— 1 — B R E M I S C H E B Ü R G E R S C H A F T Landtag 18. Wahlperiode Drucksache 18 / 1088 (zu Drs. 18/952) 15. 10. 13 Mitteilung des Senats vom 15. Oktober 2013 Durchsetzung eines Mindestlohnes im Land Bremen Die Fraktion DIE LINKE hat unter Drucksache 18/952 eine Große Anfrage zu obigem Thema an den Senat gerichtet. Der Senat beantwortet die vorgenannte Große Anfrage wie folgt: Vorbemerkung Die Gesetzgebungskompetenz für das Arbeitsrecht liegt beim Bund. Eine arbeitsrechtliche Regelung zur Durchsetzung eines Mindestlohnes war dem Land Bremen daher nicht möglich. Bremen hat mit dem Tariftreue- und Vergabegesetz und dem Mindestlohngesetz gleichwohl den gesamten zur Verfügung stehenden Handlungsspielraum ausgeschöpft um faire existenzsichernde Löhne zu erreichen. Da es dem Land aus Kompetenzgründen versagt war, eine Mindestlohnregelung zu schaffen, die sich unmittelbar auf die Arbeitsverhältnisse auswirkt, kann im Rahmen von bestandskräftigen Verträgen die Verpflichtung zur Zahlung des Mindestlohnes nur im Rahmen von Vertragsanpassungen erreicht werden. Der Senat hat sich daher vorgenommen , alle laufenden Verträge zu überprüfen und nachzuverhandeln. Die Veränderungen können stets nur im Einvernehmen mit dem jeweiligen Vertragspartner erreicht werden, eine rechtliche Möglichkeit die Veränderung zu erzwingen, besteht indes nicht. Da die Verhandlungen für eine Vielzahl von Verträgen jeweils im Einzelfall geführt werden müssen, bedarf dies einiger Zeit. Die einzelnen Senatsressorts streben aber eine schnellstmögliche Umsetzung an. Bremen hat als erstes Bundesland ein Landesgesetz zur Durchsetzung eines Mindestlohnes eingeführt, der Senat hat im Bundesrat immer wieder auf eine bundesgesetzliche Regelung hingewirkt. Kaum ein anderes Bundesland hat in diesem Bereich bisher vergleichbare Anstrengungen vorzuweisen. Soweit dennoch Bereiche auch im Einflussbereich der öffentlichen Hand verbleiben, wo ein Mindestlohn bisher nicht oder nicht umfassend durchsetzbar war, liegt dies nicht an Lücken in der bremischen Gesetzgebung, sondern in der begrenzten Kompetenz des Landesgesetzgebers in diesem Feld. Der Senat strebt über den Bundesrat weiterhin einen bundeseinheitlichen gesetzlichen Mindestlohn an und wirkt auf Landesebene auf Leistungsempfänger und Vertragspartner nachdrücklich ein, Verpflichtungen für den Mindestlohn einzugehen. I. Laufende Verträge 1. Wie viele öffentliche Aufträge mit welchem finanziellen Umfang bestehen derzeit, bei denen die Auftragnehmer keine aktuell gültige Mindestlohnverpflichtung unterzeichnet haben, weil die Verträge vor dem 1. September 2012 abgeschlossen wurden? Bitte aufschlüsseln nach den auftraggebenden Ressorts. Für die Verankerung von Mindestlohnanforderungen bei der Vergabe öffentlicher Aufträge ist das Inkrafttreten des Landesmindestlohngesetzes am 1. September 2012 nicht maßgeblich. Abzustellen ist einzig auf das Bremische Tariftreue- und Vergabegesetz, welches bei Vergabe von Bau- und Dienstleistungsverträgen die Schließung einer Mindestlohnvereinbarung vorsieht . — 2 — Der Senat geht vor dem Hintergrund der Vorbemerkung zur vorliegenden Großen Anfrage davon aus, dass die Fragesteller nach „laufenden Verträgen ,“ d. h. noch gültigen Bau- und Dienstleistungsverträgen, die vor Inkrafttreten des Tariftreue- und Vergabegesetzes am 2. Dezember 2009 bzw. der Heraufsetzung des dort normierten Mindestlohnes am 30. April 2011 von 7,50 ‡/Stunde auf 8,50 ‡/Stunde vergeben worden sind, fragt. Öffentliche Aufträge, die nach dem 30. April 2011 abgeschlossen wurden, enthalten die Verpflichtung des Auftragnehmers zur Zahlung eines Mindestlohns von 8,50 ‡ je Stunde. Der Senat weist darauf hin, dass auch bei den noch in der Ausführung befindlichen Verträgen, die vor den genannten Stichtagen geschlossen wurden , in den häufigsten Fällen davon ausgegangen werden kann, dass die im Rahmen der jeweiligen Auftragsausführung tätigen Beschäftigten dennoch einen Lohn oberhalb eines Stundensatzes von 8,50 ‡ erhalten. Beispielsweise ist dies bei Branchen der Fall, in denen nach den Vorschriften des Arbeitnehmerentsendegesetzes ohnehin ein bundesweiter Mindestlohn gezahlt werden muss. In anderen Branchen, beispielsweise bei den Planungsleistungen oder den Wartungsverträgen, kommt gut qualifiziertes und in der Regel nach Tarif entlohntes Personal zum Einsatz, sodass auch hier eine Mindestlohnunterschreitung nicht zu erwarten ist. Die statistische Erhebung der Altverträge wird vom Senat tabellarisch vorgelegt . Dabei haben die meisten Senatsressorts und der Magistrat der Stadt Bremerhaven auf eine Erfassung von Verträgen verzichtet, deren Vergütung ein jährliches Volumen von 5 000 ‡ nicht erreicht. Es liegt eine große Anzahl solcher Kleinstverträge vor, deren Erhebung zu einem unangemessenen Verwaltungsaufwand geführt hätte. Diese Verträge haben in der Regel Dienstleistungen örtlicher Anbieter zum Gegenstand, deren Beschäftigte gerechnet an ihrer Gesamtarbeitszeit nur einen sehr geringen Bruchteil ihrer Arbeitszeit für den öffentlichen Auftraggeber einsetzen. Dem Senat liegen hierzu nach Abfrage bei den Ressorts und dem Magistrat der Stadt Bremerhaven folgende Erkenntnisse vor: Öffentliche Auftraggeber aus dem Geschäftsbereich der Senatskanzlei Vor 2. Dezember 2009 Vor 30. April 2011 Anzahl Wert (‡/p. a.) Anzahl Wert (‡/p. a.) Veranstaltungsmanagement 0 0 1 12 732,11 Von dem Dienstleiter liegt eine schriftliche Mindestlohnerklärung vor, nach der den festangestellten Beschäftigten und den Aushilfskräften Mindestlohn gezahlt wird. Öffentliche Auftraggeber aus dem Geschäftsbereich der Senatorin für Bildung und Wissenschaft Vor 2. Dezember 2009 Vor 30. April 2011 Anzahl Wert (‡/p. a.) Anzahl Wert (‡/p. a.) Reinigungsdienstleistungen 2 298 675,28 0 0 Öffentliche Auftraggeber aus dem Geschäftsbereich der Senatorin für Finanzen Im Geschäftsbereich der Senatorin für Finanzen (hier: Immobilien Bremen) befinden sich aktuell noch etwa 100 bis 120 Wartungsverträge in der Ausführung . Es handelt sich um Verträge, deren Volumen einen Betrag von 5 000 ‡ p. a. nicht überschreitet. — 3 — Öffentliche Auftraggeber aus dem Geschäftsbereich des Senators für Gesundheit Vor 2. Dezember 2009 Vor 30. April 2011 Anzahl Wert (‡/p. a.) Anzahl Wert (‡/p. a.) Entsorgungsdienstleistungen 1 720 000 0 0 Beförderungsdienstleistungen 1 190 000 0 0 Wäschereidienstleistungen 1 800 000 1 95 000 Gewerke Teilersatzneubau 0 0 7 5 875 975,12 Öffentliche Auftraggeber aus dem Geschäftsbereich des Senators für Inneres und Sport Im Geschäftsbereich des Senators für Inneres und Sport liegen keine Verträge im Sinne der Frage 1 vor. Öffentliche Auftraggeber aus dem Geschäftsbereich des Senators für Justiz und Verfassung Vor 2. Dezember 2009 Vor 30. April 2011 Anzahl Wert (‡/p. a.) Anzahl Wert (‡/p. a.) Reinigungsdienstleistungen 5 8 173,74 0 0 Wartungsdienstleistungen 4 9 523,44 0 0 Entsorgungsdienstleistungen 4 3 893,10 0 0 Sicherheitsdienstleistungen 1 102 482,52 0 0 Notrufsysteme/ Notdienstservice 2 23 924,00 0 0 Transportleistungen 1 7 167,18 0 0 Öffentliche Auftraggeber aus dem Geschäftsbereich des Senators für Kultur Vor 2. Dezember 2009 Vor 30. April 2011 Anzahl Wert (‡/p. a.) Anzahl Wert (‡/p. a.) Reinigungsdienstleistungen 2 143 800 1 126 693,12 Postdienstleistungen 0 0 1 27 100,00 IT-Pflegevertrag 0 0 1 31 298,40 Hinzu kommen einige Verträge über die Pflege von Außenanlagen, ITPflegeverträge und Verträge über Unterhaltsreinigungsleistungen. Die Auftragswerte liegen jeweils unterhalb von 5 000 ‡ p. a. — 4 — Öffentliche Auftraggeber aus dem Geschäftsbereich des Senators für Umwelt, Bau und Verkehr Vor 2. Dezember 2009 Vor 30. April 2011 Anzahl Wert (‡/p. a.) Anzahl Wert (‡/p. a.) Unterstützungsdienstleistungen für die öffentliche Verwaltung 1 11 000 0 0 Öffentliche Auftraggeber aus dem Geschäftsbereich des Senators für Wirtschaft, Arbeit und Häfen Vor 2. Dezember 2009 Vor 30. April 2011 Anzahl Wert (‡/p. a.) Anzahl Wert (‡/p. a.) Gebäude-/ Glasreinigung 11 385 450,97 2 22 372,20 Pflege Außenanlagen 4 69 996,09 1 8 304,84 Entsorgungsdienstleistungen 2 698 793,11 0 Wartungsverträge 9 89 541,40 5 51 896,91 Immobilienbetreuung 4 151 529,00 2 18 731,88 Sicherheitsdienstleistungen 3 48 935,59 0 0 IT-Dienstleistungen /Datenschutz 6 104 753,00 0 0 Planungs-/Beratungs - und freiberufliche Leistungen 12 686 321,00 0 0 Garten- und Landschaftsbau 0 0 5 524 469,53 Malerarbeiten 0 0 1 37 128,10 Lotsenversetzdienst 3 2 800 703,00 0 0 Hinzu kommen einige Verträge über die Pflege von Außenanlagen, Reinigungs - und Entsorgungsverträge, Verträge über Sicherheitsdienstleistungen und diverse Wartungsverträge mit einem Auftragsvolumen von weniger als 5 000 ‡ p. a. Öffentliche Auftraggeber aus dem Geschäftsbereich der Senatorin für Soziales, Kinder, Jugend und Frauen Vor 2. Dezember 2009 Vor 30. April 2011 Anzahl Wert (‡/p. a.) Anzahl Wert (‡/p. a.) Pflege- und Betreuungsleistung 3 144 000 0 0 Fahrdienste 3 149 000 0 0 Softwarewartung 4 77 200 0 0 Warmverpflegung 0 0 1 700 000 — 5 — Vor 2. Dezember 2009 Vor 30. April 2011 Anzahl Wert (‡/p. a.) Anzahl Wert (‡/p. a.) Hygienedienstleistungen 2 20 000 0 0 Reinigungsdienstleistungen 2 82 000 2 53 600 Hausmeisterdienste 1 141 000 0 0 Wartung Kopierer 1 34 300 0 0 Hinzu kommen einige Verträge über Wartungs-, Entsorgungs- und Reinigungsdienstleistungen mit einem Auftragsvolumen von weniger als 5 000 ‡ p. a. Öffentliche Auftraggeber der Stadt Bremerhaven Vor 2. Dezember 2009 Vor 30. April 2011 Anzahl Wert (‡/p. a.) Anzahl Wert (‡/p. a.) Personenbeförderung 10 1 059 895,84 1 45 000 Wartungsleistungen 6 76 980,01 0 0 Entsorgungsdienstleistungen 6 61 738,55 0 0 Sicherheitsdienstleistungen 1 19 494,94 0 0 Gebäudereinigung 4 298 156,15 0 0 Pflege Außenanlagen 3 74 036,12 0 0 Fahrzeugreinigung 2 186 933,54 0 0 Wäschemietservice 1 42 000,00 0 0 Kantinenbetrieb 1 11 368,50 0 0 Hygienedienstleistung 1 7 959,64 0 0 Wasserbeprobung 1 22 816,41 0 0 Hinzu kommen einige Wartungs-, Entsorgungs- und Außenreinigungsverträge mit einem Auftragsvolumen von weniger als 5 000 ‡ p. a. Öffentliche Auftraggeber aus dem Geschäftsbereich der Bevollmächtigten der Freien Hansestadt Bremen beim Bund Im Geschäftsbereich der Bevollmächtigten der Freien Hansestadt Bremen beim Bund liegen keine Verträge im Sinne der Frage 1 vor. 2. Welche Laufzeiten haben diese Aufträge derzeit noch? Bei der Mehrzahl (rd. 60 %) der im Rahmen der Beantwortung von Frage 1 aufgeführten Aufträge handelt es sich um unbefristete Vertragsverhältnisse. Die übrigen Verträge sind zeitlich befristet. Die überwiegende Zahl der befristeten Verträge läuft in den Jahren 2013/2014 aus, die entsprechenden Aufträge müssen dann bei weiterem Vorliegen eines entsprechenden Bedarfs neu ausgeschrieben werden. — 6 — 3. Was hat der Senat bislang unternommen, um auch bei diesen Verträgen die Zahlung des Mindestlohns durchzusetzen? Die Senatsressorts und der Magistrat beabsichtigen, in ihren jeweiligen Geschäftsbereichen sowie im Rahmen ihrer rechtlichen Zuständigkeiten und Befugnisse, eine Ergänzung der laufenden Verträge durch aktuelle Mindestlohnvereinbarungen herbeizuführen. Teilweise sind die öffentlichen Auftraggeber in diesem Bestreben bereits sehr weit fortgeschritten. Die nachträgliche Einbeziehung von Mindestlohnklauseln kann allerdings in Anbetracht der zivilrechtlichen Bindung an die Verträge nur im Einvernehmen mit den Vertragspartnern geschehen. Es ist das Ziel des Senats, die Mindestlohnverpflichtungen nach dem Tariftreue - und Vergabegesetz durch entsprechende Vertragsänderungen schrittweise in alle laufenden Verträge aufzunehmen. Sollten die Verhandlungen im Einzelfall nicht zum Erfolg führen, wäre die Möglichkeit einer Kündigung des jeweiligen Vertrags und eine anschließende Neuausschreibung zu prüfen. 4. Umfasst die Mindestlohnverpflichtung öffentlicher Auftragnehmer auch die Verpflichtung, Erhöhungen des Mindestlohnes gemäß § 9 Landesmindestlohngesetz unverzüglich umzusetzen, oder greifen auch Erhöhungen des Mindestlohnes erst wieder nach Ablauf des Vertrages? Die Mindestlohnvereinbarungen dürfen immer nur die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses geltende Rechtslage wiedergeben. Erhöhungen des Mindestlohnes können daher nicht rückwirkend greifen. Somit entfalten Erhöhungen des Mindestlohnes erst nach Ablauf des jeweiligen Vertrages und der Neuvergabe des Auftrages Wirkung. 5. Wie viele öffentliche Aufträge mit welchem finanziellen Umfang wird es nach Einschätzung des Senats am 30. September 2013 noch geben, bei denen kein Mindestlohn gezahlt wird? Die Antwort ergibt sich aus den Antworten auf die Fragen 1 und 2 auf die insoweit verwiesen wird. In allen Fällen werden die zuständigen Senatsressorts sich weiterhin um eine schnellstmögliche Vertragsanpassung bemühen . II. Anwendungsbereich 6. Wie bewertet der Senat die rechtliche Situation bezüglich der Anwendung des Landesmindestlohngesetzes auf die Aktiengesellschaften, die sich ganz oder mehrheitlich im Besitz der Landes oder der Stadtgemeinden befinden ? Das Landesmindestlohngesetz bindet nur das Land Bremen und die Stadtgemeinden Bremen und Bremerhaven. Es bindet in Ermangelung einer entsprechenden Gesetzgebungskompetenz Bremens nicht die Eigengesellschaften des Landes und der Stadtgemeinden. Die Beschäftigten selbst können aus dem Landesmindestlohngesetz auch keinen eigenen Rechtsanspruch auf Zahlung des Mindestlohnes ableiten. Die Regelung zu den Eigengesellschaften in § 4 Satz 1 Landesmindestlohngesetz bedeutet, dass das Land Bremen und die Stadtgemeinden ihre Einflussmöglichkeiten nutzen, damit in den unmittelbar und mittelbar beherrschten Unternehmen mit mehrheitlicher Beteiligung den Beschäftigten mindestens der Mindestlohn gezahlt wird. Im Fall der Aktiengesellschaften sind die Einflussmöglichkeiten der Anteilseigner äußerst beschränkt. Faktisch gegeben sind diese lediglich über die Hauptversammlung, deren Zuständigkeit jedoch auf die in § 119 Abs. 1 AktG enumerativ genannten Aufgaben begrenzt ist. Von der Mitwirkung an der Führung der laufenden Geschäfte der Aktiengesellschaft ist die Hauptversammlung ausgeschlossen. 7. Welche Möglichkeiten haben Land und Stadtgemeinden in ihrer Eigenschaft als Mehrheitseigentümer, die Einhaltung des Mindestlohnes bei allen Auftragnehmern und Unterauftragnehmern der BLG, der GEWOBA oder der BSAG verbindlich durchzusetzen? — 7 — Die Verpflichtung von Auftragnehmern und Unterauftragnehmern zur Zahlung des Mindestlohnes ist in Bremen nur für den Fall der Vergabe eines öffentlichen Auftrags geregelt. Das Tariftreue- und Vergabegesetz richtet sich dabei unmittelbar an alle öffentlichen Auftraggeber im Land Bremen, auch soweit diese in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft organisiert sind. Damit geht die Pflicht des öffentlichen Auftraggebers einher, mit den Auftragnehmern eine Mindestlohnvereinbarung abzuschließen, welche wiederum zur Vereinbarung des Mindestlohnes mit den Nachunternehmern verpflichtet. Es bedarf daher grundsätzlich keiner weiteren Durchsetzung der Vorschriften des Tariftreue- und Vergabegesetzes gegenüber den Aktiengesellschaften . Allerdings erstreckt sich die Geltung des Tariftreue- und Vergabegesetzes lediglich auf öffentliche Auftraggeber im Sinne des § 98 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB). Dies bedeutet, dass im Fall der bremischen Gesellschaften stets zu prüfen ist, ob die dort normierten Merkmale eines öffentlichen Auftraggebers im Einzelfall erfüllt sind. Für die in der Frage aufgeführten Aktiengesellschaften ist in erster Linie danach abzugrenzen , ob die Gesellschaft im Allgemeininteresse liegende Aufgaben nicht gewerblicher Art erfüllt. Unabhängig von diesen Rechtsfragen verfolgt der Senat das Ziel, auch bei den Mehrheitsaktiengesellschaften eine möglichst weitgehende Umsetzung des Tariftreue- und Vergabegesetzes zu erreichen. 8. Inwieweit lassen sich die eventuellen Hinderungsgründe für eine Durchsetzung des Mindestlohnes bei den Aktiengesellschaften ausräumen, wenn a) Land oder Stadtgemeinden 100 % der Aktien halten würden, b) die betreffenden Gesellschaften in GmbH umgewandelt würden? Zu a) Auch eine 100-%-ige Beherrschung einer Aktiengesellschaft durch das Land oder die Stadtgemeinden ändert nichts an den in der Beantwortung zu Frage 6 dargestellten Schranken. Zu b) Falls die bremischen Aktiengesellschaften in GmbH umgewandelt werden sollten, ändern sich die rechtlichen Möglichkeiten zwar nicht im Grundsatz, allerdings haben die Gesellschafter einer GmbH faktisch einen größeren Einfluss auf die Geschäftsführung als im Fall einer Aktiengesellschaft. III. „Mischtätigkeit“ 9. Wie bewertet der Senat die Lesart, dass auch Aufträge an Unternehmen vergeben werden können, die keinen Mindestlohn zahlen, wenn lediglich die Kalkulation des öffentlichen Auftrags der Mindestlohnvorgabe entspricht und die Beschäftigten einen Aufschlag erhalten, der den Anteil des öffentlichen Auftrags am Gesamtumsatz spiegelt? 10. Welche Möglichkeiten sieht der Senat, diese Gesetzeslücke zu schließen, sodass öffentliche Aufträge tatsächlich nur von Unternehmen ausgeführt werden, die ihren Beschäftigten den Mindestlohn bezahlen? Im Falle sogenannter Mischtätigkeiten werden sowohl öffentliche als auch private Aufträge gleichzeitig ausgeführt. Derartige Mischtätigkeiten kommen insbesondere bei der Beauftragung von Postdienstleistungen vor und sind vor dem Hintergrund der in dieser Branche bestehenden Arbeitsabläufe kaum zu vermeiden. Eine Schaffung von Doppelstrukturen in den Unternehmen , bei welchen die Bearbeitung öffentlicher und privater Aufträge technisch und personell getrennt zu erfolgen hätte wäre überdies ökonomisch nicht zumutbar und rechtlich nicht vertretbar. Die bei „Mischaufträgen“ geltende Praxis der Erhöhung der Bezüge der mit der Erbringung des Mischauftrages betrauten Beschäftigten entsprechend dem öffentlichen Anteil am Gesamtumsatz basiert nicht auf einer etwaigen Gesetzeslücke, sondern ergibt sich aus dem geltenden Vergaberecht , welches bei der Ausstellung von Vergabekriterien einen Auftragsbezug fordert. Für Tätigkeiten, die keinen Bezug zum Auftrag haben, z. B. — 8 — gleichzeitiges Ausliefern privater Post darf eine Verpflichtung zur Zahlung des Mindestlohnes nicht gefordert werden. Denn dies würde letztlich bedeuten , dass ein Postdienstleister einen öffentlichen Auftrag nur noch dann erhielte, wenn er generell nur Stundenlöhne von mindestens 8,50 ‡ zahlte, was als unzulässige Eignungsanforderung einzustufen wäre. 11. Wie viele öffentliche Aufträge mit welchem finanziellen Umfang bestehen derzeit, bei denen (direkt oder indirekt) Auftragnehmer beauftragt werden, die Beschäftigte zu Löhnen unterhalb des Mindestlohns beschäftigen? Hinsichtlich der hier insbesondere gegenständlichen Postdienstleistungen sind die Senatsressorts sowie deren nachgeordneten Dienststellen an einen vom Eigenbetrieb Performa Nord ausgeschriebenen Dienstleistungsvertrag angebunden. Da dieser oberhalb der Schwelle für EU-weite Ausschreibungen im Dienstleistungsbereich liegt, finden die Regelungen über den bremischen Mindestlohn auf ihn keine Anwendung. Die übrigen in Bremen und Bremerhaven tätigen öffentlichen Auftraggeber versenden ihre Post im Tagesgeschäft, ohne einen Rahmenvertrag abgeschlossen zu haben. Daneben sind dem Senat drei Aufträge aus dem Geschäftsbereich des Magistrats bekannt, bei welchen es um die Erbringung von „Mischtätigkeiten“ (Postdienstleistung, Textilreinigung) geht, diese haben insgesamt einen Wert von rd. 321 050 ‡ p. a. IV. Zuwendungsempfänger 12. Wie viele öffentliche Zuwendungen mit welchem finanziellen Umfang bestehen derzeit, bei denen Beschäftigte zum Einsatz kommen, die keinen Mindestlohn erhalten? Seit Inkrafttreten des Landesmindestlohngesetzes am 1. September 2012 gewähren Land und Stadtgemeinden Zuwendungen im Sinne von § 23 der Landeshaushaltsordnung nur dann, wenn sich die Empfänger verpflichten, ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mindestens den Mindestlohn von 8,50 ‡ zu zahlen. Eine solche Verpflichtung wird auch als Nebenbestimmung zum Gegenstand des Zuwendungsbescheides selbst. Vor Inkrafttreten des Landesmindestlohngesetzes wurden Zuwendungen zwar unabhängig von der Zahlung eines Mindestlohnes gewährt. Auf Grundlage dieser Zuwendungsbescheide wurden im Wesentlichen aber nur Zahlungen bis zum Ende des jeweiligen Haushaltsjahres geleistet, also bis spätestens zum Ende des Jahres 2013. In Bremen bestehen daher nur noch insgesamt neun laufende Zuwendungen , welche vor Inkrafttreten des Landesmindestlohngesetzes gewährt worden sind. Die Zuwendungen hatten zum Zeitpunkt der Bewilligung einen finanziellen Umfang von insgesamt 11 310 250 ‡. 13. Mit wie vielen Zuwendungsempfängern wurden Nachvereinbarungen zu laufenden Verträgen abgeschlossen, durch die nachträglich die Unterzeichnung einer Mindestlohnverpflichtung erreicht wurde? Ab wann galten diese Vereinbarungen bzw. ab wann wurde tatsächlich der Mindestlohn gezahlt ? Wurde dies auch rückwirkend zum 1. September 2012 gewährleistet ? Da die Zuwendungen durch inzwischen bestandskräftige Zuwendungsbescheide gewährt worden sind, besteht für den Abschluss von „Nachvereinbarungen “ kein Raum. Eine nachträgliche Änderung der Bescheide wäre unzulässig. 14. Umfasst die Mindestlohnverpflichtung der öffentlichen Zuwendungsempfänger auch die Verpflichtung, Erhöhungen des Mindestlohnes gemäß § 9 Landesmindestlohngesetz unverzüglich umzusetzen, oder greifen auch Erhöhungen des Mindestlohnes erst wieder nach Ablauf des Vertrages? 15. In welcher Weise werden den Zuwendungsempfängern Mehrkosten ausgeglichen , die durch eine Erhöhung des Mindestlohns ab dem 30. September 2013 entstehen werden? Die Erhöhung des Mindestlohnes wird von Zuwendungsgebern in Bremen und Bremerhaven nach dem Stichtag der Erhöhung bei dem Erlass neuer — 9 — Zuwendungsbescheide zu beachten sein. Bereits bekannt gegebene Zuwendungsbescheide werden von der Änderung nicht mehr betroffen. Aus diesem Grund entstehen Zuwendungsnehmern auch keine automatischen Mehrkosten, die aufgrund einer nachträglichen Erhöhung des Mindestlohnes ausgeglichen werden müssten. V. Perspektive 16. Welche Weiterentwicklung und gegebenenfalls Novellierung des Mindestlohngesetzes plant der Senat derzeit, bzw. welche Handlungsbedarfe sieht der Senat, um Lücken zu schließen, die bei der Umsetzung des Mindestlohngesetzes deutlich geworden sind? Der Senat hat weder die Absicht noch die Befugnisse, in bestehende Verträge oder bestandskräftige Zuwendungsbescheide einzugreifen. Auch durch Landesgesetz können solche Befugnisse nicht geschaffen werden. Ebenso kann der Auftragsbezug bei Abschluss von Mindestlohnvereinbarungen nicht aufgehoben werden, sodass es weiterhin Mischtätigkeiten geben wird. Es bestehen daher keine „Lücken“, die durch den bremischen Gesetzgeber geschlossen werden könnten. Eine allumfassende Sicherstellung eines für die Beschäftigten auskömmlichen Mindestlohnes stellt allein die Einführung eines flächendeckenden, gesetzlichen Mindestlohnes durch Bundesgesetz dar. Hierfür wird sich der Senat weiterhin auf der Bundesebene einsetzen. Die Freie Hansestadt Bremen hat mit der Verabschiedung des Tariftreueund Vergabegesetzes und des Landesmindestlohngesetzes alle auf Landesebene möglichen Schritte getan, um einen Mindestlohn gesetzlich zu verankern . Das Land Bremen ist damit weiter gegangen als alle anderen Bundesländer . Druck: Anker-Druck Bremen