Landtag Brandenburg Drucksache 6/9933 6. Wahlperiode Eingegangen: 13.11.2018 / Ausgegeben: 19.11.2018 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 3967 der Abgeordneten Birgit Bessin (AfD-Fraktion) und Dr. Rainer van Raemdonck (AfD- Fraktion) Drucksache 6/9752 Kostensteigerungen durch Ausweitung der Behandlungsrechte von Migranten Namens der Landesregierung beantwortet die Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkungen der Fragesteller: Am 17. Juli 2018 veröffentlichte das Hessische Landessozialgericht in Darmstadt ein Urteil (Az.: 4 AY 9/18), wonach ein ausreisepflichtiger Ausländer mit Duldung das Recht auf volle medizinische Versorgung hat. In diesem Fall ging es um Kosten für eine kostenintensive Therapie, um seine chronische Hepatitis-C- Erkrankung zu heilen. Nach Schätzungen leben in Deutschland bis zu 100.000 Personen, die trotz bestehender Krankenversicherungspflicht nicht in der Lage sind, die Beiträge zur Krankenversicherung zu bezahlen. Sie haben bisher nur im akuten Notfall Anspruch auf Hilfeleistung. Vorbemerkungen der Landesregierung: Mit Beschluss des Landessozialgerichtes (LSG) Hessen vom 11.07.2018 (AZ: L 4 AY 9/18 B ER) ist einem nach Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) leistungsberechtigtem Ausländer ein Anspruch auf Therapiemaßnahmen, die gemäß dem Recht der Gesetzlichen Krankenkassen (Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - SGB V) oder der Sozialhilfe (Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - SGB XII) erforderlich sind, zugesprochen worden. Das gelte zumindest, solange es sich nicht um eine Bagatellerkrankung handelt und der Aufenthalt der bedürftigen Person nicht nur kurzzeitig ist. Die Richter gaben einem erkrankten Kläger Recht und verpflichteten den Landkreis, die notwendigen Kosten der antiviralen Therapie der Hepatitis-C-Erkrankung vorläufig zu übernehmen. Der geduldete Ausländer habe nach AsylbLG Anspruch auf ärztliche Behandlung von akuten Erkrankungen. Darüber hinaus könnten Leistungen insbesondere gewährt werden, wenn sie im Einzelfall zur Sicherung der Gesundheit unerlässlich seien. Der gesetzliche Begriff der unerlässlichen Leistung sei verfassungskonform auszulegen. Das Grundgesetz gewähre einen Leistungsanspruch auf Sicherstellung eines menschenwürdigen Existenzminimums. Dies erstrecke sich auch auf die Gewährung von Gesundheitsleistungen . Dass die Entscheidung des hessischen LSG Auswirkungen in Brandenburg haben wird, lässt sich nicht belegen. Einschätzungen zu möglichen Konsequenzen aus diesem Urteil liegen der Landesregierung nicht vor. Neu zuwandernde EU-Staatsangehörige, die zum Zweck der Arbeitssuche nach Deutschland kommen, haben zunächst keinen Anspruch auf Leistungen zum Lebensunterhalt nach SGB II und SGB XII und deshalb auch nicht auf die damit zusammenhängenden Landtag Brandenburg Drucksache 6/9933 - 2 - Leistungen der Krankenversicherung. Oftmals besteht auch keine Kenntnis über den eigenen Versicherungsstatus im Herkunftsland oder er kann zumindest nicht nachgewiesen werden. Dies ist aber notwendig, um eine Krankenbehandlung über die Europäische Krankenversicherungskarte (EHIC) zu erhalten. Und selbst, wenn diese Versicherung besteht und auch nachgewiesen werden kann, ist eine Kostenübernahme nur bei notwendigen medizinischen Behandlungen, die dringend erforderlich sind, möglich. Im Ergebnis sind zahlreiche Menschen aus EU-Mitgliedsstaaten, die hier nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind, entweder nicht versichert oder trotz theoretisch bestehender Leistungsansprüche versorgungsbedürftig. Laut Statistischem Bundesamt gibt es in Deutschland immer weniger Menschen ohne Krankenversicherung. Während 2007 rund 196.000 Personen keine Krankenversicherung hatten, waren es 2012 knapp 137.000 Nichtversicherte. Die neuesten Zahlen sprechen von mittlerweile noch 80.000 Personen ohne Krankenversicherung in Deutschland (Mikrozensus 2015). Grund für die sinkenden Zahlen ist vor allem die schrittweise Einführung der Versicherungspflicht seit 2007. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V besteht Versicherungspflicht für Personen, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben , die zuletzt zuständige Kasse ist verpflichtet, eine Versicherung zu begründen. Dennoch haben viele selbstständige Kleinstgewerbetreibende oder Scheinselbstständige keine ausreichenden Einnahmen, um eine Krankenversicherung zu bezahlen. Bei den "offiziell " nicht Versicherten stellen diese die größte Gruppe dar. Gar nicht statistisch erfasst aber sind ausländische Bürger, die sich (noch) nicht in Deutschland angemeldet haben, und Wohnungslose. Krankenkassenmitgliedschaften können inzwischen nicht mehr wegen Beitragsrückständen gekündigt werden. Allerdings kommt ein anderes gesetzliches Mittel zum Tragen: das Ruhen des Leistungsanspruchs bei Rückständen in Höhe von Beitragsanteilen für 2 Monate . Nach § 16 (3a) S. 2 SGB V ruht der Leistungsanspruch. Von diesem Ruhen ausgenommen sind aber Untersuchungen zur Früherkennung von Krankheiten, Leistungen zur Behandlungen akuter Erkrankungen und Schmerzzustände sowie bei Schwangerschaft und Mutterschaft. Insoweit entsprechen die Leistungen, die trotz Ruhen des Anspruches gewährt werden müssen, inhaltlich den Leistungen, die gem. § 4 Asylbewerberleistungsgesetz gewährt werden. Frage 1: Welche Kosten für die Behandlung von Personen mit Aufenthaltsgestattung, ausreisepflichtigen Asylbewerbern, Personen mit Duldung und Asylberechtigten hat die Landesregierung seit 2015 aufwenden müssen? (Bitte aufschlüsseln nach Status, kommunaler Gliederung, Anzahl, Jahr und Kosten). zu Frage 1: Kosten einer Gesundheitsbehandlung sind grundsätzlich Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Die Umsetzung des AsylbLG ist den Landkreisen und kreisfreien Städten des Landes Brandenburg im Rahmen einer Aufgabe zur Erfüllung nach Weisung übertragen. Bis zur Novellierung des Landesaufnahmegesetzes (LAufnG) zum 01. April 2016 haben Landkreise und kreisfreie Städte des Landes Brandenburg zum Ausgleich für die nach dem LAufnG übertragenen Aufgaben, unter anderen auch die Umsetzung des AsylbLG, eine pauschale Kostenerstattung erhalten. Die Kostenerstattung vor dem 01. April 2016 sieht daher keine eigene statistische Erfassung von Behandlungskosten vor. Von der Kostenerstattung erfasst sind ausschließlich Personen, die dem leistungsberechtigten Personenkreis nach dem AsylbLG zuzuordnen sind. Eine statistische Erfassung von Behandlungskosten nach Aufenthaltsstatus ist nicht vorgesehen. Landtag Brandenburg Drucksache 6/9933 - 3 - Die Ausgaben für Gesundheitsleistungen nach § 4 AsylbLG für das Jahr 2015 können der folgenden Tabelle des Amtes für Statistik Berlin-Brandenburg entnommen werden: Landkreis / kreisfreie Stadt Ausgaben in Euro Barnim 1.347.000 Stadt Brandenburg a. d. H. 432.000 Cottbus 706.000 Elbe-Elster 1.184.000 Frankfurt (Oder) 663.000 Havelland 1.184.000 Dahme-Spreewald 1.169.000 Oder-Spree 1.816.000 Märkisch-Oderland 1.477.000 Oberhavel 1.133.000 Ostprignitz-Ruppin 920.000 Oberspreewald-Lausitz 999.000 Potsdam 1.812.000 Potsdam-Mittelmark 2.219.000 Prignitz 678.000 Spree-Neiße 637.000 Teltow-Fläming 955.000 Uckermark 1.261.000 Gesamt 20.591.000 * Quelle: Amt für Statistik Berlin-Brandenburg, Statistischer Bericht zu den Leistungen an Asylbewerber im Land Brandenburg 2015 Die Erstattungsleistungen des Landes Brandenburg für Gesundheitskosten an die Landkreise und kreisfreien Städte für die Jahre 2016 und 2017 sind der folgenden Übersicht zu entnehmen: Landkreis / kreisfreie Stadt Erstattungsleistungen für Personen nach dem LAufnG in Euro 2016* 2017** Barnim 1.886.862,72 1.888.477,64 Stadt Brandenburg a. d. H. 479.219,87 724.579,74 Cottbus 1.030.475,04 2.022.652,26 Elbe-Elster 1.137.384,99 1.334.686,76 Frankfurt (Oder) 712.009,92 1.128.239,83 Havelland 1.665.368,74 1.843.963,72 Dahme-Spreewald 1.324.081,96 2.490.484,82 Oder-Spree 2.116.335,89 2.276.594,76 Märkisch-Oderland 1.451.809,06 1.490.258,47 Oberhavel 1.545.368,62 2.357.677,36 Ostprignitz-Ruppin 1.262.306,42 1.610.090,61 Oberspreewald-Lausitz 1.052.075,90 1.159.441,81 Landtag Brandenburg Drucksache 6/9933 - 4 - Potsdam 1.390.458,66 3.093.351,44 Potsdam-Mittelmark 1.473.761,65 2.022.257,24 Prignitz 1.437.800,10 1.058.461,93 Spree-Neiße 987.495,31 1.547.275,34 Teltow-Fläming 1.844.573,37 2.155.425,80 Uckermark 1.586.026,99 1.706.633,63 Gesamt 24.383.415,21 31.910.553,16 * Gesundheitskosten anteilig ab 01.04.2016 ** Vorläufige Erstattungsleistungen, da Nachprüfungen des Landesamtes für Soziales und Versorgung noch nicht abgeschlossen sind Frage 2: Mit welchen Kostensteigerungen für die Behandlung von Personen mit Aufenthaltsgestattung , ausreisepflichtigen Asylbewerbern, Personen mit Duldung und Asylberechtigten rechnet die Landesregierung in den nächsten Monaten und Jahren? zu Frage 2: Behandlungskosten für Personen aus dem Personenkreis des § 4 LAufnG sind dem Leistungskatalog des Asylbewerberleistungsgesetzes zuzuordnen. Hiernach sind gem. § 4 Abs. 1 AsylbLG zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände die erforderlichen ärztlichen und zahnärztlichen Behandlungen einschließlich der Versorgung mit Arznei- und Verbandsmitteln sowie sonstiger zur Genesung, zur Besserung oder zur Linderung von Krankheiten oder Krankheitsfolgen erforderlichen Leistungen zu gewähren. Eine statistische Erfassung von Behandlungskosten für Personen mit Aufenthaltsgestattung , ausreisepflichtigen Asylbewerbern, Personen mit Duldung und Asylberechtigten ist nach Aufenthaltsstatus im Einzelnen nicht vorgesehen. Darüber hinaus sind Behandlungskosten im Allgemeinen abhängig vom jeweiligen Krankheitsbild, Alter und Geschlecht. Es liegt in der Natur der Sache, dass sich zukünftige Krankheitsbilder unabhängig von allg. Kostensteigerungen im Gesundheitsbereich, nicht abschätzen lassen. Frage 3: Wie wird sich laut Prognose der Landesregierung nach dem zitierten Urteil der Zuzug von Flüchtlingen verändern? zu Frage 3: Die Landesregierung geht nicht davon aus, dass sich die zitierte Entscheidung des hessischen LSG auf die Zuwanderung nach Brandenburg auswirken wird. Frage 4: Wie viele Personen aus EU-Ländern, die sich aktuell in Brandenburg aufhalten, besitzen derzeit keinen Krankenversicherungsschutz (90-Tageregelung)? zu Frage 4: Zahlen zu sich im Land aufhaltenden, nichtversicherten EU-Ausländern ohne Krankenversicherungsschutz, liegen der Landesregierung nicht vor. Frage 5: Inwiefern unterstützt die Landesregierung die Behandlung deutscher Staatsangehöriger ohne gesetzliche oder private Krankenversicherung? zu Frage 5: Die Landesregierung hat in den entsprechenden Gesetzgebungsverfahren auf Bundesebene die schrittweise Einführung der allgemeinen Versicherungspflicht stets unterstützt . Eigene landesrechtliche Regelungskompetenzen bestehen in diesem Bereich nicht. Landtag Brandenburg Drucksache 6/9933 - 5 - Frage 6: Liegen der Landesregierung Zahlen vor, wie viele Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit in Brandenburg keine Krankenversicherung besitzen? (Bitte nach Landkreisen und kreisfreien Städten aufschlüsseln) zu Frage 6: Hierzu liegen der Landesregierung keine Erkenntnisse vor.