung im Land Brandenburg. Frage 6: In der 5. und 6. Jahrgangsstufe ist das Fach Politische Bildung integriert in das neue Fach Gesellschaftswissenschaften. Zur Facheinführung wurde vom MBJS eine große Fortbildungsreihe durchgeführt. Können mit dieser Fortbildung alle Schulen (mit 5./6. Jahrgangsstufe) im Land Brandenburg ihren Fachlehrkräftedarf im Fach Gesellschaftswissenschaften decken oder besteht noch weiterer Fortbildungsbedarf und sind in diesem Fall weitere Fortbildungsreihen ab 2019 in Planung? Zu Frage 6: Das MBJS verfolgt mit hoher Aufmerksamkeit die fachliche Umsetzung des neu eingeführten Unterrichtsfaches Gesellschaftswissenschaften. Mit der Durchführung der Fortbildungsreihe für das Fach Gesellschaftswissenschaften in den Jahrgangsstufen 5/6 können 500 Lehrkräfte des Landes Brandenburg qualifiziert werden (399 Grundschulen , 31 Schulen mit Leistungs- und Begabungsklassen). Diese Reihe wird im Schuljahr 2018/2019 abgeschlossen. Zur Deckung des weiteren Bedarfs wird eine Fortführung in modifizierter Form organisiert, so dass Schulen, die aus organisatorischen Gründen bislang keine Lehrkraft für die Fortbildungsreihe entsenden konnten oder durch Personalwechsel aktuell oder künftig keine fortgebildete Lehrkraft zu Verfügung haben, den Unterricht fachlich angemessen durchführen können. Eine Verstetigung der Fortbildung der Lehrkräfte erfolgt durch Beraterinnen und Berater des Beratungs- und Unterstützungssystems für Schulen und Schulaufsicht (BUSS). Landtag Brandenburg Drucksache 6/9849 - 5 - Die Schulleitungen wurden entsprechend sensibilisiert, dass die Fachkonferenzarbeit gemäß § 87 Abs. 3 BbgSchulG nicht auf das Mindestmaß beschränkt wird. Insbesondere in der Einführungsphase sollen die Fachkonferenzen monatlich oder mindestens zweimonatlich tagen. Auch bei überschulischen Fachkonferenzen ist das Instrument des kollegialen Unterrichtsbesuchs zu gewährleisten.