— 1 — B R E M I S C H E B Ü R G E R S C H A F T Landtag 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 1081 Kleine Anfrage der Fraktion der CDU vom 27. August 2013 Vollstreckung von Haftbefehlen und Durchsuchungsbeschlüssen im Land Bremen Ein Durchsuchungsbeschluss ist hauptsächlich ein Instrument der Strafverfolgung, kann allerdings auch der Strafvollstreckung und der Prävention dienen. Die Durchsuchung dient der Ergreifung eines Verdächtigen, dem Auffinden von Beweismitteln oder zum Zweck der Beschlagnahme von Verfalls- und Einziehungsgegenständen. Neben Personen können Wohnungen, Geschäftsräume oder das befriedete Besitztum durchsucht werden. Aufgrund des grundgesetzlichen Schutzes der Wohnung sind für eine Durchsuchung diese besonderen Voraussetzungen zu beachten. Durchsuchungen dürfen grundsätzlich nur vom Richter, bei Gefahr im Verzug auch durch die Staatsanwaltschaft und ihre Ermittlungspersonen angeordnet werden. Einen Haftbefehl darf nur ein Richter erlassen. Wir fragen den Senat: 1. Wie viele Haftbefehle und Durchsuchungsbeschlüsse wurden in Bremen und Bremerhaven jeweils in den Jahren 2010 bis heute erlassen bzw. angeordnet und vollstreckt? 2. Aus welchen Gründen wurden die Durchsuchungsbeschlüsse beantragt (Ergreifungsdurchsuchung , Ermittlungsdurchsuchung oder Beschlagnahme von Verfalls - und Einziehungsgegenständen)? 3. Wie lange dauerte durchschnittlich die Vollstreckung eines Haftbefehls und eines Durchsuchungsbeschlusses in Bremen und Bremerhaven jeweils in den Jahren 2010 bis heute? 4. Wie viele Durchsuchungsbeschlüsse wurden in Bremen und Bremerhaven jeweils in den Jahren 2010 bis heute wegen Zeitablauf (nach sechs Monaten) nicht vollstreckt ? 5. Welche Gründe können für eine verzögerte Vollstreckung eines Haftbefehls oder Durchsuchungsbeschlusses sprechen? 6. Welche Erkenntnisse liegen dem Senat vor, dass in Einzelfällen die Vollstreckung eines Haftbefehls oder Durchsuchungsbeschlusses länger als vier Wochen gedauert hat? Welche speziellen Gründe lagen in diesen Fällen vor? 7. Wie bewertet der Senat die Praxis in Nordrhein-Westfalen, wo Haftbefehle und Durchsuchungsbeschlüsse wochenlang liegengelassen wurden, um sie erst bei einem Aktionstag am 28. Februar 2013 zu vollstrecken? Sind dem Senat ähnliche Fälle in Bremen und Bremerhaven bekannt? Wilhelm Hinners, Silvia Neumeyer, Thomas Röwekamp und Fraktion der CDU D a z u Antwort des Senats vom 1. Oktober 2013 1. Wie viele Haftbefehle und Durchsuchungsbeschlüsse wurden in Bremen und Bremerhaven jeweils in den Jahren 2010 bis heute erlassen bzw. angeordnet und vollstreckt? — 2 — Eine Statistik, die Auskunft darüber gibt, wie viele Haftbefehle in den Jahren 2010 bis heute beantragt, erlassen und vollstreckt wurden, wird weder von den Polizeibehörden Bremen und Bremerhaven noch von der Staatsanwaltschaft oder den Gerichten geführt. Durch eine Recherche im polizeilichen Informationssystem Anzeige (ISA-Web) lässt sich die Zahl der in den Jahren 2010 bis 2013 abschließend von der Polizei Bremen (Tabelle 1) und der Ortspolizeibehörde Bremerhaven (Tabelle 2) bearbeiteten Haftbefehle feststellen. Da es sich hierbei nicht um eine amtliche Statistik , sondern um eine offene Datenrecherche handelt, ist darauf hinzuweisen, dass Erfassungsfehler und Doppelerfassungen vorliegen können, sodass eine gewisse Ungenauigkeit nicht auszuschließen ist. Die nachfolgenden Tabellen sind daher lediglich als Richtwert zu interpretieren. Tabelle 1 (Bremen) Haftbefehle 2010 2011 2012 2013*) Aufenthaltsermittlung, Entweichen, Aufgreifen 3 4 — — Erzwingungshaft 1 176 1 100 1 218 1 260 Festnahmeersuchen Ausländerbehörde 26 7 3 1 Festnahmeersuchen auswärtiger Polizeibehörden 48 54 66 52 Festnahmeersuchen der Kriminalpolizei Bremen 4 — — 2 Festnahmeersuchen der Ortspolizeibehörde Bremerhaven — — — 1 Festnahmeersuchen sonstige 10 13 8 7 Jugendarrest 26 18 24 18 Sicherungshaft 33 27 26 12 Untersuchungshaft 185 156 156 129 Vollstreckungshaft 2 193 1 908 1 972 1 285 Vorführung 175 183 174 135 Summe 3 879 3 470 3 647 2 902 *) 2013: Bis 16. September 2013. Tabelle 2 (Bremerhaven) Haftbefehle 2010 2011 2012 2013*) Aufenthaltsermittlung, Entweichen, Aufgreifen 1 — — — Erzwingungshaft 493 816 551 895 Festnahmeersuchen Ausländerbehörde — — — 1 Festnahmeersuchen auswärtiger Polizeibehörden 13 13 21 21 Festnahmeersuchen sonstige 11 17 13 4 Jugendarrest 6 9 8 9 Sicherungshaft 2 3 3 - Untersuchungshaft 61 66 54 24 Vollstreckungshaft 528 523 543 372 Vorführung 88 69 101 75 Summe 1 203 1 516 1 294 1 401 *) 2013: Bis 7. September 2013. — 3 — Die Anzahl der erlassenen, angeordneten und vollstreckten Durchsuchungsbeschlüsse wird nicht statistisch erfasst. Die erforderlichen Daten sind auch nicht, wie es bei den Haftbefehlen der Fall ist, zentral im polizeilichen Informationssystem Anzeige (ISA-Web) vorhanden und folglich nicht recherchierbar. Eine Einzelauswertung sämtlicher seit 2010 entstandenen Vorgänge ist nicht zu leisten . 2. Aus welchen Gründen wurden die Durchsuchungsbeschlüsse beantragt (Ergreifungsdurchsuchung , Ermittlungsdurchsuchung oder Beschlagnahme von Verfalls - und Einziehungsgegenständen)? Da die Zahl der Durchsuchungsbeschlüsse nicht statistisch erfasst wird, lässt sich auch keine valide Differenzierung nach den Rechtsgrundlagen vornehmen. Nach Einschätzung der Praxis dient die weit überwiegende Anzahl der Durchsuchungen dem Auffinden von Beweismitteln und Einziehungsgegenständen. 3. Wie lange dauerte durchschnittlich die Vollstreckung eines Haftbefehls und eines Durchsuchungsbeschlusses in Bremen und Bremerhaven jeweils in den Jahren 2010 bis heute? Die Dauer der Vollstreckung von Haftbefehlen und Durchsuchungsbeschlüssen wird ebenfalls nicht statistisch erfasst. Für eine valide Darstellung müssten alle Fälle einzeln ausgewertet werden, was wegen der großen Datenmenge mit einem vertretbaren Aufwand nicht zu leisten ist. 4. Wie viele Durchsuchungsbeschlüsse wurden in Bremen und Bremerhaven jeweils in den Jahren 2010 bis heute wegen Zeitablauf (nach sechs Monaten) nicht vollstreckt ? In einzelnen Fällen konnten Durchsuchungsbeschlüsse wegen Zeitablaufs nicht vollstreckt werden. Eine exakte Zahl lässt sich mangels statistischer Erfassung nicht angeben. Erscheint eine Durchsuchung nach Zeitablauf noch erforderlich, so wird ein neuer, der aktuellen Situation angepasster Durchsuchungsbeschluss beantragt. 5. Welche Gründe können für eine verzögerte Vollstreckung eines Haftbefehls oder Durchsuchungsbeschlusses sprechen? Grund für die verzögerte Vollstreckung eines Haftbefehls kann der ungeklärte Aufenthalt eines Beschuldigten sein, etwa wenn dieser keinen festen Wohnsitz hat, unbekannt verzogen ist oder sich verborgen hält. In diesen Fällen werden weitere intensive Ermittlungen durchgeführt. Darüber hinaus kann es auch sein, dass sich die per Haftbefehl gesuchte Person im Ausland befindet. Dann wird geprüft, ob beispielsweise ein europäischer Haftbefehl erlassen werden kann. In manchen Fällen ist es erforderlich, einfache Fahndungsvorgänge wegen einer vordringlichen Fahndung nach einem aktuell begangenen Kapitaldelikt zurückzustellen . Für die verzögerte Vollstreckung eines Durchsuchungsbeschlusses kann die notwendige Abstimmung mit auswärtigen Dienststellen ein Grund sein, wenn etwa parallel mehrere Objekte durchsucht werden sollen, die sich in verschiedenen Zuständigkeitsbereichen befinden. Auch kann die Hinzuziehung besonderer Kräfte Zeit in Anspruch nehmen, wenn etwa der Beschuldigte als gewaltbereit bekannt oder gar das Vorhandensein und der Gebrauch von Waffen zu besorgen ist. Auch wird gelegentlich im Zuge der Vorbereitung der Durchsuchung bekannt, dass der Beschuldigte zwischenzeitlich verzogen ist oder weitere Räumlichkeiten nutzt und zunächst festgestellt werden muss, wo eine Durchsuchung Erfolg verspricht. Ferner kann es im Einzelfall ermittlungstaktische Gründe haben , einen Durchsuchungsbeschluss nicht sogleich zu vollstrecken, da zunächst noch andere Ermittlungserkenntnisse abgewartet werden sollen. 6. Welche Erkenntnisse liegen dem Senat vor, dass in Einzelfällen die Vollstreckung eines Haftbefehls oder Durchsuchungsbeschlusses länger als vier Wochen gedauert hat? Welche speziellen Gründe lagen in diesen Fällen vor? Eine statistische Erhebung zur Anzahl derjenigen Verfahren, in denen die Vollstreckung eines Haftbefehls oder Durchsuchungsbeschlusses länger als vier Wochen gedauert hat, ist nicht vorhanden. Mit Rücksicht darauf, dass die Untersu- — 4 — chungshaft der Verfahrenssicherung dient und Beweismittel im Rahmen von Durchsuchungen regelmäßig nur bei zeitnaher Vollstreckung aufgefunden werden können, wirken die Strafverfolgungsbehörden auf eine zügige Vollstreckung hin. Soweit die Vollstreckung eines Haftbefehls im Einzelfall länger als vier Wochen in Anspruch nimmt, ist dies meist darauf zurückzuführen, dass der Gesuchte sich verborgen hält, sich im Ausland befindet oder ein anderer der in der Antwort zu Frage 5 genannten Gründe vorliegt. 7. Wie bewertet der Senat die Praxis in Nordrhein-Westfalen, wo Haftbefehle und Durchsuchungsbeschlüsse wochenlang liegengelassen wurden, um sie erst bei einem Aktionstag am 28. Februar 2013 zu vollstrecken? Sind dem Senat ähnliche Fälle in Bremen und Bremerhaven bekannt? Der Senat hat die Praxis anderer Bundesländer nicht zu bewerten. „Aktionstage “ oder ähnliche Maßnahmen in Bremen und Bremerhaven sind dem Senat nicht bekannt. Druck: Anker-Druck Bremen