Landtag Brandenburg Drucksache 6/9860 6. Wahlperiode Eingegangen: 02.11.2018 / Ausgegeben: 07.11.2018 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 3932 der Abgeordneten Dr. Saskia Ludwig (CDU-Fraktion) und Dr. Jan Redmann (CDU- Fraktion) Drucksache 6/9667 Neutralitätsgebot im Landtagswahlkampf bei von der Landesregierung geförderten Publikationen, Internetauftritten und anderen Medien Namens der Landesregierung beantwortet der Chef der Staatskanzlei die Kleine Anfrage wie folgt: Das Bundesverfassungsgericht hat bereits mehrfach grundlegende Aussagen zur regierungsamtlichen Neutralitätspflicht im Vorfeld von Wahlen getroffen. Unter anderem wurde festgestellt, dass das Recht der politischen Parteien auf Chancengleichheit verletzt wird, wenn Staatsorgane als solche parteiergreifend zugunsten oder zulasten einer politischen Partei oder von Wahlbewerbern in den Wahlkampf einwirken. Während Veröffentlichungen der Landesregierung zweifellos vom Neutralitätsgebot erfasst sind, spielen im Wahlkampf auch Veröffentlichungen von Vereinen, Verbänden oder anderen Empfängern von Fördermitteln der Landesregierung eine erhebliche Rolle. Gleichbehandlung und Neutralität gegenüber unterschiedlichen Bewerbern sind deshalb auch dann zu berücksichtigen, wenn von der Regierung geförderte Internetauftritte oder Publikationen dazu genutzt werden, über politische Vorgänge zu berichten oder Wahlbewerbern die Gelegenheit gegeben wird, sich bzw. ihre Inhalte vorzustellen. Die Fraktion „Arbeitsgemeinschaft SPD und DIE LIN- KE“ hat für die im Jahr 2019 anstehenden Wahlen in der Gemeinde Michendorf bereits beantragt, dass bei Publikationen, Internetauftritten oder anderen Medien, die aus Mitteln der Gemeinde gefördert werden, „die Förderung (Geld, Leistungen, Nutzung von Räumen etc.) künftig davon abhängig zu machen [ist], dass das Neutralitätsgebot strikt eingehalten wird.“ Wir fragen die Landesregierung: 1. Besteht für von der Landesregierung geförderte Publikationen, Internetauftritte oder andere Medien, ein Neutralitätsgebot soweit im Vorfeld von Landtagswahlen über politische Vorgänge, Inhalte oder Kandidaten berichtet wird? zu Frage 1: Das Bundesverfassungsgericht hat im Jahr 2015 entschieden, dass bei der Vergabe öffentlicher Finanzmittel an Dritte, - auch wenn der vorgesehene Verwendungszweck dieser Mittel politische Bezüge aufweist - nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden kann, dass durch die Zuweisung der Mittel in das Recht der politischen Parteien auf Chancengleichheit eingegriffen wird. Dies gelte insbesondere, wenn die Mittel Institutionen zugewendet würden, die von den Parteien rechtlich und tatsächlich unabhängig sind, Landtag Brandenburg Drucksache 6/9860 - 2 - ihre Aufgaben selbstständig und eigenverantwortlich wahrnehmen und auch in der Praxis die gebotene Distanz zu den jeweiligen Parteien wahren. Auf der anderen Seite darf die Exekutive das für sie selbst geltende Neutralitätsgebot nicht dadurch „aushebeln“, dass sie in ihrem Sinne parteipolitisch agierende Dritte fördert (vgl. Gutachten „Rechtlicher Rahmen der Förderung von Initiativen gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit “ des Parlamentarischen Beratungsdienstes des Landtages Brandenburg vom 12. Februar 2018). Die Förderung gerät deswegen zunehmend mit dem Prinzip der Chancengleichheit der Parteien in Konflikt, je weniger der Zuwendungsempfänger sich einem allgemeinen (Bildungs-)Auftrag verpflichtet fühlt und je intensiver er stattdessen in der Art einer politischen Partei werbend Einfluss auf die politische Willensbildung nimmt oder nehmen möchte. Die vorgenannten Grundsätze gelten immer, also auch wenn im Vorfeld von Landtagswahlen über politische Vorgänge, Inhalte oder Kandidaten berichtet wird. 2. Beabsichtigt die Landesregierung, so wie von SPD und Linken in der Gemeinde Michendorf vorgeschlagen, alle zukünftigen Fördermittelvergaben von der verbindlichen Einhaltung eines strikten Neutralitätsgebotes abhängig zu machen? Falls nein: Warum nicht? zu Frage 2: Bei der großen Mehrzahl der Fördermittelvergaben weist der vorgesehene Verwendungszweck keine politischen Bezüge auf, so dass für sie eine solche Regelung entbehrlich ist. Sollte es aufgrund einer Anfangsvermutung erforderlich sein, in einem Fördermittelbescheid die Einhaltung des Neutralitätsgebots zur Auflage zu machen, wird der Bescheid gemäß § 36 Verwaltungsverfahrensgesetz mit einer entsprechenden Nebenbestimmung versehen werden. Sofern im Rahmen des Antragsverfahrens bereits eindeutig absehbar ist, dass die Zuwendung nicht gemäß dem Neutralitätsgebot verwandt werden soll, ist die Zuwendung zu versagen.