Landtag Brandenburg Drucksache 6/9992 6. Wahlperiode Eingegangen: 21.11.2018 / Ausgegeben: 26.11.2018 Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage Nr. 3978 der Abgeordneten Ursula Nonnemacher (Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Drucksache 6/9763 Polizeieinsatz in der Potsdamer Puschkinallee am 10. August 2018 Namens der Landesregierung beantwortet der Minister des Innern und für Kommunales die Kleine Anfrage wie folgt: Vorbemerkungen der Fragestellerin: Am 10. August 2018 wurde auf einem Grundstück der Potsdamer Puschkinallee ein Polterabend gefeiert, in dessen Verlauf es zu zwei Polizeieinsätzen der Polizeidirektion West kam. Die Einsätze wurden durch den Anruf eines Nachbarn ausgelöst, welcher sich über eine Ruhestörung beschwerte. Im Rahmen des Polizeieinsatzes kam es zu Fixierungen von Gästen sowie einem Einsatz von Pfefferspray. Die Aufarbeitung des Vorfalls verläuft bisher sehr schleppend. Fraglich ist, ob das Verhalten der Polizeibeamten verhältnismäßig war. 1. Wie ist der aktuelle Stand der Ermittlungsverfahren gegen die Polizeibeamten? 2. Weshalb musste laut Pressemitteilung der Polizeidirektion West vom 16. August 2018 gegen eine unbewaffnete weibliche Person Pfefferspray eingesetzt werden? 3. Weshalb wurden keine milderen Mittel gegenüber der weiblichen Person angewandt? zu den Fragen 1 bis 3: Die Ermittlungen in dem bei der Staatsanwaltschaft Potsdam anhängigen Ermittlungsverfahren gegen sechs Polizeibeamte wegen des Vorwurfs der Körperverletzung im Amt dauern an. Derzeit sind weitere Zeugenvernehmungen veranlasst. Eine Beantwortung der Fragen 2 und 3 kann erst nach Abschluss der Ermittlungen erfolgen . 4. Weshalb fand im Rahmen der polizeilichen Ermittlungen gegen die angezeigten Polizeibeamten bisher keine Befragung der Gäste des Polterabends statt? zu Frage 4: Die Vorgänge wurden zunächst ohne die Vornahme von Vernehmungen der Staatsanwaltschaft zur Entscheidung über das weitere Vorgehen zugeleitet. 5. Welche Kennzeichnung der beteiligten Polizeibeamten gab es (Namensschild o. ä.)? 6. Waren alle beteiligten Polizeibeamten während der zwei Einsätze in der Puschkinallee vorschriftsmäßig gekennzeichnet? Landtag Brandenburg Drucksache 6/9992 - 2 - zu den Fragen 5 bis 6: Uniformierte Polizeibeamte des Wach- und Wechseldienstes haben gemäß § 9 Abs. 2 BbgPolG i. V. m. Ziff. 4.1 S. 2 der Verwaltungsvorschrift über die Legitimations - und Kennzeichnungspflicht von Polizeivollzugsbediensteten (VV Kennzeichnungspflicht ) Namensschilder zu tragen. Der Polizei liegen keine Hinweise darauf vor, dass die beteiligten Polizeibeamten dieser Kennzeichnungspflicht nicht nachgekommen sind. 7. Über die Höhe des Schallpegels, der vom Polterabend ausging, gibt es stark divergierende Aussagen. Mehrere direkte Nachbarn des vom Polizeieinsatz betroffenen Grundstücks gaben an, dass zu keinem Zeitpunkt eine Ruhestörung von der Feier ausging. Weshalb wurde zur Objektivierung der angezeigten Ruhestörung auch beim zweiten Polizeieinsatz kein Schallpegel-Messgerät verwendet? zu Frage 7: Grundsätzlich sind gemäß § 10 Abs. 1 LImSchG in der Zeit „von 22 Uhr bis 6 Uhr Betätigungen verboten, welche die Nachtruhe zu stören geeignet sind“. Die Ruhestörung wurde im hier vorliegenden Fall durch den Betroffenen gegenüber der Polizei angezeigt und von den Beamten wahrgenommen. Insofern bedurfte es keiner Messung der Lautstärke mittels eines Schallpegel-Messgerätes, da es nicht auf die Höhe eines messbaren Geräuschpegels ankommt; so u. a. auch das KG Berlin in einer Entscheidung vom 30. März 2000 über unzulässigen Lärm gem. § 117 Abs.1 OWiG. 8. Weshalb wurde laut Pressemitteilung der Polizeidirektion West vom 16. August 2018 am 12. August 2018 eine Gefährderansprache gegenüber Herrn B. durchgeführt. 9. Besteht in der brandenburgischen Polizei eine abweichende Definition des Gefährderbegriffs von jener der AG Kripo (Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Landeskriminalämter und des Bundeskriminalamts), nach der ein Gefährder eine Person ist, „bei der bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie politisch motivierte Straftaten von erheblicher Bedeutung, insbesondere solche im Sinne des §100a der Strafprozessordnung (StPO), begehen wird“? 10. Falls keine abweichende Definition besteht, das Begehen welcher Straftat nach §100a StPO wurde durch Herrn B. befürchtet? zu den Fragen 8 bis 10: Verursacht eine Person eine Gefahr, sind die Maßnahmen gegen sie zu richten (§ 5 Abs. I BbgPolG, Verantwortlichkeit für das Verhalten von Personen). Im vorliegenden Fall wurde Hr. B. als Verantwortlicher festgestellt. Aus diesem Grund führten die Polizeibeamten ein Gespräch mit ihm und zeigten Konsequenzen auf, um ihn von einer erneuten, gefahrenverursachenden Handlung abzubringen. Dieses Ansprechen eines Verantwortlichen im Rahmen des Gefahrenabwehrrechts wird bundeseinheitlich, so auch in der Polizei Brandenburg, als Gefährderansprache bezeichnet. Die von der AG Kripo genannte spezielle Definition bezieht sich auf politisch motivierte Straftaten von erheblicher Bedeutung, insofern auf einen bestimmten Deliktsbereich.