— 1 — B R E M I S C H E B Ü R G E R S C H A F T Landtag 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 1055 (zu Drs. 18/966) 17. 09. 13 Mitteilung des Senats vom 17. September 2013 Situation von Contergan-Opfern im Land Bremen Die Fraktion der CDU hat unter Drucksache 18/966 eine Große Anfrage zu obigem Thema an den Senat gerichtet. Der Senat beantwortet die vorgenannte Große Anfrage wie folgt: Für die Kinder, die ursächlich durch Einnahme des Medikamentes Contergan während der Schwangerschaft mit schweren körperlichen Schäden zur Welt gekommen sind, sind besondere finanzielle Formen eines Nachteilsausgleichs geschaffen worden . Die finanziellen Leistungen wurden so ausgestaltet, dass die aus dem Gesundheitsschaden entstandenen Folgekosten außerhalb des Sozialleistungsrechts zu tragen sind. Die Conterganstiftung wurde errichtet. Die deutliche Erhöhung der Leistungen zum 1. Januar 2013 wurde einstimmig vom Bundestag beschlossen. Das Institut für Gerontologie der Universität Heidelberg hat eine Befragung von Betroffenen durchgeführt und das Ergebnis der Studie Ende 2012 vorgelegt. Diese Untersuchung empfiehlt, dass aufgrund der Folge- und Spätschäden spezifische Hilfen für Menschen mit Conterganschädigung entwickelt werden. Dazu zählt die Erhöhung der Conterganrente, die im Jahr 2013 umgesetzt wurde. Weitere Empfehlungen beziehen sich auf bestimmte Lebensbereiche, wie zum Beispiel Assistenz, Mobilität , Rehabilitation, Hilfsmittel, Heilmittel oder Pflege. Die Politik für Menschen mit Behinderungen unterscheidet gleichwohl nicht zwischen den jeweiligen Ursachen einer körperlichen, kognitiven oder seelischen Beeinträchtigung . Für alle Menschen mit Behinderungen gilt das Individualisierungsprinzip , das heißt ihre Wünsche, ihre Ressourcen und ihre Ansprüche auf Teilhabe am Leben in der Gesellschaft gilt es bei den jeweiligen Hilfebedarfen zu berücksichtigen . Die entwickelten Unterstützungsangebote müssen daher dementsprechend auf jede Form von Beeinträchtigung individuell eingehen können. 1. Wie viele contergangeschädigte Menschen leben derzeit im Land Bremen (bitte aufgeschlüsselt nach Stadtgemeinden)? Im Land Bremen leben laut Auskunft der Conterganstiftung derzeit 19 Personen , die eine Rente aus der Conterganstiftung beziehen. Eine Aufschlüsselung nach Stadtgemeinden ist nicht möglich, da keine weitere statistische Erfassung stattfindet. Durch die geringe Zahl der Menschen mit einer Conterganschädigung im Land Bremen kann der persönliche Datenschutz gefährdet sein, wenn es darum geht, möglichst umfangreiche und detaillierte Antworten zu den Einzelfragen zu erhalten. 2. Welche ausdrücklichen Beratungsangebote und welche spezialisierten und den Betroffenen bekannten Angebote medizinischer Versorgung (Ärzte, Kliniken, Therapeuten usw.) gibt es derzeit für contergangeschädigte Menschen im Land Bremen (bitte aufgeschlüsselt nach Stadtgemeinden)? Im Land Bremen bestehen nach aktuellem Sachstand keine gesonderten Beratungsangebote oder Angebote für die medizinische Versorgung für die Menschen mit Conterganschädigungen. 3. Wie viele Pflegedienste im Land Bremen sind derzeit auf die Pflege von contergangeschädigten Menschen eingestellt, und wie werden die Mitarbeiter während — 2 — der Ausbildung bzw. im Zuge von Fort- und Weiterbildungen dazu entsprechend geschult (bitte aufgeschlüsselt nach Stadtgemeinden)? Auf gesonderte Anfrage hat kein Pflegedienst im Land Bremen angegeben, auf Menschen mit Conterganschädigung spezialisiert zu sein. Die Schädigung durch Contergan zeigt sich in körperlichen Einschränkungen. Alle Pflegedienste sind grundsätzlich darauf ausgerichtet, Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen zu pflegen. Auch bei Aus- und Fortbildungen für die Pflege wird nicht unterschieden, durch welche Ursache eine Beeinträchtigung entstanden ist. Für die Pflegedienste sind die individuellen pflegerischen Bedarfe, das Wohnumfeld, die Lebenssituation und die jeweiligen Ressourcen relevant, ganz besonders auch die der contergangeschädigten Menschen. 4. Wie viele Menschen mit Conterganschädigung nehmen im Land Bremen eine persönliche Assistenz in Anspruch, welche Probleme gibt es bei der Beantragung, und wie werden die Assistenzen auf den Umgang mit Menschen mit Conterganschädigung vorbereitet (bitte aufgeschlüsselt nach Stadtgemeinden)? Persönliche Assistenzleistungen werden durch die Träger der individuellen Schwerstbehindertenbetreuung in der Stadtgemeinde Bremen erbracht, die pflegerische Leistungen und Leistungen der sozialen Teilhabe „aus einer Hand“ erbringen. Diese Träger haben mitgeteilt, dass Menschen mit Conterganschädigung von ihnen derzeit nicht unterstützt werden. 5. Leben im Land Bremen contergangeschädigte Menschen in Einrichtungen der Behinderten- oder Altenhilfe, und wenn ja, in welchen, und wie viele der Betroffenen nehmen diese Möglichkeiten in Anspruch, und warum? Ob Menschen mit Conterganschädigung in einer Einrichtung leben, entscheiden die Personen selbst. Eine Erfassungsstatistik für Menschen mit Conterganschädigung in Einrichtungen und Veröffentlichungspflicht besteht nicht. Ob im Land Bremen Menschen mit Conterganschädigung in Einrichtungen der Behinderten - oder Altenhilfe leben, ist daher nicht bekannt. Es werden keine gesonderten Einrichtungen für Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen in der Behinderten- oder Altenhilfe geführt. 6. Wie viele contergangeschädigte Menschen sind im Land Bremen erwerbstätig, und welche Probleme entstehen für sie nach Kenntnis des Senats an den Arbeitsplätzen bzw. welche Unterstützung benötigen und bekommen sie? Eine nach Beeinträchtigungen gestaffelte Statistik wird nicht geführt. Menschen mit Conterganschädigung, die diese Schädigung als Schwerbehinderung haben anerkennen lassen, können alle Unterstützungsangebote des Integrationsamts und der übrigen Rehabilitationsträger (wie Rentenversicherung, Bundesagentur für Arbeit) in Anspruch nehmen. 7. Wie schätzt der Senat die derzeitige Lebenssituation von Menschen mit Conterganschädigung , besonders auch mit Blick auf den steigenden Bedarf von Assistenz , Pflege und barrierefreiem Wohnraum im Land Bremen ein? Der Bedarf an Assistenz, Pflege und barrierefreiem Wohnraum in Bremen wächst. Insbesondere die steigende Zahl älterer Menschen, die pflegebedürftig werden, aber auch die steigende Lebenserwartung von Menschen mit Behinderungen führen zu einem steigenden Bedarf. Menschen mit Conterganschädigung werden aufgrund ihres zunehmenden Alters und damit einhergehendem Unterstützungsbedarf ebenfalls die Angebote an Assistenz, Pflege und barrierefreiem Wohnraum in Anspruch nehmen können. 8. Hat sich der Bremer Senat seit 2008 auf Bundesebene oder im Land Bremen aktiv für die Rechte der Betroffenen eingesetzt, und wenn ja, wann und für welche Anliegen? Im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention und einer inklusiven Gesellschaft sieht sich der Senat für alle Menschen im Land Bremen verantwortlich. Seit 2008 hat der Senat die Gesetzentwürfe, die zu einer Verbesserung der Situation von — 3 — Menschen mit Conterganschädigung führen sollen, im Bundesrat unterstützt. Dazu zählen der Entwurf des zweiten Gesetzes zu Änderungen des Conterganstiftungsgesetzes im Jahre 2009 und die Änderung des Conterganstiftungsgesetzes in 2013, die zu einer deutlichen Verbesserung der finanziellen Leistungen der Menschen mit Conterganschädigung führt. Dadurch können die Betroffenen sich individueller die von ihnen benötigte Unterstützung organisieren. 9. Gibt es im Land Bremen Initiativen oder Gruppen, die sich speziell mit diesem Thema auseinandersetzen, und welche Unterstützung erhalten sie vom Bremer Senat? Die Menschen mit Conterganschädigung sind regional vernetzt und verfügen durch die Conterganstiftung über breite Unterstützungsmöglichkeiten. Es gibt regional den Verein Hilfswerk für Contergangeschädigte e. V. Bremen-Unterweser mit Sitz in Niedersachsen und die Interessengemeinschaft Contergangeschädigter Niedersachsen e. V. Im Land Bremen bestehen keine gesonderten Initiativen und Gruppen, die sich speziell mit dem Thema auseinandersetzen. Es erfolgt daher auch keine gesonderte finanzielle Unterstützung. 10. Wie beurteilt der Senat den Beschluss des Bundestags, die Conterganrenten zum 1. Januar 2013 deutlich anzuheben? Das Bundesland Bremen hat der Änderung zum Conterganstiftungsgesetz im Bundesrat zugestimmt. Die deutlich erhöhten Leistungen für die Menschen mit Conterganschädigung stellen eine wesentliche finanzielle Verbesserung dar, die von den Menschen selbst nach ihren individuellen Unterstützungsbedarfen eingesetzt werden kann, ohne dass sie auf bedürftigkeitsabhängige Sozialleistungen angewiesen sind. Druck: Anker-Druck Bremen