Datum des Eingangs: 30.03.2015 / Ausgegeben: 07.04.2015 Landtag Brandenburg 6. Wahlperiode Drucksache 6/986 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage 331 des Abgeordneten Dieter Dombrowski der CDU-Fraktion Drucksache 6/715 Besondere Verantwortung Brandenburgs für den Elbebiber? Wortlaut der Kleinen Anfrage 331 vom 26.02.2015: Der Europäische Biber (Castor fiber) war ursprünglich im größten Teil Mittel- und Nordeuropas bis nach Asien nahezu flächendeckend vertreten. Intensive Verfolgung und massive Eingriffe in die Lebensräume der Biber ließen den Bestand auf wenige und kleine Reliktpopulationen schrumpfen, zwischen denen es lange Zeit keinen genetischen Austausch mehr gab. Besonders stark betroffen davon war die Reliktpopulation im Mittellauf der Elbe. Geringfügige morphologische Unterschiede verleiteten Wissenschaftler im vergangenen Jahrhundert dazu, die Reliktpopulationen als Unterarten des Europäischen Bibers zu definieren. So wurde die im Mittellauf der Elbe verbliebene Reliktpopulation zur Unterart Elbebiber (Castor fiber albicus) erklärt. Neuere genetische Untersuchungen1 zeigen, dass speziell die Population des Elbebibers stark unter der genetischen Isolation und der ursprünglich geringen Anzahl verbliebener Individuen gelitten hat. Die resultierende genetische Verarmung führte nach Ansicht der Autoren beim Elbebiber zu einer geringeren Anpassungsfähigkeit und zu erhöhter Anfälligkeit gegenüber Krankheiten. Durch strengen Schutz und verschiedene Wiederansiedlungsprogramme erholten sich die Bestände des Europäischen Bibers in ganz Europa, so dass es regional auch wieder zu einem genetischen Austausch zwischen den Nachfahren der einstigen Reliktpopulationen kommt. Die Autoren sehen den Elbebiber gegenüber den Artgenossen aus anderen Reliktpopulationen wegen seiner genetischen Handicaps im Nachteil und schließen nicht aus, dass der Elbebiber im Zuge der fortschreitenden Durchmischung „verschwinden“ wird. Ungeachtet dessen wird in unterschiedlichsten Veröffentlichungen und offiziellen Dokumenten immer wieder die besondere Verantwortung Brandenburgs für den Erhalt des Elbebibers unterstrichen. Vertreter von anerkannten Naturschutzverbänden lehnen in Brandenburg die Tötung von Bibern zur Schadensabwehr unter Verweis darauf ab, dass der Elbebiber vom Aussterben bedroht sei. 1 Frosch C, Kraus RHS, Angst C, Allgöwer R, Michaux J, et al. (2014) The Genetic Legacy of Multiple Beaver Reintroductions in Central Europe. PLoS ONE 9(5): e97619. doi:10.1371/journal.pone.0097619 Ich frage die Landesregierung: 1. Unterscheidet die Landesregierung zwischen dem Erhaltungszustand des Vorkommens des Elbebibers und dem des Europäischen Bibers innerhalb des Landes und wie schätzt sie diesen bzw. diese gegenwärtig ein? 2. Wann wurde die letzte Version der Roten Liste für Brandenburgs Säugetiere veröffentlicht und wann ist mit einer aktualisierten Ausgabe zu rechnen? 3. Unterscheidet die Rote Liste Brandenburgs zwischen den Unterarten des Bibers oder stellt sie auf den Bestand des Europäischen Bibers (Castor fiber) ab? 4. In welche Gefährdungskategorie wurde der Europäische Biber und ggf. der Elbebiber in der derzeit gültigen Roten Liste Brandenburgs eingestuft? 5. Zur Jahrtausendwende wurden die international gültigen Kriterien für die Einstufung von Arten in die Roten Listen von der International Union for Conservation of Nature (IUCN) überarbeitet und Anleitungen auch zur regionalen Anwendung dieser Kriterien veröffentlicht. Sind, gemessen an diesen aktuellen Kriterien der IUCN, nach Einschätzung der Landesregierung Brandenburgs Bestände von Castor fiber bzw. Castor fiber albicus als gefährdet einzustufen und wenn ja, welche Gefährdungskategorie wäre ihnen zuzuordnen? 6. Aus welchen naturschutzrechtlichen Vorschriften leitet sich für die Landesregierung eine besondere Verpflichtung zum Schutz des Elbebibers ab? 7. Wie weit geht eine mögliche besondere Verpflichtung über den durch FFHRichtlinie und Bundesnaturschutzgesetz geregelten Schutz für den Europäischen Biber hinaus? 8. Unterliegen Exemplare von Castor fiber albicus, Exemplare aus östlichen Reliktpopulationen (Woronesch-Biber) und/oder Nachkommen aus der Verpaarung von Elbebiber und Woronesch-Biber dem gleichen Schutzstatus? Welche naturschutzrechtlichen Vorschriften regeln ggf. zu beachtende Unterschiede? 9. Welche Auswirkungen erwartet die Landesregierung angesichts des natürlichen Prozesses der genetischen Durchmischung der ehemaligen Reliktpopulationen (speziell im Osten Brandenburgs) auf die Überlebensfähigkeit des Europäischen Bibers an sich und die der Reliktpopulation des Elbebibers? 10. Teilt die Landesregierung die Sichtweise der Wissenschaftler, wonach der Elbebiber im Zuge der fortschreitenden genetischen Durchmischung im Laufe der Zeit 3„verschwinden“ könnte? Wenn ja, warum teilt sie diese Auffassung? Wenn nein, warum teilt sie sie nicht? 11. Aus welchem konkreten Grund wird speziell in FFH-Management- bzw. Pflege - und Entwicklungsplänen „die besondere Verantwortung des Landes Brandenburgs für den Erhalt des Elbebibers“ betont, selbst wenn in diesen Gebieten längst Mischpopulationen und der entsprechende genetische Austausch zwischen Elbebiber und Woronesch-Biber nachgewiesen wurden? Namens der Landesregierung beantwortet der Minister für Ländliche Entwicklung, Umwelt und Landwirtschaft die Kleine Anfrage wie folgt: Frage 1: Unterscheidet die Landesregierung zwischen dem Erhaltungszustand des Vorkommens des Elbebibers und dem des Europäischen Bibers innerhalb des Landes und wie schätzt sie diesen bzw. diese gegenwärtig ein? Zu Frage 1: Nein. Eine Unterscheidung zwischen dem Elbebiber und dem Europäischen Biber ist nicht möglich. Der Elbebiber (Castor fiber albicus) stellt die in Deutschland und Brandenburg natürlich vorkommende Unterart der Art „Europäischer Biber“ (Castor fiber) dar. Frage 2: Wann wurde die letzte Version der Roten Liste für Brandenburgs Säugetiere veröffentlicht und wann ist mit einer aktualisierten Ausgabe zu rechnen? Zu Frage 2: 1992. Das LUGV beabsichtigt bis 2016 eine Überarbeitung vorzulegen. Frage 3: Unterscheidet die Rote Liste Brandenburgs zwischen den Unterarten des Bibers oder stellt sie auf den Bestand des Europäischen Bibers (Castor fiber) ab? Zu Frage 3: In der Roten Liste der Säugetiere von 1992 wird auf den Elbebiber abgestellt. Zum damaligen Zeitpunkt war der Elbebiber die einzige in Brandenburg vorkommende Unterart des Europäischen Bibers. Frage 4: In welche Gefährdungskategorie wurde der Europäische Biber und ggf. der Elbebiber in der derzeit gültigen Roten Liste Brandenburgs eingestuft? Zu Frage 4: Die Einstufung erfolgte in die Gefährdungskategorie 1 „Vom Aussterben bedroht“. Frage 5: Zur Jahrtausendwende wurden die international gültigen Kriterien für die Einstufung von Arten in die Roten Listen von der International Union for Conservation of Nature (IUCN) überarbeitet und Anleitungen auch zur regionalen Anwendung dieser Kriterien veröffentlicht. Sind, gemessen an diesen aktuellen Kriterien der IUCN, nach Einschätzung der Landesregierung Brandenburgs Bestände von Castor fiber bzw. Castor fiber albicus als gefährdet einzustufen und wenn ja, welche Gefährdungskategorie wäre ihnen zuzuordnen? Zu Frage 5: Der Europäische Biber ist in der Roten Liste der gefährdeten Tierarten Deutschlands, Band 1 „Wirbeltiere“ (2009) in der Kategorie V (Vorwarnliste) gelistet. Dies entspricht der Gefährdungskategorie „NT - Near Threatened“ (potenziell gefährdet, zurückgehend , Vorwarnliste) der IUCN. Eine Art ist potenziell gefährdet, wenn sie zur Zeit zwar nicht gefährdet ist, jedoch die Kriterien für eine Einstufung in eine der Gefährdungskategorien beinahe erfüllt sind oder zu erwarten ist, dass die Kriterien in naher Zukunft erfüllt sind. Eine Einstufung für Brandenburg nach IUCN-Kriterien erfolgt im Zusammenhang mit der Überarbeitung der Roten Liste der Säugetiere Brandenburgs (siehe Antwort zu Frage 2). Frage 6: Aus welchen naturschutzrechtlichen Vorschriften leitet sich für die Landesregierung eine besondere Verpflichtung zum Schutz des Elbebibers ab? Zu Frage 6: Aus Art. 3 in Verbindung mit deren Anhang II und Art. 12 der FFH-Richtlinie in Verbindung mit deren Anhang IV sowie § 44 Abs. 1 Nr. 1 – 3 BNatSchG in Verbindung mit § 7 Abs. 2 Nr. 13 lit. b) aa) und § 7 Abs. 2 Nr. 14 lit. b) BNatSchG. Frage 7: Wie weit geht eine mögliche besondere Verpflichtung über den durch FFH-Richtlinie und Bundesnaturschutzgesetz geregelten Schutz für den Europäischen Biber hinaus ? Zu Frage 7: Es gibt keine Verpflichtung zum Schutz des Europäischen Bibers über den durch FFH-Richtlinie und Bundesnaturschutzgesetz geregelten Schutz hinaus. Frage 8: Unterliegen Exemplare von Castor fiber albicus, Exemplare aus östlichen Reliktpopulationen (Woronesch-Biber) und/oder Nachkommen aus der Verpaarung von Elbebiber und Woronesch-Biber dem gleichen Schutzstatus? Welche naturschutzrechtlichen Vorschriften regeln ggf. zu beachtende Unterschiede? Zu Frage 8: Wie schon in der Antwort der Landesregierung auf die Frage 2 der Kleinen Anfrage 3687 „Umgang mit dem Biber (Castor fiber) aufgrund seines Schutzstatus´ gemäß der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie“ ausführlich dargelegt wurde, wird in der FFHRichtlinie nicht zwischen den einzelnen Unterarten des Europäischen Biber Castor fiber unterschieden. Vielmehr hat jedes Mitgliedsland in seinem Hoheitsgebiet im Hinblick auf den Europäischen Biber entweder die Bestimmungen des Artikels 12 der FFH-RL oder die des Artikels 14 einzuhalten. Daher unterliegen Exemplare des Elbebibers , des Woronesch-Bibers (Castor fiber belarusicus) oder jeder anderen Unterart des Europäischen Bibers sowie Nachkommen aus der Verpaarung von Unterarten des Europäischen Bibers im jeweiligen Mitgliedsland stets dem gleichen Schutzstatus. In Deutschland stehen alle Europäischen Biber (also auch Castor fiber belarusicus und die auf ausgesetzte Biber zurückgehenden Mischbestände in Westdeutschland ) unter dem Schutz des Artikels 12 der FFH-RL. Frage 9: Welche Auswirkungen erwartet die Landesregierung angesichts des natürlichen Prozesses der genetischen Durchmischung der ehemaligen Reliktpopulationen (speziell im Osten Brandenburgs) auf die Überlebensfähigkeit des Europäischen Bibers an sich und die der Reliktpopulation des Elbebibers? Zu Frage 9: Die Landesregierung erwartet von einer etwaigen genetischen Durchmischung der Populationen von Elbebiber und gebietsfremden Unterarten des Europäischen Bibers keine Auswirkungen auf die Überlebensfähigkeit des Europäischen Bibers. Zu der Frage, ob der Fortbestand des in Deutschland autochthonen Elbebibers durch Vermischung mit gebietsfremden Unterarten von Castor fiber gefährdet ist, liegen keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse vor. Frage 10: Teilt die Landesregierung die Sichtweise der Wissenschaftler, wonach der Elbebiber im Zuge der fortschreitenden genetischen Durchmischung im Laufe der Zeit „verschwinden “ könnte? Wenn ja, warum teilt sie diese Auffassung? Wenn nein, warum teilt sie sie nicht? Zu Frage 10: Außer im Osten Brandenburgs gibt es für eine fortschreitende genetische Durchmischung der Population des Elbebibers in Brandenburg (mit Castor fiber belarusicus) bisher keine Anhaltspunkte. Allerdings gibt es bis auf einen Bestand in Hessen, der auf der Wiederansiedlung von Elbebibern beruht, Bestände des Elbebibers nur noch in Ostdeutschland. Unter Berücksichtigung der Vielzahl der natürlichen und anthropogenen Prozesse und dem Fehlen gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse kann die Landesregierung keine Einschätzung dahingehend geben, ob der Elbebiber in Brandenburg im Zuge der fortschreitenden genetischen Durchmischung im Laufe der Zeit „verschwinden “ könnte. Frage 11: Aus welchem konkreten Grund wird speziell in FFH-Management- bzw. Pflege- und Entwicklungsplänen „die besondere Verantwortung des Landes Brandenburgs für den Erhalt des Elbebibers“ betont, selbst wenn in diesen Gebieten längst Mischpopulationen und der entsprechende genetische Austausch zwischen Elbebiber und Woronesch-Biber nachgewiesen wurden? Zu Frage 11: Gut ein Drittel des Weltbestandes des Elbebibers lebt in Brandenburg. Hieraus ergibt sich - insbesondere vor dem Hintergrund der „Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt“ der Bundesregierung, wonach wildlebende Arten in ihrer genetischen Vielfalt und ihrer natürlichen Verteilung und gebietstypische Populationen in ihrer genetischen Vielfalt erhalten bleiben sollen.