— 1 — B R E M I S C H E B Ü R G E R S C H A F T Landtag 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 1016 Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE vom 20. Juni 2013 Wasser und sanitäre Grundversorgung sind ein Menschenrecht Die Vereinten Nationen haben im Jahr 2010 Wasser als Menschenrecht erklärt. Deutschland gehörte zu den entschiedensten Verfechtern des Rechts auf Wasser und hatte sich nach den Worten von Peter Wittig – Ständiger Vertreter der Bundesrepublik Deutschland bei den Vereinten Nationen – eine noch klarere Verantwortung in der Resolution gewünscht. In den letzten Monaten haben nahezu 1,5 Mio. Menschen in Europa die europäische Bürgerinitiative „right2water – Wasser ist ein Menschenrecht“ unterstützt. Zu den Zielen der europäischen Bürgerinitiative gehört auch die „Initiierung von Maßnahmen zur Unterstützung von Menschen, die ihre Wasserrechnung nicht (mehr) bezahlen können, mit dem Ziel, ein Abstellen der Wasserversorgung für diese Personen zu vermeiden“ (siehe http://www.right2water.eu/de/node/37/view). Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: 1. Wie viele Kunden bzw. Anschlussnehmerinnen/Anschlussnehmer der swb Vertrieb Bremen GmbH und swb Vertrieb Bremerhaven GmbH & Co. KG (im Folgenden jeweils kurz swb Vertrieb) wurden in den Jahren 2008 bis 2012 und im ersten Halbjahr 2013 von der Wasserversorgung abgesperrt aufgrund einer Zuwiderhandlung gemäß § 33 Abs. 2 AVBWasserV? Bitte aufgeschlüsselt nach Jahren sowie nach privaten und gewerblichen Kunden. 2. Gemäß § 33 Abs. 2 AVBWasserV ist das Wasserversorgungsunternehmen berechtigt , bei Nichterfüllung einer Zahlungsverpflichtung trotz Mahnung, die Versorgung zwei Wochen nach Androhung einzustellen. „Dies gilt nicht, wenn der Kunde darlegt, dass die Folgen der Einstellung außer Verhältnis zur Schwere der Zuwiderhandlung stehen und hinreichende Aussicht besteht, dass der Kunde seinen Verpflichtungen nachkommt.“, wie es wörtlich in § 33 Abs. 2 Satz 2 der AVBWasserV heißt. a) Wie häufig hat die Firma swb Vertrieb seit 2008 bis zum Ende des ersten Halbjahres 2013 aufgrund dieses Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes von einer Absperrung des Trinkwassers abgesehen? Bitte detailliert nach den jeweiligen Jahren beantworten. b) Bei welchen Fallkonstellationen wird aufgrund dieses Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes von einer Absperrung des Trinkwassers abgesehen? Bitte detailliert nach Fallgruppen beantworten. 3. Gemäß § 28 der AVBWasserV ist das Unternehmen swb Vertrieb berechtigt, für den Wasserverbrauch eines Abrechungszeitraumes Vorauszahlungen zu verlangen , wenn nach den Umständen des Einzelfalles zu besorgen ist, dass der Kunde seinen Zahlungsverpflichtungen nicht oder nicht rechtzeitig nachkommt. Wie häufig hat das Unternehmen swb Vertrieb seit 2008 bis zum Ende des ersten Halbjahres 2013 von dieser Regelung bei welchen Fallkonstellationen Gebrauch gemacht? 4. Welche Kosten bei Zahlungsverzug hat die Firma swb Vertrieb für ihre Kunden für Mahnungen, Sperrankündigungen, Absperrversuche mit/ohne Kassierung, — 2 — das Absperren und Öffnen einer Versorgung, die Einleitung eines Verwaltungszwangsverfahrens sowie die Einleitung eines Zwangsversteigerungsverfahrens festgesetzt? 5. Welche Einnahmen hat das Unternehmen swb Vertrieb seit 2008 bis zum Ende des ersten Halbjahres 2013 für Mahnungen, Sperrankündigung, Absperrversuch mit/ohne Kassierung, Absperren und Öffnen einer Versorgung, Einleitung eines Verwaltungszwangsverfahrens, Einleitung eines Zwangsversteigerungsverfahrens erzielt? Bitte detailliert für jedes Jahr ausweisen. 6. Welche rechtlichen und welche technischen Möglichkeiten gibt es, den Kunden der Firma swb Vertrieb einen Grundbedarf an Wasser zu garantieren, damit das Absperren von Trinkwasser verhindert werden kann? 7. Welche Position vertritt der Senat in Zusammenhang mit der Einstellung der Wasserlieferung durch das Unternehmen swb Vertrieb? Peter Erlanson, Kristina Vogt und Fraktion DIE LINKE D a z u Antwort des Senats vom 13. August 2013 1. Wie viele Kunden bzw. Anschlussnehmerinnen/Anschlussnehmer der swb Vertrieb Bremen GmbH und swb Vertrieb Bremerhaven GmbH & Co. KG (im Folgenden jeweils kurz swb Vertrieb) wurden in den Jahren 2008 bis 2012 und im ersten Halbjahr 2013 von der Wasserversorgung abgesperrt aufgrund einer Zuwiderhandlung gemäß § 33 Abs. 2 AVBWasserV (Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser)? Bitte aufgeschlüsselt nach Jahren sowie nach privaten und gewerblichen Kunden. Die Anzahl ist in nachstehender Übersicht aufgelistet. Eine Auswertung nach Kunden oder Anschlussnehmerinnen/Anschlussnehmer ist laut swb Vertrieb GmbH nicht verfügbar. Es sind durchgeführte Sperrungen aufgeführt. Anzahl durchgeführter Sperrungen Wasser Jahr Bremen Bremerhaven Gesamt 2008 313 81 394 2009 729 197 926 2010 607 112 719 2011 494 107 601 2012 561 128 689 Bis 30. Juni 2013 352 69 421 Hinweise der swb Vertrieb GmbH zur Tabelle: Bei Mehrfamilienhäusern ist swb die Kundenanzahl oder Anschlussanzahl nicht bekannt. Es kommt vor, dass sich einzelne Nutzer nach erfolgter Sperrung widerrechtlich selbst anschließen. In solchen Fällen wird im Rahmen einer Überprüfung der Anschluss erneut gesperrt und auch als erneute Sperrung gezählt. Die Durchführung von Wassersperren wird durch die swb Vertrieb GmbH mit wirtschaftlichen Zwängen und einer entsprechenden Vertragslage begründet. 2. Gemäß § 33 Abs. 2 AVBWasserV ist das Wasserversorgungsunternehmen berechtigt , bei Nichterfüllung einer Zahlungsverpflichtung trotz Mahnung, die Versorgung zwei Wochen nach Androhung einzustellen. „Dies gilt nicht, wenn der Kunde darlegt, dass die Folgen der Einstellung außer Verhältnis zur Schwere der Zuwiderhandlung stehen und hinreichende Aussicht besteht, dass der Kunde seinen Verpflichtungen nachkommt.“, wie es wörtlich in § 33 Abs. 2 Satz 2 der AVBWasserV heißt. — 3 — a) Wie häufig hat die Firma swb Vertrieb seit 2008 bis zum Ende des ersten Halbjahres 2013 aufgrund dieses Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes von einer Absperrung des Trinkwassers abgesehen? Bitte detailliert nach den jeweiligen Jahren beantworten. b) Bei welchen Fallkonstellationen wird aufgrund dieses Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes von einer Absperrung des Trinkwassers abgesehen? Bitte detailliert nach Fallgruppen beantworten. Nach Auskunft der swb Vertrieb GmbH wurde in keinem Fall von einer Sperre der Wasserzufuhr abgesehen. Die swb Vertrieb GmbH begründet dies wie folgt: Zum einen liegen keine Einreden dieser Art vor, zum anderen ist für einen Kunden die Darlegung äußerst schwierig. Denn im Regelfall wird, wenn die Kosten für Wasser nicht beglichen werden, auch die Kosten für Strom, Gas und/oder Fernwärme nicht gezahlt. Hierbei hat swb prozessual – und zugunsten des Kunden – festgelegt, dass zuerst alle anderen Sparten und erst zuletzt Wasser gesperrt wird. Das hat zur Folge, dass eine Sperrung des Wassers dann immer verhältnismäßig ist. Die swb Vertrieb GmbH sieht sich durch diverse Bremer Gerichtsurteile in dieser Ansicht bestätigt. 3. Gemäß § 28 der AVBWasserV ist das Unternehmen swb Vertrieb berechtigt, für den Wasserverbrauch eines Abrechungszeitraumes Vorauszahlungen zu verlangen , wenn nach den Umständen des Einzelfalles zu besorgen ist, dass der Kunde seinen Zahlungsverpflichtungen nicht oder nicht rechtzeitig nachkommt. Wie häufig hat das Unternehmen swb Vertrieb seit 2008 bis zum Ende des ersten Halbjahres 2013 von dieser Regelung bei welchen Fallkonstellationen Gebrauch gemacht? Die swb Vertrieb GmbH kann dazu keine Daten liefern, da dort keine Informationen dazu vorliegen. Die swb Vertrieb GmbH verweist auf folgendes Datenmodell : Kunden können auch Gas/Fernwärme und Strom haben. Hierbei ist eine eindeutige Zuordnung auf den Sachverhalt Wasser nicht zu treffen. 4. Welche Kosten bei Zahlungsverzug hat die Firma swb Vertrieb für ihre Kunden für Mahnungen, Sperrankündigungen, Absperrversuche mit/ohne Kassierung, das Absperren und Öffnen einer Versorgung, die Einleitung eines Verwaltungszwangsverfahrens sowie die Einleitung eines Zwangsversteigerungsverfahrens festgesetzt? Die swb Vertrieb GmbH kann dazu keine Angaben machen, teilte aber mit, dass von dort zwar ermittelt werden könne, wie hoch die Kosten für eine Mahnung, Sperrung oder Entsperrung seien, dass es aber wie bereits unter 2. und 3. erwähnt , dazu keine Spartenzuordnung gebe. Die swb Vertrieb GmbH führt folgendes Beispiel an: Ein Kunde schuldet für die Sparten Strom, Gas und Wasser insgesamt 2 800 ‡. Dies wird dem Kunden zusammen mit den Mahnkosten in Höhe von 4,50 ‡ mitgeteilt. Die swb Vertrieb GmbH teilt mit, dass folgende Kosten anfallen: Schriftliche Mahnung bei fälligen Abschlags- oder Rechnungsbeträgen : 4,50 ‡, Wegekosten im Rahmen eines Kassierweges oder Sperrversuches : 40,56 ‡, Im Falle der Unterbrechung sowie der Wiederherstellung der Versorgung: 85,76 ‡. 5. Welche Einnahmen hat das Unternehmen swb Vertrieb seit 2008 bis zum Ende des ersten Halbjahres 2013 für Mahnungen, Sperrankündigung, Absperrversuch mit/ohne Kassierung, Absperren und Öffnen einer Versorgung, Einleitung eines Verwaltungszwangsverfahrens, Einleitung eines Zwangsversteigerungsverfahrens erzielt? Bitte detailliert für jedes Jahr ausweisen. Dies wird von der swb Vertrieb GmbH nicht betragsmäßig beziffert, sondern auf die Stellungnahmen zu Frage 1 und 4 wird verwiesen. — 4 — 6. Welche rechtlichen und welche technischen Möglichkeiten gibt es, den Kunden der Firma swb Vertrieb einen Grundbedarf an Wasser zu garantieren, damit das Absperren von Trinkwasser verhindert werden kann? Es gibt derzeit keine rechtlichen Möglichkeiten, das Absperren von Trinkwasser zu verhindern, denn im Binnenverhältnis Versorger und Kunde ist die Möglichkeit der Durchführung einer Versorgungssperre nach den Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches und der Wasser-Versorgungsbedingungen-Verordnung gegeben. In den Leistungsgesetzen Zweites und Zwölftes Sozialgesetzbuch (SGB II und XII) gibt es aber Normen, die die Übernahme von Rückständen (Miete, Strom, Wasser) vorsehen. Bei einer (drohenden) Sperrung der Wasserzufuhr ist grundsätzlich von einer faktischen Unbewohnbarkeit einer Wohnung auszugehen und damit von einer Notlage, die der bei (drohender) Wohnungslosigkeit entspricht. Rückständige Wasserkosten sollen daher in der Regel (als Darlehen) übernommen werden (§ 22 Abs. 8 SGB II bzw. § 36 SGB XII) In Bremen und Bremerhaven bestehen seit einigen Jahren Kooperationen zwischen der swb Vertrieb GmbH und den Leistungsträgern. Ziel ist es, die Zusammenarbeit bei Versorgungssperren zu optimieren und Reibungs- und Zeitverluste zu vermeiden. Es soll bei leistungsberechtigten Personen eine Versorgungssperre nach Möglichkeit vermieden werden und die Versorgung bei bereits erfolgter Sperrung schnellstmöglich wieder sichergestellt werden. Die swb Vertrieb GmbH lässt ein hohes Maß an Fürsorge walten, bevor die Versorgung unterbrochen wird und teilt dazu Folgendes mit: Kommt ein Kunde, aus welchen persönlichen Gründen auch immer, in Zahlungsverzug , bemüht sich die swb Vertrieb GmbH, mit ihm eine Zahlungsvereinbarung zu treffen. Um nicht erst große Summen auflaufen zu lassen, werden die Kunden bereits bei relativ niedrigen Rückständen an ihre Zahlungsverpflichtung erinnert. Diese Erinnerung ist stets mit einem Gesprächsangebot der swb Vetrieb GmbH verbunden. Die swb Vertrieb GmbH empfiehlt allen Kunden , die ihre Energie- und Wasserrechnung kurzfristig nicht zahlen können, stets gemeinsam nach individuellen Lösungen zu suchen. Für Kunden der swb Vertrieb GmbH ist auch die Beratung in den Kundencentern kostenlos. Dort werden Energieberater mit dem Kunden den Energie- und Wasserverbrauch systematisch analysieren und gemeinsam mit dem Kunden nach Einsparpotenzialen suchen. Mit einem reduzierten Verbrauch lassen sich die Kosten dauerhaft senken. In Bremen und Bremerhaven können Kunden, die Transferleistungen oder auch Wohngeld beziehen, den sogenannten Stromspar-Check in Anspruch nehmen, der auch Wassersparberatung umfasst. In Bremen kommen geschulte Sparhelfer der WaBeQ ins Haus, in Bremerhaven vom Förderwerk Bremerhaven und überprüfen den Energie- und Wasserverbrauch . Sie geben Tipps, wie man im Haushalt Strom und Wasser sparen kann und installieren kostenlose Soforthilfen wie Energiesparlampen, schaltbare Steckdosenleisten etc. Teilnehmer der Aktion Stromspar-Check PLUS erhalten beispielsweise Strahlregler und Wassersparduschköpfe nach Bedarf kostenlos. Die swb Vertrieb GmbH unterstützt dieses Projekt bereits seit mehreren Jahren finanziell . Informationen gibt es auf der Internetseite www.stromspar-check.de. 7. Welche Position vertritt der Senat in Zusammenhang mit der Einstellung der Wasserlieferung durch das Unternehmen swb Vertrieb? Der Senat unterstützt die dargestellten Bemühungen der beteiligten Stellen und verfolgt weiterhin das Ziel, Einstellungen der Wasserlieferung zu vermeiden. Druck: Anker-Druck Bremen